LSG Baden-Württemberg
Urteil vom 21.2.2019
Tenor
Auf die Berufung des Beigeladenen zu 1 und jene des Beigeladenen zu 2 wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.03.2018 aufgehoben und die jeweilige Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat den Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
1
Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin bei ihren Tätigkeiten als Kursleiterin für die beiden, in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisierten beigeladenen Sportvereine.
2
Die am … 1970 geborene Klägerin ist staatlich anerkannte Sport- und Gymnastiklehrerin. Von Oktober 2008 bis in das Jahr 2014 war sie auf der Grundlage eines Freier-Mitarbeiter-Vertrages als Übungsleiter/Sport (vgl. Bl. 38 ff. VA) für den Beigeladenen zu 1 tätig. Sie übernahm die Leitung von Kursen (z.B. Rückengymnastik, Ganzkörperkräftigung, Herzsport) und war auch in der Betreuung an den Kraftgeräten im vereinseigenen Fitnessstudio tätig. Über die geleisteten Stunden stellte sie Rechnungen aus, der Stundensatz betrug anfangs 9,50 EUR bis 16,50 EUR (Bl. 92 SG-Akte), am Ende zwischen 20,50 EUR und 25,00 EUR (vgl. Bl. 65 ff. VA). Im Februar 2012 beantragten die Klägerin und der Beigeladene zu 1 die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status (vgl. Bl. 59 ff. LSG-Akte), jeweils mit dem Antrag festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Mit getrennten Bescheiden vom 20.06.2012 stellte die Beklagte antragsgemäß gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 fest, dass die Tätigkeit als Übungsleiterin/Kursleiterin beim Beigeladenen zu 1 seit dem 01.10.2008 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und daher in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigte in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
3
In der Folge machte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 22.11.2012 (Bl. 8 der Gerichtsakte im Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart S 22 R 3640/13) Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund einer Versicherungspflicht als selbstständig tätige Lehrerin geltend. Daraufhin beantragte die Klägerin erneut, ihren sozialversicherungsrechtlichen Status in ihrer Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1 festzustellen, diesmal mit dem Antrag festzustellen, dass eine Beschäftigung vorliege (Bl. 2 ff. VA). Nachdem die Beklagte zunächst eine Entscheidung hierüber im Hinblick auf die bereits erfolgte bestandskräftige Feststellung abgelehnt hatte, führte sie ein Überprüfungsverfahren nach §
44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) durch und lehnte eine Rücknahme des Bescheides vom 20.06.2012 mit an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1 gerichteten getrennten Bescheiden vom 20.11.2014 (Bl. 137, Bl. 138 VA) ab. Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 23.04.2015, Bl. 185 VA). Bereits zuvor, in der zweiten Hälfte des Jahres 2014, erhielt die Klägerin vom Beigeladenen zu 1 keine Aufträge mehr. Es erfolgte am 20.10.2014 eine schriftliche Kündigung mit sofortiger Wirkung, die zu einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart führte (Bl. 169 ff. VA) und das mit der Rücknahme der Klage durch die Klägerin endete (Bl. 52 SG-Akte des vorliegenden Rechtsstreits).
4
Von Juni 2013 bis Ende November 2014 war die Klägerin auch als Übungsleiterin beim Beigeladenen zu 2 tätig. Der Beigeladene zu 2 hatte in diesem Zeitraum auch angestellte Mitarbeiter, die neben ihrer Funktion als Übungsleiter mit Verwaltungsaufgaben, auch mit Personalverantwortung, betraut waren und Stundenlöhne bis zu 16 EUR (brutto) erhielten (zur Feststellung im Einzelnen wird auf Bl. 131 ff. LSG-Akte Bezug genommen). Eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Beigeladenen zu 2 und der Klägerin wurde nicht geschlossen, die Klägerin wurde anfangs für je eine Stunde für einen nach Beginn, Ende und Ort festgelegten Kurs Rückengymnastik und zu einem ebenso festgelegten Kurs Nordic Walking verpflichtet. Der Kurs Rückengymnastik fand in den Räumlichkeiten des Beigeladenen zu 2 statt, der Kurs Nordic Walking im in der Nähe gelegenen Waldgebiet, wobei Anfangs- und Endpunkt am Vereinsgebäude des Beigeladenen zu 2 waren. Ab Mai 2014 wurde die Klägerin entsprechend zu zwei weiteren Kursen Rückengymnastik verpflichtet, die ebenfalls in den Räumen des Beigeladenen zu 2 durchgeführt wurden. Im August, Oktober und November 2014 übernahm sie vertretungsweise die wöchentlich einstündigen Kurse „Sport nach Schlaganfall“ und „Arterielle Verschlusskrankheiten“, im November 2014 auch weitere Kurse Rückengymnastik und Nordic Walking. Die Zusammenarbeit endete durch Kündigung des Beigeladenen zu 2 auf Ende November 2014 (Bl. 140 LSG-Akte).
