10.01.2017 · IWW-Abrufnummer 191104
Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 30.08.2016 – 6 V 105/16
1. Der Unternehmer hat grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer.
2. Nicht nur die Versagung, sondern auch die Verzögerung der Erteilung einer Steuernummer, kann einen unzulässigen Eingriff in Art. 12 GG darstellen.
FINANZGERICHT HAMBURG
6 V 105/16
30.08.2016
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsgegner zur Erteilung einer Steuernummer verpflichtet ist.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie wurde am ... 2016 gegründet und am ... 2016 ins Handelsregister eingetragen.
Am 06.05.2016 wurde Frau A als Geschäftsführerin bestellt. Sie betreibt einen XX in der Y-Straße ... (B GmbH) und war in der Vergangenheit an der Gründung diverser GmbH beteiligt. Diese GmbH haben bzw. hatten alle ihren Sitz (zunächst) in der Y-Straße ..., C.
Am 13.05.2016 wurde als zweiter Geschäftsführer Herr D bestellt. Er ist ... Staatsbürger und lebt zurzeit in E.
Als Gegenstand des Unternehmens wurde der Import und Export von Nahrungsmitteln, insbesondere von ZZ, mit Ausnahme von genehmigungspflichtigen Tätigkeiten eingetragen. Das Stammkapital beträgt 25.000 €.
Die Antragstellerin reichte am 29.04.2016 den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung beim Antragsgegner ein. Als Beginn der Tätigkeit wurden der 21.04.2016 mitgeteilt. Als prognostizierter Jahresüberschuss wurden für das Gründungsjahr 0 € und für das Folgejahr 10.000 € angegeben. Die Summe der Umsätze wurde für 2016 mit 300.000 € und für 2017 mit 450.000 € geschätzt. Außerdem wurde mitgeteilt, dass die Ausfuhr in ein Drittland beabsichtigt sei. In diesem Zusammenhang legte die Antragstellerin ihre Eröffnungsbilanz zum 25.04.2016 vor.
Am 30.05.2016 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass ein erster Geschäftsvorfall vorliege und sie daher dringend um die Vergabe einer Steuernummer bitte. In diesem Zusammenhang reichte sie eine Rechnung vom 25.05.2016 ein, auf die in diesem Zusammenhang verwiesen wird.
Am 06.06.2016 und 07.06.2016 rief die Antragstellerin beim Antragsgegner an und wies darauf hin, dass die Steuernummer dringend benötigt werde, um einkaufen zu können.
Durch Schreiben vom 10.06.2016 bat der Antragsgegner um die Beantwortung einiger Fragen und der Vorlage von Unterlagen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf dieses Schreiben verwiesen. Am 13.06.2016 fand ein Gespräch der Beteiligten im Finanzamt statt. Mit Schreiben vom 13.06.2016 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, welche Unterlagen noch fehlten.
Am 14.06.2016 forderte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin den Antragsgegner auf, bis zum 15.06.2016 12 Uhr mitzuteilen, ob er die Steuernummer erteilen werde.
Am 28.06.2016 legte die Antragstellerin diverse Unterlagen vor und beantwortete Fragen des Antragsgegners. U. a. legte die Antragstellerin einen Geschäftsplan vor, demgemäß in 2016 Umsatzerlöse in Höhe von 2,5 Mio. € und ein Rohergebnis von 500.000 € prognostiziert wurden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben und die Anlagen verwiesen.
Mit Schreiben vom 30.06.2016 teilte der Antragsgegner mit, dass noch nicht alle Fragen ausreichend beantwortet seien. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, wieso die Angaben der Antragstellerin bei ihrer steuerlichen Erfassung in erheblicher Weise vom Businessplan abwichen und wer der Lieferant der angeblichen Rechnung vom 25.05.2016 sein solle, da dieser nicht im Internet ermittelbar sei.
Am 12.07.2016 hat die Antragstellerin bei Gericht beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 Finanzgerichtsordnung (FGO), das Finanzamt zu verpflichten, ihr vorläufig eine Steuernummer, die auch als Umsatzsteuernummer gilt, zu erteilen.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, ihr Antrag auf einstweilige Anordnung sei zulässig und begründet. Sie, die Antragstellerin, habe einen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer. Dieser ergebe sich aus ihrer beruflichen Betätigungsfreiheit. Das sei eindeutige Rechtsprechung. Nach dieser Rechtsprechung sei es ausreichend, dass der Unternehmer erste Handlungen ausführe, die auf die Erbringung entgeltlicher Leistungen gerichtet seien. Dazu gehörten bereits Vorbereitungshandlungen. Sie, die Antragstellerin, habe ausreichend die geplante Geschäftsaufnahme dargelegt. Der Antragsgegner verlange ohne rechtlich nachvollziehbaren Grund weitere Nachweise und verzögere hierdurch die Erteilung der Steuernummer. Damit verletzte der Antragsgegner ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit. Nicht nur die Versagung, sondern auch die Verzögerung der Erteilung der Steuernummer stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr Grundrecht dar, denn sie, die Antragstellerin, könne deshalb nicht die von ihr bereits geplanten Geschäfte tätigen.
