08.02.2023 · IWW-Abrufnummer 233639
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 08.07.2022 – 5 K 2500/21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg
In dem Finanzrechtsstreit
Klägerin
- Kläger -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Finanzamt
- Beklagter -
Richterinnen am Finanzgericht
Ehrenamtliche Richterin
Ehrenamtlicher Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
3. Die Revision wird zugelassen.
Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 (Urkundenummer XXX/XXXX K) die Grundstücke A, ...Straße X Flst. 1/1 und ... Straße Flst. 1 von Frau B (Veräußerin) zu einem Kaufpreis von 133.000 Euro (inklusive Inventar in Höhe von 30.000 Euro). Das Grundstück ... Straße Flst. 1/1 ist mit einem Zweifamilienhaus bebaut. Die Klägerin war seit 1995 Mieterin einer Wohnung im streitgegenständlichen Gebäude. Das Mietverhältnis endete mit Abschluss des Kaufvertrages (§ 9 Kaufvertrag).
An dem gesamten Gebäude war dem Bruder der Veräußerin, Herrn C (...) mit Erbauseinandersetzungs- und Vermächtniserfüllungsvertrag von der Erbengemeinschaft, bestehend aus der Veräußerin und Herrn C, mit Vertrag vom 09. September 2003 ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) eingeräumt worden, welches ihm unter Ausschluss des Eigentümers die Nutzung des gesamten Wohnhauses auf dem Flst. 1/1, Gemarkung D, erlaubt (...). Die Eintragung des Wohnungsrechts an dem genannten Grundstück wurde von der Erbengemeinschaft unwiderruflich bewilligt. Ein Eintragungsantrag stellte Herr C zum damaligen Zeitpunkt (noch) nicht. Erst mit einer Anmeldung zur Eintragung im Grundbuch am 04. Mai 2021 erfolgte die dingliche Absicherung. Die Eintragung erfolgte am 04. Juni 2021.
Im Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 wird das Wohnungsrecht in § 1 als bestehende Belastung aufgeführt. In § 12 Nr. 2 des Kaufvertrages einigten sich die Parteien wie folgt (auf den Kaufvertrag wird Bezug genommen Blatt 5 ff Gerichtsakte):
Zur Eintragung ist in Abt. II seit dem 09. September 2003 je zu Gunsten von C, geb. am XX.XX.XXXX, A bewilligt: auf FIst 1: Wohnungsrecht auf Flst. 1/1 Nießbrauch. Die Bewilligungen sind nach Angabe nicht widerrufen und die Eintragung wie vorstehend bezeichnet beantragt. Soweit diese Rechte zur Eintragung gelangen werden diese vom Käufer übernommen. Dies ist bei der Kaufpreisbemessung berücksichtigt. Der Notar hat die Wirkungen erläutert
Der Gesamtwert des übernommenen Wohnungsrechts beträgt unstreitig EUR 146.328 Euro.
Der Beklagte setzte mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 02. Juli 2021 die Grunderwerbsteuer in Höhe von EUR 12.466 fest. Als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer berücksichtigte der Beklagte den um den Wert des Inventars gekürzten Kaufpreis in Höhe von EUR 103.000 sowie den Wert des Wohnungsrechts mit EUR 146.328. Den Wert des Nießbrauchsrechts berücksichtigte der Beklagte nicht.
Den hiergegen am 6. Juli 2021 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2021 als unbegründet zurück. Bereits zuvor hatte er mit Bescheid vom 26. Juli 2021 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Die Klägerin hat am 12. August 2021 Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat das Gericht mit Beschluss vom 23. Februar 2022 als unbegründet abgewiesen (Az.: 5 V 1924/21).
Die Klägerin behauptet, der Kaufpreis entspreche dem Verkehrswert des Grundstücks (...). Das dingliche Wohnungsrecht diene allein dazu, das vermächtnisweise erworbene Nutzungsrecht von Herrn C abzusichern (BFH, Urteil vom 6. Dezember 2017 - II R 55/15 -, BFHE 261, 58, BStBl II 2018, 406, Rn. 17). Anderseits trägt sie vor, sie habe ihren Rückgriffsanspruch aus der laufenden Inanspruchnahme des Wohnungs-/Nießbrauchsrechts werthaltig durch einen Kaufpreisabschlag gesichert (...).
Sie behauptet zudem die Einräumung des Wohnungsrechts bzw. die Bestellung eines Nießbrauchs seien anlässlich der Veräußerung der verfahrensgegenständlichen Grundstücke bei den Verhandlungen über den Kaufvertrag erörtert worden, aber ausdrücklich nicht gewollt gewesen. Im ersten Entwurf eines notariellen Kaufvertrages sei das bereits eingeräumte Wohnungs- bzw. Nießbrauchsrecht nicht als anstehende Belastung in Abt. II des Grundbuches angesprochen worden und es habe unter Mitwirkung des Berechtigten ein lebenslanges Wohnungsrecht nach § 1093 BGB an dem Grundstück Flst. 1/1 und ein unentgeltlicher Nießbrauch an dem Flst. 1 bewilligt werden sollen. Dem sei ausdrücklich widersprochen und eine Änderung des Entwurfes eingefordert worden. Weder sei der Berechtigte bereit gewesen, an dem Verkauf mitzuwirken, noch sei die Käuferin bereit gewesen, ein Wohnungs- bzw. Nießbrauchsrecht zu bewilligen (...).
Die Klägerin ist der Auffassung, das Wohnungsrecht dürfe die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht erhöhen.
Mit dem Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 sei weder Herrn C noch der Veräußerin ein Wohnungs- und Nießbrauchsrecht eingeräumt worden, vielmehr sei der Grundbesitz unter Fortbestand der bereits bestehenden dinglichen Belastungen veräußert worden. Dementsprechend hätten in der Verfügungsgewalt der Veräußerin zum Zeitpunkt des Verkaufs nur die auf die Dauer des Wohnungsrechts nutzenfreien Grundstücke gestanden. Die Einräumung eines Wohnungsrechts oder Nießbrauchs anlässlich der Veräußerung eines Grundstücks könne dem Fall der Fortsetzung eines bereits langjährig bestehenden Wohnungsrechts oder Nießbrauchs nicht gleichstellt werden. Die Rechtsfolge des Erwerbs eines mit Wohnungsrecht belasteten Grundstücks ergebe sich aus § 1108 BGB, in dem eine Haftung des Erwerbers, aber keine Schuldübernahme begründet werde. Das Besitzrecht des Nießbrauchers erfahre durch die Veräußerung des Grundstückes keine Änderung und bestehe schlicht fort.
Die Klägerin habe vorliegend nicht das Wohnungsrecht übernommen. Vielmehr habe dies die Erblasserin ihrem Sohn vermacht und ausdrücklich eine dingliche Absicherung vereinbart. Die Klägerin habe nur die dingliche Sicherung übernommen. Ähnlich wie bei einer Hypothek, bei der nicht die persönliche Schuld übernommen werde, sondern nur die Haftung. Diese sei mit Null zu bewerten, wenn der Käufer die aus seiner Inanspruchnahme folgenden Ersatzansprüche (§§ 1142, 1143 BGB) gegen den persönlichen Schuldner durchsetzen könne (Stefan Gottwald, Grunderwerbsteuer, 4. Aufl. F III 1 bbb RZ 736). Dies treffe im vorliegenden Fall zu. Der grundbuchmäßige Eintrag begründe nicht, sondern flankiere die Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers und schütze lediglich den Bestand des Nutzungsrechts. Das Besitzrecht sei bereits am 09. September 2003 auf Dauer eingeräumt worden.
