· Fachbeitrag · Beratungsfehler
Verjährungsbeginn bei unterlassener Beratung
Maßgeblich für das Entstehen eines anwaltlichen Regressanspruchs ist bei der unterlassenen Beratung über eine Ausschlussfrist der Ablauf dieser Frist. Auf den Ablauf einer möglichen Wiedereinsetzungsfrist kommt es nicht an (BGH 25.4.13, IX ZR 65/12, Abruf-Nr. 131848). |
Sachverhalt
Der Kläger nimmt den beklagten Rechtsanwalt auf Schadenersatz wegen der Verletzung einer Hinweispflicht in Anspruch. Der Beklagte hatte den Kläger im Jahr 2000 in einem Kündigungsschutzprozess gegen seine ehemalige Arbeitgeberin (Schuldnerin) vertreten. Das ArbG verurteilte die Schuldnerin zur Zahlung rückständigen Arbeitsentgelts. Nach diversen Vollstreckungsmaßnahmen blieb bis 2009 noch ein Restbetrag offen. Der Bevollmächtigte teilte dem Kläger dann mit, dass er in der Sache nichts weiter veranlassen werde, da dies aussichtslos sei. Danach erfuhr der Kläger, dass die Bundesagentur für Arbeit für den 31.8.03 die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit der Schuldnerin festgestellt hatte. Er beantragte daraufhin die Zahlung von Insolvenzgeld von über 3.000 EUR für die letzten drei Monate seiner Tätigkeit vor der fristlosen Kündigung. Diesen Antrag wies die Bundesagentur zurück, weil der Kläger sich nicht ausreichend um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht und deshalb die Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Insolvenzgeldes nicht schuldlos versäumt habe. Ein Widerspruch des Klägers gegen diese Entscheidung blieb erfolglos. Eine dagegen gerichtete Klage ist beim SG anhängig. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, den ihm aufgrund der verspäteten Antragstellung möglicherweise entstehenden Schaden zu ersetzen. AG und LG haben dem Feststellungsbegehren des Klägers stattgegeben und die Verjährungseinrede zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ist noch zu § 51b BRAO ergangen. Dies steht aber ihrer Aktualität nicht im Weg, wenngleich der Fall nach neuem Verjährungsrecht anders zu entscheiden wäre: Nach § 51b S. 1 BRAO a.F. verjährte der Anspruch auf Schadenersatz aus dem zwischen Kläger und Anwalt bestehenden Vertrag in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden war.
Der Schaden ist nicht erst mit dem Bescheid der Bundesagentur eingetreten. Maßgeblich ist vielmehr der Ablauf der Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 SGB III a.F. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH entsteht der Schaden, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtverletzung des Beraters im Vergleich zu seinem früheren Vermögensstand objektiv verschlechtert hat. Dafür genügt es, dass der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag auch seine Höhe noch nicht beziffert werden können. Es muss nicht feststehen, dass die Vermögenseinbuße bestehen bleibt und damit endgültig wird, vielmehr reicht es aus, dass ein endgültiger Teilschaden entstanden ist und mit weiteren adäquat verursachten Nachteilen gerechnet werden muss (BGH NJW 91, 2828; WM 08, 611). Die Unkenntnis des Schadens hindert den Beginn der Verjährung nach § 51b BRAO a.F. nicht. Eine bloße Vermögensgefährdung reicht für die Annahme eines Schadens dagegen nicht aus.
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend der Schaden des Klägers am 31.10.03 eingetreten, da das Insolvenzereignis am 31.8.03 eingetreten war und damit Ende Oktober 2003 die Ausschlussfrist abgelaufen war, in der der Kläger den Anspruch auf Insolvenzgeld gestellt haben musste. Bei der Versäumung dieser Frist aus Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hatte, kam gemäß § 324 Abs. 3 S. 2 SGB III a.F. die nachträgliche Zahlung von Insolvenzgeld in Betracht. Eine schuldhafte Versäumung der Frist lag gemäß S. 3 der Regelung vor, wenn der Arbeitnehmer sich nicht mit der hinreichenden Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hatte.
