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  • 09.04.2013 · IWW-Abrufnummer 131121

    Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 14.01.2013 – 2 A 10626/12

    1.

    Die Aufstellung und Praktizierung von Überstunden, die durch bloßen Eintrag von Arbeitszeiten in einem Dienstplan entstanden sind, kann einer Anordnung von Mehrarbeit im Sinne des § 73 Abs. 2 LBG grundsätzlich nicht gleichgesetzt werden.
    2.

    Die rückwirkende Gewährung eines finanziellen Ausgleichs für geleistete Zuvielarbeit eines Beamten, die nicht auf einem europarechtlichen Rechtsgrund beruht, setzt einen zeitnahen, d. h. noch im gleichen Haushaltsjahr gestellten Antrag des Betroffenen voraus (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29/11 -).


    OVG Rheinland-Pfalz, 14.01.2013

    2 A 10626/12.OVG

    In dem Verwaltungsrechtsstreit
    ...,
    - Kläger und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigter: DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Saarbrücken vertr.d.d. Rechtssekretäre Susanne Theobald u.a., Fritz-Dobisch-Straße 5, 66111 Saarbrücken,
    gegen
    das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten des Polizeipräsidiums Trier, Salvianstraße 9, 54290 Trier,
    - Beklagter und Berufungsbeklagter -
    wegen Vergütung von Mehrarbeit
    hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2013, an der teilgenommen haben
    Präsident des Oberverwaltungsgerichts Dr. Brocker
    Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski
    Richter am Oberverwaltungsgericht Steinkühler
    ehrenamtliche Richterin pharm.-techn. Assistentin Balthasar-Schäfer
    ehrenamtlicher Richter Angestellter Emrich
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.
    Tatbestand

    Der Kläger begehrt die Vergütung der von ihm in der Vergangenheit geleisteten Überstunden.

    Der 1952 geborene Kläger stand als Polizeihauptkommissar, zuletzt in der Besoldungsgruppe A 11, im Dienst des Beklagten und verrichtete bis zu seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand seinen Dienst als Leiter der Diensthundegruppe der Polizeidirektion W. Vom 1. April 2009 bis zu seiner Pensionierung am 1. November 2010 war der Kläger ununterbrochen dienstunfähig erkrankt. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich auf seinem Arbeitszeitkonto insgesamt 341 Mehrarbeitsstunden der Kategorie "MAU" (sog. unbezahlbare Mehrarbeit) angesammelt, die in den Jahren zuvor aufgrund von ihm geleisteter Überstunden angefallen waren.

    Vor seiner dauerhaften Erkrankung sowie der sich daran anschließenden Zurruhesetzung wies das Arbeitszeitkonto Kläger folgende Summen von Mehrarbeitsstunden der Kategorie "MAU" auf:

    Zum 1. Januar 2007: 679:30 Stunden,

    zum 1. Januar 2008: 709:30 Stunden,

    zum 1. Januar 2009: 578:30 Stunden und

    zum 1. April 2009: 341:00 Stunden.

    Am 14. Oktober 2010 beantragte der Kläger die Vergütung der verbliebenen 341 Mehrarbeitsstunden, weil er aufgrund der bevorstehenden Ruhestandsversetzung keinen Freizeitausgleich mehr in Anspruch nehmen könne.

    Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Dezember 2010 ab; der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Daraufhin erhob er die vorliegende Klage, mit der er sein Begehren auf finanziellen Ausgleich der von ihm geleisteten Dienststunden weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, dass die nach den beamtenrechtlichen Vorgaben erforderlichen Voraussetzungen in seinem Fall vorlägen, weil er die Mehrarbeit nicht durch Freizeit habe ausgleichen können. Zudem berufe er sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Dienstherr habe seine Treuepflicht verletzt, weil er nicht nur in speziellen Ausnahmesituationen, sondern regelmäßig und über einen langen Zeitraum hinweg durch die Ausgestaltung der Dienstpläne Mehrarbeit de facto angeordnet habe. Überstundenstände von mehreren Hundert Stunden seien in der Diensthundestaffel keine Seltenheit gewesen. Bereits aus der regelmäßigen Verwendung von Haushaltsüberschüssen zur Abgeltung dieser Mehrarbeit werde deutlich, dass ein Freizeitausgleich nicht möglich gewesen sei. Seine Ansprüche seien auch nicht verjährt. Es sei davon auszugehen, dass im Rahmen des ihm in den letzten Jahren gewährten Freizeitausgleichs stets zunächst der jeweils älteste Mehrarbeitsbestand abgebaut worden sei. Verjährung könne darüber hinaus erst eintreten, wenn der zugrunde liegende Anspruch fällig sei. Da es beim Beklagten aber keine Vorgaben für die Abrechnung von Mehrarbeitsstunden gegeben habe, könne nur der Tag des Eintritts der Dienstunfähigkeit maßgeblich sein. Schließlich verstoße die Nichtgewährung einer Mehrarbeitsvergütung gegen europäisches Recht.

