07.03.2018 · IWW-Abrufnummer 199995
Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 13.12.2017 – 5 K 126/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az.: 5 K 126/16
Urteil vom 13. Dezember 2017
In dem Rechtsstreit
wegen Einkommensteuer 2015
hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 13. Dezember 2017 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des steuerfreien Anteils einer Witwenrente.
Die Klägerin ist Rentnerin und erzielt im Streitjahr 2015 Versorgungsbezüge aus einer Regelaltersrente und sonstige Einkünfte aus einer Witwenrente und aus einer betrieblichen Altersversorgung. Die Witwenrente bezieht die Klägerin seit dem 6. November 1994. Seit dem Jahr 2012 erhält sie zusätzlich eine Regelaltersrente, welche ab dem Jahr 2013 auf die Witwenrente angerechnet wurde.
Die Witwenrente wurde in den Jahren ab 2005 nach den elektronisch an die Finanzverwaltung übermittelten Daten wie folgt berücksichtigt:
Jahr Jahresbetrag der Rente Anpassungsbetrag steuerfreier Teil d. Rente
2005 7.604,52 € 3.803,00 €
2008 7.687,50 € 82,98 € 3.803,00 €
2012 8.081,82 € 477,30 € 3.803,00 €
2013 7.754,82 € 544,50 € 3.605,00 €
2014 7.401,00 € 585,66 € 3.408,00 €
2015 7.393,00 € 712,00 € 3.341,00 €
Die Deutsche Rentenversicherung teilte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 21. April 2015 mit, dass ihre Rente neu berechnet würde, weil sich das mit der Rente zusammentreffende Einkommen geändert habe. Mit Rentenbescheid vom 5. Juni 2015 wurde der bisherige Bescheid aufgehoben und die Witwenrente ab dem 1. Juni 2015 neu berechnet.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 erklärte die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus Versorgungsbezügen in Höhe von 814,00 € sowie Leibrenten in Höhe von 7.424,00 € (Witwenrente) und 13.185,00 € (Regelaltersrente) sowie eine Leibrente aus einem Altersvorsorgevertrag in Höhe von 3.194,00 €.
Nach den elektronisch an die Finanzverwaltung übermittelten Daten belief sich die Witwenrente für das Jahr 2015 auf 7.393,00 € und der Anpassungsbetrag auf 712,00 €.
Mit Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 5. Juli 2016 wurde die Einkommensteuer auf 62,00 € festgesetzt. Dabei wurde hinsichtlich der Witwenrente der Jahresbetrag der Rente in Höhe von 7.393,00 € mit einem darin enthaltenen Anpassungsbetrag von 712,00 € und einem steuerfreien Teil der Rente in Höhe von 3.341,00 € berücksichtigt, so dass ein steuerpflichtiger Teil der Rente in Höhe von 4.052,00 € angesetzt wurde.
Hiergegen legte die Klägerin am 7. Juli 2016 Einspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, dass die Reduzierung des steuerfreien Anteils auf 3.341,00 € nicht nachvollziehbar sei. In den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2005 bis 2012 sei jeweils ein steuerfreier Anteil von 3.803,00 € angesetzt worden. Der Jahresbetrag der Rente für 2015 betrage 7.393,00 € und sei im Verhältnis zum Jahresbetrag der Rente für 2005 mit 3 % niedriger. Folglich dürfte bei einer Neuberechnung der steuerfreie Teil der Rente höchstens um 3 % reduziert werden. Wenn eine solche Neuberechnung vorgenommen worden wäre, hätte sie erwartet, dass der steuerfreie Teil der Rente mit 3.689,00 € angesetzt worden wäre (3.803,00 € - 114,00 €). Insoweit habe der Beklagte § 22 Nr. 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 6 und 7 EStG nicht beachtet.
Mit Schreiben vom 31. August 2016 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass durch die im November 2012 hinzugekommene eigene Altersrente die Witwenrente aufgrund rentenrechtlicher Vorschriften gekürzt worden sei. Dadurch werde der Erhöhungsbetrag durch die Rentenversicherung anders berechnet, weil hier zwei Versorgungsleistungen zusammentreffen würden.