5
Die Teilnehmer der Kurse meldeten sich beim Beigeladenen zu 2 an, die Klägerin überprüfte während des Kurses die Teilnehmerlisten und bestätigte ggf. die Teilnahme als Nachweis für die Krankenkasse der Teilnehmer. Kleingeräte für die Kurse waren in den Übungsräumen vorhanden. Anders als die festangestellten Mitarbeiter musste die Klägerin keine Dienstkleidung (T-Shirt) tragen und war auch nicht verpflichtet, an Besprechungen teilzunehmen. Sofern sie dies doch tat, erhielt sie hierfür eine gesonderte Vergütung pauschal in Höhe von 7,50 EUR. Für die Leitung der Kurse war ein Stundensatz von 22,00 EUR vereinbart und wurde auch gezahlt, wobei die Beteiligten davon ausgingen, dass die Vergütung solange als möglich als steuerfreie Übungsleiterpauschale gewährt wird (Bl. 111 VA). Im Jahr 2013 erhielt die Klägerin vom Beigeladenen zu 2 insgesamt 1723,50 EUR (vgl. Bl. 113 ff. VA; Bl. 34 LSG-Akte) und von Januar 2014 bis Juli 2014 insgesamt 2394,00 EUR (vgl. Bl. 119 ff. VA; Bl. 34 LSG-Akte). Da damit der steuerfreie Betrag erschöpft war, stellte die Klägerin ab Juli 2014 die geleisteten Stunden - weiterhin ohne Steuerabzug, weil sie die Kleinunternehmer-Regelung des §
19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz in Anspruch nehme - in Rechnung. Hinsichtlich der Einzelheiten der Vergütung wird auf die Rechnungen Bl. 127 ff. VA, 138 f. LSG-Akte und den Tatsachenvortrag Bl. 34/35 LSG-Akte verwiesen.
6
Im September 2014 beantragten die Klägerin und der Beigeladene zu 2 die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status dieser Tätigkeit, wobei der Beigeladene zu 2 zunächst davon ausging, die Klägerin habe irrtümlich eine abhängige Beschäftigung beantragt. Er „korrigierte“ dies durch Umsetzung des Kreuzes auf dem Antragsformular einschließlich Manipulation mit Tipp-Ex korrigierte. Tatsächlich wollte die Klägerin eine abhängige Beschäftigung festgestellt wissen, der Beigeladene zu 2 eine nicht abhängige Beschäftigung. Mit getrennten Bescheiden vom 20.11.2014 stellte die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen zu 2 und gegenüber der Klägerin fest, dass die Tätigkeit als Kursleiterin beim Beigeladenen zu 2 seit dem 01.06.2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und daher in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigte in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht (Bl. 132 f., 134 f. VA). Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 23.04.2015, Bl. 181 VA).
7
Am 20.05.2015 hat die Klägerin gegen die Bescheide vom 20.11.2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.04.2015 beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben. Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Urteil vom 27.03.2018 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin ihre Tätigkeiten für den Beigeladenen zu 1 im Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 20.10.2014 und beim Beigeladenen zu 2 im Zeitraum vom 01.06.2013 bis 01.12.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübte, und damit Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Die Thematik des bestandskräftigen früheren Feststellungsbescheides in Bezug auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 hat es in den Entscheidungsgründen des Urteiles nicht mehr aufgegriffen und überwiegende Merkmale für eine abhängige Beschäftigung gesehen, in Bezug auf den Beigeladenen zu 2 hat es ausgeführt, die Klägerin sei in einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess beteiligt gewesen.
8
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen am 19.04.2018 zugestellte Urteil haben die Beigeladenen am 22.05.2018 Berufung eingelegt. Der Beigeladene zu 1 weist daraufhin, dass die Feststellung des Sozialgerichts dem bestandskräftigen Bescheid widerspreche, der nur nach §
44 Abs. 2 SGB X unter Ausübung von Ermessen durch die Beklagte zurückgenommen werden könne. Der Beigeladene zu 2 trägt vor, die steuerfrei bezahlten Aufwandsentschädigungen seien kein Arbeitsentgelt und die Klägerin im Übrigen nicht beschäftigt gewesen.
9
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.03.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11
Der Beigeladene zu 2 beantragt,
12
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.03.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13
Die Klägerin beantragt,
14
die Berufungen des Beigeladenen zu 1 und des Beigeladenen zu 2 zurückzuweisen.
15
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. In Bezug auf die Frage der Durchbrechung der Bestandskraft des Bescheides vom 22.06.2012 habe der Beigeladene zu 1 arglistig getäuscht und gedroht, was sich in den Manipulationen bei der Antragstellung im September 2014 zeige. Steuerfreie Aufwandsentschädigungen habe sie nicht erhalten.