    Der Kläger hat beantragt,

    den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 20. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2012 zu verpflichten, ihm für 341 geleistete Mehrarbeitsstunden Mehrarbeitsvergütung auf der Grundlage der Mehrarbeitsvergütungsverordnung zu gewähren.

    Der Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Nach seiner Auffassung ist eine finanzielle Vergütung für Mehrarbeit nur möglich, wenn diese für mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus dienstlich angeordnet und genehmigt worden sei und die Mehrarbeitsstunden aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Freizeitausgleich abgegolten werden könnten. Der Kläger habe vor seiner Erkrankung jedoch keinen Antrag auf Freizeitausgleich gestellt, der aus dienstlichen Gründen abgelehnt worden sei. Vielmehr sei er nur wegen seiner Erkrankung und damit aus persönlichen Gründen vor seiner Ruhestandsversetzung nicht mehr in der Lage gewesen, Freizeitausgleich in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus hätte der Kläger selbst dann keinen Mehrarbeitsvergütungsanspruch geltend machen können, wenn er im Dienst geblieben wäre. Die von ihm geleistete Mehrarbeit falle nämlich nicht unter die laut Schreiben des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur vom 12. März 1998 vergütungsfähigen Mehrarbeitsstunden. Auch die beim Polizeipräsidium Trier angewandte und im Wege einer Mitarbeiterinformation bekannt gemachte Regel, wonach Mehrarbeitsstunden vergütet werden könnten, wenn in einem mehr als achtzehn Monate zurück liegenden Zeitraum mehr als 400 Überstunden entstanden seien und am Ende eines Haushaltsjahres entsprechende Überschüsse zur Verfügung stünden, finde keine Anwendung, da der Kläger weniger als 400 Mehrarbeitsstunden aufzuweisen habe. Der Kläger habe zudem in den Jahren 2008 und 2009 in erheblichem Umfang Mehrarbeit durch Freizeitausgleich abgebaut. Ein weiterer Abbau sei nur wegen seiner Erkrankung nicht mehr möglich gewesen. Die verbliebene, nicht abgebaute Mehrarbeit sei im Wesentlichen im Zeitraum vor 2007 entstanden. Diesbezüglich seien Ausgleichsansprüche zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits verjährt. Auch ein Verstoß gegen das europäische Recht sei nicht gegeben. Die Auswertung der Dienstpläne des Klägers habe gezeigt, dass er die europarechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden auch unter Einbeziehung der geleisteten Mehrarbeitsstunden in keinem Fall überschritten habe.

    Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 8. Mai 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger könne die Vergütung von erbrachter Mehrarbeit nicht verlangen, weil die beamtenrechtlichen Voraussetzungen einer Mehrarbeitsvergütung nicht erfüllt seien. Insbesondere sei ein Freizeitausgleich nicht aus zwingenden dienstlichen, sondern vielmehr aus in der Person des Klägers liegenden Gründen nicht möglich gewesen. Darüber hinaus habe er seine Ansprüche nicht zeitnah geltend gemacht. Für die Zeit vor dem 1. Januar 2007 seien etwaige Vergütungsansprüche ohnehin verjährt. Ein Verstoß gegen europäisches Recht liege nicht vor. Die vom Kläger für seine Rechtsauffassung herangezogenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs seien nicht einschlägig.

    Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen ergänzt und vertieft. Er hält an seiner Rechtsauffassung fest und begehrt nach wie vor eine Vergütung der von ihm erbrachten Mehrarbeit. Für diese habe ein dringender dienstlicher Bedarf bestanden, weil aufgrund der Notwendigkeit von gewissen Schichtbesetzungen zwangsläufig Mehrarbeitsstunden aufgelaufen seien. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der einfachgesetzlichen Vorschriften verstoße gegen europäische Richtlinien. Diese könnten auch nicht durch eine gängige Verwaltungspraxis, wie sie in dem vom Beklagten herangezogenen Erlass ihren Ausdruck gefunden habe, unterlaufen werden.

