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  • 14.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238282

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 14.07.2023 – 13 K 2452/22

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
     
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    Tatbestand:
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    Die Klägerin ist Rentnerin, vor ihrem Renteneintritt erzielte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie erhielt am ...2020 eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe von ... € von einer der betrieblichen Altersversorgung dienenden Pensionskasse, die sie im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 2020 (Streitjahr) erklärte.
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    Der Beklagte veranlagte sie mit Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 24.11.2021 erklärungsgemäß und berücksichtigte „Leistungen aus einem Altersvorsorgevertrag, einem Pensionsfonds, einer Pensionskasse oder eine Direktversicherung“ von ... €.
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    Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 25.10.2022 als unbegründet zurückwies.
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    Mit der Klage macht die Klägerin geltend, es werde die Besteuerung nach der gleichmäßigen Verteilung auf den Zeitraum der Nutzungsmöglichkeit, hier die Lebenserwartung, entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beantragt. Die Einnahmen in Höhe von ... € beruhten auf einer Nutzungsüberlassung eines Rechts. Ihr früherer Arbeitgeber sei Inhaber eines Rentenbezugsrechts gegenüber der Pensionskasse gewesen, das er an sie abgetreten habe. Typischerweise fielen unter die Nutzungsüberlassung Erbbaurechte, Miet- und Pachtverhältnisse, Nießbrauch oder Leasinggeschäfte. Die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG sei aber nicht auf diese Entgelte beschränkt. Im Zeitpunkt der Kapitalauszahlung habe ihre Lebenserwartung 21,12 Jahr betragen. Für das Streitjahr ergebe sich demnach bei gleichmäßiger Verteilung auf die Nutzungsmöglichkeit ein Betrag von ... €. Die Auszahlung aus der betrieblichen Altersversorgung diene ihrer Versorgung im Alter bis zu ihrem Ableben. Unabhängig von der gewählten Auszahlungsform müsse die Versorgung für den verbleibenden Lebensabschnitt stattfinden. Ohne Durchbrechung des Zuflussprinzips und somit unter Missachtung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit werde die Altersversorgung empfindlich gemindert und es ergebe sich eine Übermassbesteuerung.
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    Die Klägerin beantragt,
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    den Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 24.11.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2022 dahingehend zu ändern, dass die Leistungen aus einem Altersvorsorgevertrag um ... € gemindert werden.
    8

    Der Beklagte beantragt,
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                  die Klage abzuweisen.
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    Er macht geltend, die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG seien nicht erfüllt. Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung beruhten, seien Entgelte, die wirtschaftlich eine Gegenleistung für die Nutzung beweglicher oder unbeweglicher Sachen und Rechte darstellten. Die Kapitalauszahlung stelle in diesem Zusammenhang kein solches Entgelt dar. Eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG komme nicht in Betracht.
    11

