· Fachbeitrag · § 4 KStG
Möglichkeit der Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art
Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist mit jedem BgA (Betrieb gewerblicher Art) ‒ in vereinzelnder Betrachtung ‒ Subjekt der Ertragsbesteuerung. Dabei sind nach R 4.1 Abs. 3 Satz 1 KStR 2022 verschiedene Tätigkeiten gesondert zu beurteilen. Grundsätzlich sind aus einem BgA resultierende Verluste nicht mit Gewinnen ausgleichsfähig, welche die Trägerkörperschaft im Rahmen eines anderen BgA erzielt. Etwas anderes gilt nur, wenn ein BgA mit einem oder mehreren BgA nach § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zusammengefasst werden kann. Dieses Zusammenfassungswahlrecht ist eröffnet, wenn die Betriebe gleichartig sind oder zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht oder es sich um Versorgungsbetriebe i. S. v. § 4 Abs. 3 KStG handelt. |
Sachverhalt und Entscheidung
Mit Beschluss vom 31.1.2024 hat der V. Senat des BFH das BMF gem. § 176 Abs. 2 AO zum Beitritt zu einem Revisionsverfahren aufgefordert, in dem über die Zulässigkeit der Zusammenfassung von BgA gem. § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zu entscheiden ist. Ursächlich dafür ist, dass der BFH Zweifel daran äußert, ob die Regelungen des BMF-Schreibens zur Besteuerung von BgA vom 12.11.2009 (IV C 7 ‒ S 2706/08/10004, BStBl 2009 I S. 1303) mit dem geltenden Recht in Einklang stehen. Dies stellt der BFH insoweit infrage, als das BMF entgegen der Rechtsprechung zur Rechtslage vor Einführung des § 4 Abs. 6 KStG für die Zusammenfassung von BgA nicht das Postulat einer organisatorischen Verflechtung vorsieht und darüber hinaus auch eine sog. Kettenzusammenfassung vom BgA zulässt (Rz. 5 des vorgenannten BMF-Schreibens).
Die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, betrieb u. a. die Wasserversorgung und ein Freibad. Im Jahr 2007 entschied sich die Klägerin dafür, die alte Kesselanlage zur Beheizung des zwischen Mai und September betriebenen Freibades zu ersetzen und stattdessen ein auf die Wärmebedürfnisse des Freibades ausgerichtetes Blockheizkraftwerk (BHKW I) auf dem Gelände des Freibades zu errichten. Das BHKW I wird mit Biogas betrieben. Eine Biogasanlage befindet sich an einem anderen Ort auf gemeindlichem Gebiet. Die für die Biogaserzeugung notwendige Wärme wurde durch ein zweites, kleineres BHKW (BHKW II) an der Biogasanlage produziert. Der in beiden BHKWs erzeugte Strom wurde an die Stadtwerke als Stromversorger verkauft.
Die im BHKW I in der fünfmonatigen Freibadsaison produzierte Wärme wurde in den Streitjahren 2009 bis 2014 ganz überwiegend zur Erwärmung des Freibades verwandt, während in den Wintermonaten ein in unmittelbarer Nähe des Freibades errichtetes Neubaugebiet mit Fernwärme versorgt wurde.
In ihren Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen verrechnete die Klägerin die negativen Einkünfte aus dem Betrieb des Freibades im Rahmen eines BgA „Versorgung“ mit den Einkünften aus der Wasserversorgung und aus der Strom- und Wärmeerzeugung aus dem Betrieb der zwei BHKWs. Demgegenüber vertrat das Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung, dass der Freibadbetrieb nicht mit einem BgA „Versorgung“ zusammengefasst werden könne. Eine nach dem Gesamtbild der Verhältnisse objektive enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG bestehe insoweit nicht.
Das FG der ersten Instanz gab der hiergegen gerichteten Klage statt und ließ eine Verrechnung der Verluste aus dem Betrieb des Freibades mit den Einkünften aus einem zusammengefassten Versorgungs-BgA „Betrieb von BHKW/Wasserversorgung“ zu.
Mit seiner Revision macht das FA geltend, das FG habe zu Unrecht eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung i. S. v. § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG zwischen dem BgA Freibad und dem BgA BHKW angenommen.
Der BFH forderte das BMF auf, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
- 1. Ermöglicht § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden Betriebe gewerblicher Art (BgA)?
- 2. Gestattet § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA, bei der auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst werden und es dann auf einer zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA ausreicht, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG nur zu einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen?
Erläuterungen
Die Behandlung bei BgA unterscheidet sich von der Zusammenfassung verschiedener steuerpflichtiger wirtschaftlicher Tätigkeiten einer gemeinnützigen Körperschaft oder Vermögensmasse, vgl. dazu AEAO zu § 55 Nr. 4 Satz 2.
Die Finanzverwaltung lässt eine Zusammenfassung eines BgA mit einem anderen ‒ bereits zusammengefassten ‒ BgA unter bestimmten Voraussetzungen auch dann zu, wenn die vorgenannten Zusammenfassungsvoraussetzungen nur zwischen diesem BgA und einer der Tätigkeiten vorliegen, die im bereits zusammengefassten BgA ausgeübt werden. Nach der Begründung der Beitrittsaufforderung des BFH ist zweifelhaft, ob an diesem Verständnis festgehalten werden kann. Ebenso neigt der BFH offenkundig dazu, eine Zusammenfassung nur zuzulassen, wenn zwischen den verschiedenen betrieblichen Tätigkeiten auch eine organisatorische Verflechtung besteht.
Aufgrund der an das BMF gerichteten Fragen ist aus der Sicht der Städte und Gemeinden zu befürchten, dass es zu einer Verschärfung der Rechtslage kommen könnte. Sollte der BFH entsprechend der Vorlage des BFH entscheiden und die Rechtslage verschärfen, dürfte dies in vielen Fällen nach sich ziehen, dass ein BgA-Verbund mit nachteiligen steuerlichen Konsequenzen wieder aufzulösen ist. Dies wird den Erlass einer Übergangsregelung erfordern, damit es nicht zu einer Zwangsaufdeckung stiller Reserven oder anderer steuerlicher Nachteile kommt.
Fundstelle
- BFH 31.1.24, V R 43/21, iww.de/astw, Abruf-Nr. 240146