16
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
17
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
18
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
19
Die gemäß den §§
143,
144,
151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässigen Berufungen, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach §
124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, sind begründet. In Bezug auf den Beigeladenen zu 1 folgt dies bereits aus der bestandskräftigen Feststellung, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1 nicht der Versicherungspflicht unterlag, wobei die Voraussetzungen für eine Rücknahme dieses Bescheides nicht vorliegen. In Bezug auf den Beigeladenen zu 2 folgt die Begründetheit der Berufung aus der Tatsache, dass die Klägerin bis in den Monat Juli 2014 kein Arbeitsentgelt erhielt und sie im Übrigen, (auch) was den Zeitraum bis November 2014 betrifft, nicht beschäftigt war.
20
Gegenstand des Rechtsstreits ist in Bezug auf die Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen zu 1 der Bescheid der Beklagten vom 20.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015, mit dem die Beklagte die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 20.06.2012 über die Feststellung von Versicherungsfreiheit in allen Versicherungszweigen ablehnte. Damit entschied die Beklagte gerade nicht über den Status der Klägerin in ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1, sondern allein über die weitere Bestandskraft des Bescheides vom 20.06.2012. Da sie eine Rücknahme des Bescheides ablehnte, verblieb es bei den bestandskräftigen Feststellungen im Bescheid vom 20.06.2012. Im Ergebnis ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
21
Allerdings ist die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage schon aus verfahrensrechtlichen Gründen unbegründet.
22
Zwar wird bei Statusfeststellungen neben der Anfechtungsklage die Feststellungsklage als zulässig angesehen (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 11.03.2009,
B 12 R 11/07 R, u.a. in juris). Indessen ist die von der Klägerin begehrte Feststellung ihrer Versicherungspflicht in der vorliegenden Fallkonstellation nicht möglich. Denn die im Verfügungssatz des Bescheides der Beklagten vom 20.06.2012 erfolgte Feststellung von Versicherungsfreiheit in allen Versicherungszweigen ist bestandskräftig und damit für die Beteiligten verbindlich geworden (§
77 SGG), was auch das Sozialgericht hätte beachten müssen. In einem solchen Fall kann der Betroffene zwar über die §§
44 ff. SGB X das Ziel verfolgen, den bestandskräftigen Verwaltungsakt zu beseitigen und im Falle des entsprechenden Klageverfahrens die Beklagte zur Rücknahme dieses Verwaltungsaktes zu verurteilen (Verpflichtungsklage, vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014,
B 4 AS 4/14, u.a. in juris). Bevor der bestandskräftige Ablehnungsbescheid aber nicht beseitigt ist, steht dieser - eben wegen seiner Bestandskraft - einer gegenteiligen Feststellung durch das Gericht entgegen. Das Sozialgericht hätte somit in Bezug auf die Tätigkeit der Klägerin beim Beigeladenen zu 1 keine, dem Bescheid vom 20.06.2012 widersprechende Feststellung treffen dürfen. Die Berufung des Beigeladenen zu 1 ist daher schon deshalb insoweit begründet.
23
Vielmehr beschränkt sich das Klagebegehren in diesen Fallgestaltungen sachgerechterweise auf die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 27.04.2006,
L 10 U 5290/03, dort zur Feststellung eines Arbeitsunfalles). Es kann offenbleiben, ob es sich beim Übergang von der Feststellungsklage zur Verpflichtungsklage (auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides) noch um eine Frage sachdienlicher Antragstellung (vgl. hierzu §
106 Abs. 1 SGG) oder um eine Änderung des prozessualen Begehrens handelt, wobei - im zweiten Fall - mangels erfolgter Änderung des prozessualen Begehrens - die Anfechtungsklage unzulässig wäre (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 54 Rdnr. 4a m.w.N., auch zur Rechtsprechung). Denn der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 20.06.2012 zu. Dem entsprechend sind die eine solche Rücknahme ablehnenden Bescheide rechtmäßig, weshalb das Sozialgericht die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage hätte abweisen müssen. Die Berufung des Beigeladenen zu 1 ist daher auch insoweit begründet.
24
Rechtsgrundlagen für die Durchbrechung der Bestandskraft von Verwaltungsakten enthalten die §§
44 ff. SGB X.
25
§
48 SGB X regelt die Aufhebung von Bescheiden mit Dauerwirkung bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse. Seine Anwendung scheidet vorliegend aus, weil eine Änderung der für die Statusentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 20.06.2012 maßgebenden Verhältnisse nicht eingetreten ist. Die einzig feststellbare Änderung stellt der Umstand dar, dass die Klägerin nicht mehr für den Beigeladenen zu 1 tätig ist. Hierauf, auf das Ende der Tätigkeit, bezieht sich aber das Begehren der Klägerin nicht, sondern auf den Zeitraum der erfolgten Tätigkeit.