Es sei auch ein Anordnungsgrund gegeben, denn sie, die Antragstellerin, habe dargelegt, dass bereits erste Geschäfte konkret in Planung seien.
Die verwaltungsinterne Bezeichnung des Antragsgegners als Risikofall bewirke keine andere rechtliche Beurteilung. Zudem vermische der Antragsgegner bei seiner Argumentation in unzulässiger Weise die Geschäftsführerin und sie, die Antragstellerin. Auch habe der Antragsgegner bisher in keinem der von ihm bezeichneten Fälle einen steuerlichen Missbrauch darlegen können. Der Antragsgegner argumentiere auch zu Unrecht mit den abweichenden Angaben im Businessplan, denn für die Erteilung des sog. Investorenvisums seien keine Mindestzahlen erforderlich. Auch seien die unterschiedlichen Angaben den Zeitabläufen und den Zeitpunkten der jeweiligen Erklärungsabgabe geschuldet. Die Angaben gegenüber der Handelskammer erfolgten meistens sehr frühzeitig, so dass die prognostizierten Umsätze nur sehr grob geschätzt werden könnten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 25.08.2016 verwiesen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor: Er, der Antragsgegner, habe die Erteilung einer Steuernummer bisher nicht abgelehnt. Die Erteilung einer vorläufigen Steuernummer sei rechtlich nicht vorgesehen. Die Erteilung einer (normalen) Steuernummer sei bisher nicht möglich gewesen, denn die Antragstellerin habe noch nicht alle Fragen beantwortet, obwohl die von ihm, dem Antragsgegner, gestellten Fragen zu seiner Überzeugungsbildung für die Frage erforderlich gewesen seien, ob die Antragstellerin tatsächlich die Aufnahme der Geschäftstätigkeit geplant habe. Bei der Antragstellerin handele es sich um einen sog. Risikofall. Solche Risikofälle müssten eng betreut werden, da bereits durch die Erteilung einer Steuernummer ein Missbrauchsrisiko entstehe. Frau A habe unter der Adresse Y-Straße ... seit 2013 bereits 36 Gesellschaften gegründet. Diese Gesellschaften führten bisher lediglich zur Geltendmachung von Vorsteuern. Fragen des Finanzamtes an diese Gesellschaften seien nicht ausreichend beantwortet worden. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, wieso die Antragstellerin in ihrem Businessplan von viel höheren Umsätzen und Gewinnen ausgehe, als sie gegenüber dem Finanzamt prognostiziert habe. Hieraus ergebe sich eine mangelnde Glaubwürdigkeit der handelnden Personen. Auch erschlössen sich ihm, dem Antragsgegner, nicht die Hintergründe für die Unternehmensgründung. Es könne deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, dass überhaupt eine unternehmerische Tätigkeit entfaltet werden solle. Die Gefahr eines Missbrauchs sei gegeben, weil die Gefahr bestehe, dass die Antragstellerin die erteilte Steuernummer in der Folge dazu verwende, um eine Vielzahl von Rechnungen an eine Vielzahl namentlich bekannter Unternehmer zu erstellen, die ihrerseits die darin ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer berücksichtigen würden. Damit lägen die Voraussetzungen der Versagung vor.
Dem Gericht haben die Akte Neugründung F GmbH und die Rechtsbehelfsakte vorgelegen.
II.
Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
1. Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO); BFH, Beschluss vom 22.12.2006 VII B 121/06, BFH/NV 2007, 802 m. w. N.).
Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten ("wesentliche Nachteile" und "drohende Gewalt"). Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen. Das gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzbegehren ist nur im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz -GG-) gestattet und nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BFH, Beschluss vom 07.01.1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818, m. w. N.).
Die Entscheidung des Gerichts hat im summarischen Verfahren die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen und die Interessen des Antragstellers mit den Belangen der Öffentlichkeit abzuwägen.
2. Nach diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordungsgrund schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht.
a) Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Anordnungsanspruch zu.
aa) Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch von Unternehmern i. S. des § 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke ist zwar weder im Gemeinschaftsrecht noch im inländischen Recht ausdrücklich vorgesehen; das Bestehen eines solchen Anspruchs ergibt sich aber mittelbar aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG. Nach dieser Vorschrift muss eine Rechnung u. a. die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten. In den in § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG geregelten Fällen ist der Unternehmer, der eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausführt, verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Dies ist der Fall, wenn der Unternehmer einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person ausführt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG) oder wenn er eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ausführt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG).
