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  • 28.10.2019 · IWW-Abrufnummer 211897

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 25.07.2019 – 6 K 1733/18

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Nürnberg

    6 K 1733/18
     
    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Rechtsstreit
       
    - Kläger -
    Prozessbev.:
    gegen
        Finanzamt
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer 2011 - 2016

    hat der 6. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

    ohne mündliche Verhandlung am 25. Juli 2019 für Recht erkannt:

    1.    Die Klage wird abgewiesen.
    2.    Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

    Rechtsmittelbelehrung

    Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

    Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden; dies gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.

    Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

    Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

    Postanschrift des Bundesfinanzhofs: Postfach 860240, 81629 München
    Hausanschrift des Bundesfinanzhofs: Ismaninger Straße 109, 81675 München
    Telefax-Anschluss des Bundesfinanzhofs: 089/9231-201
    Elektronische Poststelle des Bundesfinanzhofs: siehe egvp.de

    Tatbestand

    Streitig ist, ob die dem Kläger von der A AG aus dem Vertreterversorgungswerk als (Berufsunfähigkeits-)Rente geleisteten Zahlungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder als sonstige Einkünfte zu versteuern sind.

    Der Kläger war bis 09.05.2003 als selbstständiger Ausschließlichkeitsvertreter für die A AG tätig und erzielte hieraus gewerbliche Einkünfte. Zur Sicherung seiner Alters-, Berufsunfähigkeits-, und Hinterbliebenenversorgung war er Mitglied im Vertreterversorgungswerk (VVW) der A AG.

    Auf die von Klägerseite vorgelegten Bestimmungen für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der hauptberuflichen Vertreter, die ausschließlich für die A Gesellschaften tätig sind (VVW-Bestimmungen), wird verwiesen.
    Nach 1 Festbetragszusage erhalten hauptberufliche Vertreter, die ausschließlich für die A Gesellschaften tätig sind, nach dem ersten anrechnungsfähigen Tätigkeitsjahr eine Festbetragszusage über folgende Versorgungsleistungen:
    - ein Altersruhegeld bei Vertragsbeendigung nach Vollendung des 63. Lebensjahr (..)
    - eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (..).
    In Höhe des Barwertes einer vom Vertreter zu beanspruchenden Rente entsteht kein Ausgleichsanspruch (vgl. 10.1.1 der VVW-Bestimmungen).

    Der Kläger gab seine Tätigkeit für die Versicherungsgesellschaft aufgrund seiner Berufsunfähigkeit zum 09.05.2003 auf und bezog ab dem 01.04.2003 Berufsunfähigkeitsrente gemäß VVW-Bestimmungen.

    Im Jahr 2003 war die Berufsunfähigkeitsrente als Leibrente erklärt und versteuert worden; im seinerzeitigen Einspruchsverfahren war lediglich die Höhe des Ertragsanteils streitig gewesen. Auch in den Einkommensteuererklärungen 2004 und 2006 war – soweit ersichtlich – die Berufsunfähigkeitsrente als Leibrente erklärt und entsprechend versteuert worden. Dem Kläger war für 2007 bis 2009 eine Nichtveranlagungsbescheinigung ausgestellt worden.

    In den Streitjahren erzielte der Kläger neben anderen Rentenleistungen folgende Einnahmen aus der (Berufsunfähigkeits-)Rente des Vertreterversorgungswerks:

    2011    2012    2013    2014    2015    2016      
    17.428 €    17.602 €    18.236 €    18.418 €    18.602 €    18.788 €     

    Der Kläger gab nach Aufforderung durch das Finanzamt im Juni 2018 Einkommensteuererklärungen für 2011 bis 2016 ab, in denen er die (Berufsunfähigkeits-)Rente des Vertreterversorgungswerks als Leibrente erklärte.

    In den Einkommensteuerbescheiden für 2011 bis 2016, die am 06.07.2018 erlassen wurden, behandelte das Finanzamt die fraglichen Leistungen jeweils als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

    Die Einsprüche des Klägers blieben erfolglos und wurden mit Einspruchsentscheidung vom 16.11.2018 als unbegründet zurückgewiesen.