26
Entgegen der Auffassung insbesondere der Beklagten und des Beigeladenen zu 1 ist auch §
44 SGB X nicht einschlägig. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Regelung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb - was hier nicht der Fall ist - Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen - und allenfalls diese Regelung könnte zur Anwendung kommen - ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Abs. 2 Satz 1). Er kann nach Satz 2 auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Da es vorliegend nur um einen Tatbestand in der Vergangenheit geht, wäre seitens der Beklagten Ermessen nach Satz 2 auszuüben, mit der Folge, dass allenfalls eine Verurteilung zur Neubescheidung des Antrages hätte erfolgen dürfen.
27
Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dem Bescheid vom 20.06.2012 jedoch nicht um einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt, so dass der Anwendungsbereich des §
44 SGB X insgesamt nicht eröffnet ist. Ein Verwaltungsakt kann für den Betroffenen begünstigende und belastende Wirkung entfalten, wobei allein auf die getroffenen Regelungen (BSG, Urteil vom 22.03.1984,
11 RA 22/83, u.a. in juris, dort Rdnr. 14) und - allenfalls - auf die unmittelbaren gesetzlichen Folgen abzustellen ist (BSG, Urteil vom 28.09.1999,
B 2 U 32/98 R, u.a. in juris, dort Rdnr. 28). Sonstige Folgen sind unerheblich (BSG, Urteil vom 22.03.1984,
a.a.O.). Soweit die Klägerin mittelbare Folgen beschreibt (Zahlungspflicht wegen Versicherungspflicht als Selbstständige, vgl. den nicht streitgegenständlichen Bescheid vom 22.11.2012), kommt es hierauf daher von vornherein nicht an. Vorliegend wirkt der Bescheid vom 20.06.2012 insoweit belastend, als der Klägerin Versicherungsschutz als Pflichtversicherte in allen Zweigen der Sozialversicherung - mit Beteiligung des Beigeladenen zu 1 an den Beiträgen als unmittelbarer Folge - versagt wurde. Begünstigend wirkt der Bescheid jedenfalls insoweit, als die Klägerin - soweit Versicherungsfreiheit festgestellt worden ist - für die Zukunft, aus den künftigen Zahlungen des Beigeladenen zu 1 (vgl. hierzu §
28g Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -) keinen Anteil an den entsprechenden Beiträgen zu tragen hatte. Vor allem aber wurde mit diesem Bescheid dem ausdrücklichen Antrag der Klägerin, festzustellen, dass keine Beschäftigung vorliegt, stattgegeben. Schon aus diesem Grund handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt (BSG, Urteil vom 28.09.1999,
a.a.O., Rdnr. 33). Ein späterer Sinneswandel ist unerheblich, weil der Fortbestand eines Verwaltungsaktes nicht von der sich ggf. wandelnden Einschätzung des Bürgers abhängig sein soll (BSG, Urteil vom 22.03.1984,
a.a.O., Rdnr. 15). Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren Umstände vorträgt, die erklären sollen, aus welchen Gründen sie im Februar 2012 diesen Antrag so stellte, stellt sie ihre Motive für diese Antragstellung dar. Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass sie den Antrag stellte, sich zu dem gewünschten Ergebnis eindeutig positionierte (keine Beschäftigung festzustellen) und über die unmittelbaren Konsequenzen informiert war.
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Aber selbst wenn - zugunsten der Klägerin - der Anwendungsbereich des §
44 SGB X angenommen würde, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Dann - so die zutreffenden Ausführungen in der Berufungsbegründung des Beigeladenen zu 1 - müsste die Beklagte gemäß §
44 Abs. 2 Satz 2 SGB X Ermessen ausüben. Im Rahmen einer solchen Ermessensausübung hätte die Beklagte aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Bescheid vom 20.06.2012 auch dem damals vom Beigeladenen zu 1 gestellten Antrag stattgab. Ihm gegenüber wäre eine Rücknahme für die Vergangenheit nur auf der Grundlage des §
45 SGB X (hierzu sogleich) möglich (BSG, Urteil vom 01.07.1999,
B 12 KR 2/99 R, u.a. in juris, dort Rdnr. 31) und - da die Rücknahme für die Vergangenheit erfolgen würde - nur (§
45 Abs. 4 Satz 1 SGB X) unter den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des §
45 Abs. 2 Satz 3 SGB X, die aber nicht vorliegen. Kann aber gegenüber dem Beigeladenen zu 1 der bestandskräftige Bescheid nicht zurückgenommen werden, hätte die Beklagte - wegen der Doppelwirkung des Bescheides - keine andere Möglichkeit, als auch eine Rücknahme gegenüber der Klägerin abzulehnen (Ermessensreduzierung auf null). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang behauptet, dem Beigeladenen zu 1 falle arglistige Täuschung und Drohung zur Last (§
45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X) verkennt sie, dass diese Handlungen gegenüber der Beklagten erfolgt sein müssten. Dem entsprechend liegt es neben der Sache, wenn die Klägerin insoweit wiederum behauptet, sie sei vom Beigeladenen zu 1 zur Antragstellung veranlasst oder gar gedrängt worden. Soweit sie darüber hinaus auf die Manipulationen des Beigeladenen zu 2 beim dortigen Antrag auf Statusfeststellungen verweist, verkennt sie, dass es sich um unabhängig voneinander zu beurteilende Verfahren handelt, der Beigeladene zu 1 für Handlungen des Beigeladenen zu 2 nicht einzustehen hat und der Inhalt der Statusfeststellung nach objektiven Kriterien und nicht unbesehen dem in Bezug auf das Ergebnis gestellten Antrag erfolgt.
