04.02.2020 · IWW-Abrufnummer 213941
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 25.09.2019 – 12 K 516/19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg
In dem Finanzrechtsstreit
X GmbH
vertreten durch die Geschäftsführer Y. und Z.
- Klägerin -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Finanzamt
- Beklagter -
Richterinnen am Finanzgericht
Ehrenamtliche Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Nach den Statuten der Klägerin ist Gegenstand ihres Unternehmens die Vermittlung und Vergabe von Bauvorhaben aller Art einschließlich Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen und zwar
a. als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung,
b. als Baubetreuer im fremden Namen für fremde Rechnung, sowie Vermittlung von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, gewerbliche Objekte und Wohnräume. Die Gesellschaft darf gleichartige oder ähnliche Unternehmen in jeder zulässigen Rechtsform errichten, erwerben, vertreten oder sich an solchen Unternehmen beteiligen.
Im Streitjahr 2012 hat die Klägerin unter Berücksichtigung der BMF-Schreiben vom 16. Oktober 2009 (Bundessteuerblatt (BStBl.) I 2009, 1298), 11. März 2010 (BStBl. I 2010, 254) und 17. November 2011 als vermeintliche Steuerschuldnerin im Sinne des § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) jeweils die Umsatzsteuer für die an sie erbrachten Bau- leistungen einbehalten und an den Beklagten abgeführt.
Die Klägerin erklärte in ihrer am 10. Juni 2013 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 2012 Leistungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 und 5 UStG i.H.v. xxx € (Umsatzsteuer hieraus xxx €) und nach § 13b Abs. 2 Nr. 4, 6-9 UStG i.H.v. xxx € (Umsatzsteuer hieraus xxx €). Vorsteuerbeträge aus Leistungen des § 13b UStG nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG erklärte sie in Höhe von insgesamt xxx €. Die Steuererklärung galt nach § 168 S. 1 Abgabenordnung (AO) mit dem Tag des Eingangs beim Beklagten am 10. Juni 2013 als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Für das Streitjahr 2012 wurde nach Prüfungsanordnung vom 4. August 2016 bei der Klägerin vom 20. September 2016 bis zum 30. November 2016 eine Außenprüfung unter anderem wegen "Umsatzsteuer 2012-2014" durchgeführt. Die Prüfung begann am 20. September 2016. Die letzte Ermittlung erfolgte am 30. November 2016. Ausgeführt wurde im Bericht über die Außenprüfung vom 20. Januar 2017 zur Umsatzsteuer Umsätze Tz. 23 "ohne Änderung" und Vorsteuern Tz. 24 "ohne Änderung". Eine Schlussbesprechung fand am 30. November 2016 statt. Über die Prüfungsfeststellungen wurde Übereinstimmung erzielt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Außenprüfung vom 20. Januar 2017 Bezug genommen.
Nach Betriebsprüfungsakte, Seite 46 "ist zu veranlassen: 1. Die Änderung und Aufhebung folgender Veranlagungen, Feststellungen und Festsetzungen inklusive der durch die Außenprüfung nicht geprüften Jahre:" für Körperschaft- und Gewerbesteuer 2012-2014. Nach der Steuerart "Umsatzsteuer" unter "Zeitraum" wurde handschriftlich mit Bleistift vermerkt "wegen Einsprüchen keine Aufhebung VdN".
Bereits für die Vorjahre 2010 und 2011 hatten sich im Rahmen einer im Jahr 2013/2014 durchgeführten Betriebsprüfung "keine Änderungen" hinsichtlich der Umsatzsteuer-Zahllast gegeben. Für diese Jahre hatte der Beklagte nach der Außenprüfung mit Bescheiden vom 15. Oktober 2014 den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben und hiergegen die Klägerin Einspruch eingelegt. Sie begehrte, die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG rückgängig zu machen, da nach der Rechtsprechung diese nicht eintrete, wenn der Leistungsempfänger die Leistungen seinerseits nicht selbst zur Erbringung einer bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG verwendet habe. Ihre nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg (Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Oktober 2018, Az. 12 K 199/17). Das Finanzgericht entschied, dass die Klägerin als Leistungsempfängerin aus einem Werkvertrag nicht Steuerschuldnerin nach § 13b UStG sei, da sie, soweit es um die streitige Umsatzsteuer gegangen sei, eigene Grundstücke bebaue bzw. bebauen lasse und sodann umsatzsteuerfrei veräußere oder vermiete.