Am 7. September 2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Aus dem Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 11. August 2016 ergebe sich, dass es sich bei dem im Rentenbetrag enthaltenen Rentenanpassungsbeträgen von 712,43 € ausschließlich um regelmäßige Anpassungen handele. Dies könne nicht zu einer Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente führen. Der Rentenbeginn ihrer Witwenrente habe vor 2005 gelegen, so dass der Besteuerung unterliegende Anteil der Witwenrente 50 % betrage. Im ersten Absatz von § 22 Nr. 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 7 EStG stehe ausdrücklich, dass regelmäßige Anpassungen des Jahresbetrags der Rente nicht zu einer Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente führten. Während der gesamten Dauer des Rentenbezugs sei es nur einmal zu einer außerordentlichen Änderung der Witwenrente gekommen, als Ende 2012 infolge des Zusammentreffens von zwei Renten des gleichen Rentenversicherungsträgers eine Anrechnung der Altersrente und somit eine Minderung der Witwenrente erfolgt sei. In den Folgejahren hätten nur regelmäßige Anpassungen der Rente stattgefunden. Das Finanzamt habe erstmalig im Einkommensteuerbescheid für 2013 den steuerfreien Teil des Jahresbetrages der Witwenrente neu berechnet und von 3.803,00 € auf 3.605,00 € gemindert. Die wiederholte Neuberechnung des steuerfreien Teils der Witwenrente in den beiden Folgejahren sei aber mit dem Wortlaut der genannten Rechtsvorschrift unvereinbar. Wie die Neuberechnung, z. B. beim Zusammentreffen zweier Renten erfolgen müsse, sei in Satz 6 beschrieben. Dementsprechend habe das Finanzamt für 2013 den steuerfreien Teil der Witwenrente von 3.803,00 € auf 3.605,00 € reduziert. Das beklagte Finanzamt behaupte zwar, es habe keine Neuberechnung für das Streitjahr 2015 vorgenommen, aber die vom Finanzamt beschriebene Vorgehensweise sei zweifellos eine Neuberechnung. Denn bei konsequenter Beachtung des Satzes 7 hätte der neuberechnete steuerfreie Teil in Höhe von 3.605,00 € unverändert beibehalten werden müssen, da nur regelmäßige Anpassungen der Rente erfolgt seien. Sie halte es für äußerst bedenklich, wenn bei einem Jahresbetrag der Rente unterhalb des gesetzlichen Referenzbetrages der Steigerungsbetrag der Rente in die Berechnung einbezogen werde. Schließlich werde infolge der Verrechnung mit der Altersrente die Witwenrente so stark reduziert, dass es gar nicht zu einer Steigerung der Rente komme. Den Steigerungsbetrag dennoch besteuern zu wollen, könne nicht rechtmäßig sein.
Anders als in dem vom FG Düsseldorf entschiedenen Fall beruhten die Veränderungen des Jahresbetrages der Witwenrente in den auf das Jahr 2013 folgenden Jahren ausschließlich auf regelmäßigen Anpassungen der Rente, so dass § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 7 EStG anzuwenden sei. Zu beachten sei, dass der in der Mitteilung des Rentenversicherungsträgers an das Finanzamt geminderte Rentenanpassungsbetrag für 2015 in Höhe von 712,43 € überhaupt nicht zur Auszahlung komme. Insoweit sei zu fragen, warum das Finanzamt das Recht habe, einen Betrag versteuern zu wollen, den sie gar nicht erhalte.
Grundsätzlich sei der steuerfreie Teil ihrer Witwenrente dergestalt zu berechnen, dass der Jahresbetrag der Witwenrente minus 3.802,00 € den steuerfreien Teil der Rente ergebe. Beim Zusammentreffen mehrerer Renten des gleichen Rentenversicherungsträgers müsse das Finanzamt beachten, dass bereits im Vorwege beim Rentenversicherungsträger eine Anrechnung erfolge. Das bedeute, dass der Rentenversicherungsträger dem Finanzamt nicht die der Anrechnung zugrunde liegende Rente (hier Witwenrente + Rentenanpassungsbetrag), sondern den geminderten Jahresbetrag melde. Das Finanzamt müsse sich bei der Neuberechnung bzw. Anpassung des steuerfreien Teils der Witwenrente von Satz 6 des § 22 leiten lassen, wonach der steuerfreie Teil der Rente bei einer Veränderung des Jahresbetrages der Rente in dem Verhältnis anzupassen sei, in dem der veränderte Jahresbetrag der Rente zum Jahresbetrag der Rente stehe, der der Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente zugrunde liege. Insoweit müsse das Verhältnis von aktuellem Rentenbetrag zum Rentenbetrag von 2005 ermittelt werden: 7.394 zu 7.605 = 0,97. In einem zweiten Schritt müsse dann der steuerfreie Teil der Rente im gleichen Verhältnis angepasst werden: 3.803 € (Freibetrag der Rente 2005) x 0,97 = 3.689,00 €.
