07.06.2018 · IWW-Abrufnummer 201612
Finanzgericht Münster: Urteil vom 12.03.2018 – 2 K 3127/15 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid vom 28.06.2016 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ein Verlust in Höhe von 223.396, 53 € berücksichtigt wird.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2
Streitig ist, ob bzw. in welcher Höhe der Verlust aus dem Verzicht auf eine Darlehensforderung zu berücksichtigen ist.
3
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2011 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden.
4
Der Kläger war einer von 6 Gesellschaftern der mit Vertrag vom 11.12.2002 gegründeten C GmbH (GmbH). Am Stammkapital der Gesellschaft i.H.v. 250.000 € war der Kläger mit einer Stammeinlage von 75.000 € beteiligt. Der Kläger war zugleich einer von zwei alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern der GmbH.
5
Am 28.08.2003 schloss die GmbH (vertreten durch den Kläger) mit der Bank B einen Darlehensvertrag über 300.000 € (jährliche Tilgung 30.000 €, Zinssatz 4% p.a.) ab. Als Sicherheit dienten neben Bürgschaften zweier Gesellschafter der GmbH über jeweils 37.500 3€ die Verpfändung eines Festgeldkontos des Klägers über 150.000 € sowie Grundschulden des Klägers über 332.339,73 €.
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Mit Vertrag vom 15.01.2007 stellte der Kläger der GmbH ein Darlehen i.H.v. 244.708,83 € zur Verfügung; mit Vertrag vom 31.12.2007 erklärte der Kläger gegenüber der GmbH bzgl. des Darlehens einen Rangrücktritt hinter alle Ansprüche anderer gegenwärtiger und zukünftiger Gläubiger der GmbH. Das Darlehen diente der Ablösung des Darlehens der GmbH mit der Bank B vom 28.08.2003 und war mit 1 v.H. jährlich zu verzinsen.
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In einer Vereinbarung (15.01.2007) der GmbH mit dem Kläger zum Gesellschafterdarlehen vom 15.01.2007 heißt es dazu:
8
"Der Darlehensgeber setzt den Gesellschafterbeschluss vom 19.12.2006 zur vereinbarten Gründungsfinanzierung der Firma um und schließt mit der C GmbH als Darlehensnehmerin einen Darlehensvertrag gleichlautend wie mit den übrigen Gesellschaftern ab.
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Da die Darlehensnehmerin keinen Kredit von Nichtgesellschaftern zu marktüblichen Konditionen erhält, wird der Darlehensgeber sein Darlehen nicht abziehen, ein Kündigungsrecht besteht somit nicht. Er verzichtet auch auf sein außerordentliches Kündigungsrecht.“
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Wie sich aus dem Protokoll einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der GmbH vom 19.12.2006 ergibt, waren die Gesellschafter der GmbH der Ansicht, dass der Kläger den Darlehensvertrag vom 28.08.2003 nicht im Namen der Gesellschaft hätte abschließen dürfen, sondern das Darlehen hätte selbst aufbringen müssen. Es habe eine Vereinbarung der Gesellschafter gegeben, wonach diese der Gesellschaft anteilig einen Betrag von insgesamt 750.000 € zur Verfügung zu stellen hatten; der Kläger in Höhe von 225.000 € zzgl. eines Betrages von 75.000 € als Darlehen zweier weiterer Gesellschafter, deren Darlehen der Kläger ebenfalls zur Verfügung habe stellen sollen. Der Kläger habe dann abredewidrig das durch ihn zu stellende Darlehen nicht persönlich, sondern durch Aufnahme des besicherten Gesellschaftsdarlehens gestellt.
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Die durch die Gesellschafter zur Verfügung gestellten Darlehen sind in der Buchführung der GmbH als sonstige Verbindlichkeiten behandelt worden.
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Zwei weitere Darlehen über jeweils 10.000 € hatte der Kläger der GmbH in den Jahren 2004 und 2005 gewährt; nach dem klägerischen Vortrag gingen diese Darlehen in dem Darlehen vom 15.01.2007 auf (Schriftsatz vom 22.07.2015).
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Mit Gesellschafterbeschluss vom 30.09.2011 verzichteten alle Gesellschafter auf die der GmbH gegebenen Darlehen.