Nach Urteil in der Rechtssache 12 K 199/17 stellte die Klägerin am 15. Oktober 2018 einen Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2012 nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO i.V.m. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG auf die von ihr 2012 bezogenen Bauleistungen, die sie nicht zur Ausführung von eigenen Umsätzen aus Bauleistungen verwendet habe, sondern für Arbeiten an eigenen Grundstücken/Gebäuden und an Grundstücken/Gebäuden, die im Rahmen von Bauträgerumsätzen veräußert worden seien. Die bisher festgesetzte Umsatzsteuer für Umsätze nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG sei fehlerhaft. Die Umsätze nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG seien um xxx € auf xxx € zu mindern (Kennziffer 877). Dadurch mindere sich die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG um xxx € auf xxx € (Kennziffer 878) und die nach § 13b von bisher xxx € um xxx € auf xxx € (Zeile 17/Zeile 95 USTE). Infolgedessen reduziere sich die abziehbare Vorsteuer nach § 13b UStG um xxx € auf xxx € (Kennziffer 467).
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2018 ab. Der geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung der bezahlten Umsatzsteuer sei bereits mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt und mithin der Anspruch erloschen. Es lägen keine Ablaufhemmungstatbestände vor.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Der Einspruch sei noch nicht verjährt, da die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen und dieser nicht aufgehoben worden sei. Nach § 171 Abs. 4 AO sei die Festsetzungsverjährung bis zur Unanfechtbarkeit der aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide gehemmt. Nach § 164 Abs. 3 S. 3 AO sei der Vorbehalt der Nachprüfung nach Abschluss einer Außenprüfung aufzuheben, wenn sich keine Änderungen der Steuerfestsetzungen ergeben. Diese gesetzlich vorgeschriebene Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung sei ebenfalls als geänderter Steuerbescheid im Sinne des vorgenannten § 171 Abs. 4 AO anzusehen, so dass die Verjährung gehemmt gewesen sei. Die Tatsache, dass der Beklagte auch für die geprüften Jahre 2013 und 2014 entgegen der üblichen Vorgehensweise und entgegen § 164 Abs. 3 S. 2 AO die Vorbehalte der Nachprüfung noch nicht aufgehoben habe, sei ein Beweis dafür, dass die Außenprüfung bis zum heutigen Tage im Sinne des § 171 Abs. 4 AO formal noch nicht abgeschlossen worden sei. Dies sei auch logisch, da angesichtsdes Rechtsstreits um die Anwendung des § 13b UStG im Jahr 2011 noch mit Auswirkungen auf die Berechnung der Steuerberichtigungserträge nach § 15a UStG in den Folgejahren zu rechnen gewesen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet ab. Die Festsetzungsfrist betrage nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO beginne die Festsetzungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem eine Steuererklärung eingereicht wird. Die Umsatzsteuererklärung 2012 sei am 10. Juli 2013 eingegangen, so dass die Verjährungsfrist zum 31.12.2013 zu laufen begonnen habe. Die vierjährige Festsetzungsfrist habe somit mit Ablauf des Jahres 2017 geendet. Der Änderungsantrag am 9. November 2018 sei mithin verspätet eingegangen.
Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei nicht nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt gewesen. Nach § 171 Abs. 4 AO laufe die Festsetzungsfrist nicht ab, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben werde. In einem solchen Fall laufe die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstrecke nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden seien oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO drei Monate verstrichen seien. Die Ablaufhemmung ende dabei mit der Unanfechtbarkeit der aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide, sofern nicht ein anderer Hemmungstatbestand eingreife. Maßgeblich sei die formelle Bestandskraft oder Rechtskraft einer Entscheidung. Formell bestandskräftig könnten auch Bescheide werden, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung im Sinne des § 164 AO sei kein aufgrund der Außenprüfung zu erlassender Steuerbescheid im Sinne des § 174 Abs. 4 S. 1 AO. Die Außenprüfung führe zu keiner Änderung. § 202 Abs. 2 Alt. 2 AO erfasse diesen Fall. Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei damit nicht gemäß § 171 Abs. 4 AO wegen einer nicht abgeschlossen Außenprüfung gehemmt gewesen. Die Außenprüfung habe am 20. September 2016 aufgrund der Prüfungsanordnung vom 4. August 2016 begonnen. Die letzte Ermittlungsmaßnahme sei am 30. November 2016 gewesen. Die Außenprüfung habe am 30. November 2016 geendet. Die Prüfung habe keine Änderung der Umsatzsteuerzahllast ergeben, so dass hierfür eine einfache Mitteilung nach Maßgabe des § 202 Abs. 1 AO ausgereicht habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), Urteile vom 2. Oktober 2013 IV R 36/01, DStRE 2004, 284 [BFH 02.10.2003 - IV R 36/01] und vom 18. Februar 2009 V R 82/07, DStRE 2009, 739 reiche gemäß § 202 Abs. 1 S. 3 AO auch ein Hinweis im Außenprüfungsbericht aus, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt habe. Im Bericht über die Außenprüfung vom 20. Januar 2017 sei die Mitteilung im Sinne des § 202 Abs. 1 AO erfolgt. Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, dass er, der Beklagte, den Vorbehalt der Nachprüfung nach Abschluss der Prüfung nicht aufgehoben habe und danach nach Ansicht der Klägerin den Anschein erweckt habe, dass die Außenprüfung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Sinn und Zweck des § 164 AO sei es, dass einerseits eine rasche Steuererhebung möglich sein solle und andererseits der Fall offengehalten werde und zwar sowohl zu Gunsten des Fiskus als auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen, der ohne Gefahr des Rechtsverlusts von Rechtsmitteln gegen den Bescheid absehen könne. Der Vorbehalt der Nachprüfung habe keinerlei Auswirkungen auf das Ende einer Außenprüfung. Die Festsetzungsfrist werde durch einen Vorbehaltsbescheid nicht hinausgeschoben. Der Vorbehalt werde vielmehr nach § 164 Abs. 4 S. 1 AO nach deren Ablauf gegenstandslos.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage und macht im Wesentlichen geltend, es sei noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten und damit auch noch nicht der Vorbehalt der Nachprüfung entfallen. Eine Aufstellung der einzelnen Eingangsumsätze sei dem Beklagten zusammen mit dem Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung zur Verfügung gestellt worden. Materiell sei ihr Begehren vom Beklagten bislang weder dem Grunde nach noch der Höhe nach bestritten worden. Nach § 164 Abs. 4 S. 1 AO entfalle der Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Dies sei noch nicht geschehen.
§ 171 Abs. 4 AO hemme deren Ablauf. Nach § 164 AO sei der Vorbehalt der Nachprüfung nach Abschluss einer Außenprüfung aufzuheben, wenn sich keine Änderung der Steuerfestsetzung ergebe. Der Gesetzgeber wolle sich danach für den Fall, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung führt, gerade nicht mit der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO begnügen. Der Vorbehalt der Nachprüfung sei als Nebenbestimmung des Steuerbescheids Teil des Steuerbescheids. Die gesetzlich vorgeschriebene Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung erfordere nach der Außenprüfung eine Bescheidänderung. Dieser Bescheid sei ein "aufgrund der Außenprüfung zu erlassender" Steuerbescheid. § 202 Abs. 2 AO betreffe nicht den Fall, dass eine Außenprüfung ohne Feststellungen abgeschlossen werde. Wenn für den Grundfall (Bescheide stehen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) in § 171 Abs. 4 S. 1 HS 2 Alt. 2 AO geregelt werde, dass die Festsetzungsfrist frühestens drei Monate nach Ergehen der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO ablaufe, dann stehe das für den Spezialfall (Bescheid steht unter Vorbehalt der Nachprüfung und der Vorbehalt der Nachprüfung ist nach § 164 Abs. 3 S. 3 AO aufzuheben) nicht der Anwendung des § 171 Abs. 4 S. 1 HS 2 Alt. 1 AO entgegen. Diese Auslegung des Gesetzeswortlauts erlaube als Einzige eine widerspruchsfreie Subsumtion aller denkbaren Verfahrensabläufe und müsse daher wohl als die vom Gesetzgeber tatsächlich gewollte Regelung angesehen werden. Die ausstehende Bescheidänderung, Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung, führe zu einer Hemmung der Festsetzungsverjährung.