Das Wohnungsrecht habe im Zeitpunkt der Begründung mit Erbauseinandersetzungsvertrag vom 09. September 2003 zudem dem Grunde nach bereits bei Herrn C der Grunderwerbsteuer unterlegen und sei nur nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen gewesen. Letztlich würde der Beklagte hier eine Doppelbesteuerung durchführen.
Für die erworbenen Nutzungen ab der Beendigung des Wohnungsrechts durch das Ableben des Berechtigten habe die Klägerin einen angemessenen Kaufpreis bezahlt. Sei ein Grundstück ohne Nutzungen, weil einem Dritten zustehend, könnten solche Nutzungen weder von der Käuferin übernommen noch von der Verkäuferin vorbehalten werden.
Aus der Rechtsprechung des BFH ergebe sich nichts anderes. Insbesondere das BFH- Urteil vom 28. April 1976 - II R 192/75 (BFHE 119, 185, BStBl II 1976, 577) betreffe einen anderen Fall. Dort sei die Belastung des Grundstückes mit einem Wohnungsrecht wirtschaftlich aufgehoben worden, indem Personenidentität zwischen dem belasteten Grundstückseigentümer und dem Wohnungsberechtigten herbeigeführt worden sei und die Erwerberin sogleich über ein wirtschaftlich lastenfreies Grundstück verfügen habe können.
Bei Abschluss des Kaufvertrags habe auch keine Belastung des Grundstücks mit einem Wohnungsrecht vorgelegen, die kraft Gesetzes übergegangen sei (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GrEStG (BFH-Urteil vom 08. Juni 2005 - II R 26/03, BFHE 210, 372, BStBl II 2005, 613). Herr C habe zwar am 04. Mai 2021 die Eintragung des Wohnungsrechts und des Nießbrauchs beim Grundbuchamt beantragt, deren Eintragung sei jedoch erst nach dem 04. Juni 2021 erfolgt.
Dass im notariellen Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 keine schuldrechtliche Übernahme des Wohnungsrechts vereinbart worden sei, sei zivilrechtlich eindeutig, denn der Berechtigte habe an dem Vertragsabschluss nicht mitgewirkt, was bei der Begründung, wie bei einem Schuldnerwechsel, aber zwingend erforderlich gewesen wäre. Da zu Gunsten der Verkäuferin keine schuldbefreiende Übernahme erfolgt sei, stelle die grundbuchmäßige Belastung keine Leistung der Käuferin dar, sondern allenfalls ein Sicherungsmittel für einen fremden Dritten.
Zudem sei das Grundgeschäft bereits erfüllt gewesen. Es hätten keine weiteren schuldrechtlichen Ansprüche mehr bestanden, die abgetreten oder übernommen hätten werden können. Angesichts der Erfüllung des Vermächtnisses habe demzufolge die Klägerin die Verkäuferin auch nicht von einer inexistenten Verbindlichkeit befreien oder eine solche übernehmen können.
Nicht jede Verpflichtung des Verkäufers, die vom Grundstückserwerber übernommen werde, sei eine sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Z.B. stelle die Übernahme der Verpflichtung, Wohnraum verbilligt zu überlassen, keine sonstige Leistung dar, weil der Vorteil weder dem Verkäufer noch dem Käufer zugutekomme, vielmehr fremden Dritten, nämlich den künftigen Mietern (FG München Urteil vom 23.06.2021 - 4 K 2843/18, EFG 2021, 1846; Revision eingelegt, AZ BFH - II R 26/21).
Die vorliegende Fallgestaltung gleiche der des Verkaufs eines vermieteten Grundstücks, bei dem die Mieten seit Jahrzehnten nicht erhöht worden seien und deshalb weit unter dem marktüblichen Mietzins lägen - im vorliegenden Falle betrage die "Miete" Null Euro p.a. Das FG München habe mit Urteil vom 23.6.2021 - 4 K 2843/18 (Revision anhängig; AZ BFH II R 26/21) entschieden, dass der Vorteil einer Mietverbilligung, den der Käufer übernimmt, keine sonstige Leistung an den Grundstücksverkäufer darstelle.
Hilfsweise trägt die Klägerin vor, dass jedenfalls eine dauernde Last vorgelegen habe, die bereits auf dem Grundstück geruht habe. Das Grunderwerbsteuergesetz enthalte keine Definition der dauernden Last, allerdings könne eine unentgeltliche Wohnungsüberlassung Gegenstand einer dauernden Last sein (§§ 31 ff WEG).
Die Klägerin beantragt,
der Grunderwerbsteuerbescheid vom 02.07.2021 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 01.10.2021 wird dahingehend geändert, dass die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer auf EUR 103.000 herabgesetzt wird,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Wohnungsrecht sei als Gegenleistung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen. Diese Vorschrift habe gegenüber § 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 GrEStG den Anwendungsvorrang. Im Ergebnis rechne die nicht dauernde Last unabhängig davon zur Gegenleistung, ob sie aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder aufgrund Übergang kraft Gesetz vom Erwerber zu tragen sei. Nicht erheblich sei für die rechtliche Einschätzung, dass das Wohnungsrecht im Kaufvertrag der Klägerin lediglich übernommen und nicht eingeräumt worden sei. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über das bestehende (schuldrechtlich vereinbarte) Wohnungsrecht informiert gewesen (§ 442 Abs. 2 BGB) und habe die durch das Wohnungsrecht bestehende Verpflichtung des Verkäufers zur lastenfreien Übertragung des Grundstücks (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 435 BGB) nicht eingefordert. Die Verpflichtung zur Erfüllung des Wohnungsrechts sei durch die Klägerin stillschweigend geduldet und damit auch übernommen worden.
Es liege gerade keine "dauernde Last" im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 GrEStG vor. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Belastung bereits im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs auf dem Grundstück ruhe und mit dinglicher Wirkung ohne besondere Abrede kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehe. Daran fehle es, solange eine privatrechtliche Belastung noch nicht in das Grundbuch eingetragen sei. Das Wohnungsrecht sei zwar zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags zur Eintragung in das Grundbuch angemeldet, aber noch nicht letztgültig eingetragen gewesen. Darüber hinaus sei in § 7 des Erbauseinandersetzungs- und Vermächtniserfüllungsvertrags bestimmt, dass die Ausübung des Wohnungsrechts nicht an einen Dritten überlassen werden dürfe. Das Wohnungsrecht sei demnach an die Person des C gebunden und als zeitlich begrenzt anzusehen. Dies führe letztlich dazu, dass das Wohnungsrecht dem Grundstück nicht dauerhaft als wertmindernde Eigenschaft anhafte.
Auf Nachfrage erläuterte der Klägervertreter im Rahmen der mündlichen Verhandlung, die Klägerin lebe mit Herrn C in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Zudem sei zum Zeitpunkt des notariellen Kaufvertrages ein Verkehrswertgutachten über das Grundstück mit aufstehendem Gebäude erstellt worden. Der Gutachter habe einen Wert in Höhe von EUR 260.000 festgestellt. Im notariellen Kaufvertrag habe man einen Abschlag für das Wohnungsrecht berücksichtigt, der sich am Alter von Herrn C orientiert habe. Der Beklagte hatte zur mündlichen Verhandlung ebenfalls eine Wertermittlung (allein nach Aktenlage) durch den öffentlich bestellten Bausachverständigen durchführen lassen, das die vorgenannten Werte bestätigt (auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 08.07.2022 wird Bezug genommen; ...).
