13.03.2018 · IWW-Abrufnummer 200092
Landesarbeitsgericht Hamburg: Urteil vom 30.08.2017 – 5 Sa 21/17
1. Ein Arbeitgeber kann aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht verpflichtet sein, zugunsten eines bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers gegenüber Dritten bestimmte Tatsachen zu bestätigen oder damit verbundene rechtliche Bewertungen abzugeben, um den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, bestimmte Ansprüche gegenüber diesen Dritten zu verfolgen.
2. Dies gilt etwa für die erforderliche Mitwirkung des Arbeitgebers bei der Bestätigung von Tatsachen, die es einem bei ihm als Rechtsschutzsekretär beschäftigten Arbeitnehmer ermöglicht, bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46a Abs. 1 BRAO zu beantragen, insbesondere zugunsten des Arbeitnehmers gegenüber der Rechtsanwaltskammer zu bescheinigen, dass und aufgrund welcher Tätigkeiten der Arbeitnehmer fachlich unabhängig und eigenverantwortlich für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig ist, soweit dies den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten entspricht.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. Dezember 2016 - 15 Ca 260/16 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Vor dem Hintergrund der vom Kläger beabsichtigten Zulassung als Syndikusrechtsanwalt streiten die Parteien über die Pflicht der Beklagten, dem Kläger eine bestimmte Tätigkeitsbeschreibung zu erteilen und eine Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag hinsichtlich der fachlichen Unabhängigkeit des Klägers zu vereinbaren.
Der am ... 1966 geborene Kläger war zunächst vom 15. Januar 1997 bis 31. August 2001 als angestellter Rechtsanwalt bei einem anderen Arbeitgeber tätig. Seit dem 01. Februar 1997 ist er von der zuständigen Rechtsanwaltskammer als Rechtsanwalt zugelassen. Für diese Tätigkeit wurde er auf seinen Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreit und ist Mitglied der zuständigen Rechtsanwaltsversorgung.
Seit dem 03. Dezember 2001 ist der Kläger bei der Beklagten als Rechtsschutzsekretär in Vollzeit zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 4.822,00 € brutto beschäftigt (Anstellungsvertrag vom 12. Januar 2004, Anlage B 1 - Bl. 96 d.A.). Die Beklagte war mit dem Weiterbestehen der Anwaltszulassung des Klägers einverstanden und erteilte ihm hierfür eine Nebentätigkeitsgenehmigung. Sie war auch über die Mitgliedschaft des Klägers in der Rechtsanwaltsversorgung informiert und überwies den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung an den Kläger.
Mit Wirkung vom 01. Januar 2015 meldete die Beklagte den Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung an, nachdem sich die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht geändert hatte (BSG, Urteile vom 03. April 2014 - B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R, B 5 RE 3/14 R -). Seitdem zahlt die Beklagte die Rentenversicherungsbeiträge des Klägers in die Deutsche Rentenversicherung ein. Zusätzlich zahlt der Kläger weiterhin seinen Beitrag für die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltsversorgung von monatlich 113,24 €.
Mit Wirkung vom 01. Januar 2016 änderte das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015 (BGBl I 2015, S. 2517) das Berufsrecht der Syndikusrechtsanwälte und ermöglichte es ihnen, sich auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung befreien zu lassen.
Am 10. Januar 2017 traf die Beklagte die unternehmerische Entscheidung, grundsätzlich keine Zulassungen der Rechtsschutzsekretäre zum Syndikusrechtsanwalt zu unterstützen (Anlage B 2 - Bl. 170 d.A.).
Der Kläger hat vorgetragen, bei seiner Tätigkeit als Rechtsschutzsekretär erfülle er sämtliche Voraussetzungen eines Syndikusrechtsanwalts, sodass die Beklagte ihm aus arbeitsvertraglicher Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) eine entsprechende Tätigkeitsbeschreibung zu erteilen und mit ihm eine Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag hinsichtlich seiner fachlichen Unabhängigkeit zu schließen habe. Darüber hinaus stütze er sein Begehren auch auf einen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB sowie auf die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus dem Nachweisgesetz. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt habe auf seine Berufsbezeichnung als Rechtsschutzsekretär keine Auswirkungen. Dass die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen der Rechtsanwaltskammer vorbehalten sei, führe nicht zur Entpflichtung der Beklagten. Er arbeite weisungsfrei und somit selbstständig. Dass er Mandanten nicht ablehnen könne, hindere dies nicht. Die Beklagte habe weder die Möglichkeit noch den Willen, fachliche Weisungen zu erteilen. Dies ergebe sich auch aus der Stellenbeschreibung eines Kollegen, in der von "selbständiger Sachbearbeitung in Absprache mit der Mandantschaft" gesprochen werde (Anlage K 5 - Bl. 82 d.A.). Ein Ausschluss jeglichen Weisungsrechts des Arbeitgebers sei von § 46 Abs. 3 BRAO nicht gefordert. Von Weisungen der Einzelgewerkschaften in Bezug auf die Auslegung tarifvertraglicher Regelungen sei in der Vereinbarung zur Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften und der Beklagten nicht die Rede, sodass auch insoweit keine fachlichen Vorgaben beständen. Soweit die Beklagte behaupte, dass sie bei seiner Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für ihn ein sogenanntes besonderes elektronisches Anwaltspostfach einrichten müsse, übersehe die Beklagte, dass dieses auch für sie selbst eingerichtet werden müsse.
Mit der am 31. Mai 2016 beim Arbeitsgericht Hamburg per Fax vorab eingegangenen Klage hat der Kläger zuletzt beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, für den Kläger die "Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwältin/Syndikusrechtsanwalt", die Bestandteil des Antrages auf Zulassung als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)/Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) ist und die als Anlage K 1 der Klage beigefügt ist, wie folgt auszufüllen:
Vor- und Nachname des Klägers sind anzugeben.
Unter I. sind Angaben zu machen bezüglich:
- Beginn der Tätigkeit (Datum)
- Arbeitgeber
- Adresse
- Unternehmensgegenstand/Gesellschaftszweck o.ä.
- Registernummer
- Funktionsbezeichnung
Unter II. sind der Name des Klägers sowie der Beklagten im Text aufzunehmen.
Unter III. sind aufzunehmen:
- als Tätigkeitsbeschreibung:
Der Kläger ist bei der Beklagten als Rechtsschutzsekretär beschäftigt. In dieser Funktion übt der Kläger die Beratung sowie selbstständige außergerichtliche und gerichtliche Vertretung von Gewerkschaftsmitgliedern der Gewerkschaften des DGB aus.
- Zu § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO
Bearbeitung der Rechtsschutzaufträge der Gewerkschaften des DGB im Bereich Arbeits-, Sozial- und teils Beamtenrechts. Erarbeitung des zugrundeliegenden Sachverhalts durch Besprechung mit dem Gewerkschaftsmitglied und Prüfung der Rechtslage. Prüfung der Erfolgsaussichten und Erarbeitung der möglichen Vorgehensweisen.
