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  • 08.08.2023 · IWW-Abrufnummer 236733

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 15.09.2022 – 12 K 2702/21 F

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Düsseldorf


    Tenor:

    Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 vom 25.6.2021 wird geändert, indem der Jahresbetrag der Rente aus der A - vor Abzug des steuerfreien Teils der Rente - von ... Euro auf ... Euro herabgesetzt wird. Die Berechnung der Steuer wird gem. § 100 Abs.- 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung dem Beklagten übertragen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 1 /10 und der Beklagte zu 9/10.

    Die Revision wird zugelassen.

    1
    Gründe:

    2
    I.

    3
    Mit Bescheid vom … wurde der Klägerin von der A eine Witwenrente bewilligt. Die A teilte dem Beklagten die Höhe der Rentenzahlungen elektronisch mit. Die Klägerin ließ ihre elektronische Steuererklärung des Jahres 2020 von der ... fertigen und dem Beklagten am 15.6.2021 übermitteln.

    4
    Die Zahlungen aus dieser Rente (... Euro im Jahr 2020) wurden mit ihrem steuerpflichtigen Teil (... Euro im Jahr 2020) als sonstige Einkünfte/Leibrenten im Sinne von § 22 Nr. 1 a Satz 2 a) aa) Einkommensteuergesetz (EStG) nach Abzug der Werbungskosten bei der Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin vom 2.3.2021 vom 25.6.2021 für das Jahr 2020 berücksichtigt.

    5
    Bereits mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid … war der Klägerin von der Berufsgenossenschaft ... (nachfolgend Berufsgenossenschaft) rückwirkend für die Zeit ab dem 31.12.2018 eine Rente aus der Unfallversicherung gewährt worden. Die A hatte deshalb mit Bescheid vom xx.xx.2021 der Klägerin mitgeteilt, dass die Rente aus der Unfallversicherung auf die Rente aus der A anzurechnen sei (§ 93 Abs. 1 Sozialgesetzbuch ‒ SGB ‒ VI), der Bescheid der A über die Höhe der Rente gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft, d.h. den Beginn der laufenden Zahlungen aus der Unfallrente, im Fall der Klägerin zum 1.1.2021 aufgehoben werde und die bisherigen Zahlungen aus der A mit Ablauf des Monats Dezember 2020 eingestellt werden würden. Für die Zeit vom 31.12.2018 bis zum 31.12.2020 gelte gegenüber der Klägerin allerdings die Erfüllungsfiktion von § 107 SGB X. Nach dieser Vorschrift seien die Leistungen der A so zu behandeln, als wenn es sich um Zahlungen der Berufsgenossenschaft gehandelt habe. Deswegen seien die in der Zeit vom 1.1.2019 bis 31.12.2020 von der A zu hoch geleisteten Zahlungen in Höhe von ... Euro nicht von der Klägerin zurück zu fordern, sondern es werde gem. § 103 SGB X Erstattung gegenüber der Berufsgenossenschaft geltend gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen. Der Anlage zum Bescheid, dortselbst auf Seite 3 ist zu entnehmen, dass ... Euro auf Rückforderungen für den Zeitraum 1.1.2019 bis 31.12.2019 und ... Euro auf Rückforderungen für den Zeitraum 1.1.2020 bis 31.12.2020 entfielen.

    6
    Mit Schreiben vom 8.7.2021 legte die Klägerin unter Hinweis auf den Bescheid der A und darauf, dass eine Unfallrente gem. § 3 Nr. 1 a EStG steuerfrei sei und nicht dem Progressionsvorbehalt unterliege, Einspruch gegen die Steuerfestsetzung des Jahres 2020 ein.

    7
    Der Beklagte wies den Einspruch gegen die Steuerfestsetzung des Jahres 2020 mit Einspruchsentscheidung vom 10.11.2021 zurück. Zur Begründung führte er unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 7.12.2011, IV C 3 S ‒ 2257- c/10/10005:003, FMNR50b000011, dortselbst Rz. 50ff aus, dass die Änderung des Rechtsgrundes der Rentenzahlung kein rückwirkendes Ereignis sei, sondern für Rentenzahlungen das Zu- und Abflussprinzip gelte, weshalb die im Jahr 2021 erfolgte Verrechnung der A ihrer gegen die Klägerin bestehenden Rückzahlungsansprüche mit den Nachzahlungsansprüchen der Klägerin aus ihrer Unfallrente als im Veranlagungszeitraum 2021 zu berücksichtigende Rückzahlung der Klägerin anzusehen sei. Soweit der Rückzahlungsbetrag im Jahr 2021 die in diesem Jahr zugeflossenen Rentenzahlungen übersteige, sei ein etwa entstehender Negativbetrag bei der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen.