Gründe
Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
a) Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung.
aa) Was zur Gegenleistung gehört, bestimmt § 9 GrEStG, der eine Legaldefinition des Begriffs enthält und --zusammen mit § 8 Abs. 1 GrEStG-- darauf abzielt, die Gegenleistung so umfassend wie möglich zu erfassen (Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 387, 405; vgl. Beschlüsse des BFH vom 02.03.2011 - II R 23/10, BFHE 232, 358, BStBl II 2011, 932, Rz 17, und vom 02.03.2011 - II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009, Rz 21). Dem Grunderwerbsteuergesetz liegt ein eigenständiger, über das bürgerlich-rechtliche Verständnis hinausgehender Gegenleistungsbegriff zugrunde (vgl. BFH, Urteile vom 16.02.1977 - II R 89/74, BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671, unter 2., und vom 08.09.2010 - II R 28/09, BFHE 231, 244, BStBl II 2011, 227, Rz 14).
bb) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gilt als Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Nutzungen sind gemäß § 100 BGB u.a. die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Sie gebühren nach § 446 Satz 2 BGB von der Übergabe der Sache an dem Käufer. Der Verkäufer ist grundsätzlich verpflichtet, eine Sache frei von Rechtsmängeln (§§ 433 Abs. 1, 435 BGB) zu übergeben. Wird die Norm vertraglich abbedungen, belässt der Grundstückskäufer also die Nutzungen dem Verkäufer (oder einem Dritten) über diesen Zeitpunkt hinaus, liegt darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingibt. Dies rechtfertigt die Einbeziehung der dem Verkäufer bzw. einem Dritten vorbehaltenen Nutzungen in die Gegenleistung (vgl. Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 387, 406; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.1981 - IX 153/81, IX 154/81, EFG 1982, 428; Loose in Viskorf, GrEStG, 20. Aufl., § 9 Rz 231; im Ergebnis auch BFH, Urteil vom 06.12.1989 - II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186, unter 1.c). Für die vorbehaltenen Nutzungen ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gegenüber § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vorrangig (Konrad in Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. 2018, § 9 GrEStG, Rn. 154). Erfasst sind Nutzungen aller Art, namentlich Nießbrauchs- und Wohnungsrechte. Sie können entweder neu begründet werden oder bereits bestehen. Unerheblich ist auch, wenn diese gegenüber einem Dritten eingeräumt werden (BFH, Urteil vom 17. September 1975 - II R 5/70, Rn. 10, juris; Konrad in Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. 2018, § 9 GRESTG, Rn. 155; Loose in Viskorf, GrEStG, Grunderwerbsteuergesetz, 20. Aufl., § 9 Rn. 234).
cc) Wenn jedoch der Grundstücksverkäufer die vorbehaltenen Nutzungen angemessen vergütet, liegt in der Nutzungsüberlassung keine Gegenleistung für das Grundstück i.S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (ähnlich BFH, Urteil vom 06.12.2017 - II R 55/15, BFHE 261, 58, BStBl II 2018, 406, Rz 13).
dd) Für die Bestimmung der Gegenleistung ist nicht maßgebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich tatsächlich verpflichtet haben (BFH, Urteil vom 08. September 2010 - II R 28/09, BFHE 231, 244, BStBl II 2011, 227, Rz 14). Ob sich der Verkäufer Nutzungen ohne angemessenes Entgelt vorbehalten hat, ist durch Auslegung des Kaufvertrags zu ermitteln. Die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist (BFH, Urteil vom 05. Dezember 2019 - II R 37/18, BFHE 267, 524, BStBl II 2020, 236, Rn. 11 - 16).
b) Nach diesen Maßstäben sind die Herrn C vorbehaltenen Nutzungen in die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einzubeziehen.
Im Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 halten die Beteiligten ausdrücklich fest, dass im Grundbuch folgende Belastungen eingetragen sind: Abt. II: Das am 04. Mai 2021 beantragte Wohnungsrecht (Flst. 1/1) und Nießbrauchsrecht (Flst. 1), je zu Gunsten von C, geb. am XX.XX.XXXX, wohnhaft in A, ... Straße X. Das Recht ist derzeit noch nicht im Grundbuch eingetragen, es wird beim Amtsgericht E - Grundbuchamt - unter dem Az: XXXXXX XXX XXX/XXXX geführt.
Zudem wird unter § 12 Nr. 2 und Nr. 3 zu den Rechtsmängeln (§ 435 BGB) ausgeführt, dass als Eintragung in Abt. II seit dem 09. September 2003 je zu Gunsten von C, geb. am XX.XX.XXXX, A bewilligt ist: auf Flst 1: Wohnungsrecht und auf Flst. 1/1 Nießbrauch. Die Bewilligungen sind nach Angabe nicht widerrufen und die Eintragung wie vorstehend bezeichnet beantragt. Soweit diese Rechte zur Eintragung gelangen werden diese vom Käufer übernommen. Dies ist bei der Kaufpreisbemessung berücksichtigt (§ 12 Nr. 2). Der Notar hat die Wirkungen erläutert. Der Verkäufer schuldet im Übrigen den lastenfreien Besitz- und Eigentumsübergang des Vertragsgegenstandes, ausgenommen ausdrücklich in dieser Urkunde übernommene oder mit Zustimmung des Käufers bestellte Belastungen (§ 12 Nr. 3).
Diese Vereinbarungen können nicht anders verstanden werden, als dass mit Zustimmung der Klägerin das Wohnrecht des Herrn C bestehen bleibt und sie von ihrem Recht nach § 446 S. 2 BGB keinen Gebrauch macht. Der Notar weist in § 12 Nr. 3 insbesondere daraufhin, dass im Übrigen ein lastenfreier Übergang geschuldet wird. Auch die Klägerin selbst trägt vor, dass es gerade um die Nutzungen aus dem Grundstück geht, die nicht an die Klägerin übertragen worden seien. Eine Vergütung für die vorbehaltenen Nutzungen wird nicht geleistet. Es ist zwar richtig, dass das dingliche Wohnungsrecht vorliegend noch nicht zur Eintragung gelangt ist. Allerdings belegt der Umstand, dass die Klägerin den Kaufvertrag mit der Kenntnis, dass dieses zur Eintragung gelangen wird, unterzeichnet, dass sie auch weiterhin an der Nutzung durch Herrn C festhalten will. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin mit dem Herrn C in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebt.
c) Der Argumentation der Klägerin kann nicht gefolgt werden.
Es ist zwar richtig, dass das Wohnungsrecht von C (schuldrechtlich) nicht neu begründet wird, sondern fortbesteht. Dies ist allerdings unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin auf ihren Anspruch einer rechtsmängelfreien Übertragung verzichtet und damit einen geldwerten Vorteil leistet (§ 446 S. 2 BGB). Sie belässt es gerade bei der bisherigen Belastung und übernimmt diese.
Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die dingliche Belastung durch Eintragung in das Grundbuch bereits bestand oder neu begründet wurde. Unerheblich ist daher auch, ob die Eintragung des Wohnungsrechts nur zu einer dinglichen Sicherung führt.
Auch der Umstand, dass das Wohnrecht möglicherweise bei Herrn C bereits dem Grunde nach der Grunderwerbsteuer unterlegen hat, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn übertragen wird nicht das Wohnrecht, sondern das Grundstück belastet mit dem Wohnrecht. Dementsprechend wird vorliegend nur beurteilt, ob die Belastung des Grundstücks zur Erhöhung der Gegenleistung führt.