29
Auch auf §
45 SGB X kann die Klägerin ihr Anliegen nicht stützen. Dort ist vorgesehen, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, soweit er rechtswidrig ist unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden darf (Abs. 1). Abgesehen davon, dass auch insoweit eine Ermessensausübung durch die Beklagte erfolgen müsste, die wiederum die durch §
45 SGB X geschützten Interessen des Beigeladenen zu 1 berücksichtigen müsste (s.o.), liegen auch in der Person der Klägerin die Rücknahmevoraussetzungen des §
45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht vor.
30
Anderes ergibt sich auch aus §
49 SGB X nicht. Diese Vorschrift schließt die Anwendung u.a. des §
45 SGB X aus, wenn bei der Anfechtung eines begünstigenden Verwaltungsakts durch einen Dritten während des Verfahrens der Verwaltungsakt aufgehoben und dem Anfechtungsbegehren stattgegeben wird. §
49 SGB X ist vorliegend schon deshalb nicht anwendbar, weil der Bescheid vom 20.06.2012 gar nicht Gegenstand des Rechtstreites ist, sondern allein der Bescheid vom 20.11.2014 über die Ablehnung einer Rücknahme des Bescheides vom 20.06.2012. Ohnehin gilt §
49 SGB X nur für den Fall der rechtzeitigen Anfechtung nach Erlass des Verwaltungsaktes (BSG, Urteil vom 09.06.1999,
B 6 KA 76/97 R, u.a. in juris, dort Rdnr. 32) und damit nicht nach einmal eingetretener Bestandskraft (vgl. BSG, Urteil vom 13.08.2014,
B 6 KA 38/13 R, u.a. in juris, dort Rdnr. 24 f.).
31
Im Ergebnis fehlt es für das Begehren der Klägerin auf Aufhebung des Bescheides vom 20.06.2012 (und eine nachfolgende gegenteilige Feststellung) an einer rechtlichen Grundlage. Vielmehr bleibt es beim Bescheid vom 20.06.2012 und es steht somit weiterhin verbindlich fest, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1 von Oktober 2008 bis in das Jahr 2014 in allen Versicherungszweigen nicht der Versicherungspflicht unterlag.
32
Gegenstand des Rechtsstreits ist in Bezug auf die Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen zu 2 der Bescheid der Beklagten vom 20.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015, mit dem die Beklagte Versicherungsfreiheit in allen Versicherungszweigen feststellte. Auch insoweit hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide zu Unrecht aufgehoben und die gegenteilige Feststellung getroffen. Denn die Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin war im streitigen Zeitraum vom 01.06.2013 bis 30.11.2014 - nur in diesem Zeitraum war sie für den Beigeladenen zu 2 tätig - in keinem Versicherungszweig als Beschäftigte versicherungspflichtig.
33
Rechtsgrundlage der Bescheide ist §
7a SGB IV. Nach §
7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet, wofür hier aber keine Anhaltspunkte bestehen. Zuständig für die Entscheidung über diesen Antrag ist nach §
7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV - abweichend von §
28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV, der ansonsten die Zuständigkeit der Einzugsstelle begründet - die Beklagte. Sie entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt (§
7a Abs. 2 SGB IV).
34
Gegenstand der Prüfung und der Entscheidung der Beklagten ist allerdings - über den Wortlaut der zitierten Regelung hinaus - nicht die isolierte Entscheidung und Feststellung, ob eine Beschäftigung vorliegt, sondern ob und inwieweit für die einzelnen Zweige der Sozialversicherung wegen des Vorliegens einer Beschäftigung Versicherungspflicht besteht (BSG, Urteil vom 11.03.2009,
B 12 R 11/07 R in
SozR 4-2400 § 7a Nr. 2 und Urteil vom 04.06.2009,
B 12 R 6/08 R, in juris; zur Beschränkung der Prüfung hierauf BSG, Urteil vom 28.09.2011,
B 12 R 17/09 R, in juris). Dabei kommt es nicht darauf an, ob im Zeitpunkt der Entscheidung das zur Prüfung gestellte Verhältnis noch besteht (BSG, Urteil vom 04.06.2009,
B 12 R 6/08 R, in juris).
35
Nach §
2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV sind in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige unter anderem Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Entsprechende Regelungen (Versicherungspflicht von Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind) finden sich für die Arbeitslosenversicherung in §
25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - (SGB III), für die gesetzliche Rentenversicherung in §
1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), für die Krankenversicherung in §
5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) sowie in §
20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) als akzessorische Regelung zur gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. §
20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).
