10.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141063
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 30.10.2013 – 4 K 2591/12
1)
Die bloße Behauptung, dass durch elektronische Kontrollen eines Druck und Versandprozesses der Versand eines unvollständigen Dokuments (Bescheids) ausgeschlossen sei, reicht nicht aus, den der Behörde obliegenden Nachweis des Zugangs eines vollständigen Dokuments zu erbringen.
2)
Werden aus dem Druck und Versandprozess z.B. für Qualitätskontrollen entnommene Dokumente nach händischer Bearbeitung durch Mitarbeiter wieder in den Prozess eingeschleust, kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch die elektronischen Kontrollen des Prozesses im Übrigen der Versand unvollständiger Schriftstücke ausgeschlossen ist.
FG Rheinland-Pfalz
30.10.2013
4 K 2591/12
In dem Finanzrechtsstreit
der Frau
- Klägerin -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Familienkasse
- Beklagte -
wegen Kindergeld
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 4. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Oktober 2013 durch den Richter am Finanzgericht als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
I.
Der Bescheid vom 8. März 2012, soweit hierin die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum März - Mai 2011 abgelehnt wurde, und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 12. November 2012 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum März - Mai 2011 Kindergeld für das Kind F zu zahlen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der von der Beklagten zu tragenden Kosten zu Gunsten der Klägerin vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Anspruch der Klägerin auf Kindergeld für ihren Sohn F für den Zeitraum 1. März - 31. Mai 2011 ausgeschlossen ist, weil gegen einen Aufhebungsbescheid nicht rechtzeitig Einspruch erhoben wurde.
Ausweislich der vorgelegten Kindergeldakte forderte die Beklagte die Klägerin am 18. März 2011 auf, Nachweise über die Einkünfte ab März 2011 des am 22. Februar 1993 geborenen Kindes F vorzulegen. Mit Bescheid vom 11. Mai 2011 lehnte die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld ab 1. März 2011 ab, da die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Auf der Aktenausfertigung des Bescheids ist handschriftlich neben der Datumsangabe vermerkt "nichts zu finden, auch nicht im Archiv". Die Aktenausfertigung besteht aus 3 Blättern, die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung ist auf Blatt 2, die Rechtsbehelfsbelehrung auf Blatt 3 des Bescheides enthalten (Bl. 3 - 5 Kindergeldakte).
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2011 forderte die Beklagte die Kl ägerin "zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen für die Weiterzahlung von Kindergeld" auf, einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld und Unterlagen hierzu vorzulegen (Bl. 6 Kindergeldakte). Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung teilweise nachgekommen war, forderte die Beklagte sie am 27. Januar 2012 auf, weitere Angaben zu machen, "um Ihren Anspruch von März 2011 bis Dezember 2011 überprüfen zu können". In ihrem Antwortschreiben vom 11. Februar 2012 verwies die Klägerin auf ein vorangegangenes "nicht so nettes Gespräch" (Bl. 17 Kindergeldakte), das in der vorgelegten Kindergeldakte nicht dokumentiert ist.
Im Bescheid vom 8. März 2012 (s. Bl. 33 - 35 Kindergeldakte) setzte die Beklagte auf Grund des Antrags der Klägerin Kindergeld ab 1. Juni 2011 fest. Den Anspruch für den Zeitraum März - Mai 2011 lehnte sie ab. Insoweit bestehe ein geregelter Zeitraum, in den nicht mehr eingriffen werden könne, da ein bestandskräftiger Bescheid vorliege. Gegen den Aufhebungsbescheid vom 11. Mai 2011 sei kein Einspruch eingelegt worden.