Zudem spricht vorliegend der Rechtsgedanke aus § 3 Nr. 2 GrEStG für und nicht gegen die Grunderwerbsteuerpflicht. Nach § 3 Nr. 2 GrEStG sind von der Besteuerung ausgenommen Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes. Nach S. 2 gilt allerdings, dass Schenkungen unter einer Auflage hinsichtlich des Werts solcher Auflagen der Besteuerung unterliegen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind. Dementsprechend unterliegen Nutzungs- oder Duldungsauflagen die bei der Schenkungsteuer abgezogen werden könnten mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer (BFH, Urteile vom 12. Juli 2016 - II R 57/14, BFHE 254, 81, BStBl II 2016, 897, Rn. 14; vom 20. November 2013 - II R 38/12, BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rn. 11). Dies kann bei einer Veräußerung nicht anders sein, da andernfalls die Erbschaft bzw. Schenkung grunderwerbsteuerlich benachteiligt würde. Insofern betrifft das Urteil des BFH vom 28. April 1976 - II R 192/75 (BFHE 119, 185, BStBl II 1976, 577 gerade keinen anderen Fall, sondern die grunderwerbsteuerliche Behandlung der Auflage. Aus dem Urteil kann geschlossen werden, dass Grunderwerbsteuer sogar anfällt, wenn Eigentum und dingliches Recht zusammenfallen. Dies muss umso mehr der Fall sein, wenn das Wohnungsrecht bestehen bleibt.
Das Urteil des BFH vom 28. April 1976 - II R 192/75, (BFHE 119, 185, BStBl II 1976, 577) betrifft tatsächlich - wie von der Klägerin vorgetragen - einen anderen Fall. Der BFH hatte dort über die Auswirkung auf die Gegenleistung eines bei Kaufvertragsschluss bereits eingetragenen Wohnungsrechts (§ 1093 BGB) zu entscheiden. In diesem Fall richtet sich die Erhöhung der Bemessungsgrundlage nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG. Danach gehören zur Gegenleistung Belastungen, die auf einem Grundstück ruhen, soweit sie kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehen. Im vorliegend zu entscheidenden Fall war allerdings das Wohnungsrecht zum Zeitpunkt des notariellen Kaufvertrages noch nicht eingetragen und maßgeblich für die Beurteilung ist allein § 9 Abs. 1 GrEStG. Hieraus wird allerdings auch ersichtlich, dass es nicht darauf ankommen darf, ob der Käufer auf die Nutzungen am Grundstück auf schuldrechtlicher Ebene verzichtet (§ 446 S. 2 BGB) oder ob dies aufgrund der dinglichen Absicherung im Grundbuch gesetzlich angeordnet wird (§ 1093 BGB). Die Wirkung für den Käufer unterscheidet sich nicht. Letztlich wäre es auch nicht verständlich, wenn allein der Zufall des Eintragungszeitpunkts im Grundbuch auf den die Parteien ab Antragsstellung keinen Einfluss mehr haben, über die Höhe der Bemessungsgrundlage entscheidet.
Es kann dahinstehen, ob Herr C zum Zeitpunkt des Kaufvertrages der Schuldübernahme der Klägerin zugestimmt hat (§ 415 Abs. 1 S. 1 BGB). Ein Vertrag, der wie vorliegend die Verpflichtung zur unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung einer Wohnung auf Lebenszeit zum Inhalt hat, ist ein Leihvertrag (BGH, Urteil vom 11.12.1981 - V ZR 247/80, BGHZ 82, 354-360). Diesen hat die Klägerin letztlich übernommen und darüber hinaus aufgrund des notariellen Kaufvertrags gewusst, dass dieses Wohnrecht nunmehr auch dinglich zur Eintragung angemeldet war. Aus dem Gesamtgeschehen ergibt sich, dass Herr C die Schuldübernahme jedenfalls genehmigt hat (§ 184 BGB). So hat er ausweislich des Klägervortrags darauf bestanden, dass die Klägerin mit der Veräußerin den Kaufvertrag ohne seine Mithilfe abschließt. Gleichzeitig hat er aber noch vor Abschluss des Kaufvertrages die Eintragung des Wohnungsrechts nach § 1093 BGB beantragt. Er war also in die Vertragsgestaltung eingebunden und es kam ihm auf die Weiternutzung der Immobilie an. Zudem gilt nach § 415 Abs. 3 BGB für die Schuldübernahme, dass der Dritte (Klägerin) dem Schuldner gegenüber bei schwebender oder - wegen Verweigerung der Genehmigung - unwirksamer Schuldübernahme verpflichtet ist, den Gläubiger (Herrn C) rechtzeitig zu befriedigen. Der Schuldner (Veräußerin) hat also einen Anspruch gegen den Dritten (Klägerin), für die Erfüllung der Verbindlichkeit rechtzeitig zu sorgen. Letztlich bleibt es also bei der Verpflichtung der Klägerin die Nutzungen an Herrn C zu überlassen.
Zwar mag es sein, dass wie die Klägerin vorträgt, nicht jede Verpflichtung des Verkäufers, die vom Grundstückserwerber übernommen wird, eine sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG darstellt. Im zu entscheidenden Fall hat die Klägerin allerdings auf die Nutzungen aus dem Grundstück verzichtet und nicht wie im Urteil des FG München, Urteil vom 23. Juni 2021 - 4 K 2843/18 sich im Hinblick auf zukünftige Mietzahlungen gebunden.
Des weiteren stehen sich im vorliegenden Verfahren Leistung und Gegenleistung nicht gleichwertig gegenüber, anders als im Verfahren des FG München (Urteil vom 23. Juni 2021 - 4 K 2843/18, Rn. 24). Erst unter Berücksichtigung des Wohnungsrechts hat die Veräußerin einen angemessenen Kaufpreis (ca. EUR 260.000) erhalten.
Die Klägerin kann sich bereits deswegen nicht auf § 1108 BGB berufen, weil dieser die persönliche Haftung des Eigentümers für eine Reallast regelt. Diese weitergehende Haftung aus § 1108 BGB hat zur Folge, dass der Eigentümer nicht nur mit dem Grundstück, sondern auch mit seinem sonstigen Vermögen für die Erbringung einstehen muss. Dies ergibt sich aus dem Zweck der "Wohnungsreallast" (§ 1105 BGB), die im Unterschied zu einem Wohnungsrecht den Eigentümer verpflichtet, nicht lediglich die Benutzung von Räumen zu Wohnzwecken zu dulden, sondern Wohnraum durch positive, wiederkehrende Leistung zur Verfügung zu stellen (zu gewähren) und in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten, wobei dies aber nur allgemein - nicht an bestimmten Gebäuden oder Gebäudeteilen - und nicht unter Ausschluss des Eigentümers geschehen darf (OLG München, Beschluss vom 14. Februar 2018 - 34 Wx 380/17 -, Rn. 29, juris). Auch die Berufung auf das Hypothekenrecht geht fehl. Für die Hypothek ist begriffsnotwendig, dass sie eine bestimmte Forderung sichert. Darauf müssen sich Einigung und Eintragung erstrecken, sonst entsteht keine Hypothek (Wenzel in: Erman BGB, Kommentar, § 1113 Gesetzlicher Inhalt der Hypothek, Rn. 2). Dies ist für das Wohnungsrecht nach § 1093 BGB nicht erforderlich.