36
Danach setzt Versicherungspflicht in den einzelnen Versicherungszweigen die Erzielung von Arbeitsentgelt voraus. Hieran fehlt es im Zeitraum vom 01.06.2013 bis Juli 2014.
37
Gemäß §
14 Abs. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahme besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Nach § 1 Satz 1 Nr. 16 der auf Grund der Ermächtigung des §
17 SGB IV erlassenen Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung - SvEV,
BGBl. I 2006, S. 3385) sind steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in §
3 Nr. 26 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) genannten steuerfreien Einnahmen dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen. Nach §
3 Nr. 26 Satz 1 EStG sind Einnahmen u.a. aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten bis zur Höhe von insgesamt 2.400 EUR im Jahr steuerfrei. Auf Grund dieser Regelung besteht eine unwiderlegbare Vermutung, dass Einnahmen dieser Art bis zur Höhe von 2.400 EUR als steuerfreie Aufwandentschädigung anzusehen sind. Es ist daher unerheblich, ob die entsprechenden Zahlungen als Vergütung (für eine selbstständige oder abhängige Tätigkeit) gezahlt werden, sie müssen bis zur Höhe von 2.400 EUR als steuerfrei behandelt werden (BFH, Urteil vom 30.01.1986,
IV R 247/84, u.a. in juris). Da die Klägerin im gesamten Jahr 2013 den Höchstbetrag von 2.400 EUR nicht überschritt und im Jahr 2014 erst im Laufe des Monats Juli, bezog sie in diesen Zeiträumen vom Beigeladenen zu 2 schon aus diesem Grund kein Arbeitsentgelt und unterlag in dieser Tätigkeit schon deshalb keiner Versicherungspflicht. Soweit die Klägerin auf die entsprechenden Hinweise bestreitet, eine solche Aufwandsentschädigung erhalten zu haben, wertet dies der Senat als reine, von den Interessen am Erfolg des Rechtsstreits geleitete Schutzbehauptung. Denn die Klägerin beantragte im August 2013 gegenüber dem Beigeladenen zu 2 ausdrücklich die Abrechnung der „Übungsleiterpauschale“ (Bl. 126 LSG-Akte) und sie gab im Verwaltungsverfahren selbst an, die Vergütung werde, solange es möglich sei, über die „Übungsleiterpauschale“ abgerechnet (Bl.111 VA) und tatsächlich wurde auch keine Steuer abgeführt (vgl. Bl. 113 ff. VA).
38
Es bedarf keiner Klärung wann genau dieser Grenzbetrag von 2.400 EUR im Juli 2014 erreicht war und damit ein Bezug von Arbeitsentgelt nicht mehr nach §
3 Nr. 26 Satz 1 EStG steuerfrei gewesen wäre. Denn die Klägerin war beim Beigeladenen zu 2 nicht beschäftigt. Es kommt daher auch nicht entscheidend darauf an, dass die Tätigkeit geringfügig i.S. §
8 SGB IV und deshalb in einzelnen Versicherungszweigen ohnehin versicherungsfrei war (zu den rechtlichen Einzelheiten siehe Urteil des Senats vom 22.02.2018,
L 10 R 2524/17, in juris).
39
§
7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV definiert den Begriff der Beschäftigung als nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach Satz 2 der Regelung sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
40
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (u.a. Urteil vom 11.11.2015,
B 12 R 2/14 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 27, auch zum Nachfolgenden; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.05.1996,
1 BvR 21/96 in
SozR 3-2400 § 7 Nr. 11) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich, ausgehend von den genannten Umständen, nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
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Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist somit regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen (BSG, Urteil vom 18.11.2015, B 12 RK 16/13 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, auch zum Nachfolgenden).
42
Damit kommt es allein auf die Umstände des hier vorliegenden Einzelfalles an. Dem entsprechend kommt gerichtlichen Entscheidungen in anderen Fällen, da diesen andere Fallgestaltungen zu Grunde liegen, regelmäßig keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Ebenso wenig ist die zu treffende Entscheidung - abhängige oder selbstständige Tätigkeit - anhand bestimmter Berufs- oder Tätigkeitsbilder zu treffen (BSG, Urteil vom 24.03.2016,
B 12 KR 20/14 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 29). Vielmehr kann ein und dieselbe Tätigkeitsart - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlage in ihrer gelebten Praxis - sowohl als abhängige Beschäftigung als auch als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden (BSG, a.a.O.).
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Unter Abwägung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zum Beigeladenen zu 2 stand und damit auch nicht der Versicherungspflicht in den einzelnen Versicherungszweigen unterlag.