Die Steuernummer dient danach nicht nur der verwaltungstechnischen Erfassung von Steuerpflichtigen und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Sie ist vielmehr regelmäßig Voraussetzung für ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden, soweit nicht ausnahmsweise ausschließlich Umsätze ausgeführt werden sollen, für die die Ausstellung einer Rechnung nicht vorgeschrieben ist. Der Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen unter Angabe der Steuernummer steht demgemäß ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des Unternehmers auf Erteilung einer Steuernummer gegenüber. Die Steuernummer ist zudem auch Voraussetzung für die Erteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nach § 27a UStG. In dem Antrag auf Erteilung einer solchen Nummer ist nämlich die Steuernummer, unter der der Antragsteller umsatzsteuerlich geführt wird, anzugeben (BFH, Beschluss vom 26.02.2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004 mit Hinweis auf § 27a Abs. 1 Satz 6 UStG).
bb) Lehnt das Finanzamt die Erteilung einer Steuernummer an eine GmbH ab, die zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtende Umsätze ausführen will, hat dies insoweit die Wirkung eines Tätigkeitsverbots und greift somit unmittelbar in den Schutzbereich des Grundrechts auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Dieses Grundrecht steht nicht nur "allen Deutschen" als natürlichen Personen zu, sondern es ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen des Privatrechts anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26.06.2002 1 BvR 558, 1428/91, BVerfGE 105, 252, 265). Das Grundrecht schützt sowohl das Recht, einen Beruf frei zu wählen, als auch die freie Berufsausübung. Unter Beruf ist dabei jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (BVerfG-Urteil vom 28.03.2006 1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276, 300).
Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen wurde, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfG-Urteil vom 28.03.2006 1 BvR 1054/01 BVerfGE 115, 276, 303 f.).
Der in der Ablehnung der Erteilung einer Steuernummer liegende Eingriff in die Berufsfreiheit einer GmbH entspricht schon deshalb nicht den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, weil es für einen solchen Eingriff, der unter den oben genannten Voraussetzungen einem Tätigkeitsverbot gleichkommt, an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Eine solche Grundlage lässt sich insbesondere nicht dem § 85 der Abgabenordnung (AO) entnehmen. Nach dieser Vorschrift haben die Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden. Wie sich auch aus der amtlichen Überschrift "Besteuerungsgrundsätze" ergibt, umschreibt die Vorschrift die Aufgaben der Finanzbehörden in allgemeiner Form, verleiht diesen aber keine Eingriffsbefugnisse. Die Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit ist in § 35 der Gewerbeordnung eingehend geregelt und obliegt den zuständigen Behörden, nicht aber den für die Erteilung einer Steuernummer zuständigen Finanzämtern (BFH, Beschluss vom 26.02.2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004).
Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG). Zur Begründung der Unternehmereigenschaft ist die Aufnahme der tatsächlichen Umsatztätigkeit nicht erforderlich. Die Unternehmereigenschaft beginnt vielmehr bereits mit den ersten auf die Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten, nach außen ersichtlichen Handlungen; dazu gehören auch Vorbereitungshandlungen wie etwa Investitionen in Räume oder Werbemaßnahmen. Entscheidend ist dabei die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben. Die GmbH braucht nicht über Geschäftsräume zu verfügen, die gewisse Mindestanforderungen erfüllen, um Unternehmerin i. S. des § 2 UStG sein zu können. Als Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift kommen sogar Domizilgesellschaften und "Strohmänner" in Betracht (BFH, Beschluss vom 26.02.2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004 m. w. N.).
cc) Zwar hat der Antragsgegner bisher die Erteilung der Steuernummer noch nicht endgültig versagt. Aber die Nichterteilung der Steuernummer innerhalb einer angemessenen Zeit bewirkt ebenfalls einen Eingriff in die grundgesetzliche geschützte Berufsfreiheit. Das gilt insbesondere dann, wenn bereits geplante Geschäfte nicht durchgeführt werden können, weil die erforderliche Steuernummer fehlt. Der Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke besteht bereits dann, wenn der Antragsteller ernsthaft erklärt, ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen. Da, wie dargelegt, die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke regelmäßig Voraussetzung für ein solches Tätigwerden ist, kann sie nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine entsprechende Tätigkeit bereits aufgenommen wurde.
Die vom Antragsgegner angeführte Gefahr kann die erforderliche gesetzliche Grundlage für den Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin, der in der Versagung der Steuernummer liegt, nicht ersetzen. Es ist Aufgabe des für die Besteuerung zuständigen Finanzamts, die Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen (§ 18 Abs. 1 und 3 UStG) auf mögliche Steuerverkürzungen zu überprüfen. Dieses Finanzamt kann zudem von den Möglichkeiten Gebrauch machen, die § 18f UStG hinsichtlich einer Sicherheitsleistung vorsieht (BFH, Beschluss vom 26.02.2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004).
