28.11.2017 · IWW-Abrufnummer 197938
Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 11.05.2017 – 1 K 408/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen
Urt. v. 11.05.2017
Az.: 1 K 408/15
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen Finanzamt
- Beklagter -
wegen Einkommensteuer 06, 07, 08, 09
hat der I. Senat des Thüringer Finanzgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2017 für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Parteien streiten in den Kalenderjahren 06 - 09 über die Anerkennung von Werbungskosten der Klägerin aus Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung.
Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren 06 - 09 die Zusammenveranlagung gewählt hatten. Die Ehegatten waren in den Streitjahren Eigentümer eines Einfamilienhauses in A. Darüber hinaus hatten sie gemeinsam bis November 06 eine 86 m2 große Wohnung in B. angemietet.
Der Kläger arbeitete als Rechtsanwalt in der Wirtschaftsberatungsgesellschaft A. sowie in der Rechtsanwaltssozietät B. Von 01 bis 06 war er Präsident des C. und von 01 bis Mai 10 Mitglied im Verwaltungsrat der D. Darüber hinaus war er Beirat E. Von Dezember 06 bis September 08 war er Mitglied .... Seit dem Kalenderjahr 08 war er Mitglied des Rates der J-Gemeinde in G. In den Kalenderjahren 10 und 11 war er Präsident eines Clubs in G. Im Oktober 09 schloss der Kläger mit der ... einen Werkvertrag. Darüber hinaus bekleidete er die Stellung als Geschäftsführer der ... Betriebsgesellschaft mbH.
Die Klägerin war bis zum 30. September 05 als ...an der Universität in B. angestellt. Vom 1. Oktober 05 bis 31. Oktober 06 erhielt sie Leistungen der Agentur für Arbeit. Nach eigenen Angaben war sie bis Juni 06 im Rahmen des Forschungsprojektes "K" tätig (ohne Anstellungsvertrag und Bezahlung). Die Universität stellte ihr im Rahmen des Projekts eigene Räume zur Verfügung. Im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit vom 25. März 06 hatte die Klägerin als eigene "Bemühungen" angegeben, intensive Kontakte mit ...pflegen zu wollen, um sich über das Projekt K. selbst einen Arbeitsplatz zu schaffen. Im September 06 bewarb sie sich ...an der Universität in B. Am 4. November 06 begann sie ihre Tätigkeit im ....
Zum 1. Dezember 06 mieteten die Kläger anstelle der bisherigen Wohnung in B. ein Stadthaus in G. mit 134 m2 an. Ab März 09 war die Klägerin bei der L-GmbH. bis zum Mai 10 beschäftigt.
Nach der Veräußerung des gemeinsamen Hauses in A. - und der Ummeldung beider Ehegatten im Mai 10 nach G. - zogen die Eheleute im August 10 in die M-straße in G.
Die Klägerin machte bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von ...€ (2009), ... € (2010), ... € (2011) und ...€ (2012) als Werbungskosten geltend. Die Werbungskosten setzten sich zusammen aus Fahrtkosten für Familienheimfahrten, Unterkunftskosten, Umzugskosten sowie die Abschreibung für Abnutzung auf neue Einrichtungsgegenstände.
In seinen Einkommensteuerbescheiden vom 12. Oktober 08 (für das Kalenderjahr 06), vom 25. März 11 (für die Kalenderjahre 07 und 08) sowie dem Einkommensteuerbescheid 09 vom 23. September 11 erkannte der Beklagte die geltend gemachten Werbungskosten der Ehefrau nicht an.
Das Finanzamt argumentierte, dass die Klägerin mit dem Bezug der Wohnung in G. auch ihren Lebensmittelpunkt an den Beschäftigungsort (der Ehefrau) verlegt habe. Sie führe seither ihren Hausstand in G.
Gegen diese Bescheide legten die Kläger Einsprüche ein. Daraufhin erließ der Beklagte am 26. Februar 12 Änderungsbescheide für die Kalenderjahre 06 - 09, in denen er Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung der Klägerin beginnend ab November 06 bis September 08 teilweise anerkannte. Nach diesem Zeitpunkt (September 08) ging er davon aus, dass die Kläger - nach der Beendigung der ...tätigkeit des Klägers in F. - in G. einen gemeinsamen Hausstand begründet hatten. Werbungskosten der Ehefrau für doppelte Haushaltsführung erkannte er nach diesem Zeitpunkt daher nicht mehr an.
Das Finanzamt ging bei seiner Berechnung von folgenden Voraussetzungen aus: Soweit die Klägerin Mietkosten für eine Wohnung als Werbungskosten geltend gemacht hätte, gehörten zu den Kosten für eine angemessene Unterkunft Mietkosten für eine Wohnung mit einer Wohnfläche bis zu 60 m2 bei einer ortsüblichen Miete je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (ortsübliche Durchschnittsmiete). Der Beklagte rechnete daher die Wohnkosten der Wohnung in B. im Kalenderjahr 06 auf eine Wohnfläche von 60 m2 herunter. Ebenso verfuhr er mit der Wohnung in G. Hier legte er eine Durchschnittsmiete von ... € pro Quadratmeter zugrunde. Von den Umzugskosten der Wohnung in B. nach G. in Höhe von ... € erkannte der Beklagte lediglich einen Anteil i.H.v. 50 % an, da die Umzugsrechnung an den Kläger adressiert war und beide Ehegatten die Wohnung angemietet hatten.
Geltend gemachte Aufwendungen bzw. die darauf entfallende AfA für eine Polstergarnitur (2 x 2-Sitzer und 1-Sitzer) in Höhe von ... € nebst Transportkosten in Höhe von ... € erkannte der Beklagte nicht an. Denn die Rechnung für die Garnitur hatte das liefernde Möbelhaus an den Kläger adressiert. Aus der Rechnung war kein Transport nach G. erkennbar. Nach Auskunft des Finanzamts blieb auch unklar, welche Möbel in der Zweitwohnung in B. bereits vorhanden waren und welche die Kläger nach G. verbracht hatten.
Für Küche und Installationsteile hatte die Klägerin ...€ + ... € + ... € + ...€ als Bemessungsgrundlage für eine Abschreibung geltend gemacht. Das Finanzamt ging - unter Verweis auf das Urteil 2 K 863/08 - von einem Maximalbetrag an berücksichtigungsfähigen Anschaffungskosten für eine Küche in Höhe von 3.100,00 € aus. Unter Zugrundelegung einer 10-jährigen Abschreibung und unter Anerkennung von 50 % der AfA erkannte es 52,00 € als Werbungskosten an.
Anstelle von geltend gemachten Gesamtkosten für Waschmaschine/Trockner in Höhe von ... € erkannte der Beklagte einen maximalen Betrag von 800,00 € an, woraus sich eine AfA in Höhe von 13,00 € für das Kalenderjahr 2009 ergab (800,00 € : 10 Jahre = 80,00 € x 2/12 = 13,00 €).
Hinsichtlich des Postens Gardinen/Rollos/Plissees mit einem angesetzten Gesamtbetrag in Höhe von ...€ erkannte der Beklagte 490,00 € als angemessenen Werbungskostenbetrag an.
Für ein Schlafzimmer beanspruchten die Kläger einen Betrag in Höhe von ... €, für diverse Kleinmöbel ... €, ... €, ... €, ... €, ... €, ... €, ... €. Aus Sicht des Beklagten war diesbezüglich unklar, welche Möbel in der Zweitwohnung in B. bereits vorhanden waren und die Kläger nach G. transportiert hatten. Zudem hätten die Kläger nicht den Nachweis erbracht, dass in der Hauptwohnung gleichwertige Möbel vorhanden gewesen seien.
Für Anschaffungskosten in Höhe von ... € für ein TV-Gerät erkannte der Beklagte einen Maximalbetrag in Höhe von 800,00 € an. Ausgehend von einer 7-jährigen Nutzungsdauer des Gerätes erkannte er eine jährliche AfA in Höhe von 114,00 € an (mit Ausnahme von Monaten im Jahr ...sowie ...).
Werbungskosten für eine Heimkinoanlage (... €), für eine Kühl- und Gefrierkombination (... €), für ein Bild (...€), Tisch und Stühle (... €) erkannte der Beklagte nicht an.
Er gewährte für das Kalenderjahr 06 Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von ... € (anstelle geltend gemachter ... €). In diesem Jahr erkannte er Werbungskosten erst ab Beginn der neuen beruflichen Tätigkeit der Klägerin ab November 06 an.
Für das Kalenderjahr 07 gewährte er Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von ... € (anstelle von geltend gemachten ... €).
Für das Kalenderjahr 08 gewährte er Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von ... € (anstelle von geltend gemachten ... €).
Dabei ging er davon aus, dass der Kläger ab Oktober 08 seinen Wohnsitz ebenfalls nach G. verlegt hatte.
Für das Kalenderjahr 09 erkannte das Finanzamt keine doppelte Haushaltsführung - und daraus resultierende Werbungskosten - an (geltend gemacht: ... €).
Mit Entscheidung vom 9. Juni 12 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück.
Das Finanzamt sah keine Veranlassung, die gesetzlichen Neuregelungen für die doppelte Haushaltsführung, die erst ab dem Veranlagungszeitraum 11 anzuwenden seien, für die in Streit stehenden Vorjahre anzuwenden.
Im Übrigen ging es - nach der Ernennung der Klägerin im ...- ab diesem Zeitpunkt von einer doppelten Haushaltsführung der Klägerin aus.
Mitentscheidend für diese Einschätzung war, dass ihr Ehemann zu dieser Zeit Einkünfte aus einer Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in N. erzielte und ab dem 1. Dezember 06 Mitglied ... war.
Die Einkünfte des Klägers aus der Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in N. seien jedoch spätestens ab 08 stark rückläufig gewesen. Darüber hinaus habe das ...des Klägers im September 08 geendet. Der Beklagte vertrat insoweit die Ansicht, dass sich der Lebensmittelpunkt des Klägers im Kalenderjahr 08 maßgeblich nach I. verlagert habe. Wegen der Einzelheiten des Vortrags verweist der Senat auf die Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 12.
Das Finanzamt betonte, in den geänderten Einkommensteuerbescheiden 07 und 08 zugunsten der Kläger bereits zwei umgekehrte Familienheimfahrten pro Monat als Werbungskosten anerkannt zu haben. Er sei dabei von einem erhöhten Arbeitsaufwand der Klägerin ausgegangen, der sich zumindest zeitweise auch auf das Wochenende erstreckt haben könne. Für den Abzug weiterer Aufwendungen für Familienheimfahrten habe - mangels geeigneter Nachweise - kein Raum bestanden.