    8
    Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin vor:

    9
    Die Umqualifizierung der Witwenrente in eine Unfallrente sei ein Ereignis, dass steuerlich auf das Jahr des Zuflusses zurückwirke. Entsprechend müsse auch die Korrektur im Jahr des Zuflusses und nicht im Jahr der Verrechnung erfolgen. Der Beklagte könne die elektronisch von der A übermittelten Daten zwar der Besteuerung zugrunde legen. Es handele sich aber nicht um einen Grundlagenbescheid. Entsprechend könne der Beklagte von den übermittelten Daten abweichen, wenn sich deren Unrichtigkeit herausstelle. Der vorliegende Sachverhalt entspreche dem Beispiel im Anwendungserlass zur Abgabenordnung, wonach bei rückwirkender Zubilligung einer Rente, durch die ganz oder teilweise der Anspruch auf Soziallleistungen (z.B. Kranken oder Arbeitslosengeld) wegfalle, die bisher im Rahmen des Progressionsvorbehaltes berücksichtigten Leistungen als Rentenzahlungen anzusehen und nach § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG der Besteuerung zu unterwerfen seien.

    10
    Die Klägerin beantragt (Blatt 20 Gerichtsakte),

    11
    die Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 2020 vom 25.6.2021 zu ändern, indem die sonstigen Einkünfte um einen Betrag von ... Euro gemindert werden.

    12
    Der Beklagte beantragt,

    13
    die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    14
    Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

    15
    II.

    16
    Die Klage hat insoweit Erfolg, als der bisher im Steuerbescheid angesetzte Jahresbetrag der hier zu beurteilenden Rente (vor Abzug des steuerfreien Teils der Rente) von ... Euro auf ... Euro herabzusetzen ist. Im Übrigen ist der Steuerbescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

    17
    1. Soweit der A ein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X gegen die Berufsgenossenschaft zusteht, sind die bisher als Rentenzahlungen erfassten Zuwendungen als nach § 3 Nr. 1 a EStG steuerfreie Zahlungen der Berufsgenossenschaft aus der gesetzlichen Unfallversicherung anzusehen. Gem. § 107 SGB X tritt mit Entstehung des Erstattungsanspruches aus § 103 SGB X des Sozialversicherungsträgers, der geleistet hat, eine Erfüllungsfiktion dergestalt ein, dass die erbrachte Leistung als Leistung des anderen, zur Leistung verpflichteten Sozialversicherungsträgers, gilt. Der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X entsteht mit Bekanntgabe des leistungsgewährenden Bescheides des erstattungspflichtigen Leistungsträgers an den Leistungsberechtigten.

    18
    Kraft der Erfüllungsfiktion gilt der Sozialleistungsanspruch des Berechtigten sowohl faktisch wie rechtlich als erfüllt. Der Berechtigte darf die Leistung behalten. Der Sozialversicherungsträger, der gezahlt hat, hat keinen Anspruch auf Rückforderung gegen den Leistungsempfänger, denn der Leistungsausgleich findet nach den §§ 102 bis 107 SGB X allein zwischen den beteiligten Sozialversicherungsträgern statt (vgl. zu dem Ganzen Kater in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB I, SGB IV, SGB V, SGB VI, SGB VII, SGB X, SGB XI, Band 4. Loseblatt, 118. Ergänzungslieferung, Stand 1. März 2022, § 107 SGB X Rz. 17 und 24ff).

    19
    2. Aus dem Vorgesagten folgt, dass die Zahlungen der A in Höhe ihres Erstattungsanspruches gegen die Berufsgenossenschaft seit Bekanntgabe des Bescheides der Berufsgenossenschaft über die Bewilligung der Unfallrente als Leistungen der Berufsgenossenschaft gelten. Die Umqualifizierung der Leistungen ist im Veranlagungszeitraum 2020 zu berücksichtigen (vgl. dazu Beispiel 1 und Beispiel 2 im BMF Schreiben vom 7.12.2011, IV C 3 S ‒ 2257- c/10/10005:003, FMNR50b000011, Bundessteuerblatt ‒ BStBl. ‒ I 2011, 1223, dortselbst Rz. 49 und 50, jeweils unter Hinweis auf § 103 SGB X).

    20
    Die davon abweichende Annahme des Beklagten, die Klägerin habe im Jahr 2021 durch Verrechnung der A Leistungen zurück gewährt, berücksichtigt nicht die sich aus den Vorschriften des SGB X ergebende Rechtslage: Die Klägerin war gegenüber der A zu keiner Rückzahlung verpflichtet. Ihr Anspruch für die Jahre 2019 und 2020 auf Leistungen aus der Unfallrente war durch die in den Vorjahren erfolgten Zahlungen der A erfüllt und damit erloschen.

    21
    3. Der bisher im Steuerbescheid als Jahresbetrag der Rente ausgewiesene Betrag in Höhe von ... Euro ist um den auf die steuerfreie Unfallrente entfallenden Teil der Zahlungen in Höhe von ... Euro zu kürzen, so dass im Bescheid nur noch von einem Jahresbetrag der Rente (vor Abzug des steuerfreien Teils) in Höhe von (gerundet) ... Euro auszugehen ist.

    22
    4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 FGO.

    23
    5. Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.