Lediglich in offensichtlichen Missbrauchsfällen kann die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgelehnt werden. Der Missbrauch muss sich dabei auf die Umsatzsteuer beziehen und kann insbesondere in dem offenkundig verfolgten Ziel bestehen, den Vorsteuerabzug für zu privaten Zwecken bezogene Lieferungen oder Leistungen zu Unrecht in Anspruch nehmen zu können. Ausländerrechtliche oder arbeitsmarktpolitische Fragen können bereits wegen der insoweit fehlenden Zuständigkeit der Finanzämter nicht berücksichtigt werden (BFH, Urteil vom 23.09.2009 II 66/07, BStBl II 2010, 712). Insofern kann der grundsätzlich nachvollziehbare Einwand des Antragsgegners zu den unterschiedlichen Angaben bezüglich der erwarteten Umsätze und Gewinne kein anderes Ergebnis bewirken.
Gegen die grundsätzliche Verpflichtung zur Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke allein aufgrund der vom Antragsteller abgegebenen ernsthaften Erklärung, ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen, kann entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht eingewandt werden, dass sich aus der Erteilung eine Bindungswirkung für die spätere Festsetzung von Umsatzsteuer oder Umsatzsteuer-Vorauszahlungen ergebe. Eine gesetzliche Grundlage für eine solche Bindungswirkung gibt es nicht. Beim Erlass von Umsatzsteuerbescheiden ist vielmehr die Unternehmereigenschaft eigenständig zu prüfen, ohne dass es auf die Erteilung einer Steuernummer ankommt (BFH, Urteil vom 23.09.2009 II 66/07, BStBl II 2010, 712 m. w. N.).
Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug in Fällen, in denen es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zur Ausführung steuerpflichtiger, zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsätze kommt, wird ebenfalls nicht aus der Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgeleitet. Entscheidend sind vielmehr die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, i. S. von § 2 UStG eine Umsatztätigkeit gegen Entgelt selbständig auszuüben, sowie die Tätigung erster Investitionsausgaben für diesen Zweck (BFH, Urteil vom 23.09.2009 II 66/07, BStBl II 2010, 712). Die Unternehmereigenschaft des Leistenden ist bei der Steuerfestsetzung gegen den Leistungsempfänger, der den Vorsteuerabzug begehrt, und in einem etwaigen Rechtsstreit ebenfalls eigenständig zu prüfen (BFH, Beschluss vom 19.02.2008 XI B 205/07, BFH/NV 2008, 1210).
Dem rechtlichen und wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der Erteilung der Steuernummer steht nicht entgegen, dass sie ihre Stellung als Unternehmer auch zur Steuergefährdung missbrauchen kann. Die Umstände der Firmengründung, die Art der Geschäftsführung und der beabsichtigten Leistungen mögen zwar Anlass geben, an einer seriösen unternehmerischen Tätigkeit zu zweifeln. Dies berechtigt jedoch nicht, die steuerliche Erfassung zu verweigern, um eine mögliche Gefährdung des Steueraufkommens zu vermeiden (vgl. EUGH vom 14.03.2013 C-527/11, HFR 2013, 548). Eine solche Kompetenz zur Gefahrenabwehr sehen weder die Verfahrensvorschriften der AO noch die materiell-rechtlichen Regelungen des UStG und der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vor (FG Nürnberg, Beschluss vom 17.12.2007 2 V 1958/2007, DStRE 2008, 1147 m. w. N.). Der bisherige Vortrag des Antragsgegners ist nicht ausreichend, um bereits eine konkrete Steuergefährdung annehmen zu können.
Insoweit für das summarische Antragsverfahren ausreichend hat die Antragstellerin bereits eine Rechnung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass sie bereits ZZ eingekauft hat. Zwar äußert der Antragsgegner nachvollziehbare Zweifel an dieser Rechnung. Das alleine reicht aber nicht aus, um annehmen zu können, dass die Antragstellerin nicht unternehmerisch tätig werden will.
b) Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin ohne die Erteilung der Steuernummer die geplante und bereits begonnene unternehmerische Tätigkeit nicht ausüben kann und die ihr dadurch entstehenden Nachteile nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten, wenn sie mit ihrem Begehren erst im Hauptsacheverfahren Erfolg hätte. Bei diesen Nachteilen handelt es sich um wesentliche i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO, zumal sich die Ablehnung der Erteilung der Steuernummer als ein gewichtiger und nicht durch entsprechende Vorschriften begründeter Eingriff in das Grundrecht der Antragstellerin auf Berufsfreiheit darstellt.
3. Durch die ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners, der Antragstellerin (bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens) eine Steuernummer für steuerliche Zwecke zu erteilen, wird die Hauptsache nicht vorweggenommen. Gewährt wird vielmehr nur vorläufiger Rechtsschutz mit den sich aus § 114 Abs. 3 FGO ergebenden Folgen (vgl. BFH, Beschluss vom 20.12.2007 IX B 194/07, BFH/NV 2008, 600). Im Wege der einstweiligen Anordnung kann zum Zwecke vorläufigen Rechtsschutzes (mit den sich aus § 114 Abs. 3 FGO ergebenden Folgen) die Verpflichtung des Finanzamts ausgesprochen werden, der antragstellenden, zuvor gegründeten GmbH eine Steuernummer zuzuteilen. Sind nähere Einzelheiten der tatsächlichen Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit noch ungeklärt, sind sie im Verfahren zur Hauptsache zu klären.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
6 V 105/16
30.08.2016
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsgegner zur Erteilung einer Steuernummer verpflichtet ist.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie wurde am ... 2016 gegründet und am ... 2016 ins Handelsregister eingetragen.