Der Beklagte begründete im Weiteren Kürzungen der geltend gemachten Werbungskosten für die Wohnungseinrichtung. Hier verwies er insbesondere darauf, dass durch eine Begrenzung auf die "notwendigen Mehraufwendungen" sichergestellt werden solle, dass die Kosten für die erforderliche zweite Wohnung des Steuerpflichtigen nicht unangemessen hoch ausfallen. Wegen der Einzelheiten des Vortrags verweist der Senat auf die Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 12.
Als nicht glaubhaft hat das Finanzamt die Ausführungen des Prozessvertreters zurückgewiesen, die Vier-Zimmer-Wohnung in G. mit einer Wohnfläche von 134 m2 sei einfach ausgestattet gewesen bzw. die Kosten für diese Wohnung seien als angemessen und notwendig zu qualifizieren. Ebenso konnte der Beklagte nicht nachvollziehen, dass die bisher in B. genutzten Einrichtungsgegenstände sämtlich verschlissen gewesen sein sollen, sodass sie vollständig hätten ausgetauscht werden müssen. Die ihm vorliegende Rechnung der Möbelspedition vom ... belege, dass am ... ein Möbeltransport von B. nach G. stattgefunden habe. Er gehe insoweit davon aus, dass die Kläger auch Einrichtungsgegenstände in die neue Zweitwohnung überführt hätten.
Die Kläger beanspruchen mit der vorliegenden Klage weiterhin höhere Werbungskosten der Klägerin aus einer doppelten Haushaltsführung in den Kalenderjahren 06 - 09:
Kalenderjahr 06
€ für ...Fahrten x ...km x 0,30 € (doppelter Haushalt vom 1. Januar - 31. Dezember 06, Beschäftigungsort B).
...€ tatsächliche Unterkunftskosten
... € für 4 Fahrten x ...km x 0,30 € (doppelter Haushalt vom 1. Dezember - 31. Dezember)
... € tatsächliche Unterkunftskosten
... € Umzugskosten
€ Transport Polstergarnitur vom Möbelhaus nach G.
... € Summe für anzusetzende Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung
Kalenderjahr 07
€ für ...Fahrten x ...km x 0,30 € (doppelter Haushalt bis 31. Dezember 07, Beschäftigungsort G.)
€ tatsächliche Unterkunftskosten
€ Summe Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung)
Kalenderjahr 08
€ für ...Fahrten x ...km x 0,30 € (doppelter Haushalt bis 31. Dezember 08, Beschäftigungsort G.)
€ tatsächliche Unterkunftskosten
€ Summe Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung
Kalenderjahr 09
€ für ..Tage x ...km x 0,30 € (Entfernungspauschale für regelmäßige Arbeitsstätte in G.)
€ für ...Tage x ...km x 0,30 € (Entfernungspauschale für regelmäßige Arbeitsstätte in O.)
€ für ...Fahrten x ...km x 0,30 € (für doppelten Haushalt bis 31. Dezember 09, Beschäftigungsort G. und O.)
€ für tatsächliche Unterkunftskosten
€ Summe für Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung
Zu diesen Positionen tragen die Kläger vor:
Zeitraum 1. Januar bis 31. Oktober 06
Im Kalenderjahr 06 habe der Beklagte die Kosten für die doppelte Haushaltsführung für den Zeitraum 1. Januar 06 bis 31. Oktober 06 unter Verweis auf § 3c EStG vollständig nicht anerkannt. Es liege jedoch kein Fall des § 3c EStG vor. Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung seien nicht im Zusammenhang mit den steuerfreien Lohnersatzleistungen angefallen. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5a EStG seien als Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen abzugsfähig, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstünden. Dies gelte unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten werde.
Werbungskosten seien Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nicht notwendig sei daher, dass in dem Veranlagungszeitraum, in dem Ausgaben angefallen seien, Einnahmen erzielt würden. Dass die Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung mit steuerpflichtigen Einnahmen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang gestanden hätten, zeige die Tätigkeit der Klägerin vor dem Bezug von Lohnersatzleistungen als auch ihre Tätigkeit seit dem November 06. Steuerfreie Lohnersatzleistungen hätte sie auch an ihrem Wohnsitz in A. beziehen können. Der bloße Wohnungswechsel am auswärtigen Beschäftigungsort führe nicht zu einer Aufgabe der beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung.
Zeitraum 1. November 06 bis 30. September 08
Für den Zeitraum 1. November 06 bis zum 30. September 08 habe das Finanzamt zwar die doppelte Haushaltsführung dem Grunde nach anerkannt. Es habe jedoch die geltend gemachten Aufwendungen nur zum Teil berücksichtigt. Sie, die Klägerin, sei in dem betroffenen Zeitraum bei der P. in I. tätig gewesen. Im Rahmen dieser Tätigkeit hätte sie auch repräsentative Aufgaben erfüllen müssen. Häufig hätte sie Gäste zu Arbeitsessen usw. im häuslichen Rahmen empfangen. Ein ihrer Tätigkeit angemessenes Umfeld sei zwingend erforderlich gewesen.
Das Finanzamt habe sowohl die direkten Unterkunftskosten als auch die Einrichtungskosten unzulässig gekürzt. Sie hätten im Rahmen des Einspruchsverfahrens einen Vorschlag zur Ermittlung der angemessenen Werbungskosten vorgelegt (Ansatz sämtlicher Einrichtungsgegenstände - mit Ausnahme der Heimkinoanlage, Kühl-/Gefrierkombination, Bild sowie Tisch und Stühle - pauschaliert im Verhältnis einer Wohnfläche von 60 m2 zur tatsächlichen Wohnfläche in Höhe von rund ... m2). Das Finanzamt habe den Vorschlag abgelehnt, obwohl sich die Werbungskosten auf einem Niveau befänden, welches ohnehin für Anwendungsfälle ab dem 1. Januar 2014 gesetzlich festgeschrieben sei (Neuregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG mit Wirkung ab 1. Januar 2014).
Sie, die Klägerin, sei durch ihre Tätigkeit auch an den Wochenenden zeitlich stark beansprucht gewesen. Dies habe zu sog. umgekehrten Familienheimfahrten geführt. In diesem Zusammenhang habe das Finanzamt die Bestätigung der verantwortlichen Leiterin der P. vollständig ignoriert. Gegen die Anerkennung der Fahrten als Werbungskosten spreche auch nicht das BFH-Urteil VI R 22/14. Der entschiedene Fall habe nicht die doppelte Haushaltsführung betroffen sondern eine auswärtige Tätigkeitsstätte. Der BFH habe offen gelassen, ob und unter welchen Voraussetzungen in besonders gelagerten Ausnahmefällen private Veranlassungsbeiträge zurücktreten würden und die Fahrt des Ehepartners zum Steuerpflichtigen ausnahmsweise als beruflich veranlasst anzusehen sei.
Zeitraum ab Oktober 08
Ab Oktober 08 habe das Finanzamt die doppelte Haushaltsführung dem Grunde nach nicht mehr anerkannt. Es habe behauptet, dass zu diesem Zeitpunkt eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes beider Ehegatten nach G. stattgefunden habe.
Diese Einschätzung sei unrichtig. Der "Mittelpunkt der Lebensverhältnisse" bei verheirateten Steuerpflichtigen sei regelmäßig der Familienhausstand (R 9.10 Abs. 1 Satz 4 der Lohnsteuerrichtlinien - LStR -). Dies sei bei ihnen A. gewesen.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 06 bis 09 vom 26. Februar 12 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 12 dahingehend zu ändern, dass Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung der Klägerin im Kalenderjahr 06 in Höhe von ... €, für das Kalenderjahr 07 in Höhe von ... €, für das Kalenderjahr 08 in Höhe von ... € und für das Kalenderjahr 09 in Höhe von ... € als weitere Werbungskosten der Klägerin bei den Einkünften aus nicht-selbstständiger Tätigkeit berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zunächst auf seine Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 12, auf die Bezug genommen wird. Darüber hinaus trägt er wie folgt vor:
Kalenderjahr 06
Soweit der Klägervertreter in seiner Klagebegründung erstmals vortrage, die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung hätten nicht in Zusammenhang mit den von der Klägerin seinerzeit bezogenen Lohnersatzleistungen gestanden, sondern seien durch das vorhergehende bzw. das nachfolgende Beschäftigungsverhältnis veranlasst gewesen, sei dem zu widersprechen. Die Klägerin habe einen beruflichen Veranlassungszusammenhang der in Rede stehenden Aufwendungen für die Zeit des Arbeitslosengeldbezuges vom 1. Januar bis 31. Oktober 06 nicht schlüssig dargelegt. Allein die Behauptung, ein wirtschaftlicher Zusammenhang ergebe sich aus (vor- und nachgelagerten) beruflichen Tätigkeiten der Klägerin, sei nicht ausreichend, einen Werbungskostenabzug zu begründen. Die Klägerin habe die Stelle an der Uni B. bereits am 30. September 05 - mithin vor Abschluss des Mietvertrages in B. am 15. November 05 - beendet. Sie habe diese Zweitwohnung daher weder in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme oder dem Wechsel eines Beschäftigungsverhältnisses bzw. einer dienstlichen Versetzung bezogen.
Eine berufliche Veranlassung durch das am 4. November 06 begründete Beschäftigungsverhältnis für die Zeit vor dem 4. November 06 könne er ebenfalls nicht erkennen. Ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart bestehe von dem Zeitpunkt an, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen ließe, dass ein Steuerpflichtiger den Entschluss zur Einkunftserzielung in der angestrebten Einkunftsart endgültig gefasst habe (BFH-Urteile vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307 und vom 15. April 1992 III R 96/88, BFHE 168, 133, BStBl II 1992, 819). Eine Beziehung der Wohnung in B. zu der am 4. November 06 aufgenommenen Tätigkeit in G. habe sie weder belegt noch glaubhaft gemacht.
Die ab dem 4. November 06 entstandenen Mietaufwendungen habe er als Werbungskosten anerkannt. Wegen der Höhe der berücksichtigten Aufwendungen verweise er auf seine Schreiben vom 19. September 11, vom 4. November 11 sowie die Erläuterungen im geänderten Einkommensteuerbescheid vom 26. Februar 12.
Kalenderjahr 07 bis September 08
Er sei mit der ...der Klägerin zum 4. November 06 davon ausgegangen, dass im Kalenderjahr 07 bis September 08 dem Grunde nach eine doppelte Haushaltsführung vorgelegen habe. Hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen habe der Prozessvertreter in seiner Klagebegründung pauschal vorgetragen, die Klägerin hätte im Rahmen ihrer Tätigkeit repräsentative Aufgaben erfüllen müssen. Ein dieser Tätigkeit angemessenes Umfeld sei daher zwingend erforderlich gewesen. Insoweit habe keine Kürzung der Unterkunfts- und Einrichtungskosten erfolgen dürfen.
