· Fachbeitrag · Editorial AK 10/2021
Wenn der Anwalt für seinen Mandanten über das Ziel hinausschießt, besteht ein Haftungsrisiko!
| Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ein Rechtsanwalt von der Gegenseite seines Mandanten persönlich als Störer in Anspruch genommen wird, ist die Ausnahme. Doch möglich ist diese Inanspruchnahme insbesondere, wenn das anwaltliche Tätigwerden in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Gegenseite eingreift und dadurch ein Schaden entsteht. |
Speziell, aber gar nicht so selten ist dies im Medienrecht der Fall: Hier gibt es einige Kanzleien, die Medienunternehmen oder Blogger mit „presserechtlichen Informationsschreiben“ darauf aufmerksam machen, dass eine bestimmte Berichterstattung über einen Prominenten nicht erwünscht ist. Solche Schreiben werden auch schon im Vorfeld versandt, ohne dass es bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt Überlegungen zu einer Berichterstattung gab. Die Informationen enthalten auch keine konkrete Auseinandersetzung mit Rechtsfragen, sondern vertreten überwiegend nur Meinungen und dienen hauptsächlich der Einschüchterung.
Immer mehr Medienunternehmen und Journalisten widersprechen daher der Zusendung solcher Schreiben ohne konkreten Bezug. Auch der BGH übt deutliche Kritik an dieser Anwaltspraxis (15.1.19, VI ZR 506/17): Zwar greife nicht jedes Schreiben in den Gewerbebetrieb ein. „Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt werden.“ Diese Auffassung hatte der BGH bereits zum Wettbewerbsrecht vertreten (1.12.15, X ZR 170/12).
Jetzt hat das OLG München eine einstweilige Verfügung bestätigt, indem einer bekannten Berliner Medienkanzlei als unmittelbarem Störer die Versendung solcher Informationsschreiben an Medien untersagt wurde (2.7.21, 18 U 988/21). Dabei bejahten die Richter klar eine eigene Haftung und Verantwortung des Rechtsanwalts, auch wenn dieser eine bekannte Moderatorin vertreten hatte. Der Gegenstandswert wurde auf 50.000 EUR festgelegt.
Fazit und Vorsicht: Wenn der Rechtsanwalt für seine Mandanten über das Ziel hinausschießt, kann für ihn durchaus ‒ und nicht nur im Medien- und Wettbewerbsrecht ‒ die Gefahr bestehen, selbst in die Haftung genommen zu werden.
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Martin W. Huff