Am 06.05.2016 wurde Frau A als Geschäftsführerin bestellt. Sie betreibt einen XX in der Y-Straße ... (B GmbH) und war in der Vergangenheit an der Gründung diverser GmbH beteiligt. Diese GmbH haben bzw. hatten alle ihren Sitz (zunächst) in der Y-Straße ..., C.
Am 13.05.2016 wurde als zweiter Geschäftsführer Herr D bestellt. Er ist ... Staatsbürger und lebt zurzeit in E.
Als Gegenstand des Unternehmens wurde der Import und Export von Nahrungsmitteln, insbesondere von ZZ, mit Ausnahme von genehmigungspflichtigen Tätigkeiten eingetragen. Das Stammkapital beträgt 25.000 €.
Die Antragstellerin reichte am 29.04.2016 den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung beim Antragsgegner ein. Als Beginn der Tätigkeit wurden der 21.04.2016 mitgeteilt. Als prognostizierter Jahresüberschuss wurden für das Gründungsjahr 0 € und für das Folgejahr 10.000 € angegeben. Die Summe der Umsätze wurde für 2016 mit 300.000 € und für 2017 mit 450.000 € geschätzt. Außerdem wurde mitgeteilt, dass die Ausfuhr in ein Drittland beabsichtigt sei. In diesem Zusammenhang legte die Antragstellerin ihre Eröffnungsbilanz zum 25.04.2016 vor.
Am 30.05.2016 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass ein erster Geschäftsvorfall vorliege und sie daher dringend um die Vergabe einer Steuernummer bitte. In diesem Zusammenhang reichte sie eine Rechnung vom 25.05.2016 ein, auf die in diesem Zusammenhang verwiesen wird.
Am 06.06.2016 und 07.06.2016 rief die Antragstellerin beim Antragsgegner an und wies darauf hin, dass die Steuernummer dringend benötigt werde, um einkaufen zu können.
Durch Schreiben vom 10.06.2016 bat der Antragsgegner um die Beantwortung einiger Fragen und der Vorlage von Unterlagen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf dieses Schreiben verwiesen. Am 13.06.2016 fand ein Gespräch der Beteiligten im Finanzamt statt. Mit Schreiben vom 13.06.2016 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, welche Unterlagen noch fehlten.
Am 14.06.2016 forderte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin den Antragsgegner auf, bis zum 15.06.2016 12 Uhr mitzuteilen, ob er die Steuernummer erteilen werde.
Am 28.06.2016 legte die Antragstellerin diverse Unterlagen vor und beantwortete Fragen des Antragsgegners. U. a. legte die Antragstellerin einen Geschäftsplan vor, demgemäß in 2016 Umsatzerlöse in Höhe von 2,5 Mio. € und ein Rohergebnis von 500.000 € prognostiziert wurden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben und die Anlagen verwiesen.
Mit Schreiben vom 30.06.2016 teilte der Antragsgegner mit, dass noch nicht alle Fragen ausreichend beantwortet seien. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, wieso die Angaben der Antragstellerin bei ihrer steuerlichen Erfassung in erheblicher Weise vom Businessplan abwichen und wer der Lieferant der angeblichen Rechnung vom 25.05.2016 sein solle, da dieser nicht im Internet ermittelbar sei.
Am 12.07.2016 hat die Antragstellerin bei Gericht beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 Finanzgerichtsordnung (FGO), das Finanzamt zu verpflichten, ihr vorläufig eine Steuernummer, die auch als Umsatzsteuernummer gilt, zu erteilen.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, ihr Antrag auf einstweilige Anordnung sei zulässig und begründet. Sie, die Antragstellerin, habe einen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer. Dieser ergebe sich aus ihrer beruflichen Betätigungsfreiheit. Das sei eindeutige Rechtsprechung. Nach dieser Rechtsprechung sei es ausreichend, dass der Unternehmer erste Handlungen ausführe, die auf die Erbringung entgeltlicher Leistungen gerichtet seien. Dazu gehörten bereits Vorbereitungshandlungen. Sie, die Antragstellerin, habe ausreichend die geplante Geschäftsaufnahme dargelegt. Der Antragsgegner verlange ohne rechtlich nachvollziehbaren Grund weitere Nachweise und verzögere hierdurch die Erteilung der Steuernummer. Damit verletzte der Antragsgegner ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit. Nicht nur die Versagung, sondern auch die Verzögerung der Erteilung der Steuernummer stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr Grundrecht dar, denn sie, die Antragstellerin, könne deshalb nicht die von ihr bereits geplanten Geschäfte tätigen.