Mit Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2016 hat der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
den steuerfreien Teil der Witwenrente mit 3.689,00 € anstelle von 3.341,00 € zu berücksichtigen und den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 5. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2016 entsprechend zu ändern und die Einkommensteuer demgemäß herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, es sei keine Neuberechnung des Besteuerungsanteils vorgenommen worden. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 7 EStG sei berücksichtigt worden. Diese Norm beziehe sich darauf, dass auch bei einer Veränderung des Jahresbetrages der Rente durch z. B. Rentenerhöhungen oder -verminderungen aufgrund der Anrechnung anderer Einkünfte eine Neuberechnung des Besteuerungsanteils nicht zu erfolgen habe. Der ursprüngliche Rentenbeginn und auch der ermittelte Besteuerungsanteil blieben bestehen. Bei der Berechnung des steuerfreien Teils der Rente sei ein Besteuerungsanteil von 50 % vom Finanzamt berücksichtigt worden. Dies entspreche dem Anteil, der im Jahr 2005 festgelegt worden sei. Da der Anpassungsbetrag der Rente in Höhe von 712,00 € zu 100 % der Besteuerung zu unterwerfen sei, sei dieser vorab von der Berechnung auszunehmen (7.393,00 € - 712,00 € = 6.681,00 €). Auf diesen Rentenbetrag sei der Besteuerungsanteil von 50 % anzuwenden, so dass der steuerpflichtige Teil der Rente 3.341,00 € betrage.
Die Beteiligten haben jeweils auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 5. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2016 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten; eine Änderung kommt daher nicht in Betracht (vgl. § 100 Abs. 1, 2 FGO).
Gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG in der Fassung des Streitjahres gehören zu den sonstigen Einkünften unter anderem Leibrenten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie der Besteuerung unterliegen. Bemessungsgrundlage für den der Besteuerung unterliegenden Anteil ist nach Satz 2 der Vorschrift der Jahresbetrag der Rente. Der der Besteuerung unterliegende Anteil beträgt bei einem Rentenbeginn – wie im vorliegenden Fall – bis zum Jahr 2005 nach Satz 3 der Vorschrift 50%. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ist nach Satz 4 der Vorschrift der steuerfreie Teil der Rente.
Dieser gilt nach Satz 5 der Vorschrift grundsätzlich ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs. Abweichend von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 5 EStG ist nach Satz 6 der Vorschrift der steuerfreie Teil der Rente bei einer Veränderung des Jahresbetrags der Rente in dem Verhältnis anzupassen, in dem der veränderte Jahresbetrag der Rente zum Jahresbetrag der Rente steht, der der Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente zugrunde liegt. Nach Satz 7 der Vorschrift führen regelmäßige Anpassungen des Jahresbetrags der Rente nicht zu einer Neuberechnung und bleiben bei einer Neuberechnung außer Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei den Rentenanpassungen aufgrund der regulären Rentenerhöhungen um regelmäßige Anpassungen im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG (BFH-Beschluss vom 6.3.2013, X B 113/11, BFH/NV 2013, 929 m.w.N.).
Hiervon ausgehend war der steuerfreie Teil der Witwenrente aufgrund der im Verhältnis zum Vorjahr geänderten Höhe des angerechneten übrigen Einkommens der Klägerin gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 6 EStG im Streitjahr neu zu berechnen. Denn bei der Anpassung der Rente aufgrund der Anrechnung der übrigen Einkünfte der Klägerin handelt es sich entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung nicht um eine regelmäßige Anpassung im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG.
Die Rechtsfrage, ob eine Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente bei Anpassungen des Jahresbetrages einer Witwenrente aufgrund von Einkommensanrechnungen zu erfolgen oder zu unterbleiben hat, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Sowohl in der Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG Köln, Urteil vom 7.4.2017, 8 K 1489/15, juris, die Revision wurde zurückgenommen; FG Düsseldorf, Urteil vom 22.6.2016, 15 K 1989/13 E, EFG 2016, 1255, Revision zugelassen; FG Köln, Urteil vom 23.10.2013, 4 K 2322/10, EFG 2014, 192, die Revision gegen das Urteil hat der BFH mit Urteil vom 17.11.2015, X R 53/13, BFH/NV 2016, 549 aus anderen Gründen zurückgewiesen, ohne zu der Rechtsfrage Stellung zu nehmen), als auch in der Literatur (Nacke in Blümich, EStG, § 22 Rz. 119; Lindberg in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 22 Rz. 154a f.; Killat in Herrmann/ Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, EStG § 22 Rz. 288; Fischer in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 16. Auflage, § 22 Rz. 41; Heß/ Golombek in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 22 Rz. 197, 204 und 206; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 36. Auflage, § 22 Rz. 93) sowie von der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 19.8.2013, BStBl I 2013, 1087 Rz. 232 ff.) wird die Auffassung vertreten, dass Veränderungen des Jahresbetrages einer Witwenrente aufgrund von Einkommensanrechnungen stets zu einer Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente führen.
