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  • 29.06.2021 · IWW-Abrufnummer 223187

    Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Beschluss vom 18.06.2021 – 5 Ta 15/21

    1. Zwar kann eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die nicht mit einer Originalunterschrift, sondern wegen Übermittlung per Fax oder beA mit einer fotokopierten oder eingescannten Unterschrift des Antragstellers versehen ist, den Anforderungen genügen, sofern feststeht, dass die Erklärung von der Partei stammt. Das schließt es jedoch nicht generell aus, im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens eine Glaubhaftmachung durch Nachreichung des Originals der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu fordern.

    2. Der Beiordnungsantrag eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten ist insgesamt zurückzuweisen, wenn der Rechtsanwalt nicht mit einer Beiordnung zu den Bedingungen eines Rechtsanwalts mit Niederlassung im Bezirk des Gerichts einverstanden ist, sondern ausdrücklich die uneingeschränkte Beiordnung beantragt, und dadurch weitere Kosten entstehen würden.


    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 30.03.2021 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 29.03.2021 - 14 Ca 18/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



    Gründe



    I.



    Die Parteien streiten vor dem Arbeitsgericht Stralsund (Kammern Neubrandenburg) über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie über das Arbeitsentgelt für den Monat Dezember 2020.



    Der in Polen wohnhafte Kläger nahm am 01.07.2020 bei der im Bezirk des Arbeitsgerichts Stralsund ansässigen Beklagten eine Beschäftigung als Windenergieanlagentechniker zu einem Bruttostundenlohn von zuletzt € 15,00 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein englischsprachiger Arbeitsvertrag zugrunde.



    Mit dem per beA eingereichten Antrag auf Prozesskostenhilfe vom 01.02.2021 übersandte der Prozessbevollmächtigte eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers in deutscher und polnischer Sprache. Beigefügt waren der Erklärung die Kontoauszüge des Klägers für die Monate Oktober bis Dezember 2020. Nach den Angaben des Klägers in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verfügt er aktuell über keinerlei Bruttoeinnahmen. Beide Erklärungen tragen eine eingescannte oder fotokopierte Unterschrift des Klägers.



    Das Arbeitsgericht hat auf Antrag des Klägers den anberaumten Termin zur Güteverhandlung aufgehoben, um zunächst über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden. Mit Verfügung vom 25.02.2021 bat das Arbeitsgericht den Kläger um Nachreichung des Originals der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und um Erläuterung, wie er derzeit seinen Lebensunterhalt ohne jegliche Einnahmen bestreite. Das Arbeitsgericht wies des Weiteren darauf hin, dass eine Beiordnung nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk Stralsund niedergelassenen Rechtsanwalts in Betracht komme, und bat um Äußerung hierzu.



    Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass der Kläger seinen aktuellen Lebensunterhalt aus den Zuwendungen seiner Eltern bestreite. Eine eingeschränkte Beiordnung lehnte er ausdrücklich ab.



    Der Kläger beantragt,



    ihm unter - unbeschränkter - Beiordnung von Rechtsanwalt B. in B-Stadt Prozesskostenhilfe für die erste Instanz zu gewähren,



    die Bewilligung auf die für die Beauftragung eines Terminvertreters anfallenden Kosten zu erstrecken,



    die Bewilligung auf die im Prozesskostenhilfeverfahren durch Übersetzung von Anlagen anfallenden Übersetzungskosten zu erstrecken, sofern das Gericht die Übersetzungen nicht selbst beauftragt,



    die Prozesskostenhilfe auf sämtliche im Zusammenhang mit einem Vergleich oder einem Mehrvergleich entstehenden Gebühren zu erstrecken.



    Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Ansicht vertreten, dass die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht im Original vorgelegt werden müsse. Die Übermittlung in Form eines elektronischen Dokuments mit eingescannter Unterschrift genüge, wenn die Erklärung unzweifelhaft vom Antragsteller stamme und er zu seinen Angaben stehe. Die Beiordnung müsse unbeschränkt erfolgen, da der polnischsprachige Kläger der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig und deshalb auf einen polnisch sprechenden Prozessbevollmächtigten angewiesen sei. Die unbeschränkte Beiordnung erspare die ansonsten anfallenden, wesentlich höheren Dolmetscherkosten. Sie erspare zudem einen Verkehrsanwalt.