    Im Klageverfahren trägt der Kläger vor, die Einnahmen aus der Berufsunfähigkeitsrente seien als sonstige Einkünfte zu qualifizieren und mit dem Ertragsanteil zu versteuern; die Zahlungen seien als Zahlungen aus einem eigenständigen Rechtsgrund einzustufen. Der VVW sei als Rentenversicherung konzipiert. Daher sei der Anspruch des Klägers steuerlich als solche zu behandeln. Er könne nicht den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet werden, weil er im Wesentlichen an die Stelle des Ausgleichsanspruchs getreten sei. Die durch die Versicherungsgesellschaft geleistete Zusage der Altersversorgung, die als Rentenversicherung ausgestaltet gewesen sei, sei als eine Gegenleistung für die Tätigkeit des Klägers als Versicherungsvertreter gedacht. Die Ausgestaltung des VVW sei mit einer Lebensversicherung vergleichbar. Der BFH habe mit Urteil vom 08.12.2016 III R 41/14 entschieden, dass eine ausschließlich gesellschaftsfinanzierte Lebensversicherung als Form der Altersversorgung, die auf den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters anzurechnen gewesen sei, nicht der vollen Besteuerung als nachgelagerte gewerbliche Einkünfte zu unterziehen sei. Im Streitfall sei eine analoge Behandlung sachgerecht. Der Kläger sei aus privater Veranlassung dem Vertreterversorgungswerk beigetreten, um seine Altersversorgung abzusichern. Betriebliche Veranlassung habe allenfalls seitens der Versicherungsgesellschaft bestanden. Die spätere Rente sei damit nicht ausschließlich gesellschaftsfinanziert. Zwar habe der Kläger keine Beiträge an das VVW geleistet, aber zur Ausfinanzierung dieser Altersversorgung auf seinen Ausgleichsanspruch verzichtet. Die Natur des versicherten Risikos spreche ebenfalls für die Zuordnung als Rente.

    Die Finanzbehörde habe die Tätigkeit des Klägers als selbständiger Versicherungsvertreter gekannt und seit 2005 Kenntnis von der Ausgestaltung der Berufsunfähigkeitsrente aus dem VVW gehabt. Zudem unterliege sie dem Amtsermittlungsgrundsatz. Der Kläger genieße Bestandsschutz, da das Finanzamt 2005 die Besteuerung der Rente mit dem Ertragsanteil anerkannt habe.
    Die (aus Sicht des Finanzamts) fehlerhafte Behandlung habe sich dem Finanzamt aufdrängen müssen; dieses habe keinerlei Nachforschungen angestellt.
    Für die Jahre 2011 bis 2013 sei Festsetzungsverjährung eingetreten.

    Der Kläger beantragt, die Leistungen aus dem Vertreterversorgungswerk von 17.428 € (2011), 17.602 € (2012), 18.236 € (2013), 18.418 € (2014), 18.602 € (2015) und 18.788 € (2016) als Leibrente im Sinne von § 22 Nr. 1 S. 3 EStG mit einem Ertragsanteil von 19 % zu besteuern und die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013 vom 06.07.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2018 und die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016, zuletzt vom 20.03.2019, entsprechend zu ändern.

    Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

    Es verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt weiter vor, Rentenbezüge von einem Vertretervertragswerk an einen vormaligen Versicherungsvertreter seien nach ständiger Rechtsprechung, nach Auffassung der Verwaltung und nach der Beurteilung in der Fachliteratur als nachträglich gewerbliche Einkünfte zu behandeln. Dies gelte auch im Fall von Berufsunfähigkeitsrenten.

    In den Steuererklärungen 2003 bis 2006 und 2011 bis 2016 habe der Kläger die Zahlungen des Vertreterversorgungswerkes als sonstige Einkünfte (mit einem Ertragsanteil von 23 %) erklärt, obwohl das Versorgungswerk jährlich für das vorangegangene Jahr darauf hingewiesen hätte, dass es sich bei Rentenbezügen vom Vertreterversorgungswerk um erklärungspflichtige Einkünfte aus früherem Gewerbebetrieb handele. Insofern habe der Kläger grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich, falsche Angaben gemacht.