Mit ihrem Einspruch vom 17. März 2012 rügte die Klägerin die Nichtberücksichtigung des Kindergelds für März - Mai 2011. Als Begründung werde ein bestandskräftiger Bescheid benannt, dem sie hätte widersprechen sollen. Ihr sei aber von der Hotline geraten worden, die kompletten Unterlagen erst 2012 einzureichen, da sie sonst bei Überzahlung das komplette Kindergeld zurückzahlen müsse. Dieses Gespräch habe nach dem Bescheid vom 11. Mai 2011 stattgefunden, davor habe es ein weiteres gegeben. Sie habe gefragt, ob sie wirklich das Kindergeld für 2011 erst in 2012 beantragen könne, dies sei bejaht worden. Da ihr später eingefallen sei, dass sie nicht wegen des Familienzuschlags nachgefragt habe, habe sie nochmals angerufen. Auch da sei sie nicht darauf hingewiesen worden, dass sie schriftlich Einspruch einlegen müsse. Man habe sie im Glauben gelassen, dass das im Nachhinein berücksichtigt werden könne. Sie habe der Beklagten zur Absicherung eine Aktennotiz über das letzte Gespräch zukommen lassen, die jetzt als unauffindbar gelte. Das Einspruchsschreiben wurde mittels Einschreiben mit Rückschein versandt, der Briefumschlag trägt einen Poststempel vom 19. März 2012 (Bl. 36 Kindergeldakte). In der Anlage legte sie eine Kopie eines auf den 28. Mai 2011 datierten Schreibens an die Beklagte vor, in dem sie unter der Überschrift "Aktennotiz Gesprächsnotiz" erklärte:
"Für meinen Sohn F (über 18 Jahre alt) wurde die Bezahlung des Kindergelds vorübergehend eingestellt. Ich werde die Unterlagen komplett im nächsten Jahr nachreichen, um so einer Überzahlung zu entgehen. Da ich jetzt mehrfach mit ihrer Hot-Line Service Center gesprochen habe, aber leider immer mit anderen Kollegen, hier meine Frage: Ist es wirklich dann auch möglich, den erhöhten Familienzuschlag und das Kindergeld rückwirkend zu erhalten? Wenn nicht bitte kontaktieren Sie mich unter Telefonnummer, - bzw. schriftlich." Auf dieser Kopie ist von einem Mitarbeiter der Beklagten handschriftlich vermerkt "fraglich: wo & wann eingegangen" (s. Bl. 39 Kindergeldakte).
Die Beklagte fertigte Ausdrucke der elektronisch gespeicherten "Auftragshistorie" zu den Kontakten ab 10. Juli 2009 (s. Bl. 55 - 60 Kindergeldakte), in denen ein Eingang eines Schreibens im Zeitraum um den 28. Mai 2011 nicht vermerkt war. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 10. Mai 2012 unter Verweis auf ein - in den Akten inhaltlich nicht dokumentiertes - Telephonat vom 9. Mai 2012, in dem die Klägerin erklärt habe, dass die Akten- bzw. Gesprächsnotiz vom 28. Mai 2011 als noch nicht bearbeiteter Einspruch zu werten sei, dass trotz umfangreicher Recherchen diese Notiz nicht bei der Beklagten vorgelegen habe. Das Risiko des Postlaufs trage grundsätzlich der Absender. Ggf. solle die Klägerin einen Nachforschungsauftrag durchführen lassen. Auf der Aktenausfertigung des Schreibens ist handschriftlich vermerkt: "Anruf 20.06.2012 - nichts gehört, wieso? > kein Posteingang, auch nicht in AMS - schickt Schreiben - abgesandt vor 4 Wochen - nochmals los" (s. Bl. 62 Kindergeldakte). Am 2. Juli 2012 ging bei der Beklagten eine Kopie eines Schreibens der Klägerin vom 29. Mai 2012 ein, in dem diese darauf hin wies, dass bei einem einfachen Brief ein Nachforschungsauftrag nicht möglich sei, was der Beklagten bekannt sein dürfte. Ihr Sohn habe die Kriterien für Kindergeld in 2011 erfüllt, es stehe im zu. Jetzt solle es doch eigentlich nur noch darum gehen, dass sie diesem Bescheid widersprechen sollte, was sie auch getan habe. Aber diese Unterlagen, genau wie Gesprächsnotizen, seien bei der Beklagten verloren gegangen.
In der Einspruchsentscheidung vom 12. November 2012 wies die Beklagte den Einspruch zurück. Sie ging dabei davon aus, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für den Sohn der Klägerin auch für den Zeitraum März - Mai 2011 erfüllt gewesen waren. Eine Neufestsetzung von Kindergeld sei aus verfahrensrechtlichen Gründen erst ab dem Monat, der der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids vom 11. Mai 2011 folge, möglich. Der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt sei überprüft worden. Der von ihr angeführte Aktenvermerk vom 28. Mai 2011 sei trotz mehrfacher Recherchen unauffindbar. Nachfragen der Klägerin hierzu seien bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids nicht aktenkundig. Da der im Mai 2011 bekannt gegebene Ablehnungsbescheid vom 11. Mai 2011 bestandskräftig geworden sei, könne eine Neufestsetzung des Kindergelds erst ab dem 1. Juni 2011 erfolgen. Hinsichtlich des Inhalts der Einspruchsentscheidung wird auf die Aktenausfertigung (Bl. 67 - 70 Kindergeldakte) verwiesen.