Aufwendungen für den Haushalt eines Steuerpflichtigen seien grundsätzlich mit dem Grundfreibetrag abgegolten und nach § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht abziehbar. Demgegenüber weise § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG - im Falle einer doppelten Haushaltsführung - die Kosten für das Wohnen am Beschäftigungsort dem Grunde nach dem betrieblich oder beruflich veranlassten Mehraufwand zu.
Als Unterkunfts- bzw. Einrichtungskosten am Beschäftigungsort seien grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Aufwendungen anzusetzen. Die Ermittlung fiktiver Mietkosten sei aber dann geboten, wenn die tatsächlichen Kosten so hoch seien, dass sie nicht mehr "notwendige" Mehraufwendungen für die Unterkunft i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG darstellten (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 28/97, BFHE 191, 552, BStBl II 2000, 474).
Oktober 08 - 09
Seiner Ansicht nach hätte der Kläger - nach dem Ende seiner ...tätigkeit in F. - mit der Klägerin ab Oktober 08 in G. einen gemeinsamen Wohnsitz begründet. Für einen Werbungskostenabzug wegen einer doppelten Haushaltsführung bestehe seit dieser Zeit kein Anlass.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
I. Einkommensteuerbescheid 06
1. Soweit die Kläger für den Zeitraum 1. Januar - 31. Oktober 06 weitere Werbungskosten der Klägerin für eine doppelte Haushaltsführung geltend machen, ist die Klage teilweise begründet.
a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in der für den Streitzeitraum zutreffenden Gesetzesfassung sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstandes und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden. Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Beschäftigungsort anzusetzen.
Nach den vorliegenden Umständen - und den Darlegungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - geht der Senat davon aus, dass die Klägerin in B. einen eigenen Hausstand begründet hat, um im Rahmen ...an der Universität arbeiten zu können. Unwidersprochen hat sie dargelegt, dass die Universität ihr für ihre Forschungen eigene Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hat und das Projekt ...weitergeführt werden sollte. Sie hat nachgewiesen, sich auf eine Professur beworben zu haben. Glaubhaft ist für den Senat auch, dass diese Tätigkeit Grund für die Tätigkeit bei der P. war. Der Senat geht daher in einer Gesamtbetrachtung davon aus, dass die Klägerin mit ihrer ...Arbeit und ...die Grundlage für eine Beschäftigung hatte schaffen wollen (und geschaffen hat). Insoweit liegen vorweggenommene Werbungskosten vor, für die die Abzugsbeschränkung gemäß § 3c Abs. 1 EStG nicht einschlägig ist.
b) Die Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung der Klägerin für den Zeitraum 1. Januar - 31. Oktober 06 gewährt der Senat aufgrund folgender Erwägungen teilweise:
aa) Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung dürfen nur die "notwendigen" Mehraufwendungen als Werbungskosten geltend gemacht werden. Als derartige Unterkunftskosten sind grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Aufwendungen, namentlich für Miete einschließlich Nebenkosten (Unterkunftskosten i.e.S.) und für die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen (Unterkunftskosten i.w.S.), anzusetzen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist es allerdings geboten, fiktive Mietkosten anzusetzen, wenn die tatsächlichen Kosten so hoch sind, dass es sich nicht nur um "notwendige" Mehraufwendungen für die Unterkunft i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG handelt. Mietaufwendungen sind nicht mehr "notwendig", wenn der Steuerpflichtige zur Befriedigung seiner gesellschaftlichen Bedürfnisse eine große und teure Wohnung angemietet hat (BFH-Urteil vom 27. Juli 1995 VI R 32/95 -, BFHE 178, 348, BStBl II 1995, 841 m.w.N.).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass in Anbetracht der von Beschäftigungsort zu Beschäftigungsort erheblich schwankenden Wohnkosten eine betragsmäßige feste Obergrenze für die "Notwendigkeit" der Aufwendungen für Wohnen nicht gebildet werden kann. Unterhält daher eine Einzelperson eine Wohnung, wird eine Wohnfläche bis zu 60 m2 bei einem ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) für eine Einzelperson als ausreichend bemessen angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820). Der Senat folgt insoweit dem Beklagten, der für das Kalenderjahr 06 einen Mietzins für die Wohnung der Klägerin in Höhe von ... € als angemessen angesehen hat. Da die Klägerin jedoch eine Wohnfläche von ...m2 angemietet hatte, ergibt sich eine Kürzung der Werbungskosten für Wohnen. Daraus folgt folgende Rechnung:
€ Wohnkosten * 60 m2/86 m2 * 10 Monate = ... €
bb) Weiterhin kann die Klägerin im Rahmen der doppelten Haushaltsführung für Familienheimfahrten eine Entfernungspauschale von 0,30 €/Kilometer beanspruchen. Der Senat hält es für glaubhaft, dass die Klägerin - im Kalenderjahr 06 verfügte sie über ein eigenes Kfz - Fahrten von B. nach A. unternommen hat. Die Klägerin hat jedoch keine einzige Fahrt belegt. Insoweit geht der Senat im Wege einer griffweisen Schätzung davon aus, dass sie in den ersten 10 Monaten des Kalenderjahres 06 20 Fahrten durchgeführt hat. Dieser Betrachtung liegt zugrunde, dass sie in jedem Monat zwei Heimfahrten absolviert hat. Der Senat hat bei dieser Betrachtung die hohe Arbeitsbelastung der Klägerin im Rahmen des Projektes K. berücksichtigt. Die Werbungskosten berechnen sich wie folgt:
... km * 0,30 €/km Entfernungspauschale * 20 Fahrten = ...€
2. Hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände - betreffend den Umzug der Kläger und der Neuanschaffungen in der Wohnung in G. - folgt der Senat den Ausführungen des Beklagten in seiner Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 12. Die Berücksichtigung von Umzugskosten von B. nach G. in Höhe von ...€ haben die Kläger akzeptiert (vergleiche Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2017).
Bei der Polstergarnitur (2 X 2-Sitzer und 1-Sitzer) verweist der Senat darauf, dass die Kläger - entgegen der Behauptung des Klägers in der mündlichen Verhandlung - nicht nachgewiesen haben, dass ein Transport der Garnitur nach G. im Dezember 06 stattgefunden hat. Darüber hinaus haben sie nach Auskunft der Klägerin diese Garnitur angeschafft, um eine vorhandene und funktionsfähige Couch mit integrierter Liege zu ersetzen. Es handelte sich somit um eine Anschaffung, die allein dazu diente, eine bequemere und luxuriösere Sitzausstattung in der neuen Wohnung vorzuhalten. Die neue Polstergarnitur war damit nicht "notwendig" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nummer 5 EStG.
3. Die Klägerin kann keinen Werbungskostenabzug im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung in den Monaten November und Dezember 06 beanspruchen, denn die Klägerin hat ab November 06 keinen doppelten Haushalt geführt.
Nach Beginn der Tätigkeit der Klägerin bei der P. hat sie keine Heimfahrten mehr nach A. unternommen. Vielmehr hat ausschließlich der Kläger sie in den (gemeinsam angemieteten) Wohnungen in B. und G. besucht Die Kläger haben diese Fahrten als sog. "umgekehrte Heimfahrten" als Werbungskosten bei der doppelten Haushaltsführung der Klägerin geltend gemacht. Der Beklagte hat daraus Fahrtkosten in Höhe von 1.357 € anerkannt.
Der Senat ist der Ansicht, dass die Kläger diese Fahrten zu Unrecht als Werbungskosten beanspruchen. Das Finanzamt hätte diese Aufwendungen nicht als Werbungskosten bei der Klägerin berücksichtigen dürfen.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass der BFH mit Urteilen vom 2. Juli 1971 (VI R 35/68, BFHE 103, 333, BStBl II 1972, 67) sowie vom 28. Januar 1983 (VI R 136/79, BFHE 137, 496, BStBl II 1983, 313) sog. "umgekehrte Familienheimfahrten" als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anerkannt hatte. Bei diesen Fahrten handelte es sich um Besuchsfahrten, die die Familienangehörigen - zumeist der Ehepartner - unternehmen, um den beruflich unabkömmlichen Ehepartner zu besuchen.
a) Der Senat ist der Ansicht, dass sich die Kläger nicht auf diese Rechtsprechung berufen können. Denn die Klägerin hat ab November 06 keinen doppelten Haushalt geführt.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, indem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Hier ist zwischen dem Wohnen in einer Zweitwohnung an Beschäftigungsort und dem Unterhalten eines eigenen Hausstandes außerhalb dieses Ortes zu unterscheiden.
Mit dem "Hausstand" ist der erste Haushalt (Hauptwohnung) umschrieben, an dem sich der Arbeitnehmer - abgesehen von Zeiten der Arbeitstätigkeit und ggf. Urlaubsfahrten - regelmäßig auffällt, den er fortwährend nutzt und von dem aus er sein Privatleben führt, also seinen Lebensmittelpunkt hat. Das Vorhalten einer Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist dagegen nicht als "Unterhalten eines Hausstandes" zu werten (BFH-Urteil vom 16. Januar 2013 VI R 46/12, BFHE 240, 241, BStBl II 2013, 627 mit weiteren Nachweisen). Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn am Beschäftigungsort zugleich der Lebensmittelpunkt liegt (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2014 VI R 16/14, BFHE 247, 406, BStBl II 2015, 511).
Nach dem eigenen Vortrag der Kläger hat die Klägerin das gemeinsame Wohnhaus in A. seit November 06 bis in das Jahr 09 - in welchem Umfang zu diesem Zeitpunkt ist bisher völlig offen - nicht mehr besucht. Von einer doppelten Haushaltsführung in diesem Zeitraum - beginnend mit November 06 - kann daher keine Rede mehr sein. Vielmehr hatte sie ihren Lebensmittelpunkt ausschließlich in G. begründet. Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung kann die Klägerin seither nicht mehr beanspruchen.
b) Darüber hinaus können sich die Kläger nicht auf die Rechtsprechung zu den "umgekehrten Heimfahrten" berufen. Denn in den entschiedenen BFH-Fällen handelte es sich um einzelne Fahrten, die die Familie oder die Ehefrau unternommen haben. Der in diesen Fällen betroffene (besuchte) Ehepartner konnte aufgrund einer dienstlichen Anweisung oder eines Auslandsaufenthalts keine eigene Fahrt durchführen. Unabhängig davon, dass diese Urteile lediglich einzelne Fahrten zum Gegenstand hatten, handelte es sich um Entscheidungen, die Extremsituationen betrafen, denen die Rechtsprechung jeweils Rechnung tragen wollte. Den Urteilen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der jeweils entscheidende VI. Senat auch solche Fälle von der Konstruktion der "umgekehrten Familienheimfahrten" hat mit umfasst wissen wollen, bei denen lediglich ein Ehepartner über einen langen Zeitraum hinweg - im vorliegenden Fall ohne Ausnahme - die Besuchsfahrten (als Regelfall) vornimmt.