    Der Kläger beantragt,

    das Urteil des Verwaltungsgerichts Tier vom 8. Mai 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 20. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2012 zu verpflichten, ihm für 341 geleistete Mehrarbeitsstunden Mehrarbeitsvergütung auf der Grundlage der Mehrarbeitsvergütungsverordnung zu gewähren.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er verteidigt die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die er auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens für zutreffend hält.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, den vorgelegten Verwaltungsvorgang (2 Heftungen) sowie den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
    Entscheidungsgründe

    Die Berufung hat keinen Erfolg.

    Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung. Ein solcher Anspruch folgt weder aus beamtenrechtlichen Vorschriften (1.) noch aus dem allgemein geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (2.). Auch der europarechtliche Staatshaftungsanspruch bei einer Heranziehung von Beamten über die höchstzulässige Wochenstundenzahl hinaus gibt dem Kläger keinen derartigen Zahlungsanspruch (3.).

    1. Die maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Mehrarbeitsvergütung gemäß § 73 Abs. 2 Landesbeamtengesetz - LBG - in der ab 1. Juli 2012 geltenden Fassung (inhaltsgleich § 80 Abs. 2 LBG a. F.) i. V. m. der Landesmehrarbeitsvergütungsverordnung vom 3. Juli 2012 - LMVergVO - sind nicht erfüllt. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 LBG ist der Beamte grundsätzlich verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern. Die Mehrarbeit muss allerdings gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 LBG angeordnet oder genehmigt werden und zudem auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Ein Ausgleich der Mehrarbeit hat dann regelmäßig durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres zu erfolgen, wenn der Beamte durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wurde. Nur wenn die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, kann stattdessen nach Maßgabe der besoldungsrechtlichen Vorschriften eine Vergütung gezahlt werden (§ 73 Abs. 2 Satz 3 LBG). Hiervon ausgehend legt auch die hierzu erlassene Rechtsverordnung in § 3 Abs. 1 LMVergVO unter anderem fest, dass eine Mehrarbeitsvergütung nur gewährt wird, wenn die Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden kann.

    Entsprechend dem aus den vorstehenden Regelungen deutlich werdenden Charakter der Mehrarbeitsvergütung, die eine eng begrenzte Ausnahme von der Verpflichtung des Beamten darstellt, bei zwingenden dienstlichen Erfordernissen über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus auch ohne Entschädigung Dienst zu verrichten, soll sie lediglich einen vorübergehenden außergewöhnlichen Bedarf decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 35/02 -, Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 39; OVG RP, Urteil vom 7. März 2007 - 2 A 10071/07.OVG -, LKRZ 2007, 238 und [...]). Eine generelle "Kommerzialisierung" von Mehrarbeit soll dagegen vermieden werden. Daher hat sich die Anordnung von Mehrarbeit gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 LBG auf Ausnahmefälle zu beschränken. Die Aufstellung und Praktizierung eines Dienstplans kann der Anordnung von Mehrarbeit im Sinne des § 73 Abs. 2 LBG grundsätzlich nicht gleichgesetzt werden. Seine dahingehende Ermessensentscheidung muss der Dienstherr vielmehr durch Verwaltungsakt unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände treffen. Dabei hat er zu prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt eine Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 35/02 -, a.a.O.). Wegen des in § 73 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LBG und § 3 Abs. 1 Nr. 4 LMVergVO normierten Vorrangs von Freizeitausgleich und der zusätzlichen finanziellen Belastung des Dienstherrn durch Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung für den Fall, dass Freizeitausgleich wegen zwingender dienstlicher Belange nicht gewährt werden kann, ist es außerdem geboten, bereits bei der Anordnung oder Genehmigung der Mehrarbeit zu prüfen, ob die Mehrarbeit voraussichtlich durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden kann.