Selbst wenn das Dauerwohnrecht nach § 31 WEG eine dauernde Last wäre, die die Gegenleistung nicht erhöht (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG), kann sich die Klägerin hierauf nicht berufen. Ein Dauerwohnrecht nach §§ 31 ff WEG ist veräußerlich und vererblich (§ 33 Abs. 1 WEG), während das Wohnrecht nach § 1093 BGB als beschränkte persönliche Dienstbarkeit dies nicht ist (§§ 1093 Abs. 1 S 1, 1092 Abs. 1 S 1, 1090 Abs. 2, 1061 BGB; Staudinger/Reymann (2021) BGB § 1093, Rn. 4). Demnach wäre eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt, da das Wohnungsrecht spätestens mit dem Versterben des Berechtigten endet und damit jedenfalls keine dauernde Last darstellt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision war mit Blick auf ein anhängiges Verfahren beim BFH, Az II R 5/22 (vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. März 2021 - 12 K 12271/19) zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Urteil vom 08.07.2022
In dem Finanzrechtsstreit
Klägerin
- Kläger -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Finanzamt
- Beklagter -
wegen Grunderwerbsteuer
hat der 5. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. Juli 2022 durch
Vorsitzenden Richter am FinanzgerichtRichterinnen am Finanzgericht
Ehrenamtliche Richterin
Ehrenamtlicher Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
An dem gesamten Gebäude war dem Bruder der Veräußerin, Herrn C (...) mit Erbauseinandersetzungs- und Vermächtniserfüllungsvertrag von der Erbengemeinschaft, bestehend aus der Veräußerin und Herrn C, mit Vertrag vom 09. September 2003 ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) eingeräumt worden, welches ihm unter Ausschluss des Eigentümers die Nutzung des gesamten Wohnhauses auf dem Flst. 1/1, Gemarkung D, erlaubt (...). Die Eintragung des Wohnungsrechts an dem genannten Grundstück wurde von der Erbengemeinschaft unwiderruflich bewilligt. Ein Eintragungsantrag stellte Herr C zum damaligen Zeitpunkt (noch) nicht. Erst mit einer Anmeldung zur Eintragung im Grundbuch am 04. Mai 2021 erfolgte die dingliche Absicherung. Die Eintragung erfolgte am 04. Juni 2021.
Im Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 wird das Wohnungsrecht in § 1 als bestehende Belastung aufgeführt. In § 12 Nr. 2 des Kaufvertrages einigten sich die Parteien wie folgt (auf den Kaufvertrag wird Bezug genommen Blatt 5 ff Gerichtsakte):
Zur Eintragung ist in Abt. II seit dem 09. September 2003 je zu Gunsten von C, geb. am XX.XX.XXXX, A bewilligt: auf FIst 1: Wohnungsrecht auf Flst. 1/1 Nießbrauch. Die Bewilligungen sind nach Angabe nicht widerrufen und die Eintragung wie vorstehend bezeichnet beantragt. Soweit diese Rechte zur Eintragung gelangen werden diese vom Käufer übernommen. Dies ist bei der Kaufpreisbemessung berücksichtigt. Der Notar hat die Wirkungen erläutert
Der Gesamtwert des übernommenen Wohnungsrechts beträgt unstreitig EUR 146.328 Euro.
Der Beklagte setzte mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 02. Juli 2021 die Grunderwerbsteuer in Höhe von EUR 12.466 fest. Als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer berücksichtigte der Beklagte den um den Wert des Inventars gekürzten Kaufpreis in Höhe von EUR 103.000 sowie den Wert des Wohnungsrechts mit EUR 146.328. Den Wert des Nießbrauchsrechts berücksichtigte der Beklagte nicht.
Den hiergegen am 6. Juli 2021 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2021 als unbegründet zurück. Bereits zuvor hatte er mit Bescheid vom 26. Juli 2021 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Die Klägerin hat am 12. August 2021 Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat das Gericht mit Beschluss vom 23. Februar 2022 als unbegründet abgewiesen (Az.: 5 V 1924/21).
Die Klägerin behauptet, der Kaufpreis entspreche dem Verkehrswert des Grundstücks (...). Das dingliche Wohnungsrecht diene allein dazu, das vermächtnisweise erworbene Nutzungsrecht von Herrn C abzusichern (BFH, Urteil vom 6. Dezember 2017 - II R 55/15 -, BFHE 261, 58, BStBl II 2018, 406, Rn. 17). Anderseits trägt sie vor, sie habe ihren Rückgriffsanspruch aus der laufenden Inanspruchnahme des Wohnungs-/Nießbrauchsrechts werthaltig durch einen Kaufpreisabschlag gesichert (...).
Sie behauptet zudem die Einräumung des Wohnungsrechts bzw. die Bestellung eines Nießbrauchs seien anlässlich der Veräußerung der verfahrensgegenständlichen Grundstücke bei den Verhandlungen über den Kaufvertrag erörtert worden, aber ausdrücklich nicht gewollt gewesen. Im ersten Entwurf eines notariellen Kaufvertrages sei das bereits eingeräumte Wohnungs- bzw. Nießbrauchsrecht nicht als anstehende Belastung in Abt. II des Grundbuches angesprochen worden und es habe unter Mitwirkung des Berechtigten ein lebenslanges Wohnungsrecht nach § 1093 BGB an dem Grundstück Flst. 1/1 und ein unentgeltlicher Nießbrauch an dem Flst. 1 bewilligt werden sollen. Dem sei ausdrücklich widersprochen und eine Änderung des Entwurfes eingefordert worden. Weder sei der Berechtigte bereit gewesen, an dem Verkauf mitzuwirken, noch sei die Käuferin bereit gewesen, ein Wohnungs- bzw. Nießbrauchsrecht zu bewilligen (...).
Die Klägerin ist der Auffassung, das Wohnungsrecht dürfe die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht erhöhen.
Mit dem Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 sei weder Herrn C noch der Veräußerin ein Wohnungs- und Nießbrauchsrecht eingeräumt worden, vielmehr sei der Grundbesitz unter Fortbestand der bereits bestehenden dinglichen Belastungen veräußert worden. Dementsprechend hätten in der Verfügungsgewalt der Veräußerin zum Zeitpunkt des Verkaufs nur die auf die Dauer des Wohnungsrechts nutzenfreien Grundstücke gestanden. Die Einräumung eines Wohnungsrechts oder Nießbrauchs anlässlich der Veräußerung eines Grundstücks könne dem Fall der Fortsetzung eines bereits langjährig bestehenden Wohnungsrechts oder Nießbrauchs nicht gleichstellt werden. Die Rechtsfolge des Erwerbs eines mit Wohnungsrecht belasteten Grundstücks ergebe sich aus § 1108 BGB, in dem eine Haftung des Erwerbers, aber keine Schuldübernahme begründet werde. Das Besitzrecht des Nießbrauchers erfahre durch die Veräußerung des Grundstückes keine Änderung und bestehe schlicht fort.
Die Klägerin habe vorliegend nicht das Wohnungsrecht übernommen. Vielmehr habe dies die Erblasserin ihrem Sohn vermacht und ausdrücklich eine dingliche Absicherung vereinbart. Die Klägerin habe nur die dingliche Sicherung übernommen. Ähnlich wie bei einer Hypothek, bei der nicht die persönliche Schuld übernommen werde, sondern nur die Haftung. Diese sei mit Null zu bewerten, wenn der Käufer die aus seiner Inanspruchnahme folgenden Ersatzansprüche (§§ 1142, 1143 BGB) gegen den persönlichen Schuldner durchsetzen könne (Stefan Gottwald, Grunderwerbsteuer, 4. Aufl. F III 1 bbb RZ 736). Dies treffe im vorliegenden Fall zu. Der grundbuchmäßige Eintrag begründe nicht, sondern flankiere die Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers und schütze lediglich den Bestand des Nutzungsrechts. Das Besitzrecht sei bereits am 09. September 2003 auf Dauer eingeräumt worden.
Das Wohnungsrecht habe im Zeitpunkt der Begründung mit Erbauseinandersetzungsvertrag vom 09. September 2003 zudem dem Grunde nach bereits bei Herrn C der Grunderwerbsteuer unterlegen und sei nur nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen gewesen. Letztlich würde der Beklagte hier eine Doppelbesteuerung durchführen.