Gegenüber den vorgenannten Fällen beruhten die Fahrten des Klägers im vorliegenden Fall einzig und allein auf der Entscheidung der Klägerin, selbst nicht mehr nach A. zu fahren. Diese Entscheidung war nicht ausschließlich beruflich veranlasst. Der Senat trifft diese Feststellung auch unter der glaubhaften Darstellung eines hohen Arbeitsaufwandes der Klägerin. Sie wird schwerlich behaupten können, infolge beruflicher Beanspruchung über einen Zeitraum von mehreren Jahren keine Zeit gefunden zu haben, ihren vorgeblichen Hauptwohnsitz aufzusuchen. Unabhängig davon kommt es auf das virtuelle Gefühl eines anderweitigen Hauptwohnsitzes dann nicht mehr an, wenn der Steuerpflichtige lediglich seine Wohnung am Arbeitsort zum Wohnen nutzt. In einem solchen Fall sind die Aufwendungen für die stattdessen durchgeführten Besuchsfahrten des anderen Ehegatten zum Beschäftigungsort keine Werbungskosten (BFH-Beschluss vom 2. Februar 2011 VI R 15/10, BFHE 232, 494, BStBl II 2011, 456).
c) Der entscheidende Senat hat darüber hinaus Bedenken, der Rechtsprechung der "umgekehrten Familienheimfahrten" zu folgen.
"Beruflich veranlasst" sind nämlich grundsätzlich nur die Mobilitätskosten des steuerpflichtigen Arbeitnehmers selbst für seine eigenen beruflichen Fahrten. Die Aufwendungen für derartige Fahrten sind nach ständiger Rechtsprechung beruflich veranlasst (und damit als Werbungskosten abziehbar), weil der Steuerpflichtige sich aus beruflichem Anlass zu seiner Tätigkeitsstätte begeben hatte, um dort seine Berufstätigkeit auszuüben. Der Weg zur Tätigkeitsstätte und zurück ist notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften. Da der Arbeitnehmer typischerweise nicht am Ort seiner beruflichen (Auswärts-) Tätigkeit wohnt und auch nicht wohnen kann, kann er nur tätig werden, wenn er sich zu seiner Tätigkeitsstätte begibt (BFH-Beschluss vom 10. Januar 2008 VI R 17/0 7, BFHE 219, 358, BStBl II 2008, 234 [BFH 10.01.2008 - VI R 17/07] m.w.N.).
Unter diesem Aspekt hätten lediglich Fahrten, die die Klägerin selbst durchgeführt hätte, Fahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung sein können. Wie bereits dargestellt, hat sie jedoch - unbestritten bis zum Ende ihrer Tätigkeit bei der P. - keine Fahrten nach A. durchgeführt.
Die Fahrten des Klägers zu seiner Ehefrau nach G waren ebenfalls keine beruflich veranlassten Fahrten im Rahmen einer eigenen doppelten Haushaltführung. Denn sie dienten grundsätzlich nicht der Förderung seines Berufs. Insoweit sind die durchgeführten Fahrten weder bei der Klägerin noch bei ihm zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2015 VI R 22/14, BFHE 251, 344, BStBl II 2016, 179; der VI. Senat hat dahinstehen lassen, ob er an seiner Rechtsprechung der sogenannten "umgekehrten Familienheimfahrten" im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung festhält).
Für den entscheidenden Senat ist nicht ersichtlich, warum diese Überlegungen des zuvor zitierten BFH-Urteils im Rahmen sog. "umgekehrter Familienheimfahrten" nicht gelten sollten. Denn in diesen Fällen besteht nicht der notwendige Belastungszusammenhang (zwischen Arbeitsort und Hauptwohnung), der den Grund für die steuerrechtliche Anerkennung von Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bildet.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Schutz der Ehe gemäß Art. 6 des Grundgesetzes (GG). Danach hat der Gesetzgeber Regelungen zu unterlassen, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 10. Januar 1984 1 BvL 5/83, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 66, 84). Art. 6 erfordert, Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bei der Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, soweit es sich dabei um notwendigen Mehraufwand beiderseits berufstätiger Ehegatten handelt, der dadurch entsteht, dass ein gemeinsamer Wohnsitz an dem Beschäftigungsort des einen Ehegatten besteht und daneben ein weiterer Wohnsitz wegen der Berufstätigkeit des anderen Ehegatten unterhalten wird (BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 - 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27; BStBl II 2003, 534 [BVerfG 04.12.2002 - 2 BvR 400/98]). Der Gesetzgeber darf daher notwendigem Mehraufwand nicht wegen einer privaten Mitveranlassung den Abzug versagen. Anders als reine private Aufwendungen sind derartige, durch die Berufstätigkeit des Ehegatten veranlasste Aufwendungen für die Eheleute nicht frei disponibel.
Der Gesetzgeber hat dem Schutz der Ehe mit der bestehenden Regelung ausreichend Rechnung getragen. Seine Entscheidung, dass nur die Fahrten vom Beschäftigungsort zum Lebensmittelpunkt (Familienheimfahrten) Werbungskosten sind, verletzt nicht Art. 6 GG. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 3 EStG nur die Fahrten zu diesem Lebensmittelpunkt, dem gemeinsamen Familienwohnsitz, als den beiderseits berufstätigen Ehegatten notwendig entstandenen Aufwand qualifiziert. Eine Reise an den Beschäftigungsort des Ehegatten ist ungeachtet der doppelten Haushaltsführung eine private Wochenendreise (BFH-Beschluss vom 2. Februar 2011 VI R 15/10, BFHE 232, 494, BStBl II 2011, 456).
4. Der Beklagte hat im Verwaltungsverfahren der Klägerin - entgegen der vorangegangenen Ausführungen - einen Werbungskostenabzug in Höhe von 1.357 € für Fahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung gewährt. Dieser Werbungskostenabzug ist der Klägerin im Rahmen eines Klageverfahrens grundsätzlich zu belassen (Grundsatz des Verböserungsverbots).
Gemäß § 177 Abs. 2 der Abgabenordnung 1977 (AO) sind jedoch materielle Fehler zu berichtigen, soweit die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zu Gunsten des Steuerpflichtigen vorliegen. Gemäß § 177 Abs. 3 AO sind materielle Fehler im Sinne des Abs. 2 alle Fehler einschließlich offenbarer Unrichtigkeiten im Sinne des § 129, die zur Festsetzung einer Steuer führen, die von der kraft Gesetzes entstandenen Steuer abweicht.
Folge ist, dass die zu Unrecht gewährten Fahrten für doppelte Haushaltsführung mit den nunmehr gewährten Werbungskosten zu verrechnen sind.
Für das Kalenderjahr 06 können die Kläger daher folgende weitere Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung geltend machen:
...€ Wohnkosten
+ ...€ Fahrten dopp. Haushaltsführung Jan. - Okt. 06
./. ...€ gewährte Fahrten Nov./Dez. 06
Summe ...€
II. Die Kalenderjahre 07 bis 08
Für die Kalenderjahre 07 bis 08 können die Kläger keinen weiteren Werbungskostenabzug beanspruchen.
Der Senat verweist auf seine vorherigen Ausführungen. Danach bestand in diesen Kalenderjahren keine doppelte Haushaltsführung der Klägerin, aus der sie weitere Werbungskosten hätte beanspruchen können.
Rein deklaratorisch verweist der Senat darauf, dass selbst dann, wenn es auf die Frage "umgekehrter Familienheimfahrten" ankommen würde, die Schätzung des Beklagten als ausreichend bemessen zu betrachten wäre. Mangels ausreichenden Nachweises könnten die Kläger keine weiteren Fahrtkosten beanspruchen.
Auch in diesen Kalenderjahren geht der Senat davon aus, dass die Kläger für die Anschaffung weiterer Einrichtungsgegenstände keine höheren Werbungskosten (in Form von AfA) beanspruchen können. Jedenfalls fehlt ein nachvollziehbarer Vortrag, der Anlass für einen höheren Werbungskostenabzug sein könnte.
Soweit das Finanzamt in diesen Kalenderjahren Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung anerkannt hat, verbleiben sie der Klägerin wegen des im Klageverfahren geltenden Verböserungsverbots.
III. Kalenderjahr 09
Auch für das Kalenderjahr 09 kann die Klägerin keine weiteren Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung geltend machen.
Entgegen der Argumentation der Kläger in der mündlichen Verhandlung (und in vorherigen Schriftsätzen) folgt der Senat dem Beklagten dahin, dass der Kläger seinen Hauptwohnsitz bereits im Oktober 08 nach G. verlagert hatte. Für diese Annahme sprechen ausreichende Indizien. Der Kläger hat sich auch in der Woche in G. aufgehalten, Post wurde an ihn unter der Anschrift der gemeinsamen Wohnung in G. adressiert und der Kläger hat sich öffentlich engagiert. Auf der Internetseite der ... wird der Kläger zitiert, seinen Lebensmittelpunkt seit 08 nach I. verlegt zu haben.
Unabhängig davon ist nicht zu ersehen, dass die Klägerin im Kalenderjahr 09 wiederum eine doppelte Haushaltsführung - mit einem Hauptwohnsitz in A. - begründet hat.
Auch hier erscheinen dem Senat die Umstände eindeutig. Die Kläger haben in der G. eine Wohnung eingerichtet, die für eine Person - sowohl was die Einrichtung als auch die Größe der Wohnung als reine "Arbeitsplatzwohnung" betrifft - als überdimensioniert erscheint. Die Klägerin war nach Ende ihrer Tätigkeit bei der P. wiederum in I. beschäftigt. Im selben Jahr hatte ihr Ehemann mit der .... in I. einen Werkvertrag abgeschlossen und war Geschäftsführer der .... Betriebsgesellschaft mbH. Die Klägerin hat im Jahr 09 keine einzige Fahrt nach A. nachgewiesen. Selbst wenn sie nach F. gefahren wäre, würden gelegentliche Besuchsfahrten des Hauses in A. an der Frage des Hauptwohnsitzes keine Änderung in der rechtlichen Beurteilung herbeiführen. Diese Fahrten, so sie denn stattgefunden haben, sind als nicht beruflich veranlasst zu qualifizieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Senat sieht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 115 Abs. 2 FGO. Die Entscheidung beruht insbesondere auf tatsächlichen Erwägungen.