Zur Begründung der Klage trägt der Klägervertreter vor, dass sich die Klägerin gegen den Vorwurf mangelnder Mitwirkung mit Schreiben vom 28. Mai 2011 geäußert habe und darauf hingewiesen habe, wegen dieser Angelegenheit mehrmals mit dem Service-Center gesprochen zu haben. Die Beklagte habe daraufhin mit Schreiben vom 13. Dezember 2011 weitere Unterlagen angefordert. Die Beklagte wende ein, das Schreiben vom 28. Mai 2011 niemals erhalten zu haben. Da die Klägerin mit ihrem Einspruch vom 17. März 2012 auch die nachträgliche Kindergeldzahlung für März - Mai 2011 verlangt habe, richte sich dieser Einspruch auch gegen den Bescheid vom 11. Mai 2011. Dieser Bescheid habe keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Damit gelte die Jahresfrist gem. § 356 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), die durch das Schreiben vom 17. März 2012 gewahrt sei. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass die Beklagte sich das Verhalten ihres Service-Centers zurechnen lassen müsse. Wenn sie aus Rationalisierungsgründen keine direkte Durchstellung von Anrufen an den Sachbearbeiter ermögliche, müsse sie den Inhalt der Anrufe haargenau erfassen. Auch sei es merkwürdig, dass die Beklagte so viele Schreiben nicht erhalten haben wolle. Dies lasse darauf schließen, dass der Behördenablauf so gestaltet sei, dass nicht gewährleistet sei, dass alle Schreiben zur Akte gelangten. Diesbezüglich müsse daher eine Beweislastumkehr stattfinden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 8. März 2012, soweit hierin die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum März - Mai 2011 abgelehnt wurde, und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 12. November 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für den Zeitraum März - Mai 2011 Kindergeld für das Kind F zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt zur Begründung vor, dass der bestandskräftige Bescheid vom 11. Mai 2011 einer Festsetzung von Kindergeld für den Streitzeitraum entgegen stehe. Der Bescheid habe sehr wohl eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Die Bearbeitung sämtlicher Personalangelegenheiten erfolge über ein elektronisches Auftragsmanagementsystem (AMS). Alle Posteingänge würden in O eingescannt und "weitergeroutet". Ein Einspruch der Klägerin vom 28. Mai 2011 sei trotz intensiver Recherchen nicht aktenkundig. Schon aus Produktivitätsgründen seien die Mitarbeiter an der Hotline gehalten, für mit Kunden geführte Gespräche so genannte Beratungsaufträge im AMS abzulegen. Im Zeitraum vom 25. Juli 2011 - 14. März 2012 seien bei der Klägerin 10 Beratungsaufträge, aber keine schriftlichen Posteingänge verzeichnet. Alle durchgeführten Beratungen hätten sich auf die Anforderung von Unterlagen bzw. auf Nachfragen dazu bezogen.
Mit Schreiben vom 26. März 2013 bekräftigte der Klägervertreter, dass der Ablehnungsbescheid vom 11. Mai 2011 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten habe. Es habe sich im Original um ein zweiseitig bedrucktes Blatt gehandelt. Ein zweites Blatt bzw. eine dritte Seite sei nicht vorhanden gewesen. Die Beklagte treffe die Nachweispflicht für den Zugang einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung bei der Klägerin. Diese könne sich noch erinnern, dass sie bei einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten die Aussage erhalten habe, sie könne diesen Bescheid einzig und allein wegen eines Formfehlers anfechten. Auf Anforderung des Gerichts legte der Klägervertreter den Bescheid im Original vor; dieses Schriftstück doppelseitig bedruckt (Bl. 50 Kindergeldakte). Auf telephonische Nachfrage des Gerichts erklärte die Sachbearbeiterin der Beklagten zunächst, dass der betreffende Bescheid auf 3 Einzelblättern gedruckt worden sei, was sich nicht mit dem vom Klägervertreter übersandten doppelseitig bedruckten Bescheid decke (Bl. 55 Kindergeldakte). In der Stellungnahme vom 24. April 2013 führte die Beklagte aus, dass der dem Bescheid vom 11. Mai 2011 zu Grunde liegende AMS-Auftrag nicht hätte abgeschlossen werden können, wenn der von der Klägerin genannten Aktenvermerk als fristgerechter Einspruch eingereicht worden wäre. Das Risiko des Postzugangs trage die Klägerin. Der Bescheid sei als 3-seitiger Bescheid gedruckt worden, eine Rechtsbehelfsbelehrung sei beigefügt gewesen. Der angebliche Formfehler habe darin bestanden, dass zum damaligen Zeitpunkt noch nicht die aktuelle Rechtsbehelfsbelehrung gem. DA 70.1 der DA-FamEStG verwandt worden sei. Der Klägerin sei fernmündlich nach Überprüfung mitgeteilt worden, dass die verwandte Rechtsbehelfsbelehrung dennoch nicht unrichtig sei. Ein Datum für dieses Telephonat wurde nicht genannt. Am 2. Mai 2013 trug die Beklagte ergänzend vor, dass es richtig sei, dass die "Einzeldruckableitungen" immer doppelseitig bedruckt würden, während die Ablage in der elektronischen Akte immer einseitig erfolge. Durch