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Mit Vertrag vom 23.12.2011 veräußerte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil zum Kaufpreis von 30.000 €.
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In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger einen Verlust aus der GmbH-Beteiligung i.H.v. 178.205,38 € geltend. Dieser setzte sich aus dem Verlust aus der Veräußerung des Stammkapitals i.H.v. 45.000 € und dem Gesellschafterdarlehn i.H.v. 252.008,97 € (Ansatz jeweils 60 %) zusammen.
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Mit Bescheid vom 06.11.2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2011 auf 46.557 € fest, wobei er als Veräußerungsverlust nach § 17 lediglich 27.000 € (60 % des Verlustes aus der Veräußerung des Stammkapitals des Klägers) ansetzte.
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Mit dem dagegen eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend, dass als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung auch die Wertminderung eines Erstattungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehens wie auch Leistungen aus Sicherheitsverpflichtungen in Betracht kämen, wenn die Finanzierungsmaßnahmen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen seien. Dies gelte insbesondere dann, wenn es sich um Finanzplandarlehen handele, denen aber auch Sicherheiten gleichgestellt seien, die von einem Gesellschafter im Rahmen eines Finanzplans übernommen worden seien. Bei dem vom Kläger bereits im Zeitpunkt der Gründung der GmbH vermittelten besicherten Darlehen handele es sich um so genannte Finanzplan-Sicherheiten, denn das durch die Sicherheiten des Klägers eingeräumte Darlehen der Bank B sei für die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks, insbesondere die Aufnahme des Geschäftsbetriebs der …, unentbehrlich gewesen. Für den Erwerb der Einrichtungsgegenstände der GmbH mit einem Gesamtvolumen von rund 1 Million € in 2003 habe das Stammkapital von 250.000 € nicht ausgereicht. Zum Zeitpunkt der Sicherheitenleistung habe zudem die Bereitschaft eines außenstehenden Kreditgebers gefehlt, ein Darlehen ohne die Bestellung durch Sicherheiten, beispielsweise durch Grundschulden oder die Verpfändung von Bankkonten, zu gewähren. Wegen der fehlenden Sicherheiten sei die GmbH bereits im Zeitpunkt ihrer Gründung nicht kreditwürdig gewesen. Deshalb seien die vom Kläger bestellten Grundschulden und die Verpfändung des Festgeldkontos wie eine Kapitaleinlage zu behandeln. Eine einseitige Aufhebung der Verpfändung des Festgeldkontos durch den Kläger sei zivilrechtlich nicht in Betracht gekommen. Die gewählte Finanzierungshilfe sei dementsprechend nach ihrer Zweckbestimmung von vornherein als Krisenfinanzierung angelegt gewesen.
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Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2015 führte der Beklagte aus, dass der Verlust i.H.v. 244.708,83 € aus dem Gesellschafterdarlehn keine Anschaffungskosten darstelle, weil es sich nicht um ein Finanzplandarlehen handele. Finanzplandarlehen beruhten auf einer Vereinbarung, derzufolge die Mittel einlageähnlichen Charakter hätten und wie Einlagen behandelt werden sollten. Eine derartige Vereinbarung gebe es im Streitfall nicht. Insbesondere werde im Protokoll der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 19.12.2006 lediglich eine Darlehensgewährung i.H.v. 750.000 € erwähnt, ohne alle notwendigen Vertragsbestandteile (Zinssatz, Zinshöhe) aufzunehmen.
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Ein Finanzplandarlehen sei zudem dadurch gekennzeichnet, dass es von vornherein derart in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen werde, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination aus Eigen- und Fremdkapital erreicht werden solle. Eine Finanzplan-Finanzierung müsse daher erkennbar sein und zwar in Abgrenzung zu einer bloßen Zurverfügungstellung von Leihkapital, dass bei Scheitern der Gesellschaft zurückgefordert werden könne. Die als Gesellschafterdarlehen ausgewiesenen Mittel müssten als Grundstock der Haftungsmasse den außenstehenden Gläubigern im Konkurs ungehindert durch eine Konkurrenz der Gesellschafter zur Verfügung gestellt werden. Dies setze auch voraus, dass die Gesellschafter die Darlehen in der Sache wie Einlagen behandeln. Im Streitfall seien auch die von anderen Gesellschaftern zur Verfügung gestellten Mittel in keinem Jahresabschluss der GmbH wie Einlagen behandelt worden, sondern seien als sonstige Verbindlichkeiten ausgewiesen worden. Weiter sei zu beachten, dass der Kläger das Darlehen im Namen der GmbH vereinbart habe.