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Da zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2 keine schriftlichen Vereinbarungen getroffen wurden, ist von den tatsächlichen Verhältnissen, die auch Rückschlüsse auf die mündlichen Abreden zulassen, auszugehen. Danach wurde vereinbart, dass die Klägerin bestimmte, konkret bezeichnete (Rückengymnastik und Nordic Walking), vom Beigeladenen zu 2 nach Beginn, Ende und Ort sowie Teilnehmer organisierte Kurse als Übungsleiterin übernahm und sie nach geleisteten Stunden zu einem Stundensatz von 22 EUR vergütet wurde, was - so der Beigeladene zu 2 (Bl. 50 LSG-Akte) - erheblich höher als das von ihm gezahlte Angestelltengehalt war. Zunächst handelte es sich um zwei jeweils einstündige Kurse für Rückengymnastik und Nordic Walking, ab Mai 2014 wurden weitere solcher Kurse vereinbart (Bl. 111 VA; Bl. 34 LSG-Akte). Später übernahm die Klägerin zusätzliche Kurse, auch mit anderem Inhalt, aber alle mit denselben organisatorischen Gegebenheiten.
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Soweit sich die Klägerin somit nach Zeit, Dauer, Ort und Gegenstand des Kurses nach Vorgaben zu richten hatte, waren diese Umstände zwischen den Parteien des (mündlichen) Vertrages im Voraus vereinbart und deshalb nicht Ausfluss eines Weisungsrechtes des Beigeladenen zu 2 im Rahmen einer Eingliederung in dessen Betrieb (BSG, Urteil vom 12.02.2004,
B 12 KR 26/02 R, u.a. in juris, zum Dozenten an einer Volkshochschule; BSG, Urteil vom 27.03.1980,
12 RK 26/79, u. a. in juris, zum Lehrbeauftragten an Fachhochschule; BSG, Urteil vom 14.03.2018,
B 12 R 3/17 R, u.a. in juris, zum Musiklehrer an einer Musikschule). Die Vorgabe solcher Umstände kann somit weder die Annahme von Weisungsunterworfenheit noch die Eingliederung in eine fremde Betriebsordnung im Sinne funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess begründen (BSG, Urteil vom 14.03.2018,
a.a.O., dort Rdnr. 21). Dies gilt - anders als vom Sozialgericht angeführt - auch für die Nutzung der Einrichtung (Raum und dort vorhandene Kleingeräte), weil auch dies von vornherein vereinbart war. Eine einseitige Einflussmöglichkeit stand dem Beigeladenen zu 2 nur insoweit zu, als er den Teilnehmerkreis des jeweiligen Kurses maßgeblich bestimmte und die Klägerin hierauf keinen Einfluss hatte. Indessen lag dies in der Natur der Sache und war ebenfalls konkludenter Gegenstand der Vereinbarung, was die Bedeutung als Aspekt, der für Beschäftigung spricht, relativiert. Auf die inhaltliche Gestaltung der Kurse wiederum nahm der Beigeladene zu 2 keinen Einfluss, hier gestaltete die Klägerin, wie sie selbst angegeben hat, eigenständig (Bl. 95 SG-Akte), was eher für Selbstständigkeit spricht.
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Zwischen den Kursen bestand keine Verpflichtung der Klägerin, für den Beigeladenen zu 2 tätig zu werden, auch nicht im Rahmen der Übernahme von Vertretungen. Soweit die Klägerin tatsächlich Vertretungen übernahm, insbesondere im August und Oktober 2014 (Bl. 95 SG-Akte, Bl. 129 LSG-Akte, Bl. 141 f. LSG-Akte), beruhte dies auf einer jeweiligen Absprache, also einer erneuten Verpflichtung der Klägerin und gerade nicht auf einer vom Beigeladenen zu 2 in Anspruch genommenen Anordnung von Überstunden, der sich die Klägerin unterworfen hätte. Die geäußerten Zweifel der Klägerin (Bl. 150a LSG-Akte) gründen - so ausdrücklich - auf einer fehlenden Erinnerung der Klägerin in Bezug auf die vom Beigeladenen zu 2 dargestellten Verhältnisse und sind somit ohne Substanz.
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Ansprüche auf bezahlten Erholungsurlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wie sie für ein Arbeitsverhältnis typisch sind (vgl. BSG, Urteil vom 14.03.2018,
a.a.O.), standen der Klägerin nicht zu. Sie stellte vielmehr nach Ausschöpfung der steuerfreien Pauschale Rechnungen (vgl. Bl. 127 ff. VA, Bl. 138 f. LSG-Akte) und sie hatte für ihre soziale Absicherung selbst zu sorgen; entsprechend erhielt sie mit einem Stundensatz von 22 EUR auch ein gegenüber festangestellten Mitarbeitern der Klägerin deutlich höheres Honorar, was wiederum ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit darstellt (BSG, Urteil vom 31.03.2017,
B 12 R 7/15 R, u.a. in juris). Im Hinblick auf den vom Beigeladenen zu 2 an festangestellte Mitarbeiter gezahlten (aus dem Monatsentgelt umgerechneten) Stundenlohn von bis zu 16 EUR ist auch zu berücksichtigen, dass diese Mitarbeiter auch mit Verwaltungsaufgaben, u.a. Personalverantwortung, betraut waren, so dass in Bezug auf reine Übungsleitertätigkeiten der Stundenlohn von Beschäftigten als deutlich geringer anzusehen ist. Nach den mitgeteilten Stundensätzen wurden nur in Leitungspositionen Stundensätze von mehr als 14 EUR erzielt (vgl. Bl. 135 LSG-Akte).