Der Senat schließt sich dieser Ansicht an.
Soweit die Klägerin meint, auch in ihrem Fall der Anpassung der Rentenbezüge aufgrund von Einkommensanrechnungen handele es sich um eine regelmäßige Rentenanpassung und sich hierfür auf den Wortlaut von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG beruft, folgt der Senat dem nicht. Bei den Anpassungen des Jahresbetrags der Rente aufgrund der Anrechnung des übrigen Einkommens der Klägerin in veränderter Höhe könnte es sich zwar nach dem Wortlaut der Norm um eine „regelmäßige Anpassung“ handeln, da die Neuberechnung der Rente aufgrund der Einkommensanrechnung der Regelaltersrente jedes Jahr vorgenommen wird. Der Gesetzgeber hat aber die Einkommensanrechnung ausdrücklich als Grund für eine Neuberechnung des steuerfreien Teils einer Rente angeführt (BT-Drucksache 15/3004, Seite 19 f.). Bei der Auslegung einer Norm nach ihrem Wortlaut ist zudem zu berücksichtigen, dass diese nur eine von mehreren anerkannten Auslegungsmethoden ist. Sowohl die historisch-teleologische Auslegung als auch die verfassungskonforme Auslegung (steuerliche Gleichbehandlung der Erhöhung von Sozialversicherungsrenten und von Versorgungsbezügen) sprechen dafür, dass es sich bei der Neuanpassung der Witwenrente aufgrund der Anrechnung anderen Erwerbseinkommens nicht um eine regelmäßige Anpassung im Sinne der Norm handelt (FG Köln, Urteil vom 23.10.2013, 4 K 2322/10, EFG 2014, 192). Denn nach dem Willen des Gesetzgebers liegt bei der Einkommensanrechnung ein Ausnahmefall von der Festschreibung des steuerfreien Teils der Rente vor.
Bei der Neuberechnung des steuerfreien Anteils der Witwenrente im Streitjahr waren die auf regelmäßigen Anpassungen beruhenden Teile des Jahresbetrages der Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG außer Betracht zu lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der Senat anschließt, handelt es sich nämlich bei den Rentenanpassungen aufgrund der regulären Rentenerhöhungen um regelmäßige Anpassungen im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG (BFH-Beschluss vom 6.3.2013, X B 113/11, BFH/NV 2013, 929 m.w.N.).
Die Anpassungsbeträge unterliegen damit zu 100 % der Besteuerung. Das bedeutet für das Streitjahr, dass der Anpassungsbetrag von 712,00 € vom Jahresbetrag der Witwenrente von 7.393,00 € abzuziehen ist und der sich daraus ergebende Betrag von 6.681,00 € zu 50 % steuerfrei ist. Der Beklagte hat dementsprechend zu Recht 3.340,50 € (gerundet 3.341 €) als steuerfrei behandelt. Die Minderung der Witwenrente der Klägerin durch die Einkommensanrechnung führt somit auch zur Minderung des steuerfreien Anteils, da der Besteuerungsanteil auf 50% festgeschrieben ist. Zutreffend hat der Beklagte den steuerpflichtigen Teil der Witwenrente mit 4.052,00 € berücksichtigt, weil auf den Betrag von 3.340,50 n€ der Anpassungsbetrag von 712,00 € zu addieren ist. Würde man hingegen der Auffassung der Klägerin folgen und den Anpassungsbetrag von 712,00 € nicht insgesamt der Besteuerung unterwerfen, würden sich die Besteuerungsunterschiede zwischen Sozialversicherungsrenten und Beamtenpensionen in der Übergangsphase bei einer Absenkung des Jahresbetrages der Witwenrente erneut vergrößern. Dies widerspräche jedoch dem Willen des Gesetzgebers.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zugelassen, da (höchstrichterliche) Entscheidungen zu der Frage, ob die jährliche Neuberechnung einer (Witwen-)Rente aufgrund von vorzunehmenden Einkommensanrechnungen aus einer anderen Tätigkeit eine regelmäßige Rentenanpassung im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchst. aa S. 7 EStG darstellt, bislang nicht vorliegen.