    Mit Beschluss vom 29.03.2021 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an einer ordnungsgemäß unterzeichneten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fehle. Zwar könne eine solche Erklärung auch als elektronisches Dokument eingereicht werden, sei dann aber mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Antragstellers zu versehen. Des Weiteren sei es nicht möglich, den benannten Prozessbevollmächtigten beizuordnen, da dieser ausdrücklich eine eingeschränkte Beiordnung abgelehnt habe. Für die des Weiteren geforderte zusätzliche Beiordnung eines Terminvertreters gebe es keine gesetzliche Grundlage.



    Gegen diesen, dem Prozessbevollmächtigten am 30.03.2021 zugestellten Beschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 30.03.2021, am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangen, fristgemäß sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr und die damit verfolgten Ziele nicht berücksichtigt. Seit Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs entspreche die Übersendung von PKH-Unterlagen auf diesem Weg bundesweit der gängigen Praxis und sei noch nie beanstandet worden.



    Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26.04.2021 der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass angesichts der umfangreichen Belehrung des Antragstellers über seine Pflichten in dem zu verwendenden Prozesskostenhilfeformular auf die Unterschrift der Partei nicht verzichtet werden könne. Ohne eine Unterschrift sei eine ordnungsgemäße Belehrung nicht sicherzustellen. Der Antragsteller übernehme nur bei Unterzeichnung des Formulars im Original oder mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur die volle Verantwortung für seine Erklärung. Das Gericht könne nicht sicher feststellen, ob die auf dem elektronischen Dokument befindliche Unterschrift vom Kläger stamme oder nicht. Der Kläger habe trotz Aufforderung des Gerichts das Original bisher nicht nachgereicht.



    Darüber hinaus könne der in B-Stadt ansässige Prozessbevollmächtigte nicht beigeordnet werden. Ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt könne nur beigeordnet werden, wenn dies nicht zu weiteren Kosten führe. Zwar sei es zulässig, hiervon abzuweichen, wenn der Prozessbevollmächtigte über besondere Spezialkenntnisse verfüge. Im Bezirk des Arbeitsgerichts Stralsund seien jedoch ebenfalls polnisch sprechende Rechtsanwälte verfügbar.



    Der Kläger hält an der sofortigen Beschwerde fest und verweist erneut darauf, dass nach Auffassung verschiedener Gerichte und der Bundesrechtsanwaltskammer eine Einreichung der Erklärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse in elektronischer Form genüge. Dass die Unterschrift auf der Erklärung vom Kläger stamme, könne mit Blick auf die Unterschriften des Klägers auf dem Arbeitsvertrag nicht zweifelhaft sein. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Arbeitsgericht ins Blaue hinein unterstelle, dass die Richtigkeit der gemachten Angaben mit der Unterschrift nicht gewährleistet sei.



    II.



    Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 567 Abs. 2 ZPO, § 78 Satz 1 ArbGG zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht durfte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnen, ebenso wie die Beiordnung des in B-Stadt ansässigen Prozessbevollmächtigten.



    1.



    Nach § 114 Abs. 1 ZPO (i. V. m. § 1076, § 1078 ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Antrag auf Prozesskostenhilfe sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei gemäß § 117 Abs. 4 ZPO ihrer bedienen. Das Formular sieht am Ende neben Angabe von Ort und Datum auch die Unterschrift der Partei oder der Person, die sie gesetzlich vertritt, vor.