Diese hemme ihrerseits den Wegfall des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 4 AO. Die gesetzlich vorgeschriebene Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung sei als geänderter Steuerbescheid im Sinne des § 171 Abs. 4 AO anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 10. Juli 2013 zu ändern und die Umsatzsteuer um xxx € herabzusetzen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, es sei Festsetzungsverjährung eingetreten und der Vorbehalt der Nachprüfung weggefallen. Ende eine Betriebsprüfung ohne Änderung, seien insoweit aufgrund der Außenprüfung keine Steuerbescheide zu erlassen. "Aufgrund" sei dahingehend zu verstehen, dass ein inhaltlich kausales Verhältnis zwischen dem Ergebnis der Außenprüfung und deren Auswertung bestehen müsse. Dieses bestehe dann, wenn die Außenprüfung zu einer inhaltlichen Änderung der Steuerfestsetzung führe. Davon zu unterscheiden sei der Fall des § 164 Abs. 3 S. 3 AO. Danach sei bei Vorbehaltsfestsetzungen der Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben. Gefordert werde hier also eine nicht inhaltliche, konditionale Verknüpfung zwischen dem Ergebnis der Außenprüfung und deren Auswertung durch Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung. Es gebe auch keinen Grund, diese sprachliche Unterscheidung des Gesetzgebers, wie von der Klägerin vertreten, einzuebnen und auch die Vorbehaltsaufhebung ohne Änderung der Steuerfestsetzung der Fallgruppe 1 des § 171 Abs. 4 S. 1 AO zuzuschlagen. Führe die Außenprüfung nicht zu einer Änderung der Steuerfestsetzung, liege unter der weiteren Maßgabe des Ergehens einer Mitteilung der Ergebnislosigkeit nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO ein Fall der Alternative 2 vor. Die Ablaufhemmung habe mithin drei Monate nach Bekanntgabe der Mitteilung vom 20. Januar 2017 geendet. Weil damit die Ablaufhemmung infolge Außenprüfung vor Eintritt der regulären Festsetzungsfrist zum 31. Dezember 2017 geendet habe, bleibe es bei dieser.
Am 25. September 2019 fand die mündliche Verhandlung statt. Der Vertreter des Beklagten stellte den Betrag der Umsatzsteuer iSd § 13b UStG mit xxx € unstreitig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 25. September 2019 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 10. Juli 2013 ist nicht nach § 164 Abs. 2 AO zu ändern und die Umsatzsteuer um xxx € zu reduzieren. Die Festsetzungsfrist ist abgelaufen. Infolgedessen ist eine Änderung nicht mehr zulässig (§ 169 Abs. 1 S. 1 AO) - auch nicht zu Gunsten der Klägerin. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen durch Verjährung (§ 47 AO).
Es ist Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Festsetzungsfrist begann nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steueranmeldung eingereicht wird und damit mit Ablauf des Kalenderjahres 2013. Die Umsatzsteuererklärung für 2013 stand als Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Festsetzungsfrist verlängert sich nicht nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO. Die Klägerin hat weder Umsatzsteuer hinterzogen noch leichtfertig verkürzt. Infolgedessen scheidet auch eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO aus. Die Festsetzungsfrist endete mit Ablauf des Kalenderjahres 2017.
Der Antrag auf Änderung der Klägerin ging erst 2018 beim Beklagten ein. Er führt deshalb keine Ablaufhemmung herbei. Nur ein "vor Ablauf der Festsetzungsfrist" gestellter Antrag führt dazu, dass die Festsetzungsfrist insoweit nicht abläuft, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist (§ 171 Abs. 3 AO).
Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist entgegen den Ausführungen der Klägerin auch nicht nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt. Es hat zwar vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Außenprüfung begonnen, aber diese verlängerte die Festsetzungsfrist im Streitfall nicht. Die Festsetzungsfrist läuft nach § 171 Abs. 4 AO nicht ab, "bevor" "nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 drei Monate verstrichen sind". Nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO genügt es, wenn die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt, dass "dies dem Steuerpflichtigen schriftlich mitgeteilt wird". Im Streitfall wurde im Bericht über die Außenprüfung vom 20. Januar 2017 zur Umsatzsteuer des Streitjahres zu den Umsätzen in Tz. 23 und zu den Vorsteuern in Tz. 24 jeweils ausgeführt "ohne Änderung". Eine Mitteilung iSd § 202 Abs. 1 S. 3 AO kann auch in einem diesbezüglichen ausdrücklichen Hinweis im Prüfungsbericht liegen (vgl. BFH-Urteil vom 2.10.2003 IV R 36/01, DStRE 2004, 284; BFH-Urteil vom 19. Januar 2010 X R 30/09, BFH/NV 2010, 1234; Gräber/Rüsken, AO, 14. Aufl. 2018, § 203 Rn. 4). Die Feststellungen "ohne Änderung" sind ein schriftlicher Hinweis iSd § 202 Abs. 1 S. 3 AO. Die Mitteilung ist eindeutig. Dem Hinweis ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Prüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führte. Es genügt, dass sich dies eindeutig dem Bericht für das Streitjahr entnehmen lässt (BFH-Urteil vom 13. März 1991 X R 33/89, BFH/NV 1991, 643; BFH-Urteil 18. Februar 2009 V R 82/07, DStRE 2009, 739). Dies genügt, um das Gebot einer ausdrücklichen schriftlichen Mitteilung (zu diesem Gebot BFH-Urteil vom 19. Januar 2010 X R 30/09, BFH/NV 2010, 1234 [BFH 14.01.2010 - X B 64/09]) zu erfüllen. Der ausdrückliche Hinweis "keine Änderung" dokumentiert das Ergebnis der Prüfung. Die Mitteilung hat (lediglich) Dokumentations- und Protokollfunktion. Unbeachtlich ist, ob sie rechtmäßig ist.