die Schnittstellenbearbeitung seien Fehlerreports vorgesehen, wenn eine Seite, wie von der Klägerin behauptet, nicht ausgedruckt worden wäre. Ein solcher Fehlerreport liege nicht vor. Aus Punkt 1 der "Prozessabläufe für AMS Sammelbriefe" der Schnittstellenbeschreibung könne geschlossen werden, dass vorliegend alle 3 Seiten des Bescheids ordentlich ausgedruckt worden seien. Das Druckrechenzentrum (DRZ) arbeite nach DIN-Normen, hierbei seien gewisse Qualitätsstandards einzuhalten. Im Übrigen werde davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um eine Schutzbehauptung der Klägerseite handele; der doppelseitig bedruckte Bescheid vom 11. Mai 2011 sei erst im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 eingereicht worden. Auf die in der Anlage übersandte Beschreibung "DTAGPERS AMS Druckdaten - Schnittstelle" (Bl. 77 - 83 Prozessakte) wird verwiesen. Der Klägervertreter erwiderte, dass es dabei bleibe, dass die Beklagte nur 2 Seiten des Bescheides der Klägerin zugestellt habe. Der "ganze elektronische Schnickschnack" könne nicht den Beweis erbringen, dass die Beklagte tatsächlich den vollständigen Bescheid mit Rechtsbehelfsbelehrung der Klägerin zugesandt habe. In ihrer Replik verwies die Beklagte auf eine Stellungnahme des DRZ vom 8. Mai 2013, nach der der Verlust eines einzelnen Blattes praktisch ausgeschlossen werden könne. Auch Stichprobenentnahmen für Qualitätsproben fänden an dedizierten Arbeitsplätzen nach dem 4-Augen-Prinzip statt. Auch der Verlust eines einzelnen Blattes innerhalb der Kuvertiermaschine sei aus den vorgenannten Umständen ausgeschlossen. Der Druck- und Kuvertierprozess werde jährlich durch externe Wirtschaftsprüfer in operativer und datenschutzrechtlicher Relevanz auditiert, bei Bedarf könnten entsprechende Dokumente nachgeliefert werden.
Mit Verfügung vom 14. Juni 2013 wies das Gericht die Beklagte darauf hin, dass sich aus der Stellungnahme des DRZ ergebe, dass die Kuvertierprozesse nicht ausschließlich maschinell, sondern auch - bei Stichproben - personell bearbeitet würden. Ein Nachweis der Fehlerlosigkeit des eingesetzten Systems sei spätestens mit der Möglichkeit der Einwirkung menschlicher Faktoren fraglich. Die Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 20. Juni 2013, dass Erwägungen zur Fehleranfälligkeit auf Grund menschlicher Eingriffe für den beschriebenen Prozess nicht zuträfen, da selbst bei händischen Entnahmen, die an Arbeitsplätzen im Bereich der Kuvertiermaschine erfolgten, automatisch der vollständige Nachdruck des gesamten Dokuments angestoßen werde. Eine Wahrscheinlichkeit für den Erhalt einer unvollständigen Sendung existiere nach Aussage des DRZ praktisch nicht, da die dem laufenden Betrieb entnommenen Dokumente zwingend direkt der Makulaturtonne zugeführt würden. Die Fehlerlosigkeit des Drucks sei mit den bereits vorgelegten Unterlagen nachgewiesen. Das Gericht wies die Beklagte mit Verfügung vom 21. Juni 2013 nochmals darauf hin, dass bislang lediglich eine Unwahrscheinlichkeit eines Fehlers behauptet, aber kein Nachweis des vollständigen Versands der strittigen Postsendung erbracht worden sei. Der Beklagten wurde eine bis zum 26. Juli 2013 bemessene Frist gem. § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzt zur Vorlage aller Nachweise dafür, dass die konkrete Postsendung mit dem Bescheid vom 11. Mai 2011 die Klägerin vollständig erreicht habe. Die Beklagte führte daraufhin aus, dass nicht nur der Eindruck erweckt werden solle, dass bei allen händischen Eingriffen ein Nachdruck des gesamten Dokuments erfolge, vielmehr werde dies ausdrücklich behauptet und unter Beweis gestellt. Kein händisch entnommenes Dokument gelange mehr in den laufenden Prozess zurück. Dies sei in dem Prozess sicher gestellt und werde entsprechend extern überwacht. Die Klägerin habe ein "qualitätsgesichertes Dokument" erhalten, der Nachweis des Zugangs sei letztlich unstreitig. Auf die Stellungnahme des DRZ vom 24. Juli 2013 werde verwiesen. Hierin (s. Bl. 112 Prozessakte) wird erklärt, dass es bei Dokumenten, die aus dem Druckprozess händisch entnommen würden, zwingend zu einem Nachdruck des gesamten Dokuments komme. In dem sich anschließenden Kuvertierprozess gebe es mehrere prozessuale Möglichkeiten, die in regelmäßigen Wirtschaftsprüfungen, Kundenaudits sowie internen Audits als revisionssicher eingestuft worden seien. Als eine dieser Möglichkeiten wurde dargestellt, dass bei maschineller Kuvertierung mit maschineller Aussteuerung in das Aussteuerungsfach der Maschine bei einer positiven "QS-Kontrolle" das komplette Dokument wieder in den Versandprozess eingesteuert werde. Die "QS-Kontrollen" unterlägen grundsätzlich dem 4-Augen-Prinzip und würden an dafür bestimmten Arbeitsstationen vorgenommen. Ein im DRZ produziertes Dokument könne damit, wenn es den Empfänger auf dem Postweg erreicht habe, nach menschlichem Ermessen nur vollständig zugegangen sein.
