§ 9 GewStG - Rückwirkende Besteuerung von Schachteldividenden ist verfassungswidrig
Dividenden und GmbH-Ausschüttungen aus Streubesitz mit weniger als 10 v.H. Beteiligung unterliegen ab dem 1.1.2001 der Gewerbesteuerpflicht. Die Änderung des GewStG wurde aber erst am 24.12.2001 im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht. Die Rückwirkung verstößt nach Ansicht des FG Münster gegen Art. 20 Abs. 3 GG und damit gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Danach ist das Vertrauen des Steuerbürgers in die bestehende Rechtslage so lange schützenswert, bis die geänderte Rechtslage im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird. Daher wird die Entscheidung des BVerfG eingeholt, ob auch die Gewinnausschüttungen aus Streubesitz der Gewerbesteuerpflicht unterliegen dürfen, die vor der Bekanntmachung der Gesetzesänderung ausgezahlt worden sind.
Praxishinweise:
- Betroffene Betriebe sollten das Jahr über ein ruhendes Verfahren offenhalten. Oftmals ist der Veranlagungszeitraum 2001 aufgrund des Vorbehalts der Nachprüfung noch offen oder die Verjährung ist Ende 2007 noch nicht eingetreten. Die Steuerpflicht auf Schachteldividenden wird über das Unternehmensteuerreformgesetz ab 2008 auf eine Beteiligung von 15 v.H. erhöht.
- Der Ausgang des Verfahrens vor dem BVerfG hat über den Einzelfall hinaus genauso grundsätzliche Bedeutung wie die vom BFH vorgebrachte Frage zum gewerbesteuerlichen Verlustvortrag nach § 10a GewStG bei Mitunternehmern (s. AStW 07, 618). Der BFH hatte hierzu entschieden, dass für eine strikt mitunternehmerbezogene Ermittlung des anteiligen Verlustbetrags auch Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben zählen. Dies wurde über das Jahressteuergesetz 2007 für alle noch offenen Fälle korrigiert. Die rückwirkende Anwendung hält der BFH für verfassungswidrig, soweit die maßgeblichen wirtschaftlichen Dispositionen vor Verkündung der Neuregelung getroffen wurden.
- Die Unsitte, Gesetzesänderungen zuungunsten von Steuerzahlern in allen noch offenen Fällen rückwirkend gelten zu lassen, hat in jüngster Zeit deutlich zugenommen. Aktuelle Beispiele sind etwa die Einführung von Steuerstundungsmodellen nach § 15b EStG oder aktuell die Ausnahme vom Bestandsschutz bei der Abgeltungsteuer für Zertifikate. Auch das Jahressteuergesetz 2008 greift in familiär langfristige Dispositionen ein, indem die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen auch für schon vor Jahrzehnten abgeschlossene Verträge abgeschafft wird, dies allerdings nur für künftige Veranlagungszeiträume. Das BVerfG hat also aktuell erneut Gelegenheit, sich mit der Tendenz rückwirkend geltender Gesetze auseinanderzusetzen.
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