Für die erworbenen Nutzungen ab der Beendigung des Wohnungsrechts durch das Ableben des Berechtigten habe die Klägerin einen angemessenen Kaufpreis bezahlt. Sei ein Grundstück ohne Nutzungen, weil einem Dritten zustehend, könnten solche Nutzungen weder von der Käuferin übernommen noch von der Verkäuferin vorbehalten werden.
Aus der Rechtsprechung des BFH ergebe sich nichts anderes. Insbesondere das BFH- Urteil vom 28. April 1976 - II R 192/75 (BFHE 119, 185, BStBl II 1976, 577) betreffe einen anderen Fall. Dort sei die Belastung des Grundstückes mit einem Wohnungsrecht wirtschaftlich aufgehoben worden, indem Personenidentität zwischen dem belasteten Grundstückseigentümer und dem Wohnungsberechtigten herbeigeführt worden sei und die Erwerberin sogleich über ein wirtschaftlich lastenfreies Grundstück verfügen habe können.
Bei Abschluss des Kaufvertrags habe auch keine Belastung des Grundstücks mit einem Wohnungsrecht vorgelegen, die kraft Gesetzes übergegangen sei (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GrEStG (BFH-Urteil vom 08. Juni 2005 - II R 26/03, BFHE 210, 372, BStBl II 2005, 613). Herr C habe zwar am 04. Mai 2021 die Eintragung des Wohnungsrechts und des Nießbrauchs beim Grundbuchamt beantragt, deren Eintragung sei jedoch erst nach dem 04. Juni 2021 erfolgt.
Dass im notariellen Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 keine schuldrechtliche Übernahme des Wohnungsrechts vereinbart worden sei, sei zivilrechtlich eindeutig, denn der Berechtigte habe an dem Vertragsabschluss nicht mitgewirkt, was bei der Begründung, wie bei einem Schuldnerwechsel, aber zwingend erforderlich gewesen wäre. Da zu Gunsten der Verkäuferin keine schuldbefreiende Übernahme erfolgt sei, stelle die grundbuchmäßige Belastung keine Leistung der Käuferin dar, sondern allenfalls ein Sicherungsmittel für einen fremden Dritten.
Zudem sei das Grundgeschäft bereits erfüllt gewesen. Es hätten keine weiteren schuldrechtlichen Ansprüche mehr bestanden, die abgetreten oder übernommen hätten werden können. Angesichts der Erfüllung des Vermächtnisses habe demzufolge die Klägerin die Verkäuferin auch nicht von einer inexistenten Verbindlichkeit befreien oder eine solche übernehmen können.
Nicht jede Verpflichtung des Verkäufers, die vom Grundstückserwerber übernommen werde, sei eine sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Z.B. stelle die Übernahme der Verpflichtung, Wohnraum verbilligt zu überlassen, keine sonstige Leistung dar, weil der Vorteil weder dem Verkäufer noch dem Käufer zugutekomme, vielmehr fremden Dritten, nämlich den künftigen Mietern (FG München Urteil vom 23.06.2021 - 4 K 2843/18, EFG 2021, 1846; Revision eingelegt, AZ BFH - II R 26/21).
Die vorliegende Fallgestaltung gleiche der des Verkaufs eines vermieteten Grundstücks, bei dem die Mieten seit Jahrzehnten nicht erhöht worden seien und deshalb weit unter dem marktüblichen Mietzins lägen - im vorliegenden Falle betrage die "Miete" Null Euro p.a. Das FG München habe mit Urteil vom 23.6.2021 - 4 K 2843/18 (Revision anhängig; AZ BFH II R 26/21) entschieden, dass der Vorteil einer Mietverbilligung, den der Käufer übernimmt, keine sonstige Leistung an den Grundstücksverkäufer darstelle.
Hilfsweise trägt die Klägerin vor, dass jedenfalls eine dauernde Last vorgelegen habe, die bereits auf dem Grundstück geruht habe. Das Grunderwerbsteuergesetz enthalte keine Definition der dauernden Last, allerdings könne eine unentgeltliche Wohnungsüberlassung Gegenstand einer dauernden Last sein (§§ 31 ff WEG).
Die Klägerin beantragt,
der Grunderwerbsteuerbescheid vom 02.07.2021 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 01.10.2021 wird dahingehend geändert, dass die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer auf EUR 103.000 herabgesetzt wird,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Wohnungsrecht sei als Gegenleistung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen. Diese Vorschrift habe gegenüber § 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 GrEStG den Anwendungsvorrang. Im Ergebnis rechne die nicht dauernde Last unabhängig davon zur Gegenleistung, ob sie aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder aufgrund Übergang kraft Gesetz vom Erwerber zu tragen sei. Nicht erheblich sei für die rechtliche Einschätzung, dass das Wohnungsrecht im Kaufvertrag der Klägerin lediglich übernommen und nicht eingeräumt worden sei. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über das bestehende (schuldrechtlich vereinbarte) Wohnungsrecht informiert gewesen (§ 442 Abs. 2 BGB) und habe die durch das Wohnungsrecht bestehende Verpflichtung des Verkäufers zur lastenfreien Übertragung des Grundstücks (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 435 BGB) nicht eingefordert. Die Verpflichtung zur Erfüllung des Wohnungsrechts sei durch die Klägerin stillschweigend geduldet und damit auch übernommen worden.
Es liege gerade keine "dauernde Last" im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 GrEStG vor. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Belastung bereits im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs auf dem Grundstück ruhe und mit dinglicher Wirkung ohne besondere Abrede kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehe. Daran fehle es, solange eine privatrechtliche Belastung noch nicht in das Grundbuch eingetragen sei. Das Wohnungsrecht sei zwar zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags zur Eintragung in das Grundbuch angemeldet, aber noch nicht letztgültig eingetragen gewesen. Darüber hinaus sei in § 7 des Erbauseinandersetzungs- und Vermächtniserfüllungsvertrags bestimmt, dass die Ausübung des Wohnungsrechts nicht an einen Dritten überlassen werden dürfe. Das Wohnungsrecht sei demnach an die Person des C gebunden und als zeitlich begrenzt anzusehen. Dies führe letztlich dazu, dass das Wohnungsrecht dem Grundstück nicht dauerhaft als wertmindernde Eigenschaft anhafte.
Auf Nachfrage erläuterte der Klägervertreter im Rahmen der mündlichen Verhandlung, die Klägerin lebe mit Herrn C in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Zudem sei zum Zeitpunkt des notariellen Kaufvertrages ein Verkehrswertgutachten über das Grundstück mit aufstehendem Gebäude erstellt worden. Der Gutachter habe einen Wert in Höhe von EUR 260.000 festgestellt. Im notariellen Kaufvertrag habe man einen Abschlag für das Wohnungsrecht berücksichtigt, der sich am Alter von Herrn C orientiert habe. Der Beklagte hatte zur mündlichen Verhandlung ebenfalls eine Wertermittlung (allein nach Aktenlage) durch den öffentlich bestellten Bausachverständigen durchführen lassen, das die vorgenannten Werte bestätigt (auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 08.07.2022 wird Bezug genommen; ...).
