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  • · Fachbeitrag · Betriebsstättenrisiko für Dienstleistende

    Eine Betriebsstätte kann schon allein durch Spind und Schließfach begründet werden

    von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dozent, Lehrbeauftragter und freier Gutachter in Umsatzsteuerfragen, Dortmund

    Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme einer Betriebsstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Es geht darum, dass die eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird („Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit). Diesen Anforderungen wird entsprochen, wenn dem Dienstleistenden im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung personenbeschränkte Nutzungsstrukturen an ortsbezogenen Geschäftseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.

     

    Sachverhalt

    Der Steuerpflichtige ist Flugzeugingenieur. In den Streitjahren hatte er sowohl einen Wohnsitz in Deutschland als auch einen in Großbritannien. Letzterer Wohnsitz war der Mittelpunkt der Lebensinteressen.

     

    Mit seinem britischen Auftraggeber vereinbarte der Steuerpflichtige auf standardisierter Vertragsgrundlage einen „Freelancer Contract“, worin er sich verpflichtete, flugzeugbezogene Wartungsleistungen als Subunternehmer des Auftraggebers zu erbringen. Der Steuerpflichtige übte seine Tätigkeit in Deutschland auf dem Flughafengelände der A-GmbH aus. Für die im Namen des Auftraggebers tätigen Ingenieure und Mechaniker waren auf diesem Gelände Umkleide-, Verwaltungs- und Gemeinschaftsflächen vorhanden. Die Mitarbeiter hatten unter anderem einen verschließbaren Spind, um ihre Kleidung aufzubewahren. Auf der Spindtür war ein Schild mit dem jeweiligen Namen des Mitarbeiters und dessen britischen Auftraggebers angebracht.

     

    Die Dokumentation der am Flugzeug durchgeführten Arbeiten erfolgte im Log-Buch des Flugzeugs in einem mit Computern ausgestatteten Raum des britischen Auftraggebers neben dem Hangar. In diesem Raum hatte jeder Mitarbeiter ein mit seinem Namen und dem Namen des britischen Auftraggebers beschriftetes Schließfach, in dem der Mitarbeiter persönliche Gegenstände wie Handy, Schlüssel, Geld etc. aufbewahren konnte. Am Eingang des Gebäudes mussten sich die Mitarbeiter einer Sicherheitskontrolle unterziehen, anschließend konnten sie sich in dem Gebäude frei bewegen. Der Steuerpflichtige war Inhaber eines Sicherheitsausweises für den Flughafen. Der Zutritt war für ihn unabhängig von der schichtplanorganisierten Einteilung zum Dienst technisch möglich.

     

    Streitig war unter anderem, ob der Steuerpflichtige durch Spind und Schließfach eine Betriebsstätte begründet hat.

     

    Entscheidung

    Der BFH hat die Begründung einer Betriebsstätte bejaht.

     

    Tatbestandsvoraussetzungen nach ständiger BFH-Rechtsprechung

    Die Annahme einer Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO setzt eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus,

    • die von einer gewissen Dauer ist,
    • der Tätigkeit des Unternehmens dient und
    • über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.

     

    Für die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht ist grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann („selbstständiger Nutzungsanspruch“). Es reichen weder eine tatsächliche Mitbenutzung noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit aus. Allerdings muss die Verfügungsmacht keine alleinige sein.

     

    Darüber hinaus muss die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit unmittelbar dienen. Dazu muss dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt werden und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ im Sinne einer örtlichen Verfestigung des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrücken.

     

    Rechtsauffassung des Finanzgerichts Sachsen

    Das FG Sachsen hatte in erster Instanz eine Betriebsstätte des Steuerpflichtigen verneint. Das FG hatte festgestellt, dass der Steuerpflichtige sein Werkzeug nicht in dem Spind aufbewahrt hatte. Dies ließ die Größe des Schließfachs nicht zu. Das „Sichaufhalten und Tätigwerden“ mit eigenem Werkzeug in fremden Räumlichkeiten, um Arbeiten zu verrichten, genüge nicht für die erforderliche „Verwurzelung“ des Unternehmens des Steuerpflichtigen am Ort der Ausübung.

     

    Rechtsauffassung des BFH

    Der BFH beurteilte den Fall anders als das FG. Für die Auslegung des Betriebsstättenbegriffs stellte der BFH auf das nationale Begriffsverständnis ab. Der abkommensrechtliche Begriff korrespondiere mit dem des § 12 AO. Danach setzt eine Betriebsstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.

     

    Nach Auffassung des BFH hat eine Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen im Sinne einer Nutzungsmöglichkeit über die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung unerlässlichen Räumlichkeiten (Hangar, Computerraum, Verwaltungs-/Aufenthalts- und Umkleideraum) mittelbar bestanden. Dass die Verfügungsmacht keine alleinige war und dass sie hätte entzogen werden können, beeinträchtigt seine Position für die Dauer der noch nicht aufgekündigten Vereinbarung ebenso wenig wie eine Sicherheitskontrolle beim Betreten des Geländes.

     

    Darüber hinaus fehlte es im Streitfall auch nicht an der durch die Überlassung personenbeschränkter Nutzungsstrukturen bei Geschäftseinrichtungen vermittelten ortsbezogenen „Verwurzelung“ des Unternehmens des Steuerpflichtigen mit dieser Örtlichkeit.

     

    Dabei ist zu beachten, dass die einvernehmliche Feststellung zwischen den Beteiligten, dass der Steuerpflichtige in dem ihm persönlich zugewiesenen Schließfach sein Werkzeug nicht aufbewahrt hat, eine betriebsbezogene Nutzung des personenbezogenen Spinds (Aufbewahren der Arbeitskleidung und dem Arbeitsschutz dienender Gegenstände außerhalb der konkreten Einsatzzeiten des Steuerpflichtigen) denkgesetzlich nicht ausschließt.

     

    Vielmehr ist der Spind auf der Grundlage betriebsbezogener Erfordernisse dazu geeignet und bestimmt, die private Kleidung während der Einsatzzeit und die Arbeitskleidung des Steuerpflichtigen außerhalb der Einsatzzeit aufzubewahren. Entsprechendes gilt für private Gegenstände und das Schließfach. Auch wenn die Werkzeuge nach dem jeweiligen Abschluss der Tätigkeit nicht „am Ort“ deponiert gewesen sein sollten, ist damit nur ein Teil der der Tätigkeit dienenden unerlässlichen Arbeitsmittel angesprochen.


    PRAXISTIPP | Erbringt ein Steuerpflichtiger Dienstleistungen, ist das Vorliegen einer Betriebsstätte bereits zu bejahen, wenn dem Steuerpflichtigen Spind und Schließfach zur Verfügung gestellt werden. Für eine betriebsbezogene Nutzung ist es ausreichend, wenn im Spind die private Kleidung (während der eigentlichen Einsatzzeiten) und die Berufskleidung (in den Freizeiten) aufbewahrt werden kann. Das Urteil erging übrigens zu § 12 AO. Damit dürfte es sich auch auf das Umsatzsteuerrecht und insbesondere auf den Leistungsort nach § 3a UStG auswirken.


    Fundstelle

    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 725 | ID 49734466

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