Es sei auch ein Anordnungsgrund gegeben, denn sie, die Antragstellerin, habe dargelegt, dass bereits erste Geschäfte konkret in Planung seien.
Die verwaltungsinterne Bezeichnung des Antragsgegners als Risikofall bewirke keine andere rechtliche Beurteilung. Zudem vermische der Antragsgegner bei seiner Argumentation in unzulässiger Weise die Geschäftsführerin und sie, die Antragstellerin. Auch habe der Antragsgegner bisher in keinem der von ihm bezeichneten Fälle einen steuerlichen Missbrauch darlegen können. Der Antragsgegner argumentiere auch zu Unrecht mit den abweichenden Angaben im Businessplan, denn für die Erteilung des sog. Investorenvisums seien keine Mindestzahlen erforderlich. Auch seien die unterschiedlichen Angaben den Zeitabläufen und den Zeitpunkten der jeweiligen Erklärungsabgabe geschuldet. Die Angaben gegenüber der Handelskammer erfolgten meistens sehr frühzeitig, so dass die prognostizierten Umsätze nur sehr grob geschätzt werden könnten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 25.08.2016 verwiesen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor: Er, der Antragsgegner, habe die Erteilung einer Steuernummer bisher nicht abgelehnt. Die Erteilung einer vorläufigen Steuernummer sei rechtlich nicht vorgesehen. Die Erteilung einer (normalen) Steuernummer sei bisher nicht möglich gewesen, denn die Antragstellerin habe noch nicht alle Fragen beantwortet, obwohl die von ihm, dem Antragsgegner, gestellten Fragen zu seiner Überzeugungsbildung für die Frage erforderlich gewesen seien, ob die Antragstellerin tatsächlich die Aufnahme der Geschäftstätigkeit geplant habe. Bei der Antragstellerin handele es sich um einen sog. Risikofall. Solche Risikofälle müssten eng betreut werden, da bereits durch die Erteilung einer Steuernummer ein Missbrauchsrisiko entstehe. Frau A habe unter der Adresse Y-Straße ... seit 2013 bereits 36 Gesellschaften gegründet. Diese Gesellschaften führten bisher lediglich zur Geltendmachung von Vorsteuern. Fragen des Finanzamtes an diese Gesellschaften seien nicht ausreichend beantwortet worden. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, wieso die Antragstellerin in ihrem Businessplan von viel höheren Umsätzen und Gewinnen ausgehe, als sie gegenüber dem Finanzamt prognostiziert habe. Hieraus ergebe sich eine mangelnde Glaubwürdigkeit der handelnden Personen. Auch erschlössen sich ihm, dem Antragsgegner, nicht die Hintergründe für die Unternehmensgründung. Es könne deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, dass überhaupt eine unternehmerische Tätigkeit entfaltet werden solle. Die Gefahr eines Missbrauchs sei gegeben, weil die Gefahr bestehe, dass die Antragstellerin die erteilte Steuernummer in der Folge dazu verwende, um eine Vielzahl von Rechnungen an eine Vielzahl namentlich bekannter Unternehmer zu erstellen, die ihrerseits die darin ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer berücksichtigen würden. Damit lägen die Voraussetzungen der Versagung vor.
Dem Gericht haben die Akte Neugründung F GmbH und die Rechtsbehelfsakte vorgelegen.
II.
Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
1. Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO); BFH, Beschluss vom 22.12.2006 VII B 121/06, BFH/NV 2007, 802 m. w. N.).
Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten ("wesentliche Nachteile" und "drohende Gewalt"). Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen. Das gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzbegehren ist nur im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz -GG-) gestattet und nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BFH, Beschluss vom 07.01.1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818, m. w. N.).
Die Entscheidung des Gerichts hat im summarischen Verfahren die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen und die Interessen des Antragstellers mit den Belangen der Öffentlichkeit abzuwägen.
2. Nach diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordungsgrund schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht.
a) Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Anordnungsanspruch zu.
aa) Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch von Unternehmern i. S. des § 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke ist zwar weder im Gemeinschaftsrecht noch im inländischen Recht ausdrücklich vorgesehen; das Bestehen eines solchen Anspruchs ergibt sich aber mittelbar aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG. Nach dieser Vorschrift muss eine Rechnung u. a. die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten. In den in § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG geregelten Fällen ist der Unternehmer, der eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausführt, verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Dies ist der Fall, wenn der Unternehmer einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person ausführt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG) oder wenn er eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ausführt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG).