Das Verfahren wurde mit Beschluss des Senats vom 14. Februar 2013 auf den Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
1) Das Gericht konnte in der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2013 in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden. Auf diese Möglichkeit war die Beklagte in der Ladung ausdrücklich hingewiesen worden. Eine Pflicht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung besteht nicht; es steht jedem Beteiligten frei, sich durch ein Nichterscheinen der Möglichkeit zu begeben, auf den Gang und das Ergebnis der Verhandlung einzuwirken.
2) Die Klage ist begründet. Auch seitens der Beklagten wurde in der Einspruchsentscheidung anerkannt, dass die Voraussetzungen eines Kindergeldanspruchs für den Streitzeitraum März - Mai 2011 vorlagen und im Einspruchsverfahren nachgewiesen worden waren. Zu Unrecht hat die Beklagte allein aus formellen Gründen die Festsetzung dieses Kindergelds abgelehnt.
Nach § 70 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) wird das Kindergeld durch Bescheid festgesetzt. Materielle Fehler der letzten Festsetzung können nach § 70 Abs. 3 EStG durch Neufestsetzung oder durch Aufhebung der Festsetzung behoben werden. Eine Neufestsetzung erfolgt nach § 70 Abs. 3 S. 2 EStG mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe einer Neufestsetzung oder der Aufhebung eine Festsetzung nachfolgenden Monat. Ein bestandskräftiger, die Gewährung von Kindergeld ablehnender Bescheid entfaltet Bindungswirkung bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe (vergl. Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juli 2001 VI R 164/98, BStBl II 2002, 89, und vom 3. März 2011 III R 10/09), BFH/NV 2011, 985.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Ablehnungsbescheid vom 11. Mai 2011 nicht bestandskräftig geworden und stand damit nicht einer Festsetzung des Kindergelds für den Streitzeitraum entgegen. Die Beklagte stützt ihre Auffassung darauf, dass innerhalb der Einspruchsfrist kein Einspruch eingelegt worden sei; dabei geht sie davon aus, dass die Einspruchsfrist nach § 355 S. 1 AO einen Monat betragen habe. Wie § 356 Abs. 2 S. 1 AO zeigt, gilt diese Monatsfrist aber nur dann, wenn dem Bescheid eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war; ist eine Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, ist die Einlegung eines Einspruchs binnen eines Jahres nach Bekanntgabe des Bescheids möglich. Für den Nachweis, dass einem schriftlichen Verwaltungsakt eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, gelten die allgemeinen Beweisregeln, insbesondere die des Indizienbeweises (s. Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. September 2000 X B 58/00, BFH/NV 2001, 322). Dabei trägt nach allgemeinen Regeln die Behörde die Beweislast dafür, dass der fragliche Bescheid mit einer - ordnungsgemäßen - Rechtsbehelfsbelehrung versehen war.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ausdrücklich vorgetragen, dass die ihr übersandte Ausfertigung des fraglichen Bescheids vom 11. Mai 2011 nur aus einem doppelseitig bedruckten Blatt bestanden habe und dass ein weiteres Blatt mit einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht enthalten gewesen sei. Auch nach Würdigung des Vortrags der Beklagten und der von ihr vorgelegten Unterlagen konnte das Gericht keine Überzeugung darüber gewinnen, dass entgegen dieser Erklärung der Klägerin der Bescheid mit einer den Lauf der Monatsfrist des § 355 Abs. 1 AO auslösenden Rechtsbehelfsbelehrung bekannt gegeben worden wäre.
a) Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Klägerin ein derart "qualitätsgesichertes" Dokument erhalten habe, dass nach menschlichem Ermessen das Fehlen des Blattes mit der Rechtsbehelfsbelehrung ausgeschlossen werden könne. Sie hat sich hierzu zunächst auf einen Auszug aus einer aus dem Jahr 2007 stammenden "Schnittstellenbeschreibung" (Stand nach der letzten Änderung: 2. Mai 2013) bezogen, die nach den Angaben auf den ersten beiden Blättern 12 Seiten umfassen sollte, während nach dem Inhaltsverzeichnis auf Bl. 2 die letzten Erläuterungen sich auf Bl. 14 befinden müssten. Die Absatznummerierung auf den nachfolgenden (nicht mehr paginierten) Seiten (z.B. 1.5.6. "Versandreporte") entspricht nicht der Gliederung im Inhaltsverzeichnis (hiernach wäre der Abschnitt über "Versandreporte" unter dem Absatz 3.5.6 zu finden). Es erscheint damit fraglich, ob seitens der Beklagten ein Auszug aus einem zusammenhängenden Dokument vorgelegt wurde oder eine Zusammenstellung von Ausschnitten aus mehreren Dokumenten. Dies kann allerdings dahingestellt bleiben. Dem vorgelegten Auszug aus der Schnittstellenbeschreibung ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass der Prozess absolut fehlerfrei abläuft, da es ansonsten nicht erforderlich wäre, Fehlerreports zu erstellen und zu verschicken. Ebenso ist in diesem Auszug nicht für das Gericht nachvollziehbar eine zwingend ablaufende Prozedur für den Fall eines Fehlers im Ablauf beschrieben, die den Zugang eines unvollständigen Schriftstücks beim Empfänger mit Sicherheit ausschließen w ürde. Dass es für den speziell mit der Erstellung des fraglichen Bescheids vom 11. Mai 2011 zusammenhängenden Druck- und Kuvertierprozess keinen Fehlerreport gegeben habe, ist lediglich eine Behauptung der Beklagten über einen allein in ihrer Sphäre liegenden Vorgang, den sie nicht - trotz entsprechender Aufforderung - mit einem für das Gericht nachprüfbaren Nachweis verifiziert hat. Eine sichere Überzeugung des Gerichts hinsichtlich einer absoluten Fehlerlosigkeit des Prozesses und einer Gewissheit über die Übersendung eines vollständigen Bescheids einschließlich des Blattes mit der Rechtsbehelfsbelehrung ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis darauf, dass der Druck- und Versandprozess nach DIN-Normen arbeite und dass hierbei "gewisse" Standards einzuhalten seien. Auch der Vortrag, dass der Prozess ständig extern überwacht, auditiert und zertifiziert werde und dass das Verfahren in diesen Wirtschaftsprüfungen als "revisionssicher" eingestuft werde, überzeugt nicht. Ob die entsprechenden Audits, Berichte und Zertifizierungen überhaupt geeignet wären, mehr als eine Wahrscheinlichkeitsprognose hinsichtlich der Möglichkeiten eines Fehlers zu liefern, entzieht sich der Beurteilung durch das Gericht, weil die Beklagte wiederum keinerlei Nachweise für diese Behauptungen vorgelegt wurden, obwohl sie mit der Verfügung vom 21. Juni 2013 unter Fristsetzung gem. § 79b Abs. 2 FGO ausdrücklich zur Vorlage von Nachweisen aufgefordert worden war. Schließlich sind auch die Bestätigungen des im Umfeld der Beklagten angesiedelten Druckrechenzentrums nicht geeignet, eine Überzeugung des Gerichts hinsichtlich einer absoluten Fehlerlosigkeit des Druck- und Versandprozesses zu begründen. Zwar wird hier ebenfalls - wenn auch in einer besser verständlichen Weise - dargestellt, durch welche Sicherungsroutinen im Prozessablauf der Druck und Versand eines unvollständigen Dokuments vermieden werden soll. Die Schlussfolgerung, dass hierdurch der "Verlust eines einzelnen Blatt praktisch ausgeschlossen werden" könne, ist allerdings nur eine Meinungsäußerung auf der Beklagtenseite, die nicht für das Gericht nachvollziehbar belegt ist. Vor allem aber zeigt die in beiden Bestätigungen beschriebene Einrichtung von Stichprobenentnahmen zur Qualitätssicherung, dass die Beklagte bzw. ihr Druckzentrum selbst davon ausgeht, dass trotz aller elektronischen Kontrollen den Qualitätsansprüchen nicht entsprechende Dokumente bzw. Postsendungen vorkommen können. Zudem besteht durch die "händische" Bearbeitung der zur Qualitätssicherung aus dem Druck- und Kuvertierprozess entnommenen Schriftstücke die Möglichkeit einer fehlerhaften Bearbeitung, die durch alle elektronischen Sicherungen des übrigen Ablaufs gerade nicht ausgeschlossen werden kann. Angaben zur