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Bei dem am 15.01.2007 hingegebenen Darlehen handele sich um eine Erfüllung der Absprachen mit den anderen Gesellschaftern; es habe die der Bank B hingegebenen Sicherheiten ersetzt. Die Sicherheiten seien jedoch nicht in Krisenzeiten gegeben worden. Von einer Kreditunwürdigkeit könne nur dann ausgegangen werden, wenn bei Neuvergabe eines Gesellschafterdarlehens die Versuche der Gesellschaft, sich das Kapital am allgemeinen Kapitalmarkt zu beschaffen nachweislich gescheitert seien. Entsprechende Nachweise lägen nicht vor. Im Streitfall sei der Wert der Darlehensforderung im Zeitpunkt des "stehen lassens“ mit dem Verkehrswert zu bemessen. Wegen der durch die eingetretene Krise bewirkten Gefährdung des Darlehens betrage dieser im Streitfall null. Zwar habe das negative Eigenkapital nicht die Summe aller Gesellschafterdarlehn erreicht. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der überschießende Saldo den Wert der Forderungen darstelle. Mit einzubeziehen sei die Entwicklung der GmbH. Bis zum 31.12. 2007 sei ein Verlust in einer Gesamtsumme von 461.192 € erwirtschaftet worden. Es sei nicht davon auszugehen, dass ein fremder Dritter noch bereit gewesen wäre, diese Forderung gegen Zahlung eines Kaufpreises zu erwerben oder dass eine Bank bereit gewesen wäre Kredite zu bewilligen.
21
Am 07.10.2015 haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes gem. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 60 v.H. von 268.396,53 € begehren. Der Verlust setze sich danach zusammen aus dem Verlust aus der Veräußerung der Geschäftsanteile (45.000 €), sowie Tilgungsleistungen hinsichtlich des Gesellschaftsdarlehens bei der Bank B in Höhe von insgesamt 223.396,53 €.
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Zur Begründung tragen sie wie folgt vor: Der Kläger habe mit Vereinbarungen vom 28.08.2003 im Rahmen der Gründungs- und Investitionsfinanzierung der GmbH Sicherheitsleistungen zu Gunsten der Bank B übernommen für ein Gesellschaftsdarlehen über 300.000 € durch Verpfändung eines Festgeldkontos sowie durch Bestellung von Grundschulden auf einem ihm gehörenden Grundstück. Des Weiteren hätten zwei weitere Gesellschafter Bürgschaften über jeweils 37.500 € gestellt, so dass ihm Sicherheitsleistungen i.H.v. 225.000 € zuzurechnen gewesen seien. Bis zum Kalenderjahr 2007 seien ihm keinerlei Aufwendungen aus der Sicherheitenübernahme entstanden, weshalb er auch keinen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gegenüber der GmbH gehabt habe. Erst die Einzahlungen und die gleichzeitige, anteilige Ablösung des Restdarlehens bei der Bank B und der damit verbundenen Freistellung von den vereinbarten Sicherheitsleistungen im Jahr 2007 führten zur (verdeckten) Einlage und im Rahmen des § 17 EStG zu den mit dem Nennwert zu bewertenden nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung. Eine Fremdüblichkeit der im Kalenderjahr 2007 geleisteten Zahlungen liege nicht vor, weshalb eine ausschließliche Begründung durch die Gesellschafterstellung gegeben sei.
23
Die Kläger beantragen,
24
den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 28.06.2016 dahingehend zu ändern, dass der Verlust des Gesellschafterdarlehens (223.396,53 €) berücksichtigt wird.
25
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
27
Er hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung fest.
28
Am 28.06.2016 erging ein Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2011 wegen hier nicht im Streit stehender Umstände.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Gericht vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
30
Der Senat hat am 12.03.2018 mündlich verhandelt.