Die Steuernummer dient danach nicht nur der verwaltungstechnischen Erfassung von Steuerpflichtigen und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Sie ist vielmehr regelmäßig Voraussetzung für ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden, soweit nicht ausnahmsweise ausschließlich Umsätze ausgeführt werden sollen, für die die Ausstellung einer Rechnung nicht vorgeschrieben ist. Der Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen unter Angabe der Steuernummer steht demgemäß ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des Unternehmers auf Erteilung einer Steuernummer gegenüber. Die Steuernummer ist zudem auch Voraussetzung für die Erteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nach § 27a UStG. In dem Antrag auf Erteilung einer solchen Nummer ist nämlich die Steuernummer, unter der der Antragsteller umsatzsteuerlich geführt wird, anzugeben (BFH, Beschluss vom 26.02.2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004 mit Hinweis auf § 27a Abs. 1 Satz 6 UStG).
bb) Lehnt das Finanzamt die Erteilung einer Steuernummer an eine GmbH ab, die zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtende Umsätze ausführen will, hat dies insoweit die Wirkung eines Tätigkeitsverbots und greift somit unmittelbar in den Schutzbereich des Grundrechts auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Dieses Grundrecht steht nicht nur "allen Deutschen" als natürlichen Personen zu, sondern es ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen des Privatrechts anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26.06.2002 1 BvR 558, 1428/91, BVerfGE 105, 252, 265). Das Grundrecht schützt sowohl das Recht, einen Beruf frei zu wählen, als auch die freie Berufsausübung. Unter Beruf ist dabei jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (BVerfG-Urteil vom 28.03.2006 1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276, 300).
Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen wurde, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfG-Urteil vom 28.03.2006 1 BvR 1054/01 BVerfGE 115, 276, 303 f.).
Der in der Ablehnung der Erteilung einer Steuernummer liegende Eingriff in die Berufsfreiheit einer GmbH entspricht schon deshalb nicht den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, weil es für einen solchen Eingriff, der unter den oben genannten Voraussetzungen einem Tätigkeitsverbot gleichkommt, an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Eine solche Grundlage lässt sich insbesondere nicht dem § 85 der Abgabenordnung (AO) entnehmen. Nach dieser Vorschrift haben die Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden. Wie sich auch aus der amtlichen Überschrift "Besteuerungsgrundsätze" ergibt, umschreibt die Vorschrift die Aufgaben der Finanzbehörden in allgemeiner Form, verleiht diesen aber keine Eingriffsbefugnisse. Die Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit ist in § 35 der Gewerbeordnung eingehend geregelt und obliegt den zuständigen Behörden, nicht aber den für die Erteilung einer Steuernummer zuständigen Finanzämtern (BFH, Beschluss vom 26.02.2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004).
Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG). Zur Begründung der Unternehmereigenschaft ist die Aufnahme der tatsächlichen Umsatztätigkeit nicht erforderlich. Die Unternehmereigenschaft beginnt vielmehr bereits mit den ersten auf die Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten, nach außen ersichtlichen Handlungen; dazu gehören auch Vorbereitungshandlungen wie etwa Investitionen in Räume oder Werbemaßnahmen. Entscheidend ist dabei die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben. Die GmbH braucht nicht über Geschäftsräume zu verfügen, die gewisse Mindestanforderungen erfüllen, um Unternehmerin i. S. des § 2 UStG sein zu können. Als Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift kommen sogar Domizilgesellschaften und "Strohmänner" in Betracht (BFH, Beschluss vom 26.02.2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004 m. w. N.).
cc) Zwar hat der Antragsgegner bisher die Erteilung der Steuernummer noch nicht endgültig versagt. Aber die Nichterteilung der Steuernummer innerhalb einer angemessenen Zeit bewirkt ebenfalls einen Eingriff in die grundgesetzliche geschützte Berufsfreiheit. Das gilt insbesondere dann, wenn bereits geplante Geschäfte nicht durchgeführt werden können, weil die erforderliche Steuernummer fehlt. Der Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke besteht bereits dann, wenn der Antragsteller ernsthaft erklärt, ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen. Da, wie dargelegt, die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke regelmäßig Voraussetzung für ein solches Tätigwerden ist, kann sie nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine entsprechende Tätigkeit bereits aufgenommen wurde.
Die vom Antragsgegner angeführte Gefahr kann die erforderliche gesetzliche Grundlage für den Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin, der in der Versagung der Steuernummer liegt, nicht ersetzen. Es ist Aufgabe des für die Besteuerung zuständigen Finanzamts, die Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen (§ 18 Abs. 1 und 3 UStG) auf mögliche Steuerverkürzungen zu überprüfen. Dieses Finanzamt kann zudem von den Möglichkeiten Gebrauch machen, die § 18f UStG hinsichtlich einer Sicherheitsleistung vorsieht (BFH, Beschluss vom 26.02.2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004).
Lediglich in offensichtlichen Missbrauchsfällen kann die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgelehnt werden. Der Missbrauch muss sich dabei auf die Umsatzsteuer beziehen und kann insbesondere in dem offenkundig verfolgten Ziel bestehen, den Vorsteuerabzug für zu privaten Zwecken bezogene Lieferungen oder Leistungen zu Unrecht in Anspruch nehmen zu können. Ausländerrechtliche oder arbeitsmarktpolitische Fragen können bereits wegen der insoweit fehlenden Zuständigkeit der Finanzämter nicht berücksichtigt werden (BFH, Urteil vom 23.09.2009 II 66/07, BStBl II 2010, 712). Insofern kann der grundsätzlich nachvollziehbare Einwand des Antragsgegners zu den unterschiedlichen Angaben bezüglich der erwarteten Umsätze und Gewinne kein anderes Ergebnis bewirken.