    Die vom Kläger geleisteten Stunden genügen mit Blick auf die Gründe, die Häufigkeit und die Art und Weise ihrer Anordnung bereits nicht den so definierten Anforderungen an Mehrarbeit im gesetzlichen Sinne. Der in Rede stehende Dienst wurde vom Beklagten zwar genehmigt, jedoch nur auf den Dienstplänen und nicht in Form eines Verwaltungsakts. Hatten die Beamten der Diensthundestaffel der Polizeidirektion W. außerdienstplanmäßig Dienst geleistet, so trugen sie - wie auch der Kläger - die entsprechenden Stunden im Arbeitszeiterfassungssystem ein. Danach wurden sie vom Vorgesetzten genehmigt und sodann dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Eine Anordnung von Mehrarbeit im Ausnahmefall (vgl. § 73 Abs. 2 Satz 2 LBG) ist hierin nicht zu sehen, allenfalls eine allgemeine Duldung von Überstunden.

    Die Bezeichnung und Einordnung dieser Überstunden als - dem vorstehend dargestellten Charakter entsprechend ausdrücklich so bezeichnete - "unbezahlbare" Mehrarbeit durch den Beklagten erfolgte auf der Grundlage des einschlägigen Rundschreibens des Ministeriums des Innern und für Sport vom 12. März 1998 (Bl. 29 ff. VA). Danach sollte eine Vergütung von Mehrarbeit nur vorgenommen werden bei besonderen Anlässen, bei denen zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit einer Organisationseinheit die Leiter der Polizeibehörden und -einrichtungen im Rahmen ihres Budgets eine finanzielle Vergütung ausnahmsweise anordnen oder genehmigen, bei Einsätzen aus besonderen Anlässen, zu deren Bewältigung die Verwendung geschlossener Polizeieinheiten erfolgt und bei Einsätzen von Spezialeinsatzkommandos und Mobilen Einsatzkommandos. Hierunter fielen die Anlässe für die vom Kläger angehäuften Mehrarbeitsstunden (u. a. an einzelnen Tagen mehrere Stunden für "Hundepflege") jedoch ersichtlich nicht.

    Ob es dem Beklagten zustand, im Wege eines bloßen Rundschreibens den Bereich vergütungsfähiger Mehrarbeit über die Vorgaben des § 73 Abs. 2 LBG und der Mehrarbeitsvergütungsverordnung hinaus einzugrenzen, kann dahinstehen. Denn unabhängig von der vom Kläger insoweit problematisierten Frage, ob alle oder wenigstens ein Teil der von ihm geltend gemachten Stunden als Mehrarbeit im Sinne der Landesmehrarbeitsvergütungsverordnung einzustufen sind, kann eine sich hierauf beziehende Mehrarbeitsvergütung nur dann geleistet werden, wenn im Einzelnen nachgewiesen ist, dass ein Ausgleich der schriftlich angeordneten oder genehmigten Mehrarbeit durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich war. Dies hat der Kläger vorliegend jedoch nicht nachgewiesen, was im Einzelnen bereits das Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeitet hat. Hierauf wird zur Vermeidung von überflüssigen Wiederholungen verwiesen.

    Der Senat stimmt insbesondere der Einschätzung der Vorinstanz zu, nach der keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kläger sich vor dem Jahr 2008 um Freizeitausgleich bemüht oder einen dahingehenden Antrag gestellt hat. Im Gegenteil hat der Kläger zwischen Januar 2008 und März 2009 seinen Mehrarbeitsbestand um etwa die Hälfte der zuvor aufgelaufenen Mehrarbeitsstunde verringert, so dass jedenfalls während dieses Zeitraums die Gewährung von Dienstbefreiung vom Beklagten ganz offensichtlich nicht aus zwingenden dienstlichen Gründen abgelehnt worden ist. Die sodann eingetretene Unmöglichkeit des weiteren Abbaus von Überstunden ist demgegenüber ausschließlich auf die Erkrankung und anschließende Zurruhesetzung des Klägers und damit nicht auf dienstliche Gründe zurückzuführen. Die Ursache für das Unmöglichwerden eines weiteren Abbaus der Überstunden durch Freizeitausgleich fällt eindeutig in die Risikosphäre des Klägers, nicht aber in die des Beklagten.

    2. Eine weitere Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Zahlung einer Vergütung für den von ihm geleisteten Dienst, die wegen der strengen Gesetzesbindung der Besoldung von Beamten (vgl. § 2 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz) unabdingbare Voraussetzung für eine finanzielle Ausgleichszahlung an Beamte ist, besteht nicht.