Urt. v. 11.05.2017
Az.: 1 K 408/15
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen Finanzamt
- Beklagter -
wegen Einkommensteuer 06, 07, 08, 09
hat der I. Senat des Thüringer Finanzgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2017 für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Parteien streiten in den Kalenderjahren 06 - 09 über die Anerkennung von Werbungskosten der Klägerin aus Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung.
Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren 06 - 09 die Zusammenveranlagung gewählt hatten. Die Ehegatten waren in den Streitjahren Eigentümer eines Einfamilienhauses in A. Darüber hinaus hatten sie gemeinsam bis November 06 eine 86 m2 große Wohnung in B. angemietet.
Der Kläger arbeitete als Rechtsanwalt in der Wirtschaftsberatungsgesellschaft A. sowie in der Rechtsanwaltssozietät B. Von 01 bis 06 war er Präsident des C. und von 01 bis Mai 10 Mitglied im Verwaltungsrat der D. Darüber hinaus war er Beirat E. Von Dezember 06 bis September 08 war er Mitglied .... Seit dem Kalenderjahr 08 war er Mitglied des Rates der J-Gemeinde in G. In den Kalenderjahren 10 und 11 war er Präsident eines Clubs in G. Im Oktober 09 schloss der Kläger mit der ... einen Werkvertrag. Darüber hinaus bekleidete er die Stellung als Geschäftsführer der ... Betriebsgesellschaft mbH.
Die Klägerin war bis zum 30. September 05 als ...an der Universität in B. angestellt. Vom 1. Oktober 05 bis 31. Oktober 06 erhielt sie Leistungen der Agentur für Arbeit. Nach eigenen Angaben war sie bis Juni 06 im Rahmen des Forschungsprojektes "K" tätig (ohne Anstellungsvertrag und Bezahlung). Die Universität stellte ihr im Rahmen des Projekts eigene Räume zur Verfügung. Im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit vom 25. März 06 hatte die Klägerin als eigene "Bemühungen" angegeben, intensive Kontakte mit ...pflegen zu wollen, um sich über das Projekt K. selbst einen Arbeitsplatz zu schaffen. Im September 06 bewarb sie sich ...an der Universität in B. Am 4. November 06 begann sie ihre Tätigkeit im ....
Zum 1. Dezember 06 mieteten die Kläger anstelle der bisherigen Wohnung in B. ein Stadthaus in G. mit 134 m2 an. Ab März 09 war die Klägerin bei der L-GmbH. bis zum Mai 10 beschäftigt.
Nach der Veräußerung des gemeinsamen Hauses in A. - und der Ummeldung beider Ehegatten im Mai 10 nach G. - zogen die Eheleute im August 10 in die M-straße in G.
Die Klägerin machte bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von ...€ (2009), ... € (2010), ... € (2011) und ...€ (2012) als Werbungskosten geltend. Die Werbungskosten setzten sich zusammen aus Fahrtkosten für Familienheimfahrten, Unterkunftskosten, Umzugskosten sowie die Abschreibung für Abnutzung auf neue Einrichtungsgegenstände.
In seinen Einkommensteuerbescheiden vom 12. Oktober 08 (für das Kalenderjahr 06), vom 25. März 11 (für die Kalenderjahre 07 und 08) sowie dem Einkommensteuerbescheid 09 vom 23. September 11 erkannte der Beklagte die geltend gemachten Werbungskosten der Ehefrau nicht an.
Das Finanzamt argumentierte, dass die Klägerin mit dem Bezug der Wohnung in G. auch ihren Lebensmittelpunkt an den Beschäftigungsort (der Ehefrau) verlegt habe. Sie führe seither ihren Hausstand in G.
Gegen diese Bescheide legten die Kläger Einsprüche ein. Daraufhin erließ der Beklagte am 26. Februar 12 Änderungsbescheide für die Kalenderjahre 06 - 09, in denen er Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung der Klägerin beginnend ab November 06 bis September 08 teilweise anerkannte. Nach diesem Zeitpunkt (September 08) ging er davon aus, dass die Kläger - nach der Beendigung der ...tätigkeit des Klägers in F. - in G. einen gemeinsamen Hausstand begründet hatten. Werbungskosten der Ehefrau für doppelte Haushaltsführung erkannte er nach diesem Zeitpunkt daher nicht mehr an.
Das Finanzamt ging bei seiner Berechnung von folgenden Voraussetzungen aus: Soweit die Klägerin Mietkosten für eine Wohnung als Werbungskosten geltend gemacht hätte, gehörten zu den Kosten für eine angemessene Unterkunft Mietkosten für eine Wohnung mit einer Wohnfläche bis zu 60 m2 bei einer ortsüblichen Miete je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (ortsübliche Durchschnittsmiete). Der Beklagte rechnete daher die Wohnkosten der Wohnung in B. im Kalenderjahr 06 auf eine Wohnfläche von 60 m2 herunter. Ebenso verfuhr er mit der Wohnung in G. Hier legte er eine Durchschnittsmiete von ... € pro Quadratmeter zugrunde. Von den Umzugskosten der Wohnung in B. nach G. in Höhe von ... € erkannte der Beklagte lediglich einen Anteil i.H.v. 50 % an, da die Umzugsrechnung an den Kläger adressiert war und beide Ehegatten die Wohnung angemietet hatten.
Geltend gemachte Aufwendungen bzw. die darauf entfallende AfA für eine Polstergarnitur (2 x 2-Sitzer und 1-Sitzer) in Höhe von ... € nebst Transportkosten in Höhe von ... € erkannte der Beklagte nicht an. Denn die Rechnung für die Garnitur hatte das liefernde Möbelhaus an den Kläger adressiert. Aus der Rechnung war kein Transport nach G. erkennbar. Nach Auskunft des Finanzamts blieb auch unklar, welche Möbel in der Zweitwohnung in B. bereits vorhanden waren und welche die Kläger nach G. verbracht hatten.
Für Küche und Installationsteile hatte die Klägerin ...€ + ... € + ... € + ...€ als Bemessungsgrundlage für eine Abschreibung geltend gemacht. Das Finanzamt ging - unter Verweis auf das Urteil 2 K 863/08 - von einem Maximalbetrag an berücksichtigungsfähigen Anschaffungskosten für eine Küche in Höhe von 3.100,00 € aus. Unter Zugrundelegung einer 10-jährigen Abschreibung und unter Anerkennung von 50 % der AfA erkannte es 52,00 € als Werbungskosten an.
Anstelle von geltend gemachten Gesamtkosten für Waschmaschine/Trockner in Höhe von ... € erkannte der Beklagte einen maximalen Betrag von 800,00 € an, woraus sich eine AfA in Höhe von 13,00 € für das Kalenderjahr 2009 ergab (800,00 € : 10 Jahre = 80,00 € x 2/12 = 13,00 €).
Hinsichtlich des Postens Gardinen/Rollos/Plissees mit einem angesetzten Gesamtbetrag in Höhe von ...€ erkannte der Beklagte 490,00 € als angemessenen Werbungskostenbetrag an.
Für ein Schlafzimmer beanspruchten die Kläger einen Betrag in Höhe von ... €, für diverse Kleinmöbel ... €, ... €, ... €, ... €, ... €, ... €, ... €. Aus Sicht des Beklagten war diesbezüglich unklar, welche Möbel in der Zweitwohnung in B. bereits vorhanden waren und die Kläger nach G. transportiert hatten. Zudem hätten die Kläger nicht den Nachweis erbracht, dass in der Hauptwohnung gleichwertige Möbel vorhanden gewesen seien.
Für Anschaffungskosten in Höhe von ... € für ein TV-Gerät erkannte der Beklagte einen Maximalbetrag in Höhe von 800,00 € an. Ausgehend von einer 7-jährigen Nutzungsdauer des Gerätes erkannte er eine jährliche AfA in Höhe von 114,00 € an (mit Ausnahme von Monaten im Jahr ...sowie ...).
Werbungskosten für eine Heimkinoanlage (... €), für eine Kühl- und Gefrierkombination (... €), für ein Bild (...€), Tisch und Stühle (... €) erkannte der Beklagte nicht an.
Er gewährte für das Kalenderjahr 06 Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von ... € (anstelle geltend gemachter ... €). In diesem Jahr erkannte er Werbungskosten erst ab Beginn der neuen beruflichen Tätigkeit der Klägerin ab November 06 an.
Für das Kalenderjahr 07 gewährte er Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von ... € (anstelle von geltend gemachten ... €).
Für das Kalenderjahr 08 gewährte er Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von ... € (anstelle von geltend gemachten ... €).
Dabei ging er davon aus, dass der Kläger ab Oktober 08 seinen Wohnsitz ebenfalls nach G. verlegt hatte.
Für das Kalenderjahr 09 erkannte das Finanzamt keine doppelte Haushaltsführung - und daraus resultierende Werbungskosten - an (geltend gemacht: ... €).
Mit Entscheidung vom 9. Juni 12 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück.
Das Finanzamt sah keine Veranlassung, die gesetzlichen Neuregelungen für die doppelte Haushaltsführung, die erst ab dem Veranlagungszeitraum 11 anzuwenden seien, für die in Streit stehenden Vorjahre anzuwenden.
Im Übrigen ging es - nach der Ernennung der Klägerin im ...- ab diesem Zeitpunkt von einer doppelten Haushaltsführung der Klägerin aus.
Mitentscheidend für diese Einschätzung war, dass ihr Ehemann zu dieser Zeit Einkünfte aus einer Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in N. erzielte und ab dem 1. Dezember 06 Mitglied ... war.
Die Einkünfte des Klägers aus der Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in N. seien jedoch spätestens ab 08 stark rückläufig gewesen. Darüber hinaus habe das ...des Klägers im September 08 geendet. Der Beklagte vertrat insoweit die Ansicht, dass sich der Lebensmittelpunkt des Klägers im Kalenderjahr 08 maßgeblich nach I. verlagert habe. Wegen der Einzelheiten des Vortrags verweist der Senat auf die Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 12.
Das Finanzamt betonte, in den geänderten Einkommensteuerbescheiden 07 und 08 zugunsten der Kläger bereits zwei umgekehrte Familienheimfahrten pro Monat als Werbungskosten anerkannt zu haben. Er sei dabei von einem erhöhten Arbeitsaufwand der Klägerin ausgegangen, der sich zumindest zeitweise auch auf das Wochenende erstreckt haben könne. Für den Abzug weiterer Aufwendungen für Familienheimfahrten habe - mangels geeigneter Nachweise - kein Raum bestanden.