    Entscheidungsgründe:
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    1. Die Klage ist unbegründet.
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    Der Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 24.11.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die Einmalzahlung zu Recht gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG in voller Höhe der Besteuerung unterworfen.
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    Gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehören zu den sonstigen Einkünften Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen, Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen. Der im Streitjahr an die Klägerin ausgezahlte und ihr damit zugeflossene Betrag i. H. von ... € beruht ‒ zwischen den Beteiligten unstrittig ‒ auf einer Pensionskasse.
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    a) Die Leistungen sind der Klägerin im Streitjahr vollumfänglich zugeflossen.
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    Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Der Steuerpflichtige kann gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung i. S. des Absatz 2 Satz 3 EStG beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird. Werden Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet, sind sie insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird (§ 11 Abs. 2 Satz 3 EStG).
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    Der Begriff der „Nutzungsüberlassung“ wird im EStG nicht definiert. Nutzungen sind gem. § 100 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Dementsprechend handelt es sich bei Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung um die Entgelte, die als Gegenleistung für die Nutzung beweglicher oder unbeweglicher Sachen und von Rechten geleistet werden (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Münster vom 19.02.2013 10 K 2176/10 E, Entscheidungen der FG --EFG-- 2014, 129; Kister in: Hermann/Heuer/Raupach, § 11 EStG, Rz. 125 m. w. N.). Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut nicht auf dingliche Nutzungsverhältnisse beschränkt, hat hier aber ihre besondere Bedeutung wegen der häufig langen Laufzeit vor allem bei der Vorauszahlung von Erbbauzinsen. Erfasst werden aber alle Nutzungen wie Nießbrauch, Miete oder Leasing (Kister in: Hermann/Heuer/Raupach, § 11 EStG, Rz. 125).
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    aa) Im Streitfall sind der Klägerin am ...2020 die Einnahmen gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe von ... € zugeflossen.
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    bb) Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG sind vorliegend nicht erfüllt, so dass eine Verteilung der Einnahmen auf einen Zeitraum von 21,12 Jahren nicht möglich ist. Die Klägerin hat im Streitjahr keine Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung i. S. § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG beruhen, bezogen. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Pensionskasse an sie keine Vorauszahlung für eine Nutzungsüberlassung eines Rechts geleistet.
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    (1) Die Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 EStG scheitert bereits daran, dass die Pensionskasse im Streitjahr an die Klägerin keine Vorauszahlung geleistet hat. Denn sie hat die Zahlung von ... € nicht bei Abschluss des Altersvorsorgevertrags, sondern erst im Jahr 2020, also nach dem Renteneintritt der Klägerin, getätigt.
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    (2) Zudem beruhen die Einnahmen der Klägerin nicht auf einer Nutzungsüberlassung. Zwar stellt auch die Zurverfügungstellung von Kapital eine Nutzung i. S. von § 100 BGB dar, so dass grundsätzlich auch Zinsen von § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG erfasst werden (Kister in: Hermann/Heuer/Raupach, § 11 EStG, Rz. 125). Im Streitfall hat die Pensionskasse der Klägerin den Betrag von ... € aber nicht als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des von ihrem Arbeitgeber in den Altersvorsorgevertrag eingezahlten Kapitals geleistet, sondern es handelt es sich um die Rückzahlung der angesparten Altersvorsorgebeiträge zuzüglich Zinsen.
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    cc) Eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 EStG scheidet aus.
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    Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Eine Gesetzeslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d. h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Davon zu unterscheiden ist ein sog. rechtspolitischer Fehler, der vorliegt, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber ‒ gemessen an dem mit ihr verfolgten Zweck ‒ nicht als planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist. (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.01.2006 III R 51/05, Bundessteuerblatt --BStBl-- II 2006, 515).
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    Vorliegend fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Einfügung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 09.12.2004 (Bundesgesetzblatt I 2004, 3301; BStBl I 2004, 1158) war eine Reaktion auf das BFH-Urteil vom 23.09.2003 (IX R 65/02, BStBl II 2003, 779), mit der der BFH entgegen der Verwaltungsauffassung entschieden hatte, dass im Voraus oder in einem Einmalbetrag gezahlten Erbbauzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Kalenderjahr ihrer Leistung sofort abziehbar waren. Da die zu erwartenden Steuermindereinnahmen nicht hinnehmbar waren, sah die Gesetzesänderung vor, bei Überschusseinkunftsarten im Voraus geleistete Ausgaben für eine langfristige Nutzungsüberlassung auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung vereinbart war. Dem Leistungsempfänger mit Überschusseinkünften wurde durch Einfügung des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG in Anlehnung an die vorherige Verwaltungsanweisung ein Wahlrecht eingeräumt, die entsprechenden Einnahmen sofort bei Zufluss oder gleichmäßig verteilt auf den Zeitraum, für den die Vorauszahlung vereinbart ist, zu versteuern (BT-Drucks. 15/4050, S. 56). Die Anknüpfung des Gesetzgebers an das BFH-Urteil vom 23.09.2003 zeigt auf, dass für den von der Klägerin vertretenen Analogieschluss weder eine planwidrige Regelungslücke in § 11 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 EStG gegeben ist noch eine vergleichbare Interessenlage bei der Auszahlung eines Altersvorsorgevertrags besteht. Denn die Klägerin konnte ‒ wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat ‒ bei Rentenbeginn zwischen einer Kapitalabfindung (Einmalzahlung) und einer lebenslänglichen Rente wählen.
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    b) Die volle Besteuerung der Einmalzahlung aus der Pensionskassen ist auch verfassungsgemäß. Insbesondere liegt keine Übermassbesteuerung vor (vgl. FG Münster, Urteil vom 29.10.2019 15 K 1271/16 E, EFG 2021, 214 zur Verfassungsmäßigkeit der vollen Besteuerung einer Einmalzahlung aus einer Direktversicherung).
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    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung

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