Im Arbeitsrecht u. a. Überprüfung von Kündigungen, Abmahnungen, Bestehen von Forderungen aus Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Gesetz, betrieblicher Übung und sonstigen Rechtsgrundlagen.
Im Sozialrecht Überprüfung von Bescheiden und Widerspruchsbescheiden, insbesondere aus den Bereichen des SGB II, III, V, VI, VII, IX, XII.
- Zu § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO
Beratung, außergerichtliche und gerichtliche Interessenvertretung von Gewerkschaftsmitgliedern in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeits- und Dienstrechts (inkl. ÖD-Recht) sowie Beratung bei der Anbahnung von Arbeitsverhältnissen sowie Beratung in allen Fragen des Sozialrechts. Beratung von Betriebs- und Personalräten. Erstberatung in persönlichen Gesprächen auf allen Gebieten des Arbeits- und Sozialrechts. Zu- bzw. Abraten von Klagen bzw. Widerspruchsverfahren. Beratung im laufenden Verfahren. Erarbeitung von Verhaltensstrategien.
Prüfung von Arbeitsverträgen und Erarbeitung von Ansprüchen.
- zu § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO
Selbstständige und unabhängige Erhebung von Klagen im Arbeits- und Sozialrecht sowie Widersprüchen im Sozialrecht und außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen.
Weisungsunabhängiges Führen von Verhandlungen/Vergleichsgesprächen mit Arbeitgebern bzw. deren Prozessvertretern (Rechtsanwälte, Arbeitgeberverbände, Rechtsabteilungen) mit dem Ziel des Abschlusses von außergerichtlichen und gerichtlichen Vergleichen bzw. dem Durchsetzen der Ansprüche.
- Zu § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO
- unabhängiges Auftreten vor Arbeits- und Landesarbeitsgerichten
- unabhängiges Auftreten vor Sozial- und Landessozialgerichten
- unabhängiges Auftreten vor Widerspruchsausschüssen
- unabhängiges Auftreten vor Schlichtungsausschüssen bei Streitigkeiten aus dem Auszubildendenverhältnis
- unabhängige Verhandlungsführung mit Behörden und Arbeitgebern sowie deren Prozessvertretern
- weisungsunabhängiger Abschluss von außergerichtlichen und gerichtlichen Vergleich[en]
Unter IV. sind Ort und Datum anzugeben und es ist durch die Beklagte zu unterschreiben.
Hilfsweise zu 1.:
Die Beklagte wird verurteilt, für den Kläger eine von diesem ausgefüllte "Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwalt", die Bestandteil des Antrages auf Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) ist (Anlage K 1), mit den im Hauptantrag angegebenen Inhalten - mit Ausnahme der Ziffer IV des Formulars - unter Angabe von Ort und Datum unter Ziffer IV zu unterschreiben,
2. die Beklagte zu verurteilen, eine Willenserklärung in Form einer Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag abzugeben, durch die die fachliche Unabhängigkeit des Klägers in seiner Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt erklärt wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat entgegnet, der Kläger habe weder einen Anspruch auf die Erteilung der Tätigkeitsbeschreibung noch auf den Abschluss der Ergänzungsabrede zur fachlichen Unabhängigkeit. Die vom Kläger vorgegebene Tätigkeitsbeschreibung beschreibe die Tätigkeit des Klägers insbesondere hinsichtlich der Weisungsungebundenheit unzutreffend. Zwar verfüge der Kläger über eine umfangreiche fachliche Unabhängigkeit, seine Tätigkeit übe er aber grundsätzlich weisungsgebunden aus. Er unterliege als Arbeitnehmer dem Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der Tätigkeit. Ein in sein Dezernat fallendes Mandat könne er nicht ablehnen. Für fachliche Unabhängigkeit müsse ein Anwalt eine Weisung aus fachlichen oder berufsrechtlichen Gründen aber ablehnen können, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Sie aber behalte sich Weisungen in fachlicher Hinsicht ausdrücklich vor, auch wenn sie diese derzeit nicht (ausdrücklich) erteile. So könne dem Kläger insbesondere in Verfahren mit gewerkschaftspolitischer Bedeutung etwa bei der Auslegung eines Tarifvertrages eine bestimmte Auslegung vorgegeben werden, mit der der Rechtsstreit vom Kläger zu führen sei. Weder aus der Tätigkeitsbeschreibung für einen anderen Beschäftigten noch aus ihrem Qualitätshandbuch oder der Vereinbarung der Zusammenarbeit der DGB-Gewerkschaften mit ihr sei ein Verzicht auf inhaltliche Weisungsbefugnisse herzuleiten. Ausdrücklich vereinbart worden sei eine solche fachliche Weisungsunabhängigkeit gerade nicht. Bei Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt wäre sie verpflichtet, für sie ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) einzurichten. Die Einbindung dieses Postfachs in ihr zentral organisiertes IT-System erforderte einen zeitlichen und technischen Aufwand, der unverhältnismäßig wäre.
Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 21. Dezember 2016 - 15 Ca 260/16 - (Bl. 106 d.A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei zulässig, insbesondere der Antrag zu 2. sei nach gebotener Auslegung hinreichend bestimmt Der Kläger begehre keine Willenserklärung, sondern eine Wissensbekundung, da er davon ausgehe, dass eine Vereinbarung zur fachlichen Unabhängigkeit seiner Tätigkeit bereits bestehe.
Die Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf antragsgemäße Ausfüllung des Formulars zur Tätigkeitsbeschreibung (Klageantrag zu 1.). Dieser folge weder aus § 241 Abs. 2 BGB noch aus § 242 BGB als Auskunftsanspruch noch aus § 2 Abs. 1 Nr. 5 NachwG.
Die Pflicht jedes Vertragspartners, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB), könne grundsätzlich zur Verpflichtung des Arbeitgebers führen, bei der Wahrung oder Entstehung von Ansprüchen seiner Arbeitnehmer mitzuwirken, die diese gegenüber Dritten erwerben könnten. Hierzu zählten Mitwirkungshandlungen wie das Ausfüllen von Anträgen bei Behörden oder die Ausstellung von bei sonstigen Stellen benötigten Formularen. Die Beklagte sei hierzu jedoch nur verpflichtet, soweit die Tätigkeitsbeschreibung, die erteilt werden solle, den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten des Arbeitsverhältnisses der Parteien entspreche. Dies sei hinsichtlich der fachlichen Unabhängigkeit der Berufsausübung (§ 46 Abs. 3, 4 BRAO) beim Kläger nicht der Fall, sodass offen bleiben könne, ob der Kläger einen Anspruch auf Ausfüllung durch die Beklagte oder Unterzeichnung eines von ihm selbst ausgefüllten Formulars hätte, wie hilfsweise zum Klageantrag zu 1. beantragt.
Dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelungen sei keine Einschränkung des fachlichen Weisungsrechts (§ 106 GewO) zu entnehmen. Der Anstellungsvertrag regele lediglich, dass der Kläger "in der ... Region Nordwest, als Rechtssekretär in der Arbeitseinheit Hamburg-S. zu 8/8 der betriebsüblichen Arbeitszeit ... eingestellt" werde. Der auf das Arbeitsverhältnis jedenfalls kraft Bezugnahme anwendbare § 15 Abs. 1 Rahmentarifvertrag der Beklagten enthalte eine Versetzungsklausel dahin, dass dem Kläger "grundsätzlich ein anderer Aufgabenbereich, auch an einem anderen Ort, übertragen werden [könne], sofern dieser der bisherigen Eingruppierung entspricht und dem Beschäftigten nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten zumutbar" sei. Eine ausdrückliche schriftliche (Zusatz-)Vereinbarung existiere nicht. Zwar sei dem Kläger eine Nebentätigkeitsgenehmigung als Rechtsanwalt erteilt worden, dies betreffe aber nicht die Tätigkeit bei der Beklagten. Eine mündliche Vereinbarung zur fachlichen Unabhängigkeit habe der Kläger lediglich behauptet, ohne darzulegen, mit wem und wann eine solche Vereinbarung geschlossen worden sein solle. Allein der im Arbeitsvertrag verwendete Begriff des Rechtssekretärs beinhalte nicht, dass diese Tätigkeit in fachlicher Hinsicht weisungsfrei ausgeübt werde. Ein Rechtsschutzsekretär sei nach seiner Funktion der "gewerkschaftliche Rechtsanwalt" für die Mitglieder der Gewerkschaften. Die Tätigkeit des Klägers unterscheide sich in großen Teilen kaum von der Tätigkeit eines (angestellten) Rechtsanwalts mit Spezialisierung auf die Arbeitnehmerseite. Auch räume die Beklagte ein, dass sie fachliche Weisungen derzeit nicht erteile. Aus diesen Umständen könne jedoch nicht geschlossen werden, dass das Weisungsrecht nicht bestände. Aus § 2 Abs. 3 h der Satzung des DGB gehe hervor, dass der Rechtsschutz und die Rechtsstellen nach den Richtlinien des Bundesvorstandes tätig seien. Der durch die Beklagte und letztlich durch den Kläger erbrachte Rechtsschutz sei eben kein vollkommen unabhängiger, sondern gewerkschaftlicher und damit zu einem immer mitzudenkenden Teil den gemeinsamen Gewerkschaftszielen verpflichteter Rechtsschutz. Dies spiegele sich gerade darin wider, dass die Beklagte etwa im Einzelfall eine bestimmte, mit der jeweiligen tarifvertragschließenden Einzelgewerkschaft abgestimmte Auslegung eines Tarifvertrages vorgeben wolle, an die sich der Kläger zu halten habe. In diesem Fall sei dem Kläger nicht gestattet, eine abweichende Auslegung zu vertreten, mithin sei eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausgeschlossen.
Dem widerspreche nicht, dass der gewerkschaftliche bzw. arbeitgeberverbandliche Rechtsschutz in § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO ausdrücklich genannt werde. Durch die Erweiterung des Begriffes der "Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers" werde erst die Möglichkeit geschaffen, dass Rechtsschutzsekretäre bzw. Verbandsvertreter überhaupt Syndikusrechtsanwälte sein könnten. Ein Verzicht auf die Voraussetzungen aus § 46 Abs. 3 und 4 BRAO sei dem nicht zu entnehmen.
Auch die "Stellenbeschreibung Rechtsschutzsekretär*in" vom 03. August 2015 (Anlage K 5 - Bl. 82 d.A.) rechtfertige kein anderes Ergebnis. Dort sei von der "selbständigen weitere(n) Sachbearbeitung in Absprache mit der Mandantschaft" die Rede; "selbständig" bedeute nicht zwangsläufig "fachlich unabhängig gegenüber dem Arbeitgeber". Der Begriff selbständig bedeute im Allgemeinen, dass dem Arbeitnehmer eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung der geschuldeten Leistung einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis und damit eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenkreises verbleiben müsse; insoweit setze der Begriff eine gewisse Freiheit von Weisungen und Anleitungen voraus. Eine solche gewisse Freiheit habe der Kläger sicherlich. Ein Ausschluss eines Teils des Weisungsrechts der Beklagten sei damit aber nicht verbunden.
Deshalb bestehe auch kein Auskunftsanspruch und kein Anspruch aus dem Nachweisgesetz. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch beständen, könne die Beklagte nur zur zutreffenden Auskunft verpflichtet sein. Mangels fachlicher Unabhängigkeit bestehe keine Pflicht, darüber eine Auskunft zu geben. Gleiches gelte für die mögliche Pflicht aus dem Nachweisgesetz. Die Beklagte sei nur zur Verschriftlichung bzw. Bestätigung bestehender Vertragsbedingungen verpflichtet.
Der Kläger könne von der Beklagten auch nicht die Unterzeichnung der Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag (Anlage K 1) verlangen (Klageantrag zu 2.). Eine Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich. Soweit der Antrag darauf abziele, dass die Beklagte durch ihre Unterschrift lediglich eine bereits bestehende arbeitsvertragliche Abrede zu verschriftlichen habe (dann wäre die Erklärung keine Willens-, sondern lediglich eine Wissenserklärung), werde auf die obigen Ausführungen verwiesen. Der Kläger sei nicht fachlich weisungsunabhängig. Soweit der Kläger den Abschluss einer Vertragsergänzung begehre, sei ebenfalls keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Der Kläger habe durchaus ein nachvollziehbares Interesse an dieser Zusatzabrede, die ihm die Möglichkeit der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, Mitgliedschaft im anwaltlichen Versorgungswerk und (weiteren) Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht eröffne. Daraus allein ergebe sich aber kein Anspruch gegen die Beklagte, auf das ihr zustehende fachliche Weisungsrecht zu verzichten. Dass hinter dieser Weigerung zumindest auch eine grundsätzliche gewerkschaftspolitische Haltung stehe, ändere daran nichts. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses am 16. Januar 2017 (Bl. 121 d.A.) ihm zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 15. Februar 2017 (Bl. 123 d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Auf den am 13. März 2017 (Bl. 128 d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. April 2017 verlängert worden (Bl. 130 d.A.). Die Berufungsbegründung ist am 18. April 2017 (Bl. 135 d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Der Kläger hält das arbeitsgerichtliche Urteil für unzutreffend und trägt vor, das Arbeitsgericht lasse völlig unbeachtet, dass immer mehr Einzelgewerkschaften den bei ihnen beschäftigten Juristen die erforderliche Tätigkeitsbeschreibung und die erforderliche Erklärung erteilten, um als Syndikusrechtsanwälte tätig zu sein. Es sei nicht ersichtlich, weshalb sich seine Tätigkeit von der Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts bei einer Einzelgewerkschaft unterscheide. Das Arbeitsgericht lasse unbeachtet, dass nach dem Qualitätshandbuch der Beklagten die Rechtsschutzsekretäre angehalten seien, die Mandanten im Erstgespräch fachlich unabhängig zu beraten. Es sei nicht ersichtlich, was die von ihm auf das Erstgespräch folgenden Schritte von den Schritten unterscheide, die ein gewöhnlicher Rechtsanwalt unternähme.