31
Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
32
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
33
Die Klage ist begründet.
34
Der Beklagte hat zwar zu Recht bei der Berechnung des Veräußerungsverlustes nach § 17 EStG lediglich den Verlust aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils berücksichtigt. Allerdings war der Darlehensverlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Der angefochtene Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
35
Gemäß 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn (oder Verlust) aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war.
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Gemäß Abs. 2 der Vorschrift ist Veräußerungsgewinn im Sinne des Abs. 1 der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.
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Grundsätzlich zählen zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung auch nachträgliche Aufwendungen, sofern sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind, so dass auch die Wertminderung eines Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen zu den Anschaffungskosten gehören kann (BFH-Urteile vom 03.06.2003 VIII R 81/91, BStBl II 1994,192 und vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761).
38
Gleiches gilt für Verluste aus Finanzierungsmaßnahmen eines Gesellschafters, z.B. aus einer für Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft eingegangenen Bürgschaft, wenn die Übernahme der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und die Rückgriffsforderung gegen die Gesellschaft wertlos ist (BFH-Urteile vom 12.12.2000 VIII R 22/92, BStBl II 2001, 385 und vom 20.08.2013 IX R 1/13, BFH/NV 2014, 310).
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Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt vor, wenn im Zeitpunkt der Hingabe die Gesellschaft entweder insolvenzreif ist oder die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung/Stellung von Sicherheiten zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre; gleiches gilt wenn der Gesellschafter der Gesellschaft ein Darlehen bereits vor der Krise gewährt und dieses stehen lässt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar gewesen ist, dass die Rückzahlung gefährdet ist. Gleiches gilt im Falle der Hingabe einer Bürgschaft (BFH-Urteile vom 04.11.1997 VIII R 18/94, BStBl II 1999, 344, vom 12.12.2000 VIII R 22/92, BStBl II 2001, 385) und vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761).
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Die Funktion von Eigenkapital kann darüber hinaus auch einem sog. "krisenbestimmten Darlehen" (Finanzplandarlehen) zukommen. Ein solches liegt vor, wenn die Kapitalausstattung der Gesellschaft krisenunabhängig durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erfolgt. Erforderlich dazu ist, dass der Gesellschafter mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft erklärt, dass das Darlehen auch in einer Krise der Gesellschaft stehen gelassen wird (BFH-Urteile vom 13.07.1999 VIII R 31/98, BStBl II 1999, 724 und vom 07.12.2010 IX R 16/10, BFH/NV 2011, 778) oder wenn eine Rangrücktrittserklärung erfolgt (BFH, Urteil vom 04.11.1997 VIII R 18/94, BStBl II 1999, 344 m.w.N.) Für die Übernahme einer Bürgschaft gilt dies ebenso (BFH, Urteil vom 12.12.2000 VIII R 22/92, BStBl II 2001, 385 Rn 41).
41
Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze ergibt sich für den Streitfall folgendes:
42
Der Kläger hat der GmbH im Januar 2007 ein Darlehen über rund 245.000 € gewährt, welches aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 30.09.2011 nicht mehr zur Rückzahlung kam. Für dieses Darlehen hat er eine Rangrücktrittserklärung am 31.12.2007 abgegeben.
43
Ob die GmbH sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Krise befunden hat und dem hingegebenen Darlehen deshalb kapitalersetzender Charakter zuzusprechen ist kann nach Ansicht des erkennenden Senats offen bleiben.
44
Im Streitfall besteht nämlich die Besonderheit, dass mit dem Darlehen des Klägers das im Jahr 2003 aufgenommene Gesellschaftsdarlehen der GmbH, für das unter anderem der Kläger Sicherheiten gestellt hatte, abgelöst worden ist. Aus dem Vortrag der Kläger und dem vorgelegten Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 19.12.2006 ergibt sich, dass der Kläger eigentlich von Anfang an verpflichtet gewesen war, der GmbH ein Darlehen i.H.v. 225.000 € zur Verfügung zu stellen, so wie die anderen Gesellschafter der GmbH Darlehen in einer Gesamthöhe von 525.000 € zur Verfügung gestellt haben. Stattdessen hatte der Kläger das besagte Darlehen für die GmbH aufgenommen und die entsprechenden Sicherheiten gestellt, so dass sich das zur Ablösung des Gesellschaftsdarlehen hingegebene Darlehen des Klägers letztlich als eine Fortführung des ursprünglich in Form von Sicherheiten gewährten Engagements darstellt.
