§ 32 EStG - Kindergeld bei geringer Überschreitung der Einkommensgrenze?
Wird die Einkunftsgrenze des § 32 Abs. 4 EStG für volljährige Kinder nur geringfügig überschritten, entfallen sowohl Kindergeld als auch die steuerlichen Vergünstigungen sofort in voller Höhe. Diese unter dem Begriff „Fallbeil“ bekannte Negativwirkung muss nach Ansicht des FG Niedersachsen aus Gründen der Systemgerechtigkeit verfassungskonform ergänzt werden. Geht das Gesetz bei Einkünften und Bezügen bis 7.680 EUR von einer vollen Unterhaltspflicht der Eltern aus, kann diese bei einem Anstieg um nur 1 EUR nicht sofort ganz entfallen. Denn die Entlastungswirkung des gestiegenen Einkommens beträgt ebenfalls nur 1 EUR. Dies macht den Familienleistungsausgleich widersprüchlich.
Daher dürfen Kindergeldzahlung und steuerliche Förderung nicht sofort auf einen Schlag entfallen, sondern müssen bei Überschreitung des Grenzbetrags sukzessive abnehmen. Daher ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 32 Abs. 4 EStG zulässig und das Kindergeld nur insoweit zu kürzen, als die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag übersteigen. Liegt das Einkommen beispielsweise bei 8.000 EUR, muss die Familienkasse im Jahr lediglich einen Abschlag von 320 EUR vornehmen, da die Einkünfte mit dieser Differenz über dem Grenzbetrag liegen. Eine entsprechende Berücksichtigung muss bei der Einkommensteuer erfolgen.
Praxishinweis: Im Hinblick auf das Revisionsverfahren sollten Eltern volljähriger Kinder mit zu hohen Einkünften und Bezügen weiterhin Kindergeld beantragen und bei entsprechend hoher Progression auch ihre Einkommensteuerbescheide offen halten. Auch wenn der BFH die Auffassung aus Niedersachsen nicht teilen sollte, muss dies nicht die endgültige Entscheidung bedeuten. Bei passender Gelegenheit wird vermutlich ein FG die Frage direkt dem BVerfG zur Entscheidung vorlegen.
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