Soweit das Arbeitsgericht zu der Überzeugung gelangt sei, dass die durch ihn erbrachten Rechtsschutzleistungen ein den gemeinsamen Gewerkschaftszielen verpflichteter Rechtsschutz sei, verkenne es, dass dies spiegelbildlich der Tätigkeit entspreche, die ein Syndikusrechtsanwalt auf Arbeitgeberverbandseite ausübe. Es liege in der Natur der Sache, dass der Rechtsanwalt als Vertreter seines Mandanten eine für diesen günstige Rechtsauffassung vertrete, auf Wunsch des Mandanten sogar dann, wenn er selbst diese Rechtsauffassung für unvertretbar halte. Gleiches gelte für den Syndikusrechtsanwalt eines Arbeitgeberverbandes. Eine Begründung dafür, weshalb eine unterschiedliche Bewertung der Verbandsvertreter beider Lager gerechtfertigt sein solle, liefere das Gericht auch vor dem Hintergrund von § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO nicht. Schon aus Gründen der "Waffengleichheit" zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden könne eine unterschiedliche Behandlung nicht gewollt sein.
Das Arbeitsgericht habe bei der Auslegung der Stellenbeschreibung (Anlage K 5 - Bl. 82 d.A.) verkannt, dass die Rechtsschutzsekretäre eine Akte vollständig selbständig bearbeiteten. Innerhalb der Aktenbearbeitung erteile die Beklagte keinerlei Weisungen. Vielmehr folge der Rechtsschutzsekretär allein der Weisung des von ihm vertretenen Gewerkschaftsmitglieds. Jedenfalls wäre das Recht der Beklagten auf eine Weisungsbefugnis zur Bearbeitung bestimmter Fälle verwirkt, weil sie dieses Weisungsrecht seit ihrer Gründung niemals gegenüber den Rechtsschutzsekretären ausgeübt habe (Zeugnis S1, G. - Bl. 147 d.A.).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. Dezember 2016 - 15 Ca 260/16 - abzuändern und zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, für den Kläger die "Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwältin/Syndikusrechtsanwalt", die Bestandteil des Antrages auf Zulassung als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)/Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) ist und die als Anlage K 1 der Klage beigefügt ist, wie folgt auszufüllen:
Vor- und Nachname des Klägers sind anzugeben.
Unter I. sind Angaben zu machen bezüglich:
- Beginn der Tätigkeit (Datum)
- Arbeitgeber
- Adresse
- Unternehmensgegenstand/Gesellschaftszweck o.ä.
- Registernummer
- Funktionsbezeichnung
Unter II. sind der Name des Klägers sowie der Beklagten im Text aufzunehmen.
Unter III. sind aufzunehmen:
- als Tätigkeitsbeschreibung:
Der Kläger ist bei der Beklagten als Rechtsschutzsekretär beschäftigt. In dieser Funktion übt der Kläger die Beratung sowie selbstständige außergerichtliche und gerichtliche Vertretung von Gewerkschaftsmitgliedern der Gewerkschaften des DGB aus.
- Zu § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO
Bearbeitung der Rechtsschutzaufträge der Gewerkschaften des DGB im Bereich Arbeits-, Sozial- und teils Beamtenrechts. Erarbeitung des zugrundeliegenden Sachverhalts durch Besprechung mit dem Gewerkschaftsmitglied und Prüfung der Rechtslage. Prüfung der Erfolgsaussichten und Erarbeitung der möglichen Vorgehensweisen.
Im Arbeitsrecht u. a. Überprüfung von Kündigungen, Abmahnungen, Bestehen von Forderungen aus Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Gesetz, betrieblicher Übung und sonstigen Rechtsgrundlagen.
Im Sozialrecht Überprüfung von Bescheiden und Widerspruchsbescheiden, insbesondere aus den Bereichen des SGB II, III, V, VI, VII, IX, XII.
- Zu § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO
Beratung, außergerichtliche und gerichtliche Interessenvertretung von Gewerkschaftsmitgliedern in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeits- und Dienstrechts (inkl. ÖD-Recht) sowie Beratung bei der Anbahnung von Arbeitsverhältnissen sowie Beratung in allen Fragen des Sozialrechts. Beratung von Betriebs- und Personalräten. Erstberatung in persönlichen Gesprächen auf allen Gebieten des Arbeits- und Sozialrechts. Zu- bzw. Abraten von Klagen bzw. Widerspruchsverfahren. Beratung im laufenden Verfahren. Erarbeitung von Verhaltensstrategien.
Prüfung von Arbeitsverträgen und Erarbeitung von Ansprüchen.
- zu § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO
Selbstständige und unabhängige Erhebung von Klagen im Arbeits- und Sozialrecht sowie Widersprüchen im Sozialrecht und außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen.
Weisungsunabhängiges Führen von Verhandlungen/Vergleichsgesprächen mit Arbeitgebern bzw. deren Prozessvertretern (Rechtsanwälte, Arbeitgeberverbände, Rechtsabteilungen) mit dem Ziel des Abschlusses von außergerichtlichen und gerichtlichen Vergleichen bzw. dem Durchsetzen der Ansprüche.
- Zu § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO
- unabhängiges Auftreten vor Arbeits- und Landesarbeitsgerichten
- unabhängiges Auftreten vor Sozial- und Landessozialgerichten
- unabhängiges Auftreten vor Widerspruchsausschüssen
- unabhängiges Auftreten vor Schlichtungsausschüssen bei Streitigkeiten aus dem Auszubildendenverhältnis
- unabhängige Verhandlungsführung mit Behörden und Arbeitgebern sowie deren Prozessvertretern
- weisungsunabhängiger Abschluss von außergerichtlichen und gerichtlichen Vergleich[en]
Unter IV. sind Ort und Datum anzugeben und es ist durch die Beklagte zu unterschreiben.
Hilfsweise zu 1.:
Die Beklagte wird verurteilt, für den Kläger eine von diesem ausgefüllte "Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwalt", die Bestandteil des Antrages auf Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) ist (Anlage K 1), mit den im Hauptantrag angegebenen Inhalten - mit Ausnahme der Ziffer IV des Formulars - unter Angabe von Ort und Datum unter Ziffer IV zu unterschreiben.
Weiter hilfsweise zu 1.:
Die Beklagte wird verurteilt, für den Kläger folgende Erklärung abzugeben und unter Angabe von Ort und Datum zu unterschreiben und abzustempeln:
"Tätigkeitsbeschreibung
Der Kläger wird bei der Beklagten als Rechtsschutzsekretär beschäftigt. Der Kläger übt seine Tätigkeit fachlich unabhängig und eigenverantwortlich aus. Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung i.S.d. § 46 Abs. 3 BRAO ist vertraglich und tatsächlich gewährleistet. Der Kläger unterliegt keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen in fachlichen Angelegenheiten, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Ihm gegenüber bestehen keinerlei Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen.