Gründe
1. Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
a) Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung.
aa) Was zur Gegenleistung gehört, bestimmt § 9 GrEStG, der eine Legaldefinition des Begriffs enthält und --zusammen mit § 8 Abs. 1 GrEStG-- darauf abzielt, die Gegenleistung so umfassend wie möglich zu erfassen (Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 387, 405; vgl. Beschlüsse des BFH vom 02.03.2011 - II R 23/10, BFHE 232, 358, BStBl II 2011, 932, Rz 17, und vom 02.03.2011 - II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009, Rz 21). Dem Grunderwerbsteuergesetz liegt ein eigenständiger, über das bürgerlich-rechtliche Verständnis hinausgehender Gegenleistungsbegriff zugrunde (vgl. BFH, Urteile vom 16.02.1977 - II R 89/74, BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671, unter 2., und vom 08.09.2010 - II R 28/09, BFHE 231, 244, BStBl II 2011, 227, Rz 14).
bb) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gilt als Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Nutzungen sind gemäß § 100 BGB u.a. die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Sie gebühren nach § 446 Satz 2 BGB von der Übergabe der Sache an dem Käufer. Der Verkäufer ist grundsätzlich verpflichtet, eine Sache frei von Rechtsmängeln (§§ 433 Abs. 1, 435 BGB) zu übergeben. Wird die Norm vertraglich abbedungen, belässt der Grundstückskäufer also die Nutzungen dem Verkäufer (oder einem Dritten) über diesen Zeitpunkt hinaus, liegt darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingibt. Dies rechtfertigt die Einbeziehung der dem Verkäufer bzw. einem Dritten vorbehaltenen Nutzungen in die Gegenleistung (vgl. Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 387, 406; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.1981 - IX 153/81, IX 154/81, EFG 1982, 428; Loose in Viskorf, GrEStG, 20. Aufl., § 9 Rz 231; im Ergebnis auch BFH, Urteil vom 06.12.1989 - II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186, unter 1.c). Für die vorbehaltenen Nutzungen ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gegenüber § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vorrangig (Konrad in Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. 2018, § 9 GrEStG, Rn. 154). Erfasst sind Nutzungen aller Art, namentlich Nießbrauchs- und Wohnungsrechte. Sie können entweder neu begründet werden oder bereits bestehen. Unerheblich ist auch, wenn diese gegenüber einem Dritten eingeräumt werden (BFH, Urteil vom 17. September 1975 - II R 5/70, Rn. 10, juris; Konrad in Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. 2018, § 9 GRESTG, Rn. 155; Loose in Viskorf, GrEStG, Grunderwerbsteuergesetz, 20. Aufl., § 9 Rn. 234).
cc) Wenn jedoch der Grundstücksverkäufer die vorbehaltenen Nutzungen angemessen vergütet, liegt in der Nutzungsüberlassung keine Gegenleistung für das Grundstück i.S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (ähnlich BFH, Urteil vom 06.12.2017 - II R 55/15, BFHE 261, 58, BStBl II 2018, 406, Rz 13).
dd) Für die Bestimmung der Gegenleistung ist nicht maßgebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich tatsächlich verpflichtet haben (BFH, Urteil vom 08. September 2010 - II R 28/09, BFHE 231, 244, BStBl II 2011, 227, Rz 14). Ob sich der Verkäufer Nutzungen ohne angemessenes Entgelt vorbehalten hat, ist durch Auslegung des Kaufvertrags zu ermitteln. Die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist (BFH, Urteil vom 05. Dezember 2019 - II R 37/18, BFHE 267, 524, BStBl II 2020, 236, Rn. 11 - 16).
b) Nach diesen Maßstäben sind die Herrn C vorbehaltenen Nutzungen in die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einzubeziehen.
Im Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 halten die Beteiligten ausdrücklich fest, dass im Grundbuch folgende Belastungen eingetragen sind: Abt. II: Das am 04. Mai 2021 beantragte Wohnungsrecht (Flst. 1/1) und Nießbrauchsrecht (Flst. 1), je zu Gunsten von C, geb. am XX.XX.XXXX, wohnhaft in A, ... Straße X. Das Recht ist derzeit noch nicht im Grundbuch eingetragen, es wird beim Amtsgericht E - Grundbuchamt - unter dem Az: XXXXXX XXX XXX/XXXX geführt.
Zudem wird unter § 12 Nr. 2 und Nr. 3 zu den Rechtsmängeln (§ 435 BGB) ausgeführt, dass als Eintragung in Abt. II seit dem 09. September 2003 je zu Gunsten von C, geb. am XX.XX.XXXX, A bewilligt ist: auf Flst 1: Wohnungsrecht und auf Flst. 1/1 Nießbrauch. Die Bewilligungen sind nach Angabe nicht widerrufen und die Eintragung wie vorstehend bezeichnet beantragt. Soweit diese Rechte zur Eintragung gelangen werden diese vom Käufer übernommen. Dies ist bei der Kaufpreisbemessung berücksichtigt (§ 12 Nr. 2). Der Notar hat die Wirkungen erläutert. Der Verkäufer schuldet im Übrigen den lastenfreien Besitz- und Eigentumsübergang des Vertragsgegenstandes, ausgenommen ausdrücklich in dieser Urkunde übernommene oder mit Zustimmung des Käufers bestellte Belastungen (§ 12 Nr. 3).
Diese Vereinbarungen können nicht anders verstanden werden, als dass mit Zustimmung der Klägerin das Wohnrecht des Herrn C bestehen bleibt und sie von ihrem Recht nach § 446 S. 2 BGB keinen Gebrauch macht. Der Notar weist in § 12 Nr. 3 insbesondere daraufhin, dass im Übrigen ein lastenfreier Übergang geschuldet wird. Auch die Klägerin selbst trägt vor, dass es gerade um die Nutzungen aus dem Grundstück geht, die nicht an die Klägerin übertragen worden seien. Eine Vergütung für die vorbehaltenen Nutzungen wird nicht geleistet. Es ist zwar richtig, dass das dingliche Wohnungsrecht vorliegend noch nicht zur Eintragung gelangt ist. Allerdings belegt der Umstand, dass die Klägerin den Kaufvertrag mit der Kenntnis, dass dieses zur Eintragung gelangen wird, unterzeichnet, dass sie auch weiterhin an der Nutzung durch Herrn C festhalten will. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin mit dem Herrn C in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebt.
c) Der Argumentation der Klägerin kann nicht gefolgt werden.
Es ist zwar richtig, dass das Wohnungsrecht von C (schuldrechtlich) nicht neu begründet wird, sondern fortbesteht. Dies ist allerdings unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin auf ihren Anspruch einer rechtsmängelfreien Übertragung verzichtet und damit einen geldwerten Vorteil leistet (§ 446 S. 2 BGB). Sie belässt es gerade bei der bisherigen Belastung und übernimmt diese.
Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die dingliche Belastung durch Eintragung in das Grundbuch bereits bestand oder neu begründet wurde. Unerheblich ist daher auch, ob die Eintragung des Wohnungsrechts nur zu einer dinglichen Sicherung führt.
Auch der Umstand, dass das Wohnrecht möglicherweise bei Herrn C bereits dem Grunde nach der Grunderwerbsteuer unterlegen hat, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn übertragen wird nicht das Wohnrecht, sondern das Grundstück belastet mit dem Wohnrecht. Dementsprechend wird vorliegend nur beurteilt, ob die Belastung des Grundstücks zur Erhöhung der Gegenleistung führt.
Zudem spricht vorliegend der Rechtsgedanke aus § 3 Nr. 2 GrEStG für und nicht gegen die Grunderwerbsteuerpflicht. Nach § 3 Nr. 2 GrEStG sind von der Besteuerung ausgenommen Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes. Nach S. 2 gilt allerdings, dass Schenkungen unter einer Auflage hinsichtlich des Werts solcher Auflagen der Besteuerung unterliegen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind. Dementsprechend unterliegen Nutzungs- oder Duldungsauflagen die bei der Schenkungsteuer abgezogen werden könnten mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer (BFH, Urteile vom 12. Juli 2016 - II R 57/14, BFHE 254, 81, BStBl II 2016, 897, Rn. 14; vom 20. November 2013 - II R 38/12, BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rn. 11). Dies kann bei einer Veräußerung nicht anders sein, da andernfalls die Erbschaft bzw. Schenkung grunderwerbsteuerlich benachteiligt würde. Insofern betrifft das Urteil des BFH vom 28. April 1976 - II R 192/75 (BFHE 119, 185, BStBl II 1976, 577 gerade keinen anderen Fall, sondern die grunderwerbsteuerliche Behandlung der Auflage. Aus dem Urteil kann geschlossen werden, dass Grunderwerbsteuer sogar anfällt, wenn Eigentum und dingliches Recht zusammenfallen. Dies muss umso mehr der Fall sein, wenn das Wohnungsrecht bestehen bleibt.