Urteil vom 13. Dezember 2017
In dem Rechtsstreit
wegen Einkommensteuer 2015
hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 13. Dezember 2017 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des steuerfreien Anteils einer Witwenrente.
Die Klägerin ist Rentnerin und erzielt im Streitjahr 2015 Versorgungsbezüge aus einer Regelaltersrente und sonstige Einkünfte aus einer Witwenrente und aus einer betrieblichen Altersversorgung. Die Witwenrente bezieht die Klägerin seit dem 6. November 1994. Seit dem Jahr 2012 erhält sie zusätzlich eine Regelaltersrente, welche ab dem Jahr 2013 auf die Witwenrente angerechnet wurde.
Die Witwenrente wurde in den Jahren ab 2005 nach den elektronisch an die Finanzverwaltung übermittelten Daten wie folgt berücksichtigt:
Jahr Jahresbetrag der Rente Anpassungsbetrag steuerfreier Teil d. Rente
2005 7.604,52 € 3.803,00 €
2008 7.687,50 € 82,98 € 3.803,00 €
2012 8.081,82 € 477,30 € 3.803,00 €
2013 7.754,82 € 544,50 € 3.605,00 €
2014 7.401,00 € 585,66 € 3.408,00 €
2015 7.393,00 € 712,00 € 3.341,00 €
Die Deutsche Rentenversicherung teilte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 21. April 2015 mit, dass ihre Rente neu berechnet würde, weil sich das mit der Rente zusammentreffende Einkommen geändert habe. Mit Rentenbescheid vom 5. Juni 2015 wurde der bisherige Bescheid aufgehoben und die Witwenrente ab dem 1. Juni 2015 neu berechnet.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 erklärte die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus Versorgungsbezügen in Höhe von 814,00 € sowie Leibrenten in Höhe von 7.424,00 € (Witwenrente) und 13.185,00 € (Regelaltersrente) sowie eine Leibrente aus einem Altersvorsorgevertrag in Höhe von 3.194,00 €.
Nach den elektronisch an die Finanzverwaltung übermittelten Daten belief sich die Witwenrente für das Jahr 2015 auf 7.393,00 € und der Anpassungsbetrag auf 712,00 €.
Mit Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 5. Juli 2016 wurde die Einkommensteuer auf 62,00 € festgesetzt. Dabei wurde hinsichtlich der Witwenrente der Jahresbetrag der Rente in Höhe von 7.393,00 € mit einem darin enthaltenen Anpassungsbetrag von 712,00 € und einem steuerfreien Teil der Rente in Höhe von 3.341,00 € berücksichtigt, so dass ein steuerpflichtiger Teil der Rente in Höhe von 4.052,00 € angesetzt wurde.
Hiergegen legte die Klägerin am 7. Juli 2016 Einspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, dass die Reduzierung des steuerfreien Anteils auf 3.341,00 € nicht nachvollziehbar sei. In den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2005 bis 2012 sei jeweils ein steuerfreier Anteil von 3.803,00 € angesetzt worden. Der Jahresbetrag der Rente für 2015 betrage 7.393,00 € und sei im Verhältnis zum Jahresbetrag der Rente für 2005 mit 3 % niedriger. Folglich dürfte bei einer Neuberechnung der steuerfreie Teil der Rente höchstens um 3 % reduziert werden. Wenn eine solche Neuberechnung vorgenommen worden wäre, hätte sie erwartet, dass der steuerfreie Teil der Rente mit 3.689,00 € angesetzt worden wäre (3.803,00 € - 114,00 €). Insoweit habe der Beklagte § 22 Nr. 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 6 und 7 EStG nicht beachtet.
Mit Schreiben vom 31. August 2016 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass durch die im November 2012 hinzugekommene eigene Altersrente die Witwenrente aufgrund rentenrechtlicher Vorschriften gekürzt worden sei. Dadurch werde der Erhöhungsbetrag durch die Rentenversicherung anders berechnet, weil hier zwei Versorgungsleistungen zusammentreffen würden.