H äufigkeit dieser Kontrollen und dem Anteil der hierzu aus dem laufenden Prozess entnommenen Dokumente sind weder dem Vortrag der Beklagten noch den von ihr vorgelegten Dokumenten zu entnehmen; die Einrichtung "dedizierter Arbeitsplätze", mit - wegen des 4-Augen-Prinzips - mindestens 2 Mitarbeitern zeigt aber deutlich, dass es sich nicht nur um Einzelfallkontrollen handeln kann. Nachdem das Gericht die Beklagte mit den Verfügungen vom 14. Juni 2013 und vom 21. Juni 2013 darauf hingewiesen hatte, dass sich aus der Stellungnahme des Druckzentrums vom 8. Mai 2013 ergebe, dass die Kuvertierprozesse nicht ausschließlich maschinell, sondern auch personell bearbeitet würden, hatte die Beklagte zwar vorgetragen, dass der Versand ohne "händischen" Eingriff von Statten gehe (Bl. 101 Prozessakte) und dass kein "händisch" entnommenes Dokument wieder in den laufenden Prozess gelange (Bl. 110 Prozessakte). Diese Behauptung wird aber durch die schriftlichen Darstellungen des Druckzentrums widerlegt. In der Stellungnahme vom 8. Mai 2013 (Bl. 91 Prozessakte) wurde seitens des Druckzentrums angegeben, dass die Bearbeitung von Stichprobenentnahmen an "dedizierten Arbeitsplätzen" nach dem 4-Augen-Prinzip erfolge. In der Bestätigung des Druckzentrums vom 24. Juli 2013 (Bl. 112 Prozessakte) wird ausdrücklich erklärt, dass nur bei Dokumenten, die aus dem Druckprozess entnommen würden, zwingend ein Nachdruck des kompletten Dokuments erfolge. Hingegen erfolge im anschließenden Kuvertierprozess kein Neuausdruck eines zur Qualitätssicherung entnommenen Dokuments, wenn die Kontrolle zu keiner Beanstandung geführt habe. Dieses Dokument wird nach den eindeutigen Angaben des Druckzentrums wieder in den Versandprozess eingesteuert. Auch wenn die Qualitätssicherungskontrolle nach dem 4-Augen-Prinzip erfolgen soll, ist damit der Einfluss des Faktors "Mensch", für den der Grundsatz gilt, dass Fehler menschlich sind, nicht ausgeschlossen. Selbst wenn man technikgläubig davon ausgehen würde, dass Maschinen und EDV-Programme immer fehlerfrei laufen würden - was nicht den Erfahrungen des Gerichts entspricht - , ist nach Auffassung des Gerichts spätestens mit der Möglichkeit des menschlichen Einflusses auf den Versandprozess eine Überzeugung, dass ganz allgemein und speziell auf den hier fraglichen Bescheid vom 11. Mai 2011 bezogen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Zugang eines unvollständigen Dokuments beim Empfänger ausgeschlossen werden könne, nicht möglich.
b) Nach Auffassung des Gerichts gibt es auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin entgegen ihrer klaren Aussage eine Ausfertigung des Bescheids vom 11. Mai 2011 einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung erhalten hätte. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden sei, dass der Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten habe, vermag das Gericht hierin keinen Anlass zu Zweifeln am Vortrag der Klägerin zu sehen. Deren Angabe, dass sie zwar den Bescheid über die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung erhalten habe, dieser aber nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen gewesen sei, ist nicht schon aus der Gestaltung des Bescheids heraus unplausibel. Die Klägerin hat vorgetragen, dass der ihr übersandte Bescheid aus einem doppelseitig bedruckten Blatt bestanden habe. Die Beklagte hat letztlich eingeräumt, dass - anders als die Aktenausfertigungen - die in den Versand gegebenen Bescheide in gerade dieser Form erstellt werden. Nach der äußeren Gestaltung des maßgeblichen Bescheids (s. Bl. 3 - 5 Kindergeldakte) war auf den Seiten 1 und 2 der gesamte den Charakter als Verwaltungsakt prägende Regelungsgehalt für den vorliegenden Fall enthalten. Für den nicht fachkundigen Empfänger des Bescheids ergab sich kein zwingender Hinweis darauf, dass der Bescheid nach dem Ende der 2. Seite weiter gehen würde. Die 2. Seite endet mit einem sinnvollen Abschluss eines Absatzes, der nicht auf die nächste Seite übergreift. Es sind auch keine sonstigen Hinweise (z.B. in Form einer Angabe "Seite 2 von 3" etc.) darauf enthalten, dass eine weitere Seite nachfolgen sollte. Für die Klägerin musste sich damit nach Lesen des doppelseitig bedruckten Blattes mit den Seiten 1 und 2 des Bescheides nicht der Eindruck aufdrängen, dass ein Teil des Bescheides fehlen würde.