Gegen die grundsätzliche Verpflichtung zur Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke allein aufgrund der vom Antragsteller abgegebenen ernsthaften Erklärung, ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen, kann entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht eingewandt werden, dass sich aus der Erteilung eine Bindungswirkung für die spätere Festsetzung von Umsatzsteuer oder Umsatzsteuer-Vorauszahlungen ergebe. Eine gesetzliche Grundlage für eine solche Bindungswirkung gibt es nicht. Beim Erlass von Umsatzsteuerbescheiden ist vielmehr die Unternehmereigenschaft eigenständig zu prüfen, ohne dass es auf die Erteilung einer Steuernummer ankommt (BFH, Urteil vom 23.09.2009 II 66/07, BStBl II 2010, 712 m. w. N.).
Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug in Fällen, in denen es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zur Ausführung steuerpflichtiger, zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsätze kommt, wird ebenfalls nicht aus der Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgeleitet. Entscheidend sind vielmehr die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, i. S. von § 2 UStG eine Umsatztätigkeit gegen Entgelt selbständig auszuüben, sowie die Tätigung erster Investitionsausgaben für diesen Zweck (BFH, Urteil vom 23.09.2009 II 66/07, BStBl II 2010, 712). Die Unternehmereigenschaft des Leistenden ist bei der Steuerfestsetzung gegen den Leistungsempfänger, der den Vorsteuerabzug begehrt, und in einem etwaigen Rechtsstreit ebenfalls eigenständig zu prüfen (BFH, Beschluss vom 19.02.2008 XI B 205/07, BFH/NV 2008, 1210).
Dem rechtlichen und wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der Erteilung der Steuernummer steht nicht entgegen, dass sie ihre Stellung als Unternehmer auch zur Steuergefährdung missbrauchen kann. Die Umstände der Firmengründung, die Art der Geschäftsführung und der beabsichtigten Leistungen mögen zwar Anlass geben, an einer seriösen unternehmerischen Tätigkeit zu zweifeln. Dies berechtigt jedoch nicht, die steuerliche Erfassung zu verweigern, um eine mögliche Gefährdung des Steueraufkommens zu vermeiden (vgl. EUGH vom 14.03.2013 C-527/11, HFR 2013, 548). Eine solche Kompetenz zur Gefahrenabwehr sehen weder die Verfahrensvorschriften der AO noch die materiell-rechtlichen Regelungen des UStG und der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vor (FG Nürnberg, Beschluss vom 17.12.2007 2 V 1958/2007, DStRE 2008, 1147 m. w. N.). Der bisherige Vortrag des Antragsgegners ist nicht ausreichend, um bereits eine konkrete Steuergefährdung annehmen zu können.
Insoweit für das summarische Antragsverfahren ausreichend hat die Antragstellerin bereits eine Rechnung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass sie bereits ZZ eingekauft hat. Zwar äußert der Antragsgegner nachvollziehbare Zweifel an dieser Rechnung. Das alleine reicht aber nicht aus, um annehmen zu können, dass die Antragstellerin nicht unternehmerisch tätig werden will.
b) Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin ohne die Erteilung der Steuernummer die geplante und bereits begonnene unternehmerische Tätigkeit nicht ausüben kann und die ihr dadurch entstehenden Nachteile nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten, wenn sie mit ihrem Begehren erst im Hauptsacheverfahren Erfolg hätte. Bei diesen Nachteilen handelt es sich um wesentliche i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO, zumal sich die Ablehnung der Erteilung der Steuernummer als ein gewichtiger und nicht durch entsprechende Vorschriften begründeter Eingriff in das Grundrecht der Antragstellerin auf Berufsfreiheit darstellt.
3. Durch die ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners, der Antragstellerin (bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens) eine Steuernummer für steuerliche Zwecke zu erteilen, wird die Hauptsache nicht vorweggenommen. Gewährt wird vielmehr nur vorläufiger Rechtsschutz mit den sich aus § 114 Abs. 3 FGO ergebenden Folgen (vgl. BFH, Beschluss vom 20.12.2007 IX B 194/07, BFH/NV 2008, 600). Im Wege der einstweiligen Anordnung kann zum Zwecke vorläufigen Rechtsschutzes (mit den sich aus § 114 Abs. 3 FGO ergebenden Folgen) die Verpflichtung des Finanzamts ausgesprochen werden, der antragstellenden, zuvor gegründeten GmbH eine Steuernummer zuzuteilen. Sind nähere Einzelheiten der tatsächlichen Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit noch ungeklärt, sind sie im Verfahren zur Hauptsache zu klären.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
RechtsgebietFGOVorschriftenFGO § 114