Der Beklagte begründete im Weiteren Kürzungen der geltend gemachten Werbungskosten für die Wohnungseinrichtung. Hier verwies er insbesondere darauf, dass durch eine Begrenzung auf die "notwendigen Mehraufwendungen" sichergestellt werden solle, dass die Kosten für die erforderliche zweite Wohnung des Steuerpflichtigen nicht unangemessen hoch ausfallen. Wegen der Einzelheiten des Vortrags verweist der Senat auf die Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 12.
Als nicht glaubhaft hat das Finanzamt die Ausführungen des Prozessvertreters zurückgewiesen, die Vier-Zimmer-Wohnung in G. mit einer Wohnfläche von 134 m2 sei einfach ausgestattet gewesen bzw. die Kosten für diese Wohnung seien als angemessen und notwendig zu qualifizieren. Ebenso konnte der Beklagte nicht nachvollziehen, dass die bisher in B. genutzten Einrichtungsgegenstände sämtlich verschlissen gewesen sein sollen, sodass sie vollständig hätten ausgetauscht werden müssen. Die ihm vorliegende Rechnung der Möbelspedition vom ... belege, dass am ... ein Möbeltransport von B. nach G. stattgefunden habe. Er gehe insoweit davon aus, dass die Kläger auch Einrichtungsgegenstände in die neue Zweitwohnung überführt hätten.
Die Kläger beanspruchen mit der vorliegenden Klage weiterhin höhere Werbungskosten der Klägerin aus einer doppelten Haushaltsführung in den Kalenderjahren 06 - 09:
Kalenderjahr 06
€ für ...Fahrten x ...km x 0,30 € (doppelter Haushalt vom 1. Januar - 31. Dezember 06, Beschäftigungsort B).
...€ tatsächliche Unterkunftskosten
... € für 4 Fahrten x ...km x 0,30 € (doppelter Haushalt vom 1. Dezember - 31. Dezember)
... € tatsächliche Unterkunftskosten
... € Umzugskosten
€ Transport Polstergarnitur vom Möbelhaus nach G.
... € Summe für anzusetzende Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung
Kalenderjahr 07
€ für ...Fahrten x ...km x 0,30 € (doppelter Haushalt bis 31. Dezember 07, Beschäftigungsort G.)
€ tatsächliche Unterkunftskosten
€ Summe Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung)
Kalenderjahr 08
€ für ...Fahrten x ...km x 0,30 € (doppelter Haushalt bis 31. Dezember 08, Beschäftigungsort G.)
€ tatsächliche Unterkunftskosten
€ Summe Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung
Kalenderjahr 09
€ für ..Tage x ...km x 0,30 € (Entfernungspauschale für regelmäßige Arbeitsstätte in G.)
€ für ...Tage x ...km x 0,30 € (Entfernungspauschale für regelmäßige Arbeitsstätte in O.)
€ für ...Fahrten x ...km x 0,30 € (für doppelten Haushalt bis 31. Dezember 09, Beschäftigungsort G. und O.)
€ für tatsächliche Unterkunftskosten
€ Summe für Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung
Zu diesen Positionen tragen die Kläger vor:
Zeitraum 1. Januar bis 31. Oktober 06
Im Kalenderjahr 06 habe der Beklagte die Kosten für die doppelte Haushaltsführung für den Zeitraum 1. Januar 06 bis 31. Oktober 06 unter Verweis auf § 3c EStG vollständig nicht anerkannt. Es liege jedoch kein Fall des § 3c EStG vor. Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung seien nicht im Zusammenhang mit den steuerfreien Lohnersatzleistungen angefallen. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5a EStG seien als Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen abzugsfähig, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstünden. Dies gelte unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten werde.
Werbungskosten seien Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nicht notwendig sei daher, dass in dem Veranlagungszeitraum, in dem Ausgaben angefallen seien, Einnahmen erzielt würden. Dass die Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung mit steuerpflichtigen Einnahmen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang gestanden hätten, zeige die Tätigkeit der Klägerin vor dem Bezug von Lohnersatzleistungen als auch ihre Tätigkeit seit dem November 06. Steuerfreie Lohnersatzleistungen hätte sie auch an ihrem Wohnsitz in A. beziehen können. Der bloße Wohnungswechsel am auswärtigen Beschäftigungsort führe nicht zu einer Aufgabe der beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung.
Zeitraum 1. November 06 bis 30. September 08
Für den Zeitraum 1. November 06 bis zum 30. September 08 habe das Finanzamt zwar die doppelte Haushaltsführung dem Grunde nach anerkannt. Es habe jedoch die geltend gemachten Aufwendungen nur zum Teil berücksichtigt. Sie, die Klägerin, sei in dem betroffenen Zeitraum bei der P. in I. tätig gewesen. Im Rahmen dieser Tätigkeit hätte sie auch repräsentative Aufgaben erfüllen müssen. Häufig hätte sie Gäste zu Arbeitsessen usw. im häuslichen Rahmen empfangen. Ein ihrer Tätigkeit angemessenes Umfeld sei zwingend erforderlich gewesen.
Das Finanzamt habe sowohl die direkten Unterkunftskosten als auch die Einrichtungskosten unzulässig gekürzt. Sie hätten im Rahmen des Einspruchsverfahrens einen Vorschlag zur Ermittlung der angemessenen Werbungskosten vorgelegt (Ansatz sämtlicher Einrichtungsgegenstände - mit Ausnahme der Heimkinoanlage, Kühl-/Gefrierkombination, Bild sowie Tisch und Stühle - pauschaliert im Verhältnis einer Wohnfläche von 60 m2 zur tatsächlichen Wohnfläche in Höhe von rund ... m2). Das Finanzamt habe den Vorschlag abgelehnt, obwohl sich die Werbungskosten auf einem Niveau befänden, welches ohnehin für Anwendungsfälle ab dem 1. Januar 2014 gesetzlich festgeschrieben sei (Neuregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG mit Wirkung ab 1. Januar 2014).
Sie, die Klägerin, sei durch ihre Tätigkeit auch an den Wochenenden zeitlich stark beansprucht gewesen. Dies habe zu sog. umgekehrten Familienheimfahrten geführt. In diesem Zusammenhang habe das Finanzamt die Bestätigung der verantwortlichen Leiterin der P. vollständig ignoriert. Gegen die Anerkennung der Fahrten als Werbungskosten spreche auch nicht das BFH-Urteil VI R 22/14. Der entschiedene Fall habe nicht die doppelte Haushaltsführung betroffen sondern eine auswärtige Tätigkeitsstätte. Der BFH habe offen gelassen, ob und unter welchen Voraussetzungen in besonders gelagerten Ausnahmefällen private Veranlassungsbeiträge zurücktreten würden und die Fahrt des Ehepartners zum Steuerpflichtigen ausnahmsweise als beruflich veranlasst anzusehen sei.
Zeitraum ab Oktober 08
Ab Oktober 08 habe das Finanzamt die doppelte Haushaltsführung dem Grunde nach nicht mehr anerkannt. Es habe behauptet, dass zu diesem Zeitpunkt eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes beider Ehegatten nach G. stattgefunden habe.
Diese Einschätzung sei unrichtig. Der "Mittelpunkt der Lebensverhältnisse" bei verheirateten Steuerpflichtigen sei regelmäßig der Familienhausstand (R 9.10 Abs. 1 Satz 4 der Lohnsteuerrichtlinien - LStR -). Dies sei bei ihnen A. gewesen.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 06 bis 09 vom 26. Februar 12 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 12 dahingehend zu ändern, dass Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung der Klägerin im Kalenderjahr 06 in Höhe von ... €, für das Kalenderjahr 07 in Höhe von ... €, für das Kalenderjahr 08 in Höhe von ... € und für das Kalenderjahr 09 in Höhe von ... € als weitere Werbungskosten der Klägerin bei den Einkünften aus nicht-selbstständiger Tätigkeit berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zunächst auf seine Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 12, auf die Bezug genommen wird. Darüber hinaus trägt er wie folgt vor:
Kalenderjahr 06
Soweit der Klägervertreter in seiner Klagebegründung erstmals vortrage, die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung hätten nicht in Zusammenhang mit den von der Klägerin seinerzeit bezogenen Lohnersatzleistungen gestanden, sondern seien durch das vorhergehende bzw. das nachfolgende Beschäftigungsverhältnis veranlasst gewesen, sei dem zu widersprechen. Die Klägerin habe einen beruflichen Veranlassungszusammenhang der in Rede stehenden Aufwendungen für die Zeit des Arbeitslosengeldbezuges vom 1. Januar bis 31. Oktober 06 nicht schlüssig dargelegt. Allein die Behauptung, ein wirtschaftlicher Zusammenhang ergebe sich aus (vor- und nachgelagerten) beruflichen Tätigkeiten der Klägerin, sei nicht ausreichend, einen Werbungskostenabzug zu begründen. Die Klägerin habe die Stelle an der Uni B. bereits am 30. September 05 - mithin vor Abschluss des Mietvertrages in B. am 15. November 05 - beendet. Sie habe diese Zweitwohnung daher weder in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme oder dem Wechsel eines Beschäftigungsverhältnisses bzw. einer dienstlichen Versetzung bezogen.
Eine berufliche Veranlassung durch das am 4. November 06 begründete Beschäftigungsverhältnis für die Zeit vor dem 4. November 06 könne er ebenfalls nicht erkennen. Ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart bestehe von dem Zeitpunkt an, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen ließe, dass ein Steuerpflichtiger den Entschluss zur Einkunftserzielung in der angestrebten Einkunftsart endgültig gefasst habe (BFH-Urteile vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307 und vom 15. April 1992 III R 96/88, BFHE 168, 133, BStBl II 1992, 819). Eine Beziehung der Wohnung in B. zu der am 4. November 06 aufgenommenen Tätigkeit in G. habe sie weder belegt noch glaubhaft gemacht.
Die ab dem 4. November 06 entstandenen Mietaufwendungen habe er als Werbungskosten anerkannt. Wegen der Höhe der berücksichtigten Aufwendungen verweise er auf seine Schreiben vom 19. September 11, vom 4. November 11 sowie die Erläuterungen im geänderten Einkommensteuerbescheid vom 26. Februar 12.
Kalenderjahr 07 bis September 08
Er sei mit der ...der Klägerin zum 4. November 06 davon ausgegangen, dass im Kalenderjahr 07 bis September 08 dem Grunde nach eine doppelte Haushaltsführung vorgelegen habe. Hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen habe der Prozessvertreter in seiner Klagebegründung pauschal vorgetragen, die Klägerin hätte im Rahmen ihrer Tätigkeit repräsentative Aufgaben erfüllen müssen. Ein dieser Tätigkeit angemessenes Umfeld sei daher zwingend erforderlich gewesen. Insoweit habe keine Kürzung der Unterkunfts- und Einrichtungskosten erfolgen dürfen.