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Im Fall der Verhinderung hatte die Klägerin den Beigeladenen zu 2 lediglich zu informieren (übereinstimmende Angaben der Vertragsparteien, Bl. 95 SG-Akte), die Vertretung wurde dann von der Klägerin selbst organisiert, ggf. durch Tausch mit anderen, für den Beigeladenen zu 2 Tätigen oder durch Fremde (Angaben der Klägerin, Bl. 112 VA; zu Betriebsfremden übereinstimmende Angaben der Parteien des Vertrages, Bl. 95 SG-Akte). Soweit die Klägerin dies in der Berufung in Abrede stellt (Bl. 57a LSG-Akte), steht dieser Vortrag in Widerspruch zu den anderen Angaben, auch der eigenen, er ist ohne Substanz und er differenziert nicht zwischen der Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1 und jener für den Beigeladenen zu 2.
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Auch der Umstand, dass die Klägerin Teilnehmerprotokolle führte und die jeweilige Teilnahme ggf. bestätigte, stellt sich nicht als Aspekt für eine Eingliederung dar. Denn diese Umstände dienten nicht der fachlichen Kontrolle der Klägerin etwa in dem Sinne, dass der Beigeladene zu 2 auf eine Optimierung der Leistung hätte dringen oder die fachliche Tätigkeit hätte kritisieren können (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2011,
B 12 R 17/09 R, in juris). Anders als die Angestellten, musste die Klägerin auch keine vorgegebene Dienstkleidung tragen (Bl. 95 SG-Akte). An vom Beigeladenen zu 2 festgesetzten Teambesprechungen musste die Klägerin - anders als die Angestellten - nicht teilnehmen, konnte dies aber. Dann erhielt sie hierfür eine gesonderte Vergütung (Bl. 95, 96 SG-Akte), was wiederum für eine selbstständige Tätigkeit spricht (BSG, Urteil vom 14.03.2018,
a.a.O.). Soweit die Klägerin an vom Beigeladenen zu 2 angebotenen Seminaren teilnahm (Bl. 95 SG-Akte), erhielt sie zwar keine Vergütung. Sie war aber zur Teilnahme auch nicht verpflichtet und eine Teilnahme wurde auch nicht erwartet (Bl. 96 SG-Akte), so dass sich die Annahme dieses Angebotes als von der Klägerin wahrgenommene freiwillige und kostenlose Möglichkeit der Fortbildung darstellt.
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Schließlich stellt das Sozialgericht zu Unrecht auf ein bei der Klägerin fehlendes und deshalb Abhängigkeit begründendes Unternehmerrisiko ab. Bei reinen Dienstleistungen, die im Wesentlichen nur Know-how, Arbeitszeit und Arbeitsaufwand voraussetzen, ist unternehmerisches Tätigwerden nicht mit größeren Investitionen in Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden. Das Fehlen solcher Investitionen ist deshalb bei reinen Dienstleistungen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden (BSG, Urteil vom 31.03.2017,
B 12 R 7/15 R, u.a. in juris). Entsprechendes gilt für die Frage einer Betriebsstätte. Ihr Fehlen ist nur dann von Bedeutung, wenn sie bei Tätigkeiten der fraglichen Art zu erwarten oder notwendig ist (BSG, a.a.O.; Urteil vom 14.03.2018,
a.a.O.).
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Im Ergebnis überwiegen somit die Umstände, die für eine selbstständige Tätigkeit der Klägerin sprechen.
52
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht - wie die Kostenentscheidung des Sozialgerichts für das Klageverfahren - auf §
193 SGG. Denn die Klägerin gehört zu dem nach §
183 Satz 1 SGG privilegierten Personenkreis der Versicherten, weil nach Satz 3 der Regelung diesen Personen gleichsteht, wer im Fall des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Die Klägerin hat auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu erstatten. Nach §
193 Abs. 4 SGG sind nicht erstattungsfähig die Aufwendungen der in §
184 Abs. 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen. In §
184 Abs. 1 SGG wird bestimmt, dass Kläger und Beklagte, die nicht zu den in §
183 SGG genannten privilegierten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten haben. §
184 SGG nennt damit gerade nicht die Beigeladenen, sodass §
193 Abs. 4 SGG iVm §
184 SGG folglich nicht die Kostenerstattung zu Gunsten von Beigeladenen, auch wenn es sich um juristische Personen handelt, ausschließt (BSG, Urteil vom 06.09.2007, B
14/7b AS 60/06 R, in
SozR 4-4200 § 7 Nr. 5).
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.