    Das Finanzamt sei gehalten, den Angaben in einer Steuererklärung grundsätzlich Glauben zu schenken. Eine Verletzung seiner Ermittlungspflicht liege nur vor, wenn der Steuerpflichtige zu bestimmten Sachverhalten entweder keine Angaben mache oder sich am Erklärten ernstliche Zweifel aufdrängten. Dies sei für die Jahre 2003 bis 2006 nicht gegeben gewesen, zumal der Kläger steuerlich beraten gewesen sei und die Rente glaubhaft den sonstigen Einkünften zugeordnet habe. Aufgrund der dem Finanzamt für diese Jahre vorliegenden Unterlagen, die die oben genannten Schreiben des Vertreterversorgungswerkes nicht enthalten hätten, habe das Finanzamt dieses Erklärungsverschulden nicht erkennen können, so dass es auch nicht gehalten gewesen sei, misstrauisch zu sein und weitere Überprüfungen vorzunehmen.

    Nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung sei das Finanzamt in den Streitjahren nicht an die falsche Behandlung der Vorjahre gebunden.
    Für die Streitjahre sei Festsetzungsverjährung nicht eingetreten.

    Am 20.03.2019 wurden wegen hier nicht streitiger Gründe geänderte Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016 erlassen, die Gegenstand des Klageverfahrens werden.

    Auf die Schriftsätze der Beteiligten wird verwiesen.
    Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO).

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013 vom 06.07.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2018 und die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016, zuletzt vom 20.03.2019, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Das Finanzamt hat die dem Kläger von der A AG aus dem Vertreterversorgungswerk als (Berufsunfähigkeits-)Rente geleisteten Zahlungen zu Recht als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Besteuerung unterworfen.

    1.    Für die Streitjahre war bei Erlass der Einkommensteuerbescheide am 06.07.2018 keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

    Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) vier Jahre.

    Die Festsetzungsfrist beginnt – beispielhaft für das Jahr 2011 – gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des 31.12.2014, da der Kläger zunächst keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, und endet mit Ablauf des 31.12.2018. Entsprechendes gilt für die Jahre 2012 (Fristbeginn 31.12.2015 / Fristende regulär 31.12.2019), 2013 (31.12.2016/31.12.2020) und 2014 (31.12.2017/31.12.2021). Für die Jahre 2015 und 2016 beginnt die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahres der Abgabe der Einkommensteuererklärung am 31.12.2018 und endet regulär mit Ablauf des 31.12.2022.

    2.    Die Leistungen aus der (Berufsunfähigkeits-)Rente aus dem Vertreterversorgungswerk sind als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.

    a)    Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen. Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Absatz 1 EStG gehören gemäß § 24 Nr. 2 EStG auch Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 EStG.

    b)    Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG liegen dann vor, wenn die Einkünfte in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit stehen.

    c)    Nach der rechtskräftigen Rechtsprechung der Finanzgerichte stellen Einnahmen aus dem Vertreterversorgungswerk nachträgliche gewerbliche Einkünfte i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 2 EStG dar, da die Zahlungen mit der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit als Versicherungsvertreter in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. In Höhe des Barwertes einer vom Vertreter zu beanspruchenden Rente entsteht kein Ausgleichsanspruch (vgl. 10.1.1 der VVW-Bestimmungen); somit besteht ein Zusammenhang mit der Tätigkeit des Hauptvertreters weiter, so dass die Einnahmen nach § 24 Nr. 2 EStG zu den nachträglichen gewerblichen Einkünften zu rechnen sind (Thüringer Finanzgericht, Gerichtsbescheid vom 28.09.2017 2 K 266/16, juris unter Verweis auf BFH-Urteile vom 10.10.1963 VI 322, 323/61 U, BStBl III 1963, 592; vom 25.03.1976 IV R 174/73, BStBl II 1976, 487; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.11.1997 12 K 168/96, EFG 1998, 363; so auch FG München, Urteil vom 23.04.2018 2 K 102/16).