Hier geht es um den Ablauf einer materiellen Ausschlussfrist, bei deren Versäumung der Mandant zwar unter bestimmten Voraussetzungen, die denen einer Wiedereinsetzung nahekommen, den Schaden nachträglich entfallen lassen kann. Dies ändert aber nichts daran, dass für die verjährungsrechtliche Schadensentstehung der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem die Ausschlussfrist verstrichen ist (anders als bei der Haftung des Steuerberaters; BGH WM 06, 590). Ob es eine Möglichkeit gibt, diesen Schadenseintritt aufzufangen, indem sich der Mandant nachträglich wegen der Fristversäumnis entschuldigen kann, ändert nichts an der Tatsache, dass sich der Vermögensbestand des Mandanten objektiv verschlechtert hat und keine bloße Vermögensgefährdung vorliegt.
Es kommt nicht darauf an, ob es dem Mandanten gelingen könnte, den durch den Ablauf der Ausschlussfrist eingetretenen Schaden durch einen später gestellten Antrag nach § 324 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB III a.F. noch abzuwenden. Anderenfalls müsste auch die erfolgversprechende Möglichkeit einer Wiedereinsetzung nach §§ 233 ff. ZPO im Fall der Versäumung einer prozessualen Frist dazu führen, dass der Eintritt des Schadens gehindert ist, solange die durch die Fristversäumung eingetretenen Nachteile rückwirkend in einem Wiedereinsetzungsverfahren wieder beseitigt werden können. Einer solchen Betrachtungsweise steht aber die Rechtsprechung des BGH entgegen, nach der ein infolge der Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde eingetretener Schaden auch bestehen bleibt, wenn im Nachhinein versucht wird, Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu erlangen. Die Schädigung des Mandanten durch eine nachteilige Gerichtsentscheidung, die auf einem fehlerhaften Prozessverhalten des Rechtsberaters beruht, entfällt nicht wegen der Unsicherheit, ob der Schaden bestehen bleibt und endgültig wird und damit auch nicht wegen eines Wiedereinsetzungsantrags des Mandanten (BGH WM 00, 959).
Die Folgen des Eintritts der Verjährung können auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Sekundäranspruchs abgewendet werden. Dieser begann mit Vollendung der Primärverjährung, also spätestens im Jahr 2006, und war deshalb im Jahr 2009 verjährt. Die Klage ist im Juli 2010 beim AG eingereicht worden und konnte deshalb die Verjährung nicht hemmen.
Praxishinweis
In vergleichbaren Fällen kommen heute §§ 195, 199 BGB zur Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Wie unter § 51b BRAO kommt es also zunächst auf das Entstehen des Anspruchs an. Hier entfaltet die vorgestellte Entscheidung ihre Bedeutung.
Hinzugekommen ist aber das subjektive Erfordernis der Kenntnis des geschädigten Mandanten von den anspruchsbegründenden Voraussetzungen. Maßgeblich ist, ob er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen den Rechtsanwalt jedenfalls eine schlüssige Feststellungsklage erheben kann, die hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (BGH VuR 09, 420; NJW-RR 08, 1495). Eine Bezifferung des Schadens muss also noch nicht möglich sein. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit wird die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände für ausreichend erachtet und es wird keine zutreffende rechtliche Würdigung vorausgesetzt (BGH NJW-RR 08, 1237; OLG Koblenz WM 12, 987). Ausnahmsweise kann anderes gelten, wenn es sich um eine unübersichtliche oder zweifelhafte Rechtslage handelt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH NJW 09, 984).
In vielen Fällen wird die Voraussetzung den Verjährungsbeginn hinausschieben und damit die Gefahr erhöhen, dass der Mandant noch lange nach Abschluss eines Mandats Ansprüche aus dem anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag geltend macht. Der Rechtsanwalt kann sich letztlich nur durch eine besonders sorgfältige Mandatsbearbeitung vor solchen Ansprüchen schützen und durch hinreichenden Versicherungsschutz die Folgen abfedern.