Der Kläger ist im Rahmen der von ihm für die Beklagte zu erbringenden Rechtsberatung und -vertretung den Pflichten, die dem anwaltlichen Berufsrecht entsprechen, unterworfen.
Im Rahmen der berufsspezifischen Tätigkeit des Klägers berät er Mitglieder der Einzelgewerkschaften sowie Einzelgewerkschaften, die im DGB verbunden sind, in allen Rechtsfragen sowie der diesbezüglichen Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung.
Der Kläger analysiert konkret an ihn von den Einzelgewerkschaften angetragenen Rechtsfragen, wozu das Aufklären des Sachverhaltes sowie das Bilden eines fachlich unabhängigen Urteils unter Berücksichtigung des spezifischen betrieblichen Hintergrundes gehört. Er erstellt selbstständig im Rahmen dessen Gutachten sowie rechtliche Expertisen, wozu auch die Analyse von Verträgen (z. B. Arbeitsverträgen) gehört.
Der Kläger erteilt fachlich unabhängig und eigenverantwortlich Rechtsrat. Zu seinen Aufgaben gehören insbesondere die schriftliche und mündliche rechtliche Beratung und Unterstützung der im DGB verbundenen Einzelgewerkschaften und ihrer Mitglieder bei der Umsetzung rechtlicher Vorgaben im Allgemeinen sowie in Einzelfällen.
Dies schließt das unabhängige Bewerten und die schriftliche/mündliche Darstellung von Lösungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung des spezifischen betrieblichen Hintergrundes mit ein.
Zu den Aufgaben des Klägers gehört auch die eigenständige Vertragserstellung (z. B. Arbeitsvertragsmuster, Betriebsvereinbarungen) und -verhandlung sowie die Kontrolle und Anpassung bestehender Verträge/Allgemeiner Geschäftsbedingungen/Richtlinie nach vorhergehender ausführlicher Analyse der Rechtslage unabhängig und eigenverantwortlich.
Der Kläger vertritt die Interessen der von ihm wie ein Anwalt beratenen im DGB verbundenen Einzelgewerkschaften sowie ihrer Mitglieder auch nach außen. Hierzu gehört insbesondere das Führen der Korrespondenz mit Behörden, Gerichten sowie das Führen von Vertrags- und Einigungsverhandlungen mit Vertrags- und Geschäftspartnern. Ihm obliegt die fachliche Entscheidungsfreiheit zur Einleitung von Rechtsbehelfsverfahren, Klageverfahren sowie zum Erzielen von Vergleichen.
Im Rahmen seiner Tätigkeit bildet der Kläger Rechtsreferendare in der Anwalts-/Wahlstation aus.
Im Rahmen von externen Fach- und Weiterbildungsmaßnahmen bzw. Seminaren/Kongressen tritt der Kläger als fachkundiger Referent auf. Auch die Durchführung von Schulungen von internen Entscheidungsträgern und Mitarbeitern über aktuelle Rechtsentwicklungen, Gesetzesänderungen und Gerichtsentscheidungen sind Inhalt der anwaltlichen Tätigkeit.
Unter Bezugnahme auf die vorstehende Beschreibung bestätigen wir hiermit die anwaltliche Tätigkeit des Klägers im Unternehmen im Sinne des § 46 Abs. 3 und 4 BRAO."
2. die Beklagte zu verurteilen, eine Willenserklärung in Form einer Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag abzugeben, durch die die fachliche Unabhängigkeit des Klägers in seiner Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt erklärt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und erwidert auf die Berufungsbegründung, dass diese eher von rechtspolitischen Erwägungen getragen sei. Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit der Beschäftigung oder Nichtbeschäftigung von Syndikusrechtsanwälten bei den Einzelgewerkschaften auseinandersetzen müssen. Ebenso wenig sei von Bedeutung, dass es auf Seiten der Arbeitgeberverbände als Syndikusrechtsanwälte beschäftigte Juristen gebe. Dass es keinen Unterschied zwischen einem Rechtsschutzsekretär und einem Syndikusrechtsanwalt eines Arbeitgeberverbandes gäbe, sei eine Wertung des Klägers, der sie ausdrücklich widerspreche.
Auf ihr fachliches Weisungsrecht gegenüber den Rechtsschutzsekretären habe sie nicht verzichten wollen und dies in ihrer unternehmerischen Entscheidung vom 10. Januar 2017 (Anlage B 2 - Bl. 170 d.A.), die dahin zu verstehen sei, bekräftigt. Dem Kläger sei es möglich, eine Entscheidung darüber, ob die von ihm für sie ausgeübte Tätigkeit die eines Syndikusrechtsanwalts sei, herbeizuführen. Sie habe ihm eine zutreffende Stellenbeschreibung (Anlage K 5 - Bl. 82 d.A.) zur Verfügung gestellt, anhand derer der Rechtsanwaltskammer eine Bewertung des Sachverhalts möglich sei. Deren Bewertung könne aber nur zum Ergebnis haben, dass der Kläger nicht als Syndikusrechtsanwalt zuzulassen sei.
Das jedem Arbeitsvertrag immanente allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers sei einer Verwirkung nicht zugänglich. Eine Verwirkung könne einen Arbeitsvertrag inhaltlich gegen den Willen einer der Parteien nicht ändern. Sie habe ihr Weisungsrecht bereits in verschiedenen Fällen gegenüber Rechtsschutzsekretären ausgeübt. Das gegenteilige Beweisangebot des Klägers sei ungeeignet. Vor allem müsse für sie die Möglichkeit bestehen, ihr Weisungsrecht auszuüben. Auch aus § 15 Abs. 1 RTV ergebe sich gerade keine Einschränkung ihres Weisungsrechts. Eine abweichende Praxis müsse der Kläger darlegen.
Ihre Beschäftigten im gewerkschaftlichen Rechtsschutz seien Tendenzträger. Ihr Interesse, fachliche Weisungen im Einzelfall zu erteilen, sei nicht zuletzt durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt. Ein von ihr für eine Einzelgewerkschaft geführtes Verfahren dürfe gewerkschafts- oder betriebspolitischen Zielen nicht zuwiderlaufen. Es widerspräche dem Recht der organisatorischen Selbstbestimmung, wenn sie unter das Regime eines Gesetzes fiele, das anzuwenden Sache der jeweiligen Rechtsanwaltskammer sei, dazu noch verbunden mit deren eigener Gerichtsbarkeit. Träfe die Auffassung des Klägers zu, hätten alle Rechtsschutzsekretäre, die die sonstigen Voraussetzungen erfüllten, einen Rechtsanspruch auf Vertragsänderung mit dem Ziel der Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt. Dies wäre eine erhebliche Umgestaltung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes, zu der sie nicht gezwungen werden könne. Die koalitionsrechtliche Verbandsautonomie umschließe auch das Recht der Satzungsautonomie sowie die prinzipielle Freiheit der verbandsinternen Selbstbestimmung sowie der von außen unbeeinflussten inneren Willensbildung.
Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 18. April 2017 (Bl. 142 d.A.) und auf die Berufungsbeantwortung vom 23. Mai 2017 (Bl. 164 d.A.) verwiesen. Wegen des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 und 3 ArbGG).
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden (§ 64 Abs. 1, 2 und 6, § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 und 3, § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
II.
Die Berufung ist unbegründet, weil die nur teilweise zulässige Klage unbegründet ist.
1. Die Klage ist unzulässig hinsichtlich des Antrags zu 2., die Beklagte zur Abgabe einer Willenserklärung in Form einer Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag zu verurteilen, durch die die fachliche Unabhängigkeit des Klägers in seiner Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt erklärt wird. Diesem Klageantrag fehlt die hinreichende Bestimmtheit.
a) Die Klageschrift muss die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag enthalten (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG). Der Kläger muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung er begehrt. Er hat den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO) zwischen den Parteien entschieden werden kann. Ein auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichteter Antrag ist nur dann bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er so gefasst ist, dass der Inhalt der nach § 894 Satz 1 ZPO fingierten Erklärung klar ist. Zur Ermittlung des Inhalts einer mit der Klage erstrebten Willenserklärung können - wie auch bei anderen auslegungsbedürftigen Klageanträgen - die Klagebegründung und das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers herangezogen werden (BAG, Urteil vom 13. Juni 2012 - 7 AZR 169/11 -, Rn. 20, juris).
b) Danach ist der Klageantrag zu 2. auch nach gebotener Auslegung nicht hinreichend bestimmt.
aa) Nach seinem Wortlaut zielt der Antrag auf die Abgabe einer Willenserklärung durch den Abschluss einer Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag der Parteien. Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens. Sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck, d. h. einen Willen, der auf die Begründung, inhaltliche Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsgeschäfts abzielt (vgl. nur: Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., Einf v § 116, Rn. 1, m.w.N.). Allerdings vertritt der Kläger nach seiner Klagebegründung die Rechtsauffassung, dass der von der Beklagten zu erklärende Inhalt, er sei in seiner Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt fachlich unabhängig, bereits Bestandteil des Arbeitsverhältnisses der Parteien sei. Damit fehlte ihm aber ein Rechtsfolgewillen zur inhaltlichen Änderung des Arbeitsverhältnisses. Ihm kommt es gerade auf die Bestätigung einer bestimmten, schon bestehenden Ausgestaltung seiner Arbeitspflicht durch die Beklagte an, die vom Arbeitsgericht zutreffend als bloße Wissensbekundung bezeichnet worden ist.
bb) Ob der Kläger die Abgabe einer Willenserklärung oder eine bloße Wissensbekundung der Beklagten begehrt, kann im Ergebnis gleichwohl dahinstehen. Denn auch eine bloße Wissensbekundung erfordert aus vollstreckungsrechtlichen Gründen (§ 888 ZPO) die genaue inhaltliche Umschreibung dessen, was bekundet werden soll. Für den Schuldner muss aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (BAG, Urteil vom 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 -, Rn. 44, juris). Dies ist vorliegend aber nicht hinreichend klar. Der Kläger überlässt es der Beklagten, mit welchen Worten sie bekundet, dass er in seiner Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt fachlich unabhängig sei, sodass sich diese im Erkenntnisverfahren zu klärende Frage im Vollstreckungsverfahren erneut stellen würde. Gleiches gilt für die Abgabe einer Willenserklärung zur inhaltlichen Änderung des Arbeitsverhältnisses. Ein ausformuliertes, annahmefähiges Angebot enthält der Klageantrag nicht.
2. Die Klage ist im zulässigen Umfang unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Erteilung der verlangten Tätigkeitsbeschreibungen mit dem von ihm verlangten Inhalt, unabhängig davon, ob das entsprechende Formular der Rechtsanwaltskammer von der Beklagten (Klageantrag zu 1.) oder von ihm selbst ausgefüllt wird (Hilfsantrag zu 1.) oder die Beklagte eine entsprechende nicht formulargebundene Erklärung abgibt (weiterer Hilfsantrag zu 1.). Es fehlt jeweils an der erforderlichen fachlich unabhängigen Anwaltstätigkeit des Klägers für die Beklagte. Dies hat bereits das Arbeitsgericht hinsichtlich des Haupt- und Hilfsantrags zu 1. zutreffend und mit ausführlicher Begründung erkannt. Hierauf wird verwiesen. Das weitere Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Dies gilt auch für den erstmals mit der Berufung klageerweiternd gestellten weiteren Hilfsantrag zu 1.
a) Allerdings kann ein Arbeitgeber aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht verpflichtet sein, zugunsten eines bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers gegenüber Dritten bestimmte Tatsachen zu bestätigen oder damit verbundene rechtliche Bewertungen abzugeben, um den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, bestimmte Ansprüche gegenüber diesen Dritten zu verfolgen.
aa) Die Pflicht jedes Vertragspartners, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB), kann grundsätzlich zu der Verpflichtung des Arbeitgebers führen, bei der Wahrung oder Entstehung von Ansprüchen seiner Arbeitnehmer mitzuwirken, die diese gegenüber Dritten erwerben können. Dabei kommen insbesondere öffentlich-rechtliche, aber auch private Versicherungsträger in Betracht. Die Verletzung einer solchen Pflicht zur Interessenwahrung, arbeitsrechtlich gemeinhin als Verletzung der "Fürsorgepflicht" bezeichnet, kann gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer auslösen (BAG, Urteil vom 24. September 2009 - 8 AZR 444/08 -, Rn. 14, juris).
bb) Dies gilt auch für die erforderliche Mitwirkung des Arbeitgebers bei der Bestätigung von Tatsachen, die es einem bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer ermöglicht, bei der für den Arbeitnehmer zuständigen Rechtsanwaltskammer die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46a Abs. 1 BRAO zu beantragen, insbesondere zugunsten des Arbeitnehmers gegenüber der Rechtsanwaltskammer zu bescheinigen, dass und aufgrund welcher Tätigkeiten der Arbeitnehmer fachlich unabhängig und eigenverantwortlich im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig ist (§ 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO).
b) Der Arbeitgeber ist zur Bestätigung bestimmter Tatsachen oder zur Abgabe damit verbundener rechtlicher Bewertungen, die den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, bestimmte Ansprüche gegenüber Dritten zu verfolgen, aber nur insoweit verpflichtet, als dies den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten entspricht. Dies ist vorliegend nicht der Fall, insbesondere ist der Kläger im Sinne des Berufsrechts der Rechtsanwälte nicht fachlich unabhängig für die Beklagte anwaltlich tätig.
aa) Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht (§ 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BRAO). Zu den letzteren Anforderungen gehört auch, dass die anwaltliche Tätigkeit für den Arbeitgeber fachlich unabhängig ausgeübt wird (§ 46 Abs. 3 BRAO). Eine fachlich unabhängige Tätigkeit in diesem Sinne übt nicht aus, wer sich an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts ist vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten (§ 46 Abs. 4 Satz 1 und 2 BRAO).