Aufwendungen für den Haushalt eines Steuerpflichtigen seien grundsätzlich mit dem Grundfreibetrag abgegolten und nach § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht abziehbar. Demgegenüber weise § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG - im Falle einer doppelten Haushaltsführung - die Kosten für das Wohnen am Beschäftigungsort dem Grunde nach dem betrieblich oder beruflich veranlassten Mehraufwand zu.
Als Unterkunfts- bzw. Einrichtungskosten am Beschäftigungsort seien grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Aufwendungen anzusetzen. Die Ermittlung fiktiver Mietkosten sei aber dann geboten, wenn die tatsächlichen Kosten so hoch seien, dass sie nicht mehr "notwendige" Mehraufwendungen für die Unterkunft i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG darstellten (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 28/97, BFHE 191, 552, BStBl II 2000, 474).
Oktober 08 - 09
Seiner Ansicht nach hätte der Kläger - nach dem Ende seiner ...tätigkeit in F. - mit der Klägerin ab Oktober 08 in G. einen gemeinsamen Wohnsitz begründet. Für einen Werbungskostenabzug wegen einer doppelten Haushaltsführung bestehe seit dieser Zeit kein Anlass.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
I. Einkommensteuerbescheid 06
1. Soweit die Kläger für den Zeitraum 1. Januar - 31. Oktober 06 weitere Werbungskosten der Klägerin für eine doppelte Haushaltsführung geltend machen, ist die Klage teilweise begründet.
a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in der für den Streitzeitraum zutreffenden Gesetzesfassung sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstandes und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden. Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Beschäftigungsort anzusetzen.
Nach den vorliegenden Umständen - und den Darlegungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - geht der Senat davon aus, dass die Klägerin in B. einen eigenen Hausstand begründet hat, um im Rahmen ...an der Universität arbeiten zu können. Unwidersprochen hat sie dargelegt, dass die Universität ihr für ihre Forschungen eigene Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hat und das Projekt ...weitergeführt werden sollte. Sie hat nachgewiesen, sich auf eine Professur beworben zu haben. Glaubhaft ist für den Senat auch, dass diese Tätigkeit Grund für die Tätigkeit bei der P. war. Der Senat geht daher in einer Gesamtbetrachtung davon aus, dass die Klägerin mit ihrer ...Arbeit und ...die Grundlage für eine Beschäftigung hatte schaffen wollen (und geschaffen hat). Insoweit liegen vorweggenommene Werbungskosten vor, für die die Abzugsbeschränkung gemäß § 3c Abs. 1 EStG nicht einschlägig ist.
b) Die Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung der Klägerin für den Zeitraum 1. Januar - 31. Oktober 06 gewährt der Senat aufgrund folgender Erwägungen teilweise:
aa) Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung dürfen nur die "notwendigen" Mehraufwendungen als Werbungskosten geltend gemacht werden. Als derartige Unterkunftskosten sind grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Aufwendungen, namentlich für Miete einschließlich Nebenkosten (Unterkunftskosten i.e.S.) und für die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen (Unterkunftskosten i.w.S.), anzusetzen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist es allerdings geboten, fiktive Mietkosten anzusetzen, wenn die tatsächlichen Kosten so hoch sind, dass es sich nicht nur um "notwendige" Mehraufwendungen für die Unterkunft i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG handelt. Mietaufwendungen sind nicht mehr "notwendig", wenn der Steuerpflichtige zur Befriedigung seiner gesellschaftlichen Bedürfnisse eine große und teure Wohnung angemietet hat (BFH-Urteil vom 27. Juli 1995 VI R 32/95 -, BFHE 178, 348, BStBl II 1995, 841 m.w.N.).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass in Anbetracht der von Beschäftigungsort zu Beschäftigungsort erheblich schwankenden Wohnkosten eine betragsmäßige feste Obergrenze für die "Notwendigkeit" der Aufwendungen für Wohnen nicht gebildet werden kann. Unterhält daher eine Einzelperson eine Wohnung, wird eine Wohnfläche bis zu 60 m2 bei einem ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) für eine Einzelperson als ausreichend bemessen angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820). Der Senat folgt insoweit dem Beklagten, der für das Kalenderjahr 06 einen Mietzins für die Wohnung der Klägerin in Höhe von ... € als angemessen angesehen hat. Da die Klägerin jedoch eine Wohnfläche von ...m2 angemietet hatte, ergibt sich eine Kürzung der Werbungskosten für Wohnen. Daraus folgt folgende Rechnung:
€ Wohnkosten * 60 m2/86 m2 * 10 Monate = ... €
bb) Weiterhin kann die Klägerin im Rahmen der doppelten Haushaltsführung für Familienheimfahrten eine Entfernungspauschale von 0,30 €/Kilometer beanspruchen. Der Senat hält es für glaubhaft, dass die Klägerin - im Kalenderjahr 06 verfügte sie über ein eigenes Kfz - Fahrten von B. nach A. unternommen hat. Die Klägerin hat jedoch keine einzige Fahrt belegt. Insoweit geht der Senat im Wege einer griffweisen Schätzung davon aus, dass sie in den ersten 10 Monaten des Kalenderjahres 06 20 Fahrten durchgeführt hat. Dieser Betrachtung liegt zugrunde, dass sie in jedem Monat zwei Heimfahrten absolviert hat. Der Senat hat bei dieser Betrachtung die hohe Arbeitsbelastung der Klägerin im Rahmen des Projektes K. berücksichtigt. Die Werbungskosten berechnen sich wie folgt:
... km * 0,30 €/km Entfernungspauschale * 20 Fahrten = ...€
2. Hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände - betreffend den Umzug der Kläger und der Neuanschaffungen in der Wohnung in G. - folgt der Senat den Ausführungen des Beklagten in seiner Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 12. Die Berücksichtigung von Umzugskosten von B. nach G. in Höhe von ...€ haben die Kläger akzeptiert (vergleiche Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2017).
Bei der Polstergarnitur (2 X 2-Sitzer und 1-Sitzer) verweist der Senat darauf, dass die Kläger - entgegen der Behauptung des Klägers in der mündlichen Verhandlung - nicht nachgewiesen haben, dass ein Transport der Garnitur nach G. im Dezember 06 stattgefunden hat. Darüber hinaus haben sie nach Auskunft der Klägerin diese Garnitur angeschafft, um eine vorhandene und funktionsfähige Couch mit integrierter Liege zu ersetzen. Es handelte sich somit um eine Anschaffung, die allein dazu diente, eine bequemere und luxuriösere Sitzausstattung in der neuen Wohnung vorzuhalten. Die neue Polstergarnitur war damit nicht "notwendig" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nummer 5 EStG.
3. Die Klägerin kann keinen Werbungskostenabzug im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung in den Monaten November und Dezember 06 beanspruchen, denn die Klägerin hat ab November 06 keinen doppelten Haushalt geführt.
Nach Beginn der Tätigkeit der Klägerin bei der P. hat sie keine Heimfahrten mehr nach A. unternommen. Vielmehr hat ausschließlich der Kläger sie in den (gemeinsam angemieteten) Wohnungen in B. und G. besucht Die Kläger haben diese Fahrten als sog. "umgekehrte Heimfahrten" als Werbungskosten bei der doppelten Haushaltsführung der Klägerin geltend gemacht. Der Beklagte hat daraus Fahrtkosten in Höhe von 1.357 € anerkannt.
Der Senat ist der Ansicht, dass die Kläger diese Fahrten zu Unrecht als Werbungskosten beanspruchen. Das Finanzamt hätte diese Aufwendungen nicht als Werbungskosten bei der Klägerin berücksichtigen dürfen.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass der BFH mit Urteilen vom 2. Juli 1971 (VI R 35/68, BFHE 103, 333, BStBl II 1972, 67) sowie vom 28. Januar 1983 (VI R 136/79, BFHE 137, 496, BStBl II 1983, 313) sog. "umgekehrte Familienheimfahrten" als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anerkannt hatte. Bei diesen Fahrten handelte es sich um Besuchsfahrten, die die Familienangehörigen - zumeist der Ehepartner - unternehmen, um den beruflich unabkömmlichen Ehepartner zu besuchen.
a) Der Senat ist der Ansicht, dass sich die Kläger nicht auf diese Rechtsprechung berufen können. Denn die Klägerin hat ab November 06 keinen doppelten Haushalt geführt.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, indem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Hier ist zwischen dem Wohnen in einer Zweitwohnung an Beschäftigungsort und dem Unterhalten eines eigenen Hausstandes außerhalb dieses Ortes zu unterscheiden.
Mit dem "Hausstand" ist der erste Haushalt (Hauptwohnung) umschrieben, an dem sich der Arbeitnehmer - abgesehen von Zeiten der Arbeitstätigkeit und ggf. Urlaubsfahrten - regelmäßig auffällt, den er fortwährend nutzt und von dem aus er sein Privatleben führt, also seinen Lebensmittelpunkt hat. Das Vorhalten einer Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist dagegen nicht als "Unterhalten eines Hausstandes" zu werten (BFH-Urteil vom 16. Januar 2013 VI R 46/12, BFHE 240, 241, BStBl II 2013, 627 mit weiteren Nachweisen). Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn am Beschäftigungsort zugleich der Lebensmittelpunkt liegt (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2014 VI R 16/14, BFHE 247, 406, BStBl II 2015, 511).
Nach dem eigenen Vortrag der Kläger hat die Klägerin das gemeinsame Wohnhaus in A. seit November 06 bis in das Jahr 09 - in welchem Umfang zu diesem Zeitpunkt ist bisher völlig offen - nicht mehr besucht. Von einer doppelten Haushaltsführung in diesem Zeitraum - beginnend mit November 06 - kann daher keine Rede mehr sein. Vielmehr hatte sie ihren Lebensmittelpunkt ausschließlich in G. begründet. Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung kann die Klägerin seither nicht mehr beanspruchen.
b) Darüber hinaus können sich die Kläger nicht auf die Rechtsprechung zu den "umgekehrten Heimfahrten" berufen. Denn in den entschiedenen BFH-Fällen handelte es sich um einzelne Fahrten, die die Familie oder die Ehefrau unternommen haben. Der in diesen Fällen betroffene (besuchte) Ehepartner konnte aufgrund einer dienstlichen Anweisung oder eines Auslandsaufenthalts keine eigene Fahrt durchführen. Unabhängig davon, dass diese Urteile lediglich einzelne Fahrten zum Gegenstand hatten, handelte es sich um Entscheidungen, die Extremsituationen betrafen, denen die Rechtsprechung jeweils Rechnung tragen wollte. Den Urteilen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der jeweils entscheidende VI. Senat auch solche Fälle von der Konstruktion der "umgekehrten Familienheimfahrten" hat mit umfasst wissen wollen, bei denen lediglich ein Ehepartner über einen langen Zeitraum hinweg - im vorliegenden Fall ohne Ausnahme - die Besuchsfahrten (als Regelfall) vornimmt.