Am 7. September 2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Aus dem Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 11. August 2016 ergebe sich, dass es sich bei dem im Rentenbetrag enthaltenen Rentenanpassungsbeträgen von 712,43 € ausschließlich um regelmäßige Anpassungen handele. Dies könne nicht zu einer Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente führen. Der Rentenbeginn ihrer Witwenrente habe vor 2005 gelegen, so dass der Besteuerung unterliegende Anteil der Witwenrente 50 % betrage. Im ersten Absatz von § 22 Nr. 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 7 EStG stehe ausdrücklich, dass regelmäßige Anpassungen des Jahresbetrags der Rente nicht zu einer Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente führten. Während der gesamten Dauer des Rentenbezugs sei es nur einmal zu einer außerordentlichen Änderung der Witwenrente gekommen, als Ende 2012 infolge des Zusammentreffens von zwei Renten des gleichen Rentenversicherungsträgers eine Anrechnung der Altersrente und somit eine Minderung der Witwenrente erfolgt sei. In den Folgejahren hätten nur regelmäßige Anpassungen der Rente stattgefunden. Das Finanzamt habe erstmalig im Einkommensteuerbescheid für 2013 den steuerfreien Teil des Jahresbetrages der Witwenrente neu berechnet und von 3.803,00 € auf 3.605,00 € gemindert. Die wiederholte Neuberechnung des steuerfreien Teils der Witwenrente in den beiden Folgejahren sei aber mit dem Wortlaut der genannten Rechtsvorschrift unvereinbar. Wie die Neuberechnung, z. B. beim Zusammentreffen zweier Renten erfolgen müsse, sei in Satz 6 beschrieben. Dementsprechend habe das Finanzamt für 2013 den steuerfreien Teil der Witwenrente von 3.803,00 € auf 3.605,00 € reduziert. Das beklagte Finanzamt behaupte zwar, es habe keine Neuberechnung für das Streitjahr 2015 vorgenommen, aber die vom Finanzamt beschriebene Vorgehensweise sei zweifellos eine Neuberechnung. Denn bei konsequenter Beachtung des Satzes 7 hätte der neuberechnete steuerfreie Teil in Höhe von 3.605,00 € unverändert beibehalten werden müssen, da nur regelmäßige Anpassungen der Rente erfolgt seien. Sie halte es für äußerst bedenklich, wenn bei einem Jahresbetrag der Rente unterhalb des gesetzlichen Referenzbetrages der Steigerungsbetrag der Rente in die Berechnung einbezogen werde. Schließlich werde infolge der Verrechnung mit der Altersrente die Witwenrente so stark reduziert, dass es gar nicht zu einer Steigerung der Rente komme. Den Steigerungsbetrag dennoch besteuern zu wollen, könne nicht rechtmäßig sein.
Anders als in dem vom FG Düsseldorf entschiedenen Fall beruhten die Veränderungen des Jahresbetrages der Witwenrente in den auf das Jahr 2013 folgenden Jahren ausschließlich auf regelmäßigen Anpassungen der Rente, so dass § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 7 EStG anzuwenden sei. Zu beachten sei, dass der in der Mitteilung des Rentenversicherungsträgers an das Finanzamt geminderte Rentenanpassungsbetrag für 2015 in Höhe von 712,43 € überhaupt nicht zur Auszahlung komme. Insoweit sei zu fragen, warum das Finanzamt das Recht habe, einen Betrag versteuern zu wollen, den sie gar nicht erhalte.
Grundsätzlich sei der steuerfreie Teil ihrer Witwenrente dergestalt zu berechnen, dass der Jahresbetrag der Witwenrente minus 3.802,00 € den steuerfreien Teil der Rente ergebe. Beim Zusammentreffen mehrerer Renten des gleichen Rentenversicherungsträgers müsse das Finanzamt beachten, dass bereits im Vorwege beim Rentenversicherungsträger eine Anrechnung erfolge. Das bedeute, dass der Rentenversicherungsträger dem Finanzamt nicht die der Anrechnung zugrunde liegende Rente (hier Witwenrente + Rentenanpassungsbetrag), sondern den geminderten Jahresbetrag melde. Das Finanzamt müsse sich bei der Neuberechnung bzw. Anpassung des steuerfreien Teils der Witwenrente von Satz 6 des § 22 leiten lassen, wonach der steuerfreie Teil der Rente bei einer Veränderung des Jahresbetrages der Rente in dem Verhältnis anzupassen sei, in dem der veränderte Jahresbetrag der Rente zum Jahresbetrag der Rente stehe, der der Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente zugrunde liege. Insoweit müsse das Verhältnis von aktuellem Rentenbetrag zum Rentenbetrag von 2005 ermittelt werden: 7.394 zu 7.605 = 0,97. In einem zweiten Schritt müsse dann der steuerfreie Teil der Rente im gleichen Verhältnis angepasst werden: 3.803 € (Freibetrag der Rente 2005) x 0,97 = 3.689,00 €.