Der Begriff der fachlich unabhängigen Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks. 18/5201; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz [6. Ausschuss], BT-Drucks. 18/6915) dahin zu verstehen, dass der Syndikusrechtsanwalt nach § 46 Abs. 3 BRAO fachlich weisungsfrei und in eigener Verantwortung handelt und im Rahmen der Rechtsberatung und Rechtsvertretung in erster Linie den Pflichten der BRAO unterworfen ist und die arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers dahinter zurückstehen. Hierdurch wird jedoch nicht jegliches Weisungsrecht des Arbeitgebers ausgeschlossen. Der Begriff der Eigenverantwortlichkeit macht zugleich deutlich, dass der Syndikusrechtsanwalt grundsätzlich von seinem Arbeitgeber für fehlerhafte Beratung und Vertretung haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden kann (Regress). Aus der Regelung ergibt sich, dass die Arbeitnehmereigenschaft und die Eingliederung in eine von einem Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation nicht im Widerspruch zu dem Berufsbild des Rechtsanwalts stehen, wenn tatsächlich und arbeitsvertraglich die fachliche Unabhängigkeit des angestellten Rechtsanwalts gewährleistet ist (BT-Drucks. 18/5201, S. 26).
Die fachliche Unabhängigkeit ist zugleich Grundvoraussetzung der in § 46 Abs. 2 BRAO genannten anwaltlichen Tätigkeit. Eine unabhängige Tätigkeit liegt nicht vor, wenn Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestehen, wie dies beispielsweise bei einem richtliniengebundenen Schadenssachbearbeiter einer Versicherung der Fall ist. Allgemeine Compliance-Regelungen, die keine unmittelbaren fachlichen Bezüge aufweisen, sondern nur den Verhaltenskodex im Unternehmen festschreiben, bleiben hiervon unberührt. Auch wird die fachliche Unabhängigkeit nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine fachliche Abstimmung mit einem anderen Rechtsanwalt (z. B. im Rahmen von Teamarbeit) vereinbart ist. Dagegen schließen Vorgaben durch (nicht-anwaltliche) Vorgesetzte eine fachliche Unabhängigkeit aus (BT-Drucks. 18/5201, S. 29).
Die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt erfordert keinen Ausschluss jeglichen Weisungsrechts eines Arbeitgebers. Auch der selbständige Rechtsanwalt ist nicht völlig weisungsfrei, sondern im Rahmen des Mandatsverhältnisses an die Weisungen seines Auftraggebers gebunden. Aus dem Arbeitsvertrag eines Syndikusrechtsanwalts hat sich jedoch - um die Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO zu erfüllen - zu ergeben, dass der Arbeitgeber in fachlichen Angelegenheiten weder ein allgemeines noch ein konkretes Weisungsrecht ausüben darf, da ohne eine solche Regelung der allgemeine arbeitsrechtliche Grundsatz eines umfassenden Direktionsrechts des Arbeitgebers gelten würde. § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO sieht insoweit vor, dass die fachliche Unabhängigkeit vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten ist, d. h. die Unabhängigkeit muss sowohl Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarung sein als auch tatsächlich im Rahmen des Anstellungsverhältnisses gelebt werden (BT-Drucks. 18/5201, S. 29).
Aus der vertraglich gewährleisteten Unabhängigkeit folgt zugleich das Recht, die Durchführung einer ihm vom Arbeitgeber im Rahmen des Anstellungsverhältnisses erteilten Weisung aus fachlichen oder berufsrechtlichen Gründen abzulehnen, ohne dass hieran arbeitsrechtliche Konsequenzen geknüpft werden können. Der Syndikusrechtsanwalt ist aufgrund arbeitsrechtsvertraglicher Nebenpflichten jedoch verpflichtet, seinen Arbeitgeber über die Ablehnung des Auftrags unverzüglich zu informieren (BT-Drucks. 18/5201, S. 29).
Die fachliche Unabhängigkeit steht dem Status des Syndikusrechtsanwalts als Arbeitnehmer nicht entgegen. Das auf dem Arbeitsvertrag beruhende Weisungsrecht (Direktionsrecht) gehört zwar zum wesentlichen Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses und dient der Konkretisierung der vertraglichen Leistungspflicht des Arbeitnehmers. Den Parteien des Arbeitsverhältnisses steht es jedoch frei, das Direktionsrecht des Arbeitgebers durch einzelvertragliche Abreden einzuschränken. Der Umfang des Weisungsrechts kann hinsichtlich des Arbeitsorts, der Arbeitszeit und der Art bzw. dem Inhalt der zu leistenden Arbeit unterschiedlich stark ausgeprägt sein (BT-Drucks. 18/5201, S. 29, 30).
Das Kriterium der Unabhängigkeit ist nur im Sinne einer fachlichen Unabhängigkeit zu verstehen, wobei sich die Situation in Fällen, in denen der Arbeitgeber dem Rechtsrat des Syndikusrechtsanwalts nicht folgen will, ähnlich darstellt wie im Verhältnis eines niedergelassenen Rechtsanwalts zu seinem Mandanten. Das bedeutet, dass der Syndikusrechtsanwalt seine Rechtsmeinung gegen die Entscheidung seines Arbeitgebers nicht nach außen vertreten darf. Zur Wahrung seiner Unabhängigkeit ist es allerdings erforderlich, dass dem Syndikusrechtsanwalt keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen, sofern er der Meinung ist, die Entscheidung seines Arbeitgebers nicht vertreten zu können. In einem solchen Falle könnte er beispielsweise anregen, einen anderen Kollegen mit der Vertretung des Arbeitgebers nach außen zu beauftragen. Dies steht der Möglichkeit des niedergelassenen Rechtsanwalts gleich, seinem Mandanten in solchen Fällen eines unüberbrückbaren Dissenses einen Anwaltswechsel nahezulegen (BT-Drucks. 18/6915, S. 22).
b) Nach diesem Begriffsverständnis ist der Kläger nicht fachlich unabhängig für die Beklagte anwaltlich tätig. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Weisungsrecht der Beklagten nicht dahin eingeschränkt, dass der Kläger fachlich unabhängig für die Beklagte anwaltlich tätig sein könnte. Eine solche Einschränkung des Weisungsrechts der Beklagten haben die Parteien weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart. Die Beklagte hat auf die umfassende Ausübung ihres Weisungsrechts auch nicht verzichtet und es nicht verwirkt. Der Kläger kann von der Beklagten eine entsprechende Einschränkung ihres Weisungsrechts auch nicht nachträglich verlangen.
aa) Das Weisungsrecht der Beklagten ist arbeitsrechtlich nicht dahin eingeschränkt, dass der Kläger fachlich unabhängig für die Beklagte anwaltlich tätig sein könnte. Fachlich unabhängig wäre der Kläger für die Beklagte nur dann anwaltlich tätig, wenn die Beklagte als Arbeitgeberin gegenüber dem Kläger in fachlichen Angelegenheiten weder ein allgemeines noch ein konkretes Weisungsrecht (§ 106 GewO) ausüben dürfte. Dieses Recht der Beklagten ist nach dem Vortrag beider Parteien aber nicht entfallen. Ob die Beklagte ihr Weisungsrecht in fachlichen Angelegenheiten tatsächlich ausgeübt oder dies unterlassen hat, ist dagegen unerheblich. Das maßgebende anwaltliche Berufsrecht lässt die bloße Nichtausübung des Weisungsrechts in fachlichen Angelegenheiten für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht genügen, sondern verlangt, die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts nicht nur zu dulden, sondern darüber hinaus vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten (§ 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO), mithin das umfassende Weisungsrecht des Arbeitgebers entsprechend arbeitsvertraglich einzuschränken.
bb) Eine solche Einschränkung des Weisungsrechts der Beklagten haben die Parteien aber weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart.