    Umstritten ist, ob das Formular im Original unterschrieben sein muss (so BFH, Beschluss vom 24. April 2001 - X B 56/00 - Rn. 10, juris = BFH/NV 2001, 1412; BFH, Beschluss vom 25. Mai 1999 - VII S 13/99 - Rn. 1, juris = BFH/NV 2000, 51; vgl. auch VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Januar 2019 - 3/18 - Rn. 12, juris) oder ob die Übermittlung eines elektronischen Dokuments bzw. eines Telefaxes genügt, sofern feststeht, dass die Erklärung von der Partei stammt (so LAG Sachsen, Beschluss vom 25. Oktober 2018 - 4 Ta 52/18 (8) - Rn. 17, juris = NZA-RR 2019, 278; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17. Mai 2017 - 6 Ta 67/17 - Rn. 14, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 04. April 2018 - 4 W 325/18 - Rn. 6, juris = MDR 2018, 829; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07. Dezember 1995 - 2 WF 145/95 - Rn. 9, juris = FamRZ 1996, 805; Zöller/Schulzky, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 117, Rn. 23; MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 117 Rn. 19). Unabhängig von der Frage, ob eine fotokopierte oder eingescannte Unterschrift genügen oder ggf. sogar eine Unterschrift entbehrlich sein kann, bleibt es dem Gericht unbenommen, im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens eine Glaubhaftmachung der Angaben zu verlangen, ggf. auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt zu fordern (§ 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Glaubhaftmachung kann beispielsweise veranlasst sein, wenn der Antragsteller vorträgt, über keinerlei Einnahmen zu verfügen (LAG Hamburg, Beschluss vom 18. September 2003 - 6 Ta 19/03 - Rn. 5, juris; MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 118 Rn. 15).



    Das Arbeitsgericht Stralsund hat zur Glaubhaftmachung die Nachreichung des Originals der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gefordert. Diese Beauflagung lässt keine Ermessensfehler erkennen. Dem Arbeitsgericht ging es darum, eine Zurechnung der Erklärung zum Kläger und dessen ordnungsgemäße Belehrung sicherstellen zu können. Das ist nicht zu beanstanden. Für den Kläger ist diese Auflage weder mit besonderen Kosten noch mit einem nennenswerten Zeitaufwand verbunden. Das Arbeitsgericht hat den Zugang des Klägers zu staatlichem Rechtsschutz dadurch in keiner Weise erschwert, sondern nur etwas eingefordert, was schnell und einfach zu erfüllen ist, während hingegen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung mit zusätzlichen Kosten verbunden gewesen wäre. Davon hat das Arbeitsgericht jedoch abgesehen und lediglich eine Originalunterschrift des Klägers verlangen, um den Aufwand möglichst gering zu halten. Es ist nicht erkennbar, was den Kläger hindert, der Auflage des Arbeitsgerichts nachzukommen, bzw. woraus sich ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse ergeben soll.



    2.



    Des Weiteren hat das Arbeitsgericht zu Recht eine Beiordnung des in B-Stadt ansässigen Prozessbevollmächtigten abgelehnt. Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Eine uneingeschränkte Beiordnung eines nicht im Bezirk des zuständigen Gerichts niedergelassenen Rechtsanwalts ist nicht möglich, sofern dadurch höhere Fahrtkosten entstehen als im Falle einer Beiordnung eines dort ansässigen Rechtsanwalts (OLG Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2020 - 9 WF 293/20 - Rn. 4, juris). Mehrkosten fallen an, wenn die Fahrstrecke, die der auswärtige Rechtsanwalt von seinem Kanzleisitz zum Gericht zurücklegen muss, weiter ist als die Fahrstrecke, die ein Prozessbevollmächtigter zurücklegen müsste, der seine Kanzlei in dem entferntesten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06. August 2018 - L 2 AS 974/18 B - Rn. 4, juris).



    Der Antrag auf Beiordnung ist insgesamt zurückzuweisen, wenn der Rechtsanwalt nicht mit einer Beiordnung zu den Bedingungen eines Rechtsanwalts mit Niederlassung im Bezirk des Gerichts einverstanden ist, sondern ausdrücklich die uneingeschränkte Beiordnung beantragt, und dadurch Mehrkosten entstehen würden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. Januar 2014 - L 18 R 289/13 B - Rn. 3, juris; Zöller/Schulzky, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 121, Rn. 26; MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 121 Rn. 16).



    Ob besondere Spezialkenntnisse eines auswärtigen Rechtsanwalts ausnahmsweise zu einer unbeschränkten Beiordnung führen können, bedarf keiner Entscheidung. Zwar verfügt der Prozessbevollmächtigte des Klägers über besondere Sprachkenntnisse. Im Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Stralsund sind jedoch ebenfalls polnisch sprechende Rechtsanwälte ansässig. Darauf hat das Arbeitsgericht bereits zu Recht hingewiesen und dies konkret belegt.



    III.



    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.

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