Daher kann dahin gestellt bleiben, ob die Außenprüfung unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung zu § 13b UStG mit der Mitteilung "keine Änderung" enden hätte dürfen. Infolge der eindeutigen Mitteilung hat sich die Festsetzungsfrist nicht verlängert. Sie endete auch danach 2017. Die Mitteilung löst wie die Änderung von Steuerbescheiden nach Außenprüfung Rechtsfolgen aus. Sie lässt die durch die Außenprüfung bewirkte Ablaufhemmung drei Monate nach Bekanntgabe entfallen (Gräber/Rüsken, AO, 14. Aufl. 2018, § 203 Rn. 4).
Während dieser Zeit bzw. im Streitfall bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist mit Ablauf 2017 hätte die Klägerin einen Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO stellen können, der nach § 171 Abs. 3 AO den Ablauf der Frist hemmen hätte können (so Kruse in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 171 AO auch Rn. 65; Banniza in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 171 AO Rn. 122). Bis zum Ablauf 2017 hat die Klägerin auch nicht die Erstattung der Steuer nach § 27 Abs. 19 UStG gefordert.
Etwas Anderes ergibt sich nicht dadurch, dass nach § 164 Abs. 3 S. 3 AO der Vorbehalt der Nachprüfung nach einer Außenprüfung aufzuheben "ist", wenn sich keine Änderungen ergeben. Er ist aufzuheben, da der Sachverhalt grundsätzlich nach einer Außenprüfung abschließend geprüft ist. Die Rechtfertigung für einen Vorbehalt der Nachprüfung entfällt. Es kommt nicht darauf an, ob im Streitfall unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung zu § 13b UStG und des für die Vorjahre anhängigen Verfahrens beim Finanzgericht Baden-Württemberg noch ein Rechtfertigungsgrund für einen Vorbehalt nach Abschluss der Außenprüfung bestanden hat. Unterlässt der Beklagte die Aufhebung des Vorbehalts, steht der Steuerbescheid weiterhin unter einem wirksamen Vorbehalt der Nachprüfung und kann nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden (BFH-Urteil vom 9. November 2006 V R 43/04, BStBl. II 2007,344; BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 8/09, BFH/NV 2010, 161). Der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich nicht dafür entschieden, dass der Vorbehalt der Nachprüfung ausdrücklich nach einer Außenprüfung entfällt. Er gab vielmehr der Finanzbehörde auf, diesen aufzuheben (BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 8/09, BFH/NV 2010, 161). Dies gilt auch, wenn nach Außenprüfung -wie im Streitfall- mitgeteilt worden ist, sie habe zu keiner Änderung geführt (BFH-Urteil vom 9. November 2006 V R 43/04, BStBl. II 2007, 344; BFH-Urteil vom 29. April 1987 I R 118/83, BStBl. II 1988, 168; kritisch hierzu Thomas DStR 1992, 1468). Im Streitfall kann dahin gestellt bleiben, ob die geänderte Rechtsprechung zu § 13b UStG der Grund für die fehlende Aufhebung gewesen ist. Denn die nach dem Wortlaut des § 164 Abs. 3 S. 3 AO ("ist") bestehende Verpflichtung zur Aufhebung des Vorbehalts, ggf. trotz bestehender Unsicherheiten über die Anwendung von § 13b UStG, macht den Bescheid über eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nicht zu einem "auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheid" iSd § 171 Abs. 4 AO mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist bis zu dessen Erlass gehemmt ist.
Einerseits führt § 164 Abs. 3 S. 3 AO lediglich zu einem Anspruch des Steuerpflichtigen. Kommt das Finanzamt seiner Pflichtaus § 164 Abs. 3 S. 3 AO nicht nach, hat der Steuerpflichtige infolge seines Anspruchs auf Aufhebung des Vorbehalts die Möglichkeit, die Aufhebung durch einen Rechtsbehelf durchzusetzen (BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 8/09, BFH/NV 2010, 161). Geschieht dies nicht, kann die Festsetzungsfrist ablaufen und der Vorbehalt