(1) Der Anstellungsvertrag der Parteien vom 12. Januar 2004 (Anlage B 1 - Bl. 96 d.A.) enthält keine Regelungen über eine Einschränkung des Weisungsrechts der Beklagten in fachlichen Angelegenheiten. Auch später haben die Parteien hierüber keine ausdrücklichen Abreden getroffen. Die schon nicht namentlich auf den Kläger bezogene Stellenbeschreibung für Rechtsschutzsekretäre vom 03. August 2015 (Anlage K 5 - Bl. 82 d.A.) enthält im vierten Absatz zwar die Formulierung, der Rechtsschutzsekretär "prüft den Fall nach sämtlichen unser Tätigkeitsfeld betreffenden rechtlichen Gesichtspunkten, unternimmt falls erforderlich fristwahrende Schritte [...] und geht sodann in die selbständige weitere Sachbearbeitung in Absprache mit der Mandantschaft über." Der Begriff der selbständigen weiteren Sachbearbeitung ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der fachlichen Unabhängigkeit von Weisungen des Arbeitgebers und offenkundig auch so nicht gemeint, sondern ist dahin zu verstehen, dass der Rechtsschutzsekretär eigeninitiativ die tatsächlich und rechtlich gebotenen weiteren Bearbeitungsschritte unternimmt, wie sie sodann im fünften Absatz der Stellenbeschreibung dargestellt werden. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht in Zusammenschau der Stellenbeschreibung mit dem Qualitätshandbuch der Beklagten (Anlage K 6 - Bl. 84 d.A.), in dem der Grundsatz "ein Mandant, ein Rechtsschutzsekretär*in" aufgestellt wird. Auch hier geht es nur um organisatorische Fragen der Zuordnung der Mandantschaft zu einzelnen Rechtsschutzsekretären, ohne dass das Weisungsrecht der Beklagten ihnen gegenüber erwähnt oder berührt wäre.
(2) Auch stillschweigend haben die Parteien das Weisungsrecht der Beklagten in fachlichen Angelegenheiten nicht eingeschränkt. Der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt hat und auch mit dem Weiterbestehen seiner Anwaltszulassung einverstanden gewesen ist, betrifft schon nicht die anwaltliche Tätigkeit für die Beklagte, sondern die anwaltliche Tätigkeit des Klägers für Dritte.
cc) Die Beklagte hat auf die umfassende Ausübung ihres Weisungsrechts auch nicht verzichtet und es nicht verwirkt. Dass die Beklagte dem Kläger fachliche Weisungen bisher nicht erteilt hat und damit aus Sicht des Klägers dessen anwaltliche Tätigkeit für die Beklagte als fachlich unabhängig duldet, steht dem nicht entgegen.
(1) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (BAG, Urteil vom 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 -, Rn. 24, juris).
(2) Die jahrelange Nichterteilung von fachlichen Weisungen gegenüber dem Kläger, wie die Mandate der Beklagten von ihm zu führen sind, hat die Arbeitsbedingungen der Parteien nicht dahin konkretisiert, dass der Kläger inzwischen fachlich weisungsfrei agieren dürfte. Es fehlen auch besondere Umstände, auf die der Kläger hätte vertrauen können, dass die Beklagte seine anwaltliche Tätigkeit als nunmehr fachlich unabhängig von ihren Weisungen hätte akzeptieren wollen. Entsprechende Äußerungen, Erklärungen oder Verlautbarungen der Beklagten hat der Kläger nicht behauptet. Dagegen hat die Beklagte vor dem Hintergrund dieses Rechtsstreits und weiterer gleichgelagerter Rechtsstreitigkeiten durch Beschluss vom 10. Januar 2017 (Anlage B 2 - Bl. 170 d.A.) nunmehr ausdrücklich die Unternehmensentscheidung getroffen und verlautbart, "grundsätzlich keine Zulassungen der Rechtsschutzsekretärinnen und Rechtsschutzsekretär zum Syndikusrechtsanwalt [zu] unterstützen." Dieser Beschluss ist auch für den Kläger erkennbar dahin zu verstehen, dass die Beklagte auf ihr fachliches Weisungsrecht gegenüber den Rechtsschutzsekretären nicht verzichten will, was sie in der Berufungsbeantwortung vom 23. Mai 2017 (Bl. 164 [166] d.A.) nochmals ausdrücklich klargestellt hat.
dd) Der Kläger kann von der Beklagten eine Einschränkung ihres Weisungsrechts in fachlichen Angelegenheiten auch nicht nachträglich verlangen. Es fehlt dafür an einer Anspruchsgrundlage.
Soweit der Kläger seine Ungleichbehandlung gegenüber Syndikusrechtsanwälten bei einer Einzelgewerkschaft oder bei Arbeitgeberverbänden beanstandet, denen von ihren Arbeitgebern die erforderlichen Tätigkeitsbeschreibungen und Erklärungen zur Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwälte regelmäßig erteilt werden sollen, kommt es darauf nicht an, weil es sich bei diesen Arbeitgebern um andere Rechtsträger als die Beklagte handelt. Dass die Beklagte unternehmensintern Rechtsschutzsekretäre ungleich behandelte, behauptet der Kläger nicht.
c) Andere Anspruchsgrundlagen für die Erteilung der vom Kläger verlangten Tätigkeitsbeschreibungen mit dem von ihm verlangten Inhalt sind nicht ersichtlich, insbesondere auf einen etwaigen Auskunftsanspruch (§ 242 BGB) oder einen Nachweisanspruch (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG), kann sich der Kläger nicht berufen, weil über eine fachliche Unabhängigkeit, die nicht besteht, von der Beklagten weder Auskunft zu erteilen noch eine Niederschrift anzufertigen ist.
B.
I.
Die Kosten seiner ohne Erfolg eingelegten Berufung hat der Kläger zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
II.
Gegen dieses Urteil ist die Revision an das Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
Hinweise
Rechtsmittel wurde eingelegt - Az. beim BAG: 10 AZR 69/18