    Soweit es sich bei den vom Kläger geleisteten Stunden nicht um Mehrarbeit, sondern um über die in § 2 Abs. 1 Arbeitszeitverordnung bestimmte regelmäßige Dienstzeit hinaus hingenommene Zuvielarbeit handelt, kann der Kläger finanzielle Ausgleichsansprüche nicht mit Erfolg geltend machen. Zwar hätte der Dienstherr einer eventuellen Missachtung beamtenrechtlicher Arbeitszeitbestimmungen mit geeigneten Maßnahmen entgegentreten müssen. Denn der Dienstherr darf nicht auf Dauer einen Teil seines Personalbedarfs durch die Heranziehung der Beamten zur Dienstleistung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 35/02 -, a.a.O.; OVG RP, Urteil vom 7. März 2007 - 2 A 10071/07.OVG -, a.a.O.). Sollte vorliegend also die kontinuierliche Erbringung von Zuvielarbeit auf eine mangelhafte Personalbedarfsdeckung des Beklagten und der sich daraus ergebenden Dienstplangestaltung beruhen, hätte der Kläger seinerzeit eine rechtmäßige Dienstplangestaltung einfordern und notfalls gerichtlich zu erzwingen versuchen müssen.

    Auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 45 Satz 1 Beamtenstatusgesetz) lässt sich die beanspruchte finanzielle Abgeltung eines nicht realisierten Freizeitausgleiches nicht stützen. Aus der Fürsorgepflicht ergeben sich nur dann Leistungsansprüche, wenn andernfalls die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Den Wesenskern der Fürsorgepflicht können allenfalls unzumutbare Belastungen des Beamten berühren (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 -, BVerwGE 112, 308). Von einer solchen unzumutbaren Belastung kann jedoch keine Rede sein, wenn die gesamte Wochenarbeitszeit des Beamten - wie hier - deutlich unter der gesetzlich höchstzulässigen Zahl von 48 Stunden bleibt.

    Ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich für geleisteten Dienst könnte sich somit allenfalls aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz gilt auch im öffentlichen Recht, insbesondere im Beamtenrecht. Er vermag in dem engen, auf Dauer angelegten Rechtsverhältnis, in dem Dienstherr und Beamter verbunden sind, die nach der jeweiligen Interessenlage gebotenen Nebenpflichten zu begründen. Im Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten hat der Grundsatz von Treu und Glauben danach die Pflicht zum Ausgleich der Zuvielarbeit entstehen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -, Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 sowie Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32/10 -, BVerwGE 140, 351).

    Der Anspruch auf zeitlichen oder finanziellen Ausgleich für Zuvielarbeit muss allerdings vom Beamten gegenüber seinem Dienstherrn ausdrücklich geltend gemacht werden. Ein Ausgleich kommt nur für Zuvielarbeit in Betracht, die der Beamte nach entsprechender Antragstellung leisten muss. Ein Ausgleich der vorher erbrachten Zuvielarbeit ist unabhängig davon, ob der Anspruch verjährt ist oder nicht, nicht angemessen und würde dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen. Dies folgt aus der sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Pflicht, auch im Rahmen eines Ausgleichs für rechtswidriges Verhalten auf die Belange des Dienstherrn Rücksicht zu nehmen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich auf die gegen ihn erhobenen Ansprüche einzustellen. Der Dienstherr hat ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit hohen Ausgleichsforderungen belastet zu werden. Auch der Zweck des Anspruchs, durch Freizeitausgleich die besonderen gesundheitlichen Belastungen der Zuvielarbeit auszugleichen, spricht für das Erfordernis einer Geltendmachung im zeitlichen Zusammenhang mit der Belastung. Hiervon unabhängig ist es einem Beamten in dem von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägten gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnis zu seinem Dienstherrn zuzumuten, seinem Begehren auf Gewährung von zeitlichem Ausgleich frühzeitig Ausdruck zu verleihen, zumal an einen solchen Antrag keine hohen Anforderungen zu stellen sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 -, a.a.O.). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts zum Erfordernis der Geltendmachung von Besoldungsansprüchen innerhalb des jeweils laufenden Haushaltsjahres (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990, BVerfGE 81, 363 [BVerfG 22.03.1990 - 2 BvL 1/86] [385] sowie Beschluss vom 24. November 1998, BVerfGE 99, 300 [330]; BVerwG, Urteil vom 21. September 2006, NVwZ 2007, 342). An dieser ständigen Rechtsprechung der Verfassungs- und Verwaltungsgerichte, die auch derjenigen des Senats entspricht (Beschlüsse vom 20. Dezember 2007 - 2 A 10882/07.OVG -, vom 10. März 2008 - 2 A 10078/08.OVG - und vom 13. Dezember 2012 - 2 A 10524/12.OVG -) hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner, vom Kläger für sein Begehren unter anderem herangezogenen, Entscheidung vom 26. Juli 2012 (2 C 29/11, [...], dort Rn. 26) ausdrücklich festgehalten.