Mit Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2016 hat der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
den steuerfreien Teil der Witwenrente mit 3.689,00 € anstelle von 3.341,00 € zu berücksichtigen und den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 5. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2016 entsprechend zu ändern und die Einkommensteuer demgemäß herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, es sei keine Neuberechnung des Besteuerungsanteils vorgenommen worden. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 7 EStG sei berücksichtigt worden. Diese Norm beziehe sich darauf, dass auch bei einer Veränderung des Jahresbetrages der Rente durch z. B. Rentenerhöhungen oder -verminderungen aufgrund der Anrechnung anderer Einkünfte eine Neuberechnung des Besteuerungsanteils nicht zu erfolgen habe. Der ursprüngliche Rentenbeginn und auch der ermittelte Besteuerungsanteil blieben bestehen. Bei der Berechnung des steuerfreien Teils der Rente sei ein Besteuerungsanteil von 50 % vom Finanzamt berücksichtigt worden. Dies entspreche dem Anteil, der im Jahr 2005 festgelegt worden sei. Da der Anpassungsbetrag der Rente in Höhe von 712,00 € zu 100 % der Besteuerung zu unterwerfen sei, sei dieser vorab von der Berechnung auszunehmen (7.393,00 € - 712,00 € = 6.681,00 €). Auf diesen Rentenbetrag sei der Besteuerungsanteil von 50 % anzuwenden, so dass der steuerpflichtige Teil der Rente 3.341,00 € betrage.
Die Beteiligten haben jeweils auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 5. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2016 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten; eine Änderung kommt daher nicht in Betracht (vgl. § 100 Abs. 1, 2 FGO).
Gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG in der Fassung des Streitjahres gehören zu den sonstigen Einkünften unter anderem Leibrenten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie der Besteuerung unterliegen. Bemessungsgrundlage für den der Besteuerung unterliegenden Anteil ist nach Satz 2 der Vorschrift der Jahresbetrag der Rente. Der der Besteuerung unterliegende Anteil beträgt bei einem Rentenbeginn – wie im vorliegenden Fall – bis zum Jahr 2005 nach Satz 3 der Vorschrift 50%. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ist nach Satz 4 der Vorschrift der steuerfreie Teil der Rente.
Dieser gilt nach Satz 5 der Vorschrift grundsätzlich ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs. Abweichend von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 5 EStG ist nach Satz 6 der Vorschrift der steuerfreie Teil der Rente bei einer Veränderung des Jahresbetrags der Rente in dem Verhältnis anzupassen, in dem der veränderte Jahresbetrag der Rente zum Jahresbetrag der Rente steht, der der Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente zugrunde liegt. Nach Satz 7 der Vorschrift führen regelmäßige Anpassungen des Jahresbetrags der Rente nicht zu einer Neuberechnung und bleiben bei einer Neuberechnung außer Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei den Rentenanpassungen aufgrund der regulären Rentenerhöhungen um regelmäßige Anpassungen im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG (BFH-Beschluss vom 6.3.2013, X B 113/11, BFH/NV 2013, 929 m.w.N.).
Hiervon ausgehend war der steuerfreie Teil der Witwenrente aufgrund der im Verhältnis zum Vorjahr geänderten Höhe des angerechneten übrigen Einkommens der Klägerin gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 6 EStG im Streitjahr neu zu berechnen. Denn bei der Anpassung der Rente aufgrund der Anrechnung der übrigen Einkünfte der Klägerin handelt es sich entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung nicht um eine regelmäßige Anpassung im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG.
Die Rechtsfrage, ob eine Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente bei Anpassungen des Jahresbetrages einer Witwenrente aufgrund von Einkommensanrechnungen zu erfolgen oder zu unterbleiben hat, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Sowohl in der Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG Köln, Urteil vom 7.4.2017, 8 K 1489/15, juris, die Revision wurde zurückgenommen; FG Düsseldorf, Urteil vom 22.6.2016, 15 K 1989/13 E, EFG 2016, 1255, Revision zugelassen; FG Köln, Urteil vom 23.10.2013, 4 K 2322/10, EFG 2014, 192, die Revision gegen das Urteil hat der BFH mit Urteil vom 17.11.2015, X R 53/13, BFH/NV 2016, 549 aus anderen Gründen zurückgewiesen, ohne zu der Rechtsfrage Stellung zu nehmen), als auch in der Literatur (Nacke in Blümich, EStG, § 22 Rz. 119; Lindberg in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 22 Rz. 154a f.; Killat in Herrmann/ Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, EStG § 22 Rz. 288; Fischer in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 16. Auflage, § 22 Rz. 41; Heß/ Golombek in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 22 Rz. 197, 204 und 206; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 36. Auflage, § 22 Rz. 93) sowie von der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 19.8.2013, BStBl I 2013, 1087 Rz. 232 ff.) wird die Auffassung vertreten, dass Veränderungen des Jahresbetrages einer Witwenrente aufgrund von Einkommensanrechnungen stets zu einer Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente führen.