Gegenüber den vorgenannten Fällen beruhten die Fahrten des Klägers im vorliegenden Fall einzig und allein auf der Entscheidung der Klägerin, selbst nicht mehr nach A. zu fahren. Diese Entscheidung war nicht ausschließlich beruflich veranlasst. Der Senat trifft diese Feststellung auch unter der glaubhaften Darstellung eines hohen Arbeitsaufwandes der Klägerin. Sie wird schwerlich behaupten können, infolge beruflicher Beanspruchung über einen Zeitraum von mehreren Jahren keine Zeit gefunden zu haben, ihren vorgeblichen Hauptwohnsitz aufzusuchen. Unabhängig davon kommt es auf das virtuelle Gefühl eines anderweitigen Hauptwohnsitzes dann nicht mehr an, wenn der Steuerpflichtige lediglich seine Wohnung am Arbeitsort zum Wohnen nutzt. In einem solchen Fall sind die Aufwendungen für die stattdessen durchgeführten Besuchsfahrten des anderen Ehegatten zum Beschäftigungsort keine Werbungskosten (BFH-Beschluss vom 2. Februar 2011 VI R 15/10, BFHE 232, 494, BStBl II 2011, 456).
c) Der entscheidende Senat hat darüber hinaus Bedenken, der Rechtsprechung der "umgekehrten Familienheimfahrten" zu folgen.
"Beruflich veranlasst" sind nämlich grundsätzlich nur die Mobilitätskosten des steuerpflichtigen Arbeitnehmers selbst für seine eigenen beruflichen Fahrten. Die Aufwendungen für derartige Fahrten sind nach ständiger Rechtsprechung beruflich veranlasst (und damit als Werbungskosten abziehbar), weil der Steuerpflichtige sich aus beruflichem Anlass zu seiner Tätigkeitsstätte begeben hatte, um dort seine Berufstätigkeit auszuüben. Der Weg zur Tätigkeitsstätte und zurück ist notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften. Da der Arbeitnehmer typischerweise nicht am Ort seiner beruflichen (Auswärts-) Tätigkeit wohnt und auch nicht wohnen kann, kann er nur tätig werden, wenn er sich zu seiner Tätigkeitsstätte begibt (BFH-Beschluss vom 10. Januar 2008 VI R 17/0 7, BFHE 219, 358, BStBl II 2008, 234 [BFH 10.01.2008 - VI R 17/07] m.w.N.).
Unter diesem Aspekt hätten lediglich Fahrten, die die Klägerin selbst durchgeführt hätte, Fahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung sein können. Wie bereits dargestellt, hat sie jedoch - unbestritten bis zum Ende ihrer Tätigkeit bei der P. - keine Fahrten nach A. durchgeführt.
Die Fahrten des Klägers zu seiner Ehefrau nach G waren ebenfalls keine beruflich veranlassten Fahrten im Rahmen einer eigenen doppelten Haushaltführung. Denn sie dienten grundsätzlich nicht der Förderung seines Berufs. Insoweit sind die durchgeführten Fahrten weder bei der Klägerin noch bei ihm zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2015 VI R 22/14, BFHE 251, 344, BStBl II 2016, 179; der VI. Senat hat dahinstehen lassen, ob er an seiner Rechtsprechung der sogenannten "umgekehrten Familienheimfahrten" im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung festhält).
Für den entscheidenden Senat ist nicht ersichtlich, warum diese Überlegungen des zuvor zitierten BFH-Urteils im Rahmen sog. "umgekehrter Familienheimfahrten" nicht gelten sollten. Denn in diesen Fällen besteht nicht der notwendige Belastungszusammenhang (zwischen Arbeitsort und Hauptwohnung), der den Grund für die steuerrechtliche Anerkennung von Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bildet.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Schutz der Ehe gemäß Art. 6 des Grundgesetzes (GG). Danach hat der Gesetzgeber Regelungen zu unterlassen, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 10. Januar 1984 1 BvL 5/83, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 66, 84). Art. 6 erfordert, Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bei der Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, soweit es sich dabei um notwendigen Mehraufwand beiderseits berufstätiger Ehegatten handelt, der dadurch entsteht, dass ein gemeinsamer Wohnsitz an dem Beschäftigungsort des einen Ehegatten besteht und daneben ein weiterer Wohnsitz wegen der Berufstätigkeit des anderen Ehegatten unterhalten wird (BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 - 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27; BStBl II 2003, 534 [BVerfG 04.12.2002 - 2 BvR 400/98]). Der Gesetzgeber darf daher notwendigem Mehraufwand nicht wegen einer privaten Mitveranlassung den Abzug versagen. Anders als reine private Aufwendungen sind derartige, durch die Berufstätigkeit des Ehegatten veranlasste Aufwendungen für die Eheleute nicht frei disponibel.
Der Gesetzgeber hat dem Schutz der Ehe mit der bestehenden Regelung ausreichend Rechnung getragen. Seine Entscheidung, dass nur die Fahrten vom Beschäftigungsort zum Lebensmittelpunkt (Familienheimfahrten) Werbungskosten sind, verletzt nicht Art. 6 GG. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 3 EStG nur die Fahrten zu diesem Lebensmittelpunkt, dem gemeinsamen Familienwohnsitz, als den beiderseits berufstätigen Ehegatten notwendig entstandenen Aufwand qualifiziert. Eine Reise an den Beschäftigungsort des Ehegatten ist ungeachtet der doppelten Haushaltsführung eine private Wochenendreise (BFH-Beschluss vom 2. Februar 2011 VI R 15/10, BFHE 232, 494, BStBl II 2011, 456).
4. Der Beklagte hat im Verwaltungsverfahren der Klägerin - entgegen der vorangegangenen Ausführungen - einen Werbungskostenabzug in Höhe von 1.357 € für Fahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung gewährt. Dieser Werbungskostenabzug ist der Klägerin im Rahmen eines Klageverfahrens grundsätzlich zu belassen (Grundsatz des Verböserungsverbots).
Gemäß § 177 Abs. 2 der Abgabenordnung 1977 (AO) sind jedoch materielle Fehler zu berichtigen, soweit die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zu Gunsten des Steuerpflichtigen vorliegen. Gemäß § 177 Abs. 3 AO sind materielle Fehler im Sinne des Abs. 2 alle Fehler einschließlich offenbarer Unrichtigkeiten im Sinne des § 129, die zur Festsetzung einer Steuer führen, die von der kraft Gesetzes entstandenen Steuer abweicht.
Folge ist, dass die zu Unrecht gewährten Fahrten für doppelte Haushaltsführung mit den nunmehr gewährten Werbungskosten zu verrechnen sind.
Für das Kalenderjahr 06 können die Kläger daher folgende weitere Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung geltend machen:
...€ Wohnkosten
+ ...€ Fahrten dopp. Haushaltsführung Jan. - Okt. 06
./. ...€ gewährte Fahrten Nov./Dez. 06
Summe ...€
II. Die Kalenderjahre 07 bis 08
Für die Kalenderjahre 07 bis 08 können die Kläger keinen weiteren Werbungskostenabzug beanspruchen.
Der Senat verweist auf seine vorherigen Ausführungen. Danach bestand in diesen Kalenderjahren keine doppelte Haushaltsführung der Klägerin, aus der sie weitere Werbungskosten hätte beanspruchen können.
Rein deklaratorisch verweist der Senat darauf, dass selbst dann, wenn es auf die Frage "umgekehrter Familienheimfahrten" ankommen würde, die Schätzung des Beklagten als ausreichend bemessen zu betrachten wäre. Mangels ausreichenden Nachweises könnten die Kläger keine weiteren Fahrtkosten beanspruchen.
Auch in diesen Kalenderjahren geht der Senat davon aus, dass die Kläger für die Anschaffung weiterer Einrichtungsgegenstände keine höheren Werbungskosten (in Form von AfA) beanspruchen können. Jedenfalls fehlt ein nachvollziehbarer Vortrag, der Anlass für einen höheren Werbungskostenabzug sein könnte.
Soweit das Finanzamt in diesen Kalenderjahren Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung anerkannt hat, verbleiben sie der Klägerin wegen des im Klageverfahren geltenden Verböserungsverbots.
III. Kalenderjahr 09
Auch für das Kalenderjahr 09 kann die Klägerin keine weiteren Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung geltend machen.
Entgegen der Argumentation der Kläger in der mündlichen Verhandlung (und in vorherigen Schriftsätzen) folgt der Senat dem Beklagten dahin, dass der Kläger seinen Hauptwohnsitz bereits im Oktober 08 nach G. verlagert hatte. Für diese Annahme sprechen ausreichende Indizien. Der Kläger hat sich auch in der Woche in G. aufgehalten, Post wurde an ihn unter der Anschrift der gemeinsamen Wohnung in G. adressiert und der Kläger hat sich öffentlich engagiert. Auf der Internetseite der ... wird der Kläger zitiert, seinen Lebensmittelpunkt seit 08 nach I. verlegt zu haben.
Unabhängig davon ist nicht zu ersehen, dass die Klägerin im Kalenderjahr 09 wiederum eine doppelte Haushaltsführung - mit einem Hauptwohnsitz in A. - begründet hat.
Auch hier erscheinen dem Senat die Umstände eindeutig. Die Kläger haben in der G. eine Wohnung eingerichtet, die für eine Person - sowohl was die Einrichtung als auch die Größe der Wohnung als reine "Arbeitsplatzwohnung" betrifft - als überdimensioniert erscheint. Die Klägerin war nach Ende ihrer Tätigkeit bei der P. wiederum in I. beschäftigt. Im selben Jahr hatte ihr Ehemann mit der .... in I. einen Werkvertrag abgeschlossen und war Geschäftsführer der .... Betriebsgesellschaft mbH. Die Klägerin hat im Jahr 09 keine einzige Fahrt nach A. nachgewiesen. Selbst wenn sie nach F. gefahren wäre, würden gelegentliche Besuchsfahrten des Hauses in A. an der Frage des Hauptwohnsitzes keine Änderung in der rechtlichen Beurteilung herbeiführen. Diese Fahrten, so sie denn stattgefunden haben, sind als nicht beruflich veranlasst zu qualifizieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Senat sieht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 115 Abs. 2 FGO. Die Entscheidung beruht insbesondere auf tatsächlichen Erwägungen.