Auch sind keine sonstigen Indizien dafür zu erkennen, dass die Klägerin den Bescheid vom 11. Mai 2011 einschließlich des 2. Blatts mit der Rechtsbehelfsbelehrung erhalten hätte. Die von der Beklagten vorgelegte "Auftragshistorie" für den Zeitraum Januar 2011 - 7. Mai 2012 (s. Bl. 55 - 57 Kindergeldakte) zeigt deutlich, dass nach dem 11. Mai 2011 mehrfache Kontakte zwischen der Klägerin und der Beklagten bestanden. Nach dem Vortrag der Klägerin ging es hierbei darum, dass sie erst im Jahr 2012 rückwirkend auch für 2011 erneut Kindergeld beantragen solle. Der tatsächliche Ablauf, insbesondere die Vorlage von Unterlagen für das Jahr 2011 im Januar 2012 weist darauf hin, dass von beiden Seiten bis Januar 2012 davon ausgegangen wurde, dass eine Kindergeldfestsetzung ab März 2011 noch möglich sei. Hierzu passt auch der Inhalt der von der Klägerin gefertigten Gesprächsnotiz vom 28. Mai 2011, der aus Sicht der Klägerin nicht zu erklären wäre, wenn der ihr zugegangene Bescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung mit Hinweis auf die Notwendigkeit einer fristgemäßen Einspruchseinlegung enthalten hätte. Der von der Beklagten vorgelegten "Auftragshistorie" und den hierin enthaltenen nichtssagenden Angaben (z.B. am 12.12.2011: Produkt > Beratungsauftrag; Teilprodukt > Kindergeld, Familienzuschlag; Status: Abgeschlossen) kann nicht entnommen werden, dass seitens der Beklagten in der Zeit nach Mai 2011 eine andere Auffassung hinsichtlich der Möglichkeit der Festsetzung von Kindergeld ab März 2011 vertreten worden wäre, insbesondere nicht, dass auf eine zwischenzeitlich eingetretene Bestandskraft hingewiesen worden wäre. Aus der am 27. Januar 2012 erfolgten Anforderung von Unterlagen durch die Beklagte zur Prüfung des Kindergeldanspruchs ab März 2011 kann hingegen geschlossen werden, dass auch seitens der Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt die Frage, ob einer Festsetzung von Kindergeld ab März 2011 eine Bestandskraft eines Ablehnungsbescheids entgegen stehen könnte, nicht ins Kalkül gezogen worden war.
c) Ausgehend davon, dass der Bescheid vom 11. Mai 2011 der Klägerin ohne ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung zugegangen ist, betrug die Einspruchsfrist gegen diesen Bescheid nicht einen Monat, wie in § 355 S. 1 AO vorgesehen, vielmehr konnte nach § 356 Abs. 2 S. 1 AO noch innerhalb eines Jahres Einspruch eingelegt werden. Der innerhalb dieser Jahresfrist erhobene Einspruch der Klägerin vom 17. März 2012 richtete sich zwar primär gegen den Bescheid vom 8. März 2012, soweit hierin eine Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum März - Mai 2011 abgelehnt worden war, aber zugleich auch dagegen, dass der Ablehnungsbescheid vom 11. Mai 2011 bestandskräftig geworden sein sollte. Auch die Beklagte hat den Bescheid vom 11. Mai 2011 in ihre Einspruchsentscheidung vom 12. November 2012 einbezogen, da sie den Anspruch der Klägerin allein unter Hinweis auf eine Bestandskraft dieses Bescheids abgelehnt hat. Wegen der innerhalb der Jahresfrist des § 356 Abs. 2 S. 1 AO erhobenen Einwendungen der Klägerin auch gegen diesen Bescheid hat der Bescheid vom 11. Mai 2011 keine Bestandskraft erlangt hat. Daher kann er auch keine Sperrwirkung hinsichtlich der von der Klägerin beantragten Festsetzung von Kindergeld auch für den Zeitraum März - Mai 2011 entfalten. Da die Voraussetzungen für den geltend gemachten Kindergeldanspruch im Übrigen vorliegen, war der Klage stattzugeben.
3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Finanzgerichtsordnung (FGO), die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Art nicht vorliegen.