Der Senat schließt sich dieser Ansicht an.
Soweit die Klägerin meint, auch in ihrem Fall der Anpassung der Rentenbezüge aufgrund von Einkommensanrechnungen handele es sich um eine regelmäßige Rentenanpassung und sich hierfür auf den Wortlaut von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG beruft, folgt der Senat dem nicht. Bei den Anpassungen des Jahresbetrags der Rente aufgrund der Anrechnung des übrigen Einkommens der Klägerin in veränderter Höhe könnte es sich zwar nach dem Wortlaut der Norm um eine „regelmäßige Anpassung“ handeln, da die Neuberechnung der Rente aufgrund der Einkommensanrechnung der Regelaltersrente jedes Jahr vorgenommen wird. Der Gesetzgeber hat aber die Einkommensanrechnung ausdrücklich als Grund für eine Neuberechnung des steuerfreien Teils einer Rente angeführt (BT-Drucksache 15/3004, Seite 19 f.). Bei der Auslegung einer Norm nach ihrem Wortlaut ist zudem zu berücksichtigen, dass diese nur eine von mehreren anerkannten Auslegungsmethoden ist. Sowohl die historisch-teleologische Auslegung als auch die verfassungskonforme Auslegung (steuerliche Gleichbehandlung der Erhöhung von Sozialversicherungsrenten und von Versorgungsbezügen) sprechen dafür, dass es sich bei der Neuanpassung der Witwenrente aufgrund der Anrechnung anderen Erwerbseinkommens nicht um eine regelmäßige Anpassung im Sinne der Norm handelt (FG Köln, Urteil vom 23.10.2013, 4 K 2322/10, EFG 2014, 192). Denn nach dem Willen des Gesetzgebers liegt bei der Einkommensanrechnung ein Ausnahmefall von der Festschreibung des steuerfreien Teils der Rente vor.
Bei der Neuberechnung des steuerfreien Anteils der Witwenrente im Streitjahr waren die auf regelmäßigen Anpassungen beruhenden Teile des Jahresbetrages der Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG außer Betracht zu lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der Senat anschließt, handelt es sich nämlich bei den Rentenanpassungen aufgrund der regulären Rentenerhöhungen um regelmäßige Anpassungen im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG (BFH-Beschluss vom 6.3.2013, X B 113/11, BFH/NV 2013, 929 m.w.N.).
Die Anpassungsbeträge unterliegen damit zu 100 % der Besteuerung. Das bedeutet für das Streitjahr, dass der Anpassungsbetrag von 712,00 € vom Jahresbetrag der Witwenrente von 7.393,00 € abzuziehen ist und der sich daraus ergebende Betrag von 6.681,00 € zu 50 % steuerfrei ist. Der Beklagte hat dementsprechend zu Recht 3.340,50 € (gerundet 3.341 €) als steuerfrei behandelt. Die Minderung der Witwenrente der Klägerin durch die Einkommensanrechnung führt somit auch zur Minderung des steuerfreien Anteils, da der Besteuerungsanteil auf 50% festgeschrieben ist. Zutreffend hat der Beklagte den steuerpflichtigen Teil der Witwenrente mit 4.052,00 € berücksichtigt, weil auf den Betrag von 3.340,50 n€ der Anpassungsbetrag von 712,00 € zu addieren ist. Würde man hingegen der Auffassung der Klägerin folgen und den Anpassungsbetrag von 712,00 € nicht insgesamt der Besteuerung unterwerfen, würden sich die Besteuerungsunterschiede zwischen Sozialversicherungsrenten und Beamtenpensionen in der Übergangsphase bei einer Absenkung des Jahresbetrages der Witwenrente erneut vergrößern. Dies widerspräche jedoch dem Willen des Gesetzgebers.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zugelassen, da (höchstrichterliche) Entscheidungen zu der Frage, ob die jährliche Neuberechnung einer (Witwen-)Rente aufgrund von vorzunehmenden Einkommensanrechnungen aus einer anderen Tätigkeit eine regelmäßige Rentenanpassung im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchst. aa S. 7 EStG darstellt, bislang nicht vorliegen.