    Vorliegend hat der Kläger bis zum 14. Oktober 2010 keinen solchen Antrag gestellt. Zwar hat er ab Anfang des Jahres 2008 begonnen, seine Überstunden - sogar in einem ganz erheblichen - Umfang abzubauen. In dem Jahr vor seiner Erkrankung (1. April 2008 bis 31. März 2009) hatte er sein Arbeitszeitkonto nämlich bereits um 335 Stunden reduziert. Auch im Haushaltsjahr 2009 leistete der Kläger keine sog. "MAU-Stunden" mehr, sondern verringerte die seinem Arbeitszeitkonto gutgeschriebenen Stunden weiterhin. Einen finanziellen Ausgleich hat er indessen selbst in diesem Jahr nicht beantragt. Dass er die verbliebenen Stunden nicht mehr abbauen konnte, liegt ausschließlich an seiner Erkrankung und der sich daran unmittelbar anschließenden Zurruhesetzung. Diese Umstände dürfen - wie bereits dargelegt - nicht zu Lasten des Dienstherrn gehen.

    Ob hinsichtlich der bis zum 31. Dezember 2006 aufgelaufenen Überstunden im Zeitpunkt der Beantragung einer Vergütung durch den Kläger am 14. Oktober 2010 bereits Verjährung eingetreten war, braucht aus diesen Gründen nicht entschieden zu werden.

    3. Europäisches Gemeinschaftsrecht gibt dem Kläger schließlich gleichfalls keinen Anspruch auf Zahlung der verlangten Vergütung. Die von ihm für sein Begehren herangezogene Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sowie die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 3. Mai 2012, Az.: C-337/10, [...]) sind ersichtlich nicht einschlägig, weil es vorliegend nicht um eine Mehrarbeit über die nach Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG festgesetzte durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum von 48 Stunden hinaus geht. Mithin scheidet die genannte Bestimmung vorliegend als Grundlage eines denkbaren Staatshaftungsanspruchs (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß -, NZA 2011, 53 [EuGH 25.11.2010 - Rs. C-429/09]) aus.

    Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs über die finanzielle Abgeltung von nicht genommenem Jahresurlaub (Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06, Schultz-Hoff, und C-520/06, Stringer -, Slg. 2009, I-179; Urteil vom 3. Mai 2012 - C-337/10 -, NVwZ 2012, 688) ist auf die Unmöglichkeit der Inanspruchnahme eines durch Mehrarbeit erworbenen Freizeitausgleichsanspruchs nicht übertragbar. Nach dieser Rechtsprechung ist Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass ein Beamter bei Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub hat, den er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst geleistet hat.

    Art. 6 RL 2003/88/EG, der Bestimmungen zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit enthält, regelt im Gegensatz zu Art. 7 der Richtlinie allein arbeitsschutzrechtliche Aspekte, jedoch keine Vorgaben hinsichtlich Art und Umfang einer aufgrund von rechtlich unzulässiger Zuvielarbeit zu leistenden Kompensation. Ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich ist in der Richtlinie mit Blick auf arbeitszeitrechtliche Fragen von vornherein nicht angelegt. Enthält die Richtlinie mithin schon keine Vorgaben zur Kompensation von Überschreitungen der europarechtlich vorgegebenen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden, so ergibt sich ein solcher Anspruch erst recht nicht im Hinblick auf Überschreitungen der nationalrechtlich bestimmten Regelarbeitszeit, die - wie hier - erkennbar unterhalb der europarechtlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit bleiben.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708, 709 Zivilprozessordnung.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe in der in § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 Beamtenrechtsrahmengesetz genannten Art nicht vorliegen.
    Streitwertbeschluss:

    Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz auf 5.960,68 Euro festgesetzt.

    RechtsgebieteLBG, LMVergVOVorschriften§ 73 Abs. 2 LBG § 3 Abs. 1 Nr. 4 LMVergVO