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  • 09.10.2019 · IWW-Abrufnummer 211542

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 13.06.2019 – 9 K 9119/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    In dem Rechtsstreit
    der Frau A...,
    Klägerin,
    Bevollmächtigte:
    gegen
    das Finanzamt,
    Beklagter,
    wegen Einkommensteuer 2014
    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 9. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Juni 2019 durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,
    den Richter am Finanzgericht ... und
    den Richter am Finanzgericht ...
    sowie die ehrenamtliche Richterin Frau ... und
    den ehrenamtlichen Richter Herr ...
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
    Tatbestand

    Die Prozessbeteiligten streiten um die Frage, ob Einkünfte der Klägerin aufgrund Zahlungen einer Pensionskasse als außerordentliche Einkünfte auf Antrag des Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ermäßigt zu besteuern sind.

    Die am 22. März 1949 geborene Klägerin bezog im Streitjahr 2014 durchgängig monatliche Einkünfte in Höhe von rund 927 EUR aus einer Witwenrente seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund (Rentenbezugsbeginn: 1. Juli 2002). Bis zum 31. März 2014 erzielte sie zudem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellte der "B... GmbH". Ab dem 1. April 2014 bezog sie eine weitere Altersrente seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von monatlich rund 1 267 EUR aufgrund eigener Beitragsleistungen. Außerdem erhielt sie im Streitjahr von der C... AG folgende Zahlungen:
    Zahlungszeitpunkte:    01.02.2014    01.05.2014
    Garantiekapital    7 420,00 EUR    10 942,00 EUR
    garantierte Überschussbeteiligung    744,69 EUR    1 260,84 EUR
    Auszahlungsbetrag    8 164,69 EUR    12 202,84 EUR

    Diesen Zahlungen lag eine Entgeltumwandlung zugrunde, die die Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin für die Zeit ab 1. Februar 2006 vereinbart hatte. Im Zuge der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses beantragte die Klägerin mit Zustimmung ihrer Arbeitgeberin die Kapitalabfindung ihrer Anwartschaften auf Zahlung einer Betriebsrente im Sinne von § 1 b Abs. 3 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG).

    Nach der von der C... AG am 30. Januar 2015 elektronisch übermittelten Leistungsbezugsmitteilung (Bl. 000007 der Steuer- und Rechtsbehelfsakte) handelt es sich bei den Zahlungen in voller Höhe um Einkünfte der Klägerin im Sinne von § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG.

    Mit Einkommensteuerbescheid vom 19. April 2016 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr 2014 auf 7 794,00 EUR fest. Er unterwarf dabei die vorgenannten, von der Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung nicht angegebenen Auszahlungsbeträge als "Leistungen aus einem Altersvorsorgevertrag, einem Pensionsfonds, einer Pensionskasse oder einer Direktversicherung" der vollen Besteuerung.

    Gegen den vorgenannten Bescheid legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass in den Kapitalzahlungen auch Überschussbeteiligungen enthalten seien. Bei diesen handele es sich um erzielte Zinsen aus den Versicherungsverträgen, die steuerlich als Zinserträge einzustufen seien. Außerdem beantragte sie, die Kapitalzahlungen als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern. Hierzu stehe noch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus.

    Mit Schreiben vom 3. August 2016 beantragte die Klägerin ein Ruhen des Einspruchsverfahrens. Diesem Antrag gab der Beklagte mit Schreiben vom 20. September 2016 zunächst statt, erklärte die Verfahrensruhe unter Hinweis auf die zwischenzeitliche Veröffentlichung des relevanten Revisionsurteil vom 20. September 2016 X R 23/15, BStBl II 2017, 347 aber mit weiterem Schreiben vom 23. Februar 2017 für beendet.

    Der Beklagte hielt dem Einspruch entgegen, dass Versorgungsleistungen in voller Höhe als sonstige Einkünfte zu besteuern seien, soweit sie - wie vorliegend gegeben - auf steuerfreien Beitragsleistungen des Arbeitgebers beruhten. Außerdem habe der BFH mit Urteil vom 20. September 2016 - X R 23/15, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2017, 347 entschieden, dass die einmalige Kapitalabfindung laufender Ansprüche gegenüber einer der betrieblichen Altersversorgung dienenden Pensionskasse jedenfalls dann nicht ermäßigt zu besteuern sei, wenn das Kapitalwahlrecht schon in der ursprünglichen Versorgungsregelung (ggf. in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen) enthalten gewesen sei.

    Mittels Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die steuerliche Behandlung von Leistungen aus einer Pensionskasse in der Auszahlungsphase nach § 22 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG erfolge. Der Umfang der Besteuerung hänge davon ab, inwieweit die Beiträge in der Ansparphase durch die Steuerfreiheit nach § 3 Nrn. 63 oder 66 EStG oder durch Sonderausgabenabzug nach § 10 a EStG und Zulage nach Abschnitt XI EStG gefördert worden seien oder die Leistungen auf steuerfreien Zuwendungen seitens des Arbeitgebers im Sinne von § 3 Nr. 56 EStG beruhten.

    Leistungen, die ausschließlich auf geförderten Beiträgen beruhten, unterlägen als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG der vollen Besteuerung. Dies gelte unabhängig davon, ob sie in Form einer Rente oder als Kapitalauszahlung erbracht würden.

