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  • 01.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228459

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 22.02.2022 – 8 V 2/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

     
    Tenor:

    Der Antrag wird abgelehnt.

    Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

    Gründe:

    I.

    1
    Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Einkommensteuer.

    2
    Beim Antragsgegner ging ‒ nachdem die Antragstellerin zunächst zusammen mit ihrem Ehemann im Wege der Schätzung zur Einkommensteuer veranlagt worden war und dagegen Einspruch eingelegt hatte ‒ am 30.06.2021 die Einkommensteuererklärung der Antragstellerin für das Jahr 2019 ein. Die Erklärung datiert laut Eintrag im Unterschriftsfeld auf den 20.06.2020. Mit Bescheid vom 19.07.2021 setzte der Antragsgegner einen Verspätungszuschlag in Höhe von 275 EUR fest.

    3
    Mit dem dagegen gerichteten Einspruch machte die Antragstellerin (anwaltlich vertreten) geltend, sie habe die Erklärung fristgerecht am 21.06.2020 in den Briefkasten des Antragsgegners eingeworfen. Die am 30.06.2021 eingereichte Steuererklärung sei eine bloße Kopie. Die Antragstellerin beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung. Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag am 22.07.2021 ab.

    4
    Am 19.11.2021 erließ der Antragsgegner gegenüber der T-Bank eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über insgesamt 311,10 EUR, die den Verspätungszuschlag (sowie Vollstreckungskosten) betraf. Mit Schreiben vom 21.11.2021 schränkte der Antragsgegner die Pfändungs- und Einziehungsverfügung auf 212,29 EUR ein.

    5
    Mit am 02.01.2022 beim Gericht eingegangenen Telefax beantragt die ‒ nach wie vor anwaltlich vertretene ‒ Antragstellerin die gerichtliche Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung des Bescheids über die Festsetzung des Verspätungszuschlags und verweist auf die Begründung des Einspruchs.

    6
    Der Antragsgegner hat am 03.01.2022 eine Einspruchsentscheidung erlassen und den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen von der auch insoweit vom hiesigen Bevollmächtigten vertretenen Antragstellerin am 31.01.2022 erhobene und ebenfalls per Fax übermittelte Klage wird unter dem Aktenzeichen 8 K 226/22 geführt. In der Klageschrift hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin ausgeführt, die Klage werde per Fax eingereicht, weil sein Telefonanbieter trotz mehrfacher Anmahnung den Internetzugang nicht wiederhergestellt habe.

    7
    Die Antragstellerin beantragt (nachdem nach Antragstellung über den Einspruch entschieden und dagegen Klage erhoben wurde) sinngemäß,

    8
    die Vollziehung des Bescheids über die Festsetzung des Verspätungszuschlags vom 19.07.2021 auszusetzen bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung des Urteils im Klageverfahren, längstens bis zur Beendigung des Klageverfahrens, sowie die Vollziehung in Gestalt der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 19./21.11.2021 aufzuheben.

    9
    Der Antragsgegner beantragt,

    10
    den Antrag abzulehnen.

    11
    Er macht geltend, der Verspätungszuschlag sei dem Grunde und der Höhe nach zutreffend festgesetzt worden.

    12
    Das Gericht hat sowohl im hier vorliegenden Verfahren als auch im Verfahren 8 K 226/22 auf § 52d Satz 1 und 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen. Auf die entsprechenden Schreiben wird Bezug genommen.

    II.

    13
    Der Antrag ist unzulässig, weil er nicht als elektronisches Dokument übermittelt wurde.

    14
    Nach § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Vorschrift ist zum 01.01.2022 in Kraft getreten (Art. 26 Abs. 7 in Verbindung mit Art. 6 Nr. 4 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013, Bundesgesetzblatt 2013 I Nr. 62, Seite 3786). Die Anforderungen an elektronische Dokumente und deren Übermittlung regelt § 52a FGO. Eine Einreichung per Telefax genügt diesen Anforderungen nicht (im Ergebnis ebenso Schmieszek in Gosch, § 52d FGO Rn. 8; Brandis in Tipke/Kruse, § 52d FGO Rn. 1; a.A. Finster in: Ory/Weth, jurisPK-ERV, § 52d FGO Rn. 16).

    15
    Das am 02.01.2022 eingegangene Telefax ist bereits ‒ unabhängig davon, ob es über das Telefonnetz oder als Computerfax übersandt wurde ‒ kein elektronisches Dokument (ebenso Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 06.12.2018, 4 K 1880/14, juris; Oberverwaltungsgericht Bautzen, Beschluss vom 09.07.2019, 5 A 327/19, juris; Schmieszek in Gosch, § 52a FGO Rn. 6; Brandis in Tipke/Kruse, § 52a FGO Rn. 5; a.A. Verwaltungsgericht Dresden, Urteil vom 21.11.2017, 2 K 2108/16, und vom 02.10.2018, 2 K 302/18, beide juris). Der Senat schließt sich der Begründung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen im Beschluss vom 09.07.2019 an.

    16
    Selbst wenn dies anders wäre, wäre das Telefax aber jedenfalls nicht gemäß den Anforderungen übermittelt worden, die § 52a FGO an die Übermittlung elektronischer Dokumente stellt. Nach § 52a Abs. 3 FGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Nach § 52a Abs. 4 FGO sind sichere Übermittlungswege

    17
    - der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt (Nr. 1)

    18
    - der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts (Nr. 2)

    19
    - der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts (Nr. 3)

    20
    - der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts (Nr. 4)

    21
    - der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Abs. 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts (Nr. 5)

    22
    - sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind (Nr. 6).

    23
    Der Telefaxversand erfüllt keinen der Tatbestände der Nummern 1. bis 5. Sämtliche dieser Tatbestände setzen eine Identifizierbarkeit des Absenders voraus, die ein Faxversand nicht gewährleistet. Von der Verordnungsermächtigung des § 52 Abs. 4 Nr. 6 hat die Bundesregierung noch keinen Gebrauch gemacht.

    24
    Es handelt sich auch nicht um einen Fall der sog. Ersatzeinreichung. Nach § 52d Satz 3 FGO bleibt, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wobei nach Satz 4 die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen ist. Dass es sich bei dem am 02.01.2022 eingegangenen Fax um eine Ersatzeinreichung nach § 52d Satz 3 FGO handelt, ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht und auch nicht aus sonstigen Umständen ersichtlich. Die Antragstellerin hat zum Hinweis des Berichterstatters auf die Vorschrift des § 52d Satz 3 FGO keine Stellung genommen. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte im Klageverfahren vorgetragen, sein Telefonanbieter habe trotz mehrfacher Anmahnung den Internetzugang nicht wiederhergestellt. Abgesehen davon, dass diese pauschale Aussage noch keinen Rückschluss auf eine vorübergehende Unmöglichkeit zulässt, lässt sich diesem Vortrag nicht entnehmen, dass der Prozessbevollmächtigte bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung im hiesigen Verfahren (vier Wochen vor der Klageerhebung) Probleme mit der Herstellung seines Internetzugangs hatte.

    25
    Der Verstoß gegen § 52d FGO führt zur Unwirksamkeit des Antrags; er gilt als nicht vorgenommen (Bundestags-Drucksache 17/12634, Seite 27; Schmieszek in Gosch, § 52d FGO Rn. 8; .a.A. Finster in: Ory/Weth, jurisPK-ERV, § 52d FGO Rn. 16).

    26
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.