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Nach Ansicht des Senats ist daher für die Beurteilung der Frage, ob eine durch das Gesellschaftsverhältnis verursachte Finanzierungsmaßnahme des Klägers vorlag, auf den Zeitpunkt der Aufnahme des durch den Kläger besicherten Gesellschaftsdarlehen (2003) abzustellen.
46
Entgegen der Ansicht der Kläger befand sich die erst im Dezember 2002 gegründete GmbH zum Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheiten (2003) aber noch nicht in der Krise. Gemäß § 32a Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) befindet sich die Gesellschaft zu dem Zeitpunkt in der Krise, in dem die Gesellschafter der Gesellschaft als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Gesellschaft nach den bei Gewährung des Darlehens oder der Bürgschaft bestehenden Verhältnissen von einem Dritten keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen mehr erhalten hätte (BFH, Urteil vom 10.11.1998 VIII R 6/96, BStBl II 1999, 348). Ob die Gesellschaft in eine Krise geraten ist, insbesondere ob sie noch als kreditwürdig anzusehen ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BFH, Urteil vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761). Das ein Eintritt einer Krise noch nicht vorlag wird bereits daraus deutlich, dass den Sicherheiten ein Darlehensvertrag mit der Bank B über 300.000 € zugrunde lag. Bei einem Zinssatz von 4 % p.a. und einer Laufzeit von 10 Jahren, bei einem Zinsniveau für Geschäftskredite von 4,93 - 5,67% (vgl. Zinsstatistik Deutsche Bundesbank, www.bundesbank.de), handelte es sich um einen Vertrag zu marktüblichen Bedingungen. Auch der Umstand, dass der Kläger überhaupt den Weg gewählt hatte, für die GmbH ein Gesellschaftsdarlehen aufzunehmen, anstatt - wie offenbar vereinbart - ein Gesellschafterdarlehen zur Verfügung zu stellen, spricht gegen seinen Vortrag, dass ein Fremddarlehen zu üblichen Konditionen nicht zu erreichen gewesen sei.
47
Es lag auch keine krisenbestimmte Sicherheit vor, da nicht ersichtlich ist, dass der Kläger mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft erklärt hatte, dass die Sicherheiten auch in einer Krise der Gesellschaft stehen gelassen werden bzw. hier, dass bei einer Inanspruchnahme aus den Sicherheiten keine Rückgriffsansprüche gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden. Dafür spricht auch, dass auch die durch die übrigen Gesellschafter hingegebenen Darlehen von der GmbH nicht wie Eigenkapital, sondern wie Fremdkapital behandelt worden sind und Rangrücktritte der Gesellschafter erst zum 31.12.2007 erklärt worden sind.
48
Schließlich kommt auch eine Berücksichtigung als eine in der Krise stehen gelassene Sicherheit nicht in Betracht. Dies wäre nach der v.g. Rechtsprechung nur möglich, wenn der Gesellschafter eine vor der Krise gewährte Sicherheit weiter zur Verfügung stellt, obwohl er sie hätte abziehen können. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der Kläger die rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, die hingegebenen Sicherheiten abzuziehen bzw. von der GmbH die Freistellung von den Sicherheiten zu verlangen, hilfsweise unmittelbar die Liquidation der Gesellschaft zu verlangen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761 mit Hinweis auf BGH-Urteil vom 18.11.1991 II ZR 258/90, DStR 1992, 402, juris). Wie sich aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 19.12.2006 ergibt, wurde das den Sicherheiten zu Grunde liegende Darlehen der Bank B bis dahin kontinuierlich getilgt, so dass eine Inanspruchnahme aus den Sicherheiten nicht drohte. Weiter ergibt sich, dass die Mitgesellschafter der GmbH die Auffassung vertreten haben, dass der Kläger bereits im Jahr 2003 verpflichtet gewesen sei, der GmbH ein persönliches Darlehen zur Verfügung zu stellen, anstatt ein (besichertes) Gesellschaftsdarlehen aufzunehmen. Der Kläger hat sich daraufhin verpflichtet gesehen, das Darlehen zur Ablösung des Gesellschaftsdarlehens bereitzustellen und auch künftig nicht abzuziehen. Aus dieser Handhabung wird deutlich, dass es dem Kläger im Jahr 2007 auch faktisch nicht möglich gewesen wäre, die hingegebene Sicherheit aufzugeben.
49
Der Verlust des Klägers aus der Darlehnsgewährung ist allerdings steuerlich gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG zu berücksichtigen.
50
Nach diesen Vorschriften gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des Abs. 1 Nr. 7. Wie sich aus Abs. 2 S. 2 der Vorschrift ergibt, gilt als Veräußerung auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft.
51
Zwar liegt im Streitfall keine Veräußerung einer Kapitalforderung im vorgenannten Sinn vor.
52
Nach der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH führt aber auch der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der Vermögenssphäre zu einem Verlust im Sinne des § 20 Abs. 4 EStG (BFH, Urteil vom 24.10.2017 VIII R 13/15, juris). Aus der Vorschrift des § 20 Abs. 2 S. 2 EStG ergebe sich, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen steuerlich zu erfassen seien (unter Hinweis auf BT-Drucks 16/4841, Seite 56). Dass auch der Fall der Rückzahlung ausdrücklich der Veräußerung gleichgestellt sei, mache deutlich, dass ein Rechtsträgerwechsel nicht erforderlich ist, sondern es entscheidend auf die endgültige ausbleibende Rückzahlung ankomme. Da auch die Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter ohne Gegenleistung zu einem Veräußerungsverlust führe, sei es geboten, dem den Ausfall einer Rückzahlung gleichzustellen. Wirtschaftlich betrachtet mache es nämlich keinen Unterschied, ob der Steuerpflichtige die Forderung noch kurz vor dem Ausfall zu null veräußert, oder ob er sie behält.
53
Zwar hat der BFH ausdrücklich offengelassen, ob – wie im vorliegenden Fall – auch der Forderungsverzicht einer Veräußerung gleichzustellen ist.
54
Nach Ansicht des erkennenden Senats ist dies aber der Fall.
55
Soll mit der Einführung der Abgeltungssteuer eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 55), muss auch der durch einen zivilrechtlichen Verzicht ausgelöste Verlust eine Forderung steuerlich berücksichtigt werden. Auch der Forderungsverzicht führt zu einem endgültigen Ausfall der Kapitalforderung mit einer damit einhergehenden Einbuße der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, so dass eine steuerliche Berücksichtigung geboten ist. Auch kann hinsichtlich eines Forderungsverzichts der Vergleich zu dem vom BFH beschriebenen Szenario einer Veräußerung zu einem symbolischen Kaufpreis herangezogen werden.
56
Auch in der steuerrechtlichen Literatur wird der Fall des Untergangs einer Kapitalforderung unter den Begriff der Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 2 EStG gefasst, da es Ziel des Gesetzgebers gewesen sei, alle realisierten positiven Wertzuwächse zu erfassen, so dass auch sämtliche Wertverluste zu berücksichtigen seien (vgl. v.Beckerath in Kirchhof, EStG, 17. Aufl. § 20 Rz 144, Ratschow in Blümich EStG, § 20 Rz 247 H, Jachmann-Michel, JM 2018, 124).
57
Soweit ersichtlich, hat der Kläger auf seine der GmbH gewährten Darlehen keinerlei Rückzahlungen erhalten, so dass – mangels Vorliegens berücksichtigungsfähiger Aufwendungen – ein Verlust in Höhe von 244.708,83 € zu berücksichtigen wäre; ein Verlustverrechnungsverbot (§ 20 Abs. 6 EStG) besteht nicht, § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG.
58
Allerdings ist der Senat aufgrund der Vorschrift des § 96 Abs. 1 S. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) daran gehindert, den Klägern mehr zuzusprechen als die beantragte Berücksichtigung des Verlusts des Darlehens i.H.v. 223.396 €.
59
Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten auferlegt.
60
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
61
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung.
62
Der Senat lässt im Hinblick auf das beim X. Senat des BFH anhängige Verfahren X R 9/17 die Revision zu.