    Die C... AG habe in ihrer Leistungsbezugsmitteilung ausdrücklich angegeben, dass es sich bei den streitgegenständlichen Zahlungen in voller Höhe um Einkünfte gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG handele, diese also ausschließlich auf geförderten Beiträgen beruhten. Für ihn, den Beklagten, bestehe keine Veranlassung, die Richtigkeit der Mitteilung der C... AG anzuzweifeln. Vielmehr gehe er davon aus, dass das Versicherungsunternehmen die Überschussbeteiligungen, hinsichtlich derer die Klägerin eine abweichende Besteuerung begehre, ebenfalls mit den geförderten Beiträgen erwirtschaftet habe.

    Die streitgegenständlichen Auszahlungen könnten nicht als außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG nur ermäßigt besteuert werden. Es fehle nämlich die notwendige "Außerordentlichkeit" der Einkünfte. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten seien nach der BFH-Rechtsprechung nur dann als außerordentlich anzusehen, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspreche (Hinweis auf BFH-Urteil vom 20. September 2016 X R 23/15, BStBl II 2017, 347). Den Schreiben der C... AG vom 17. Dezember 2013 und vom 28. März 2014 sei zu entnehmen, dass die Kapitalzahlungen vertragsgemäß zum Ablauf der jeweiligen Versicherungslaufzeit erfolgt seien. Gegenteiliges habe die Klägerin auch nicht vorgetragen. Zudem sei eine Kapitalzahlung am Ende der Vertragslaufzeit bei der betrieblichen Altersversorgung nicht atypisch.

    Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass es sich bei der streitgegenständlichen betrieblichen Altersvorsorge um einen Fall der Entgeltumwandlung handele. Typisch für diesen Fall der Altersvorsorge sei die Zahlung einer monatlichen Rente (Beweis: Sachverständigengutachten). Davon abweichend habe sie sich atypisch für die Auszahlung als Kapitalleistung entschieden. Die Außerordentlichkeit ihrer diesbezüglichen Einkünfte sei daher gegeben.

    Die Überschussbeteiligung stelle einen Anteil des Versicherungsnehmers an den Überschüssen des Versicherers dar, welche dieser u. a. aus den Beträgen der Entgeltumwandlung realisiert habe. Die Überschussbeteiligung stelle daher nichts anderes dar als Zinsen, die für eine befristete Überlassung von Geld im Rahmen eines Bankgeschäfts zu zahlen seien. Diese Beträge seien daher aus der Einkommensteuerjahresveranlagung herauszunehmen und lediglich der Abgeltungssteuer zu unterwerfen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Einkommensteuer 2014 unter Änderung des Bescheids vom 19. April 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2017 dahin gehendfestzusetzen, dass die Zahlungen der C... AG in Höhe von 20.367,53 EUR im Sinne von § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung.

    Dem erkennenden Senat hat bei seiner Entscheidung ein Band Steuer- und Rechtsbehelfsakte betr. die Klägerin vorgelegen (StNr. ...), auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    I. Der Einkommensteuerbescheid vom 19. April 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

    Die Einmalzahlung der Pensionskasse ist nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG steuerbar (dazu unten 1.) und nicht nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt zu besteuern (unten 2.).

    1. Die Kapitalauszahlung ist in vollem Umfang nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG zu besteuern. Es handelt sich um Leistungen aus einem Pensionsfonds, die nicht unter die Steuerbegünstigung nach § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG fallen. Das ergibt sich aus den Erläuterungen seitens der C... AG in deren Leistungsbezugsmitteilung vom 30. Januar 2015, der die Klägerin insoweit nicht widersprochen hat. Auch die in der vorgenannten Leistungsbezugsmitteilung als "garantierte Überschussbeteiligung" bezeichneten Geldbeträge fallen unter § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG als "lex specialis" und damit nicht in den Anwendungsbereich der Abgeltungssteuer für Kapitaleinkünfte im Sinne von § 20 EStG, weil sie unstreitig mit Hilfe der zugunsten der Klägerin bei der Pensionskasse eingezahlten monatlichen Beiträge erzielt worden sind (vgl. dazu BT-Drucks. 14/4595,66; Killat, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 22 Rz. 495; Nacke, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 22 EStG Rz. 184).

    2. Die streitgegenständlichen Kapitalauszahlungen seitens der C... AG sind nicht als außerordentliche Einkünfte in Gestalt einer Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt zu besteuern. Es fehlt nämlich an der "Außerordentlichkeit" der Einkünfte (vgl. dazu nur BFH-Urteil in BStBl II 2017, 347 [BFH 20.09.2016 - X R 23/15] mwN). Dieses Erfordernis wird sowohl vom Wortlaut des § 34 Abs. 1 EStG als auch von dem des Einleitungssatzes des § 34 Abs. 2 EStG vorausgesetzt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dient es der Einschränkung des eher weit geratenen Wortlauts des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten sind nur dann außerordentlich, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspricht (vgl. BFH, aaO mwN).

    Wie sich nicht zuletzt aus den von der Klägerin im Einspruchsverfahren beim Beklagten eingereichten Schreiben der C... AG vom 17. Dezember 2013 und vom 28. März 2014 sowie dem die Klage begründenden Schriftsatz vom 5. Oktober 2017 ergibt, war die Geltendmachung der Kapitalabfindung durch die Klägerin "vertragsgemäß". Die Kapitalabfindung stellt auch keinen atypischen Verlauf in Bezug auf die jeweilige Einkünfteerzielung dar. Das der Klägerin von Anfang an eingeräumte Kapitalwahlrecht ist nach ihrem eigenen Vortrag im Klagebegründungsschriftsatz weder eng begrenzt noch auslaufend gewesen und kann daher nicht als Ausnahmeregelung angesehen werden (vgl. BFH, aaO mwN).

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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