Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 29.08.2019
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Festsetzung einer halben Terminsgebühr.
Beim Landesarbeitsgericht war für den 22. Januar 2019 um 9:00 Uhr ein Termin anberaumt worden. Am Morgen dieses Tages ging um 8:20 Uhr per Fax die Berufungsrücknahme der Beklagten ein. Die Geschäftsstelle wurde zeitgleich informiert. Die Vorsitzende informierte um 9:00 Uhr den in Unkenntnis der Berufungsrücknahme erschienenen Prozessbevollmächtigten der Klägerin über die Berufungsrücknahme.
Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 8. Februar 2019 hat die Klägerin zunächst ua die Festsetzung einer 1,2 Terminsgebühr beantragt. Sie hat den Antrag nach einem entsprechenden Hinweis des Arbeitsgerichts auf 0,5 Terminsgebühr (Nr. 3203 VV RVG) reduziert.
Das Arbeitsgericht hat die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten zweiter Instanz mit Beschluss vom 20. März 2019 auf 1.035,90 Euro festgesetzt und dabei eine 0,5 Terminsgebühr in Ansatz gebracht.
Die Beklagte hat gegen den ihr am 25. März 2019 zugestellten Beschluss mit einem bei dem Arbeitsgericht am 8. April 2019 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung vertritt sie die Ansicht, auch eine reduzierte Terminsgebühr sei nicht angefallen, da am Terminstag zur Terminszeit bereits kein Verfahren mehr rechtshängig gewesen sei. Die Gebühr nach Nr. 3203 VV RVG hätte aber ein rechtshängiges Verfahren vorausgesetzt, in dem einer der im Verzeichnis genannten Anträge gestellt worden wäre. Im Übrigen verweist die Beklagte auf die Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG, nach der eine Terminsgebühr nur bei Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins anfalle. Wenn die Vorsitzende den Termin in Kenntnis der Berufungsrücknahme aufrufe, handele es sich dabei um eine fehlerhafte Sachbehandlung mit der Folge, dass die vermeidbaren Kosten von der Staatskasse zu tragen wären. Die zu erstattenden Kosten seien daher auf die angefallenen Reisekosten beschränkt.
Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde mit Beschluss vom 1. Juli 2019 nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach §
104 Abs. 3, §
567 Abs. 2 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.
2) Die Beschwerde ist auch begründet.
a) In dem Kostenfestsetzungsverfahren wird nach einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Verfahrenskosten nach prozessualen Maßstäben und nach Maßgabe des Kostenrechts entschieden (vgl. BAG 28. Mai 2009 -
8 AZR 226/08, zu II 1 mwN.).
b) Danach hat das Arbeitsgericht die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten nicht zutreffend festgesetzt. Zwar sind nach Rücknahme der Berufung der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden. Zu den zu erstattenden Kosten gehört aber hier nicht eine 0,5 Terminsgebühr. Diese ist nicht angefallen. Hierfür war allein die Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Gerichtssaal ohne Hinzutreten weiterer Gesichtspunkte nicht ausreichend.
aa) Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG entsteht eine Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist.
Eine 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3203 VV RVG fällt bei Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins an. Die Gebühr entsteht, wenn eine Partei oder ein Beteiligter nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist und lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil, Versäumnisentscheidung oder zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung gestellt wird. Die Gebühr entsteht auch, wenn das Gericht bei Säumnis lediglich Entscheidungen zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung von Amts wegen trifft oder eine Entscheidung gemäß §
331 Abs. 3 ZPO ergeht, wie sich aus der Bezugnahme auf die Anmerkung zu Nr. 3105 VV RVG ergibt.
Aus den Anforderungen der Nr. 3203 VV RVG wird deutlich, dass für das Entstehen einer Terminsgebühr über die bloße Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten hinaus jedenfalls die Voraussetzungen der Nr. 3203 VV RVG erfüllt sein müssen. Zwar war es nach der Gesetzesbegründung beabsichtigt, durch die Neuregelung im RVG den Streit zu entschärfen, ob eine Erörterung oder Verhandlung stattgefunden haben muss (siehe dazu
BT-Drucks. 15/1971, S. 213). Aus den Regelungen unter Nr. 3203 VV RVG und Nr. 3105 VV RVG wird aber deutlich, dass gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein müssen. So kann allein die Anwesenheit der Prozessbevollmächtigten ausreichend sein. Dann muss aber zumindest eine Entscheidungen zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung von Amts wegen getroffen worden sein (vgl. dazu BGH 24. Januar 2017 -
VI ZB 21/16, Rn. 14). Diese Regelung machte keinen Sinn, wenn Terminsgebühr schon ohne entsprechende Verfügungen anfallen würde.
Wenn das Erscheinen zu einem Termin allein ausreicht, um das Entstehen einer Terminsgebühr auszulösen, ist dies zudem im Gesetzestext ausdrücklich erwähnt. So erhält der Rechtsanwalt nach Vorbemerkung 4 Abs. 3 VV RVG die Terminsgebühr auch dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Dies gilt nach der Vorschrift nur dann nicht, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder Verlegung des Termins in Kenntnis gesetzt worden ist. Eine vergleichbare Regelung ist für den Zivilprozess in der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG und Nr. 3105 VV RVG sowie Nr. 3203 VV RVG gerade nicht vorgesehen.
Soweit demgegenüber teilweise (so Mayer/Kroiß, RVG, Vorbem. 3 Rn 39) die Auffassung vertreten wird, allein die Anwesenheit des Rechtsanwalts im Termin sei ausreichend, überzeugen die für diese Auffassung vorgetragenen Gesichtspunkte nicht. Nach der insoweit in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Köln vom 16. Oktober 2008 (
17 W 252/08, Rn. 10) falle ja sogar dann eine Terminsgebühr an, wenn die Parteien eine außergerichtliche Besprechung über nicht rechtshängige Ansprüche zur Vermeidung eines zukünftigen Prozesses führten. Solange solche Verhandlungen nicht geführt werden, ist das kein Argument, um den Anfall einer Terminsgebühr ohne das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu bejahen. Der Rückgriff auf ein "Veranlasserprinzip" hilft insoweit nicht weiter. Aus Wortlaut und Systematik wird deutlich, dass der Gesetzgeber in der vorliegenden Konstellation die Voraussetzungen für das Entstehen einer Terminsgebühr nicht schaffen wollte.
Andernfalls hätte es nahe gelegen, eine der Vorbemerkung 4 VV RVG entsprechende Regelung auch unter der Vorbemerkung 3 aufzunehmen.
bb) Bei Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte ist eine Terminsgebühr hier nicht angefallen. Die Vorsitzende hat bei Erscheinen des Klägervertreters lediglich den Umstand mitgeteilt, dass die Beklagte die Berufung zurückgenommen habe. Ein Aufruf kann damit auch nicht zu einem Verhandlungstermin, sondern lediglich zu einer Information des Prozessbevollmächtigten der Klägerin erfolgt sein. Jedenfalls wurden ausweislich des Akteninhalts weder Anträge gestellt noch seitens des Gerichts prozess-, verfahrens- oder sachleitende Verfügungen getroffen.
Nach Rücknahme der Berufung ist mangels eines Verfahrens für derartige Verfügungen regelmäßig wenig Raum.
c) Dementsprechend waren die zu erstattenden Kosten ohne Berücksichtigung einer Terminsgebühr festzusetzen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.