Das Urteil des BFH vom 28. April 1976 - II R 192/75, (BFHE 119, 185, BStBl II 1976, 577) betrifft tatsächlich - wie von der Klägerin vorgetragen - einen anderen Fall. Der BFH hatte dort über die Auswirkung auf die Gegenleistung eines bei Kaufvertragsschluss bereits eingetragenen Wohnungsrechts (§ 1093 BGB) zu entscheiden. In diesem Fall richtet sich die Erhöhung der Bemessungsgrundlage nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG. Danach gehören zur Gegenleistung Belastungen, die auf einem Grundstück ruhen, soweit sie kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehen. Im vorliegend zu entscheidenden Fall war allerdings das Wohnungsrecht zum Zeitpunkt des notariellen Kaufvertrages noch nicht eingetragen und maßgeblich für die Beurteilung ist allein § 9 Abs. 1 GrEStG. Hieraus wird allerdings auch ersichtlich, dass es nicht darauf ankommen darf, ob der Käufer auf die Nutzungen am Grundstück auf schuldrechtlicher Ebene verzichtet (§ 446 S. 2 BGB) oder ob dies aufgrund der dinglichen Absicherung im Grundbuch gesetzlich angeordnet wird (§ 1093 BGB). Die Wirkung für den Käufer unterscheidet sich nicht. Letztlich wäre es auch nicht verständlich, wenn allein der Zufall des Eintragungszeitpunkts im Grundbuch auf den die Parteien ab Antragsstellung keinen Einfluss mehr haben, über die Höhe der Bemessungsgrundlage entscheidet.
Es kann dahinstehen, ob Herr C zum Zeitpunkt des Kaufvertrages der Schuldübernahme der Klägerin zugestimmt hat (§ 415 Abs. 1 S. 1 BGB). Ein Vertrag, der wie vorliegend die Verpflichtung zur unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung einer Wohnung auf Lebenszeit zum Inhalt hat, ist ein Leihvertrag (BGH, Urteil vom 11.12.1981 - V ZR 247/80, BGHZ 82, 354-360). Diesen hat die Klägerin letztlich übernommen und darüber hinaus aufgrund des notariellen Kaufvertrags gewusst, dass dieses Wohnrecht nunmehr auch dinglich zur Eintragung angemeldet war. Aus dem Gesamtgeschehen ergibt sich, dass Herr C die Schuldübernahme jedenfalls genehmigt hat (§ 184 BGB). So hat er ausweislich des Klägervortrags darauf bestanden, dass die Klägerin mit der Veräußerin den Kaufvertrag ohne seine Mithilfe abschließt. Gleichzeitig hat er aber noch vor Abschluss des Kaufvertrages die Eintragung des Wohnungsrechts nach § 1093 BGB beantragt. Er war also in die Vertragsgestaltung eingebunden und es kam ihm auf die Weiternutzung der Immobilie an. Zudem gilt nach § 415 Abs. 3 BGB für die Schuldübernahme, dass der Dritte (Klägerin) dem Schuldner gegenüber bei schwebender oder - wegen Verweigerung der Genehmigung - unwirksamer Schuldübernahme verpflichtet ist, den Gläubiger (Herrn C) rechtzeitig zu befriedigen. Der Schuldner (Veräußerin) hat also einen Anspruch gegen den Dritten (Klägerin), für die Erfüllung der Verbindlichkeit rechtzeitig zu sorgen. Letztlich bleibt es also bei der Verpflichtung der Klägerin die Nutzungen an Herrn C zu überlassen.
Zwar mag es sein, dass wie die Klägerin vorträgt, nicht jede Verpflichtung des Verkäufers, die vom Grundstückserwerber übernommen wird, eine sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG darstellt. Im zu entscheidenden Fall hat die Klägerin allerdings auf die Nutzungen aus dem Grundstück verzichtet und nicht wie im Urteil des FG München, Urteil vom 23. Juni 2021 - 4 K 2843/18 sich im Hinblick auf zukünftige Mietzahlungen gebunden.
Des weiteren stehen sich im vorliegenden Verfahren Leistung und Gegenleistung nicht gleichwertig gegenüber, anders als im Verfahren des FG München (Urteil vom 23. Juni 2021 - 4 K 2843/18, Rn. 24). Erst unter Berücksichtigung des Wohnungsrechts hat die Veräußerin einen angemessenen Kaufpreis (ca. EUR 260.000) erhalten.
Die Klägerin kann sich bereits deswegen nicht auf § 1108 BGB berufen, weil dieser die persönliche Haftung des Eigentümers für eine Reallast regelt. Diese weitergehende Haftung aus § 1108 BGB hat zur Folge, dass der Eigentümer nicht nur mit dem Grundstück, sondern auch mit seinem sonstigen Vermögen für die Erbringung einstehen muss. Dies ergibt sich aus dem Zweck der "Wohnungsreallast" (§ 1105 BGB), die im Unterschied zu einem Wohnungsrecht den Eigentümer verpflichtet, nicht lediglich die Benutzung von Räumen zu Wohnzwecken zu dulden, sondern Wohnraum durch positive, wiederkehrende Leistung zur Verfügung zu stellen (zu gewähren) und in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten, wobei dies aber nur allgemein - nicht an bestimmten Gebäuden oder Gebäudeteilen - und nicht unter Ausschluss des Eigentümers geschehen darf (OLG München, Beschluss vom 14. Februar 2018 - 34 Wx 380/17 -, Rn. 29, juris). Auch die Berufung auf das Hypothekenrecht geht fehl. Für die Hypothek ist begriffsnotwendig, dass sie eine bestimmte Forderung sichert. Darauf müssen sich Einigung und Eintragung erstrecken, sonst entsteht keine Hypothek (Wenzel in: Erman BGB, Kommentar, § 1113 Gesetzlicher Inhalt der Hypothek, Rn. 2). Dies ist für das Wohnungsrecht nach § 1093 BGB nicht erforderlich.
Selbst wenn das Dauerwohnrecht nach § 31 WEG eine dauernde Last wäre, die die Gegenleistung nicht erhöht (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG), kann sich die Klägerin hierauf nicht berufen. Ein Dauerwohnrecht nach §§ 31 ff WEG ist veräußerlich und vererblich (§ 33 Abs. 1 WEG), während das Wohnrecht nach § 1093 BGB als beschränkte persönliche Dienstbarkeit dies nicht ist (§§ 1093 Abs. 1 S 1, 1092 Abs. 1 S 1, 1090 Abs. 2, 1061 BGB; Staudinger/Reymann (2021) BGB § 1093, Rn. 4). Demnach wäre eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt, da das Wohnungsrecht spätestens mit dem Versterben des Berechtigten endet und damit jedenfalls keine dauernde Last darstellt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision war mit Blick auf ein anhängiges Verfahren beim BFH, Az II R 5/22 (vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. März 2021 - 12 K 12271/19) zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
RechtsgebietEStGVorschriften§ 8 Abs. 1 GrEStG