· Fachbeitrag · § 34 EStG
Einheitliche Entschädigung bei mehreren Teilleistungen aufgrund Arbeitsplatzverlusts
Eine einheitliche, in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ausgezahlte Entschädigung kann vorliegen, wenn alle Teilleistungen auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzuführen sind. Dies gilt auch, soweit eine Teilentschädigung (sog. Startprämie) dafür geleistet wird, dass der Arbeitnehmer sein Beschäftigungs- und Qualifizierungsverhältnis bei der Transfergesellschaft vorzeitig kündigt, weil er bei einem anderen Arbeitgeber ein neues Arbeitsverhältnis beginnt. |
Sachverhalt
Streitig war, ob die dem steuerpflichtigen Arbeitnehmer in den Streitjahren 2015 und 2016 zugeflossenen Abfindungsleistungen als außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 EStG ermäßigt zu besteuern sind. Aufgrund seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis erhielt er in einem VZ 40.000 EUR aufgrund des Verzichts auf den Anspruch auf Beschäftigung in der Transfergesellschaft B und 19.250 EUR in einem anderen VZ für das vorzeitige Ausscheiden aus der Transfergesellschaft A. Für beide Zahlungen machte er ohne Erfolg die ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG geltend.
Entscheidung
Auch der BFH bestätigte die Nichtanwendbarkeit von § 34 EStG.
Folgende Erwägungen waren für ihn maßgebend:
Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u. a. Entschädigungen in Betracht, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.
Eine Entschädigung liegt vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht.
Außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden vom BFH grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.
Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der BFH allerdings in solchen Fällen für geboten, in denen ‒ neben der Hauptentschädigungsleistung ‒ in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Trotz Zuflusses einer einheitlichen Abfindung in zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen ist außerdem auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige die ganz überwiegende Hauptleistung in einem Betrag und daneben nur eine geringfügige Teilleistung in einem anderen Veranlagungszeitraum erhält.
Werden zwei oder mehrere Entschädigungszahlungen in aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen nicht zum Ausgleich für dasselbe Schadensereignis, etwa den Verlust eines Arbeitsplatzes, sondern für jeweils unterschiedliche Schadensereignisse erbracht, ist nicht von einer einheitlichen Entschädigungszahlung auszugehen.
Im Streitfall war von einer einheitlichen, nicht gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernden Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes des Steuerpflichtigen auszugehen, die in zwei Veranlagungszeiträumen ausgezahlt wurde, sodass keine die ermäßigte Besteuerung auslösende Zusammenballung vorlag.
Der BFH entschied, dass im Streitfall die verschiedenen vertraglichen Bestandteile untrennbar verbunden und aufeinander abgestimmt waren und damit nicht isoliert voneinander betrachtet werden konnten. Denn der Steuerpflichtige hatte sich unter Inkaufnahme des Verlusts seines langjährigen Arbeitsplatzes bei der X-GmbH entschlossen, die „Gesamtvereinbarung“, welche ihm von seiner damaligen Arbeitgeberin angeboten wurde, anzunehmen. Dazu zählten sowohl die Möglichkeit der befristeten Weiterbeschäftigung zunächst in der Transfergesellschaft A, im Anschluss in der Transfergesellschaft B als auch die vereinbarten finanziellen Anreize für einen vorzeitigen Ausstieg aus den Transfergesellschaften. Beide Vertragsteile bezogen sich auf den Arbeitsplatzverlust des Steuerpflichtigen bei der X-GmbH. Dementsprechend war auch die sog. Startprämie i. H. v. 19.250 EUR als Teil einer einheitlich zu beurteilenden Entschädigung anzusehen. Sie war daher auch nicht isoliert als Entschädigung für die vorzeitige Beendigung der Tätigkeit in der Transfergesellschaft unter § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG zu beurteilen.
Fundstelle
- BFH 6.12.21, IX R 10/21, iww.de/astw, Abruf-Nr. 229266