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  • · Fachbeitrag · Kanzleiorganisation

    Wann Sie welche Dokumente vernichten können

    von Christian Noe B. A., Göttingen

    | Handakten und Dokumente der Buchhaltung müssen Anwälte unterschiedlich lange aufbewahren, auch wenn letztere direkt in der Handakte stecken. Dies gibt das anwaltliche Berufsrecht vor. Der Anspruch eines Mandanten allerdings, Akten an ihn herauszugeben, verjährt schon nach drei Jahren. Dieser Beitrag erklärt, was Sie jetzt zur Jahreswende entsorgen können und worauf Sie bei der Aktenvernichtung achten müssen. |

    1. Unterscheiden Sie Handakte und Dokumente der Buchhaltung

    Alles, was mit der Buchhaltung zu tun hat (also Belege, Rechnungen etc.), darf erst nach zehn Jahren vernichtet werden. Bei Handakten beträgt die Aufbewahrungsfrist sechs Jahre. Die Frist dafür beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Mandat beendet wurde. Das heißt: Nach dem 31.12.23 dürfen Sie Dokumente der Buchhaltung vernichten, die aus dem Jahr 2013 oder aus früheren Jahren herrühren. Nach dem 31.12.23 dürfen Sie Handakten zu Aufträgen vernichten, die im Jahr 2017 oder in früheren Jahren beendet wurden.

     

    2. Die Frist für die Handakten wird häufig übersehen

    Anwälte müssen ihre Handakten sechs Jahre lang aufbewahren (§ 50 Abs. 1 S. 2 BRAO). Diese Frist betrifft jedoch nicht den gesamten Akteninhalt, sondern lediglich Schriftstücke, die der Anwalt aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Mandanten oder für ihn erhalten hat (iww.de/ak, Abruf-Nr. 46976496). Die Pflicht zur Aufbewahrung gilt außerdem nicht, wenn Sie den Mandanten aufgefordert haben, die Dokumente in Empfang zu nehmen, und dieser binnen sechs Monaten nach Zugang dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist. Die Pflicht zur Aufbewahrung gilt natürlich auch, wenn die Kanzlei ihre Akten elektronisch führt. Die BRAO-Reform im Jahr 2022 (AK 22, 94) hat zu keinen Änderungen bezüglich der anwaltlichen Aufbewahrungspflichten geführt.

     

    PRAXISTIPP | Ungeachtet Ihrer Pflicht zu einer sechsjährigen Aufbewahrungsfrist: Weil der Mandant möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt Schadenersatzansprüche geltend macht, sollten Sie die Handakten sicherheitshalber zehn Jahre vollständig aufbewahren (BGH 6.2.14, IX ZR 245/12, Abruf-Nr. 140831).

     

    3. Legitim: Titel behalten, bis der Mandant vollständig zahlt

    Das OLG Thüringen entschied, dass einem Anwalt ein Zurückbehaltungsrecht nach § 50 Abs. 3 BRAO an einem Vollstreckungstitel des Mandanten zusteht, wenn dieser restliches Honorar nicht bezahlt (13.12.18, 4 W 392/18, Abruf-Nr. 211111). Gibt der Anwalt den Titel nicht heraus oder unterlässt er die Vollstreckung, verletzt er in solchen Fällen keine berufsrechtlichen Pflichten. Damit hat er ein effektives Mittel, um seine Honorarforderungen durchzusetzen, da der Mandant i. d. R. eine rasche Vollstreckung einleiten will.

    4. BGH: Aufbewahrungs- und Verjährungsfrist sind zu trennen

    Häufig wird nach Beendigung um die Herausgabe der Akten gestritten. Allerdings unterliegt auch dieser Anspruch einer Verjährungsfrist (AK 18, 94). Dabei weist der BGH darauf hin, dass Aufbewahrungs- und Verjährungsfrist klar voneinander zu trennen sind (15.10.20, IX ZR 243/19, Abruf-Nr. 218740). Der Anspruch des Mandanten, die entsprechende Handakte herauszugeben, verjährt nach drei Jahren (§ 667 BGB, § 50 BRAO, § 195 BGB). Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Anwalt die Akten aufgrund berufsrechtlicher Vorschriften länger aufbewahren muss oder ob in einer Mandatsvereinbarung sogar ein konkreter Zeitraum der Aufbewahrung festgelegt wurde.

     

    In dem zugrunde liegenden Fall war aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Auftragsverhältnis mit dem Mandanten gemäß §§ 115, 116 InsO am 1.7.12 beendet. Verjährung hinsichtlich Aufbewahrung der Handakten trat daher zum 1.1.16 ein. Der BGH verneinte, dass insofern das Geschäftsbesorgungsverhältnis gemäß § 115 Abs. 2 InsO fortbestanden habe. Somit war bereits Verjährung eingetreten, als der Mandant am 9.1.17 Klage auf Herausgabe der Handakten erhob, obwohl in der Mandatsvereinbarung eine zehnjährige Aufbewahrungszeit genannt war.

     

    PRAXISTIPP | § 50 BRAO ist eine berufsrechtliche Pflicht. Daran hat auch dessen neue Fassung im Jahr 2017 nichts geändert. Die Vorschrift begründet keinen zusätzlich neben § 667 BGB tretenden materiell-rechtlichen Herausgabeanspruch des Mandanten. Die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Herausgabe des Mandanten liegt daher stets bei drei Jahren. Ist diese Frist verstrichen, kann sich der Anwalt auf die Verjährung berufen und die Herausgabe der Akte verweigern, selbst wenn diese noch existiert bzw. vorhanden ist.

     

    4. Nicht einfach „weg damit“ ‒ So vernichten Sie Akten

    Handakten nach entsprechenden Standards zu vernichten ist eine Sache. Gleiches gilt allerdings auch für Speichermedien wie PC-Festplatten, USB-Sticks oder Speicherkarten. Einfach löschen bzw. überschreiben und dann zum Elektroschrott geben, genügt nicht. Zudem dürfen ausgemusterte Geräte nur dann ihren letzten Weg zum Wertstoffhof bzw. zu Recyclingfirmen antreten, wenn zuvor alle Komponenten ausgebaut wurden, die Daten speichern können. Die restlichen Komponenten (PC-Tower, Kabel und verbaute Materialien) dürfen dann zum Recycling wandern. Es erstaunt in vielen Fällen, wie überschriebene oder mittels Software gelöschte Speichermedien doch noch wiederherstellbar sind. Der sicherste Weg ist, Datenträger wie Festplatten oder Speicherkarten physisch zu zerstören (schreddern), was in der Regel nur ein Fachunternehmen durchführen kann.

     

    PRAXISTIPP | Achten Sie darauf, dass Bürohardware wie Multifunktionsgeräte, Kopierer oder Drucker über Speicher verfügen können, auf denen kopierte bzw. gedruckte Seiten festgehalten werden. Nicht selten beschäftigt sich niemand damit, wie viele Daten über welche Zeiträume hinweg welches Gerät überhaupt intern speichern kann.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Ist das Telefax noch DSGVO-konform?, PA 23, 18
    • Wann der Anwalt die Akten nicht herausgeben muss, AK 19, 20
    • Ausdruck elektronisch geführter Akte und Aktenversendungspauschale, AK 20, 114
    Quelle: ID 49773835