    d)    Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil vom 07.12.2000 14 K 3127/99, juris, dies auch für den Fall einer Berufsunfähigkeitsrente bejaht und führt aus, Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG lägen dann vor, wenn die Einkünfte in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit stünden. Diesen Zusammenhang entnimmt das FG Münster aus der Versorgungszusage des Arbeitgebers und der Vollfinanzierung der Rente durch den Arbeitgeber. Nach den im dortigen Streitfall anzuwendenden VVW-Bestimmungen waren für die Bemessung der Rentenbeträge der Bestand des Vertreters und die Tätigkeitsdauer maßgebend, so dass die Einräumung der Rente damit durch die berufliche Leistung veranlasst gewesen sei. Der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers ergebe sich auch daraus, dass mit den Rentenzahlungen ein Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters abgegolten werden solle (Ziff. 10 der VVW-Bestimmungen). Das Finanzgericht Münster bezieht sich ferner auf die den VVW zugrundeliegende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; auf diese Ausführungen des FG Münster wird verwiesen.

    Da von dem VVW Rentenzahlungen geleistet würden, könne insoweit ein Ausgleichsanspruch nicht geltend gemacht werden. Die Versorgung erfolge anstelle des Ausgleichsanspruchs. Da der Ausgleichsanspruch als Forderung zur Abgeltung einer bereits geleisteten Tätigkeit dem laufenden gewerblichen Gewinn zuzurechnen sei (vgl. BFH-Beschluss vom 16.08.1989 III B 14/89, BFH/NV 1990, 188), sei auch die voll von dem Unternehmer finanzierte Rente, die an die Stelle des Ausgleichsanspruchs trete und sich ebenfalls an der beruflichen Leistung des Klägers bemesse, für den Kläger nachträglicher gewerblicher Gewinn.

    e)    Die unter c) und d) dargestellte Einschätzung ist aus Sicht des Senats auch auf den Streitfall anzuwenden.

    Der Zusammenhang der (Berufsunfähigkeits-)Rente aus dem Vertreterversorgungswerk mit der ehemals gewerblichen Tätigkeit des Klägers besteht im Streitfall in der Versorgungszusage der Versicherungsgesellschaft und der Vollfinanzierung durch diese. Die (Berufsunfähigkeits-)Rente beruht nicht auf eigener Betragsleistung des Klägers.

    Auch aus der Bemessung der Rentenbeträge nach Bestand des Vertreters und Tätigkeitsdauer ergibt sich der Zusammenhang mit der früheren gewerblichen Tätigkeit, ebenso wie aus dem Umstand, dass in Höhe des Barwerts der Rente ein Ausgleichsanspruch nicht entsteht.

    Der vom Kläger übersandten „Informationsbroschüre der Interessengemeinschaft“ kann unter 4. entnommen werden, dass grundsätzlich die VVW-Aufnahme Voraussetzung dafür ist, als Vertreter für die A tätig zu werden. Daher vermag der Senat den Ausführungen des Klägers, er sei aus privater Veranlassung dem Vertreterversorgungswerk beigetreten, um seine Altersversorgung abzusichern, nicht zu folgen.

    Aus dem BFH-Urteil vom 08.12.2016 III R 41/14 kann der Kläger keine für ihn günstigen Folgen ableiten.

    Im dortigen Streitfall wurden „gesonderte“ Lebensversicherungen abgeschlossen. Der dortige Kläger erfasste und versteuerte die von den Versicherungsunternehmen geleisteten Beiträge für diese Lebensversicherungen als Betriebseinnahmen.

    Der BFH stellte im dortigen Fall für die Frage der Zuordnung der Lebensversicherung grundsätzlich auf die Natur des versicherten Risikos ab; der Abschluss einer Lebensversicherung sei in der Regel privat veranlasst, so dass Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag grundsätzlich zum Privatvermögen gehörten. Die Zahlung von Beiträgen durch die beiden Versicherungsunternehmen ändere nichts am "privaten" Charakter der Alters- und Hinterbliebenenversorgung.

    Im vorliegenden Streitfall liegt jedoch eine andere Ausgangssituation vor: Ein gesonderter Lebensversicherungsvertrag wurde nicht geschlossen; weder erfolgte eine Beitragsleistung durch den Kläger noch versteuerte er zu seinen Gunsten geleistete Beiträge (eines Versicherungsunternehmens) als gewerbliche Einkünfte.
     
    Zudem spricht die Bemessung der (Berufsunfähigkeits-)Rente entscheidend für eine Zuordnung zur ehemals betrieblichen Sphäre: Diese ist unter 2 der VVW-Bestimmungen geregelt; die Ermittlung der Rentenbeiträge wird in der „Informationsbroschüre der Interessengemeinschaft“ unter 7. erläutert. Maßgeblich sind verschiedene Faktoren, wie der Tätigkeitsjahrfaktor und der Bestand des Vertreters, von dem jedoch je nach Art der Versicherung bestimmte Arten von Verträgen ausgenommen sind. Die Versicherungen werden zudem in 10 Gruppen eingeteilt, die mit unterschiedlichen Bewertungsfaktoren angesetzt werden. Zudem kommen noch Umrechnungsfaktoren zur Anwendung.

    Der Bestand multipliziert mit den Bewertungsfaktoren ergibt den bewerteten Bestand; dieser multipliziert mit den Umrechnungsfaktoren und dem Tätigkeitsjahrfaktor ergibt den Rentenbetrag (im Einzelnen vergleiche 7.2.4 der „Informationsbroschüre der Interessengemeinschaft“).

    Aus dieser Bemessung der Beiträge ergibt sich die Ausrichtung der Rente an den vom Vertreter im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit erworbenen Zeiten, Beständen und deren Werten. Ein enger Zusammenhang mit der früheren gewerblichen Tätigkeit prägt daher die Rente.

    3.    Die Leistungen aus der (Berufsunfähigkeits-)Rente aus dem Vertreterversorgungswerk sind nicht als Leibrente im Sinne von § 22 Nr. 1 S. 3 EStG mit einem Ertragsanteil zu besteuern.

    Gemäß § 22 Nr. 1 1. HS EStG sind sonstige Einkünfte Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 6 bezeichneten Einkunftsarten gehören.
    § 22 EStG hat subsidiären Charakter. Die fraglichen Zahlungen gehören zu den – nachträglichen - Einkünften aus Gewerbebetrieb.

    4.    Dem Erlass der Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2016 vom 06.07.2018 stehen keine weiteren Hinderungsgründe entgegen.

    a)    Bei den ursprünglich angegriffenen Einkommensteuerbescheiden vom 06.07.2018 handelt es um erstmals aufgrund der Einkommensteuererklärungen ergangene Bescheide. Das Finanzamt hat zu Recht auf den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hingewiesen, wonach jeder Veranlagungszeitraum getrennt zu beurteilen ist und das Finanzamt nicht an eine ggf. falsche Beurteilung in früheren Veranlagungszeiträumen gebunden ist.

    Überlegungen, wie sie etwa im Rahmen der Anwendung von Änderungsvorschriften (§§ 172 ff AO) aufgrund deren besonderer Voraussetzungen notwendig sind, wie etwa zum nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen oder zu Ermittlungsfehlern seitens der Behörde, sind im Rahmen des Erlasses von Erstbescheiden nicht anzustellen.

    b)    Die Behandlung der (Berufsunfähigkeits-)Rente als Einkünfte aus Gewerbebetrieb verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben.

    Ein durch das Finanzamt geschaffener Vertrauenstatbestand durch vorangegangenes nachhaltiges Verhalten oder eine nachdrückliche Willensäußerung des Finanzamts ist über die durchgeführten Veranlagungen 2003, 2004 und 2006 bzw. über den Erlass der Nichtveranlagungsbescheinigung 2007 bis 2009 hinaus nicht ersichtlich. Die bloße falsche Behandlung in den Vorjahren reicht für die Schaffung eines Vertrauenstatbestands nicht aus.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

    RechtsgebieteFGO, AO, EStGVorschriftenFGO § 90 Abs. 2, § 100 Abs. 1 S. 1; AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; EStG § 22 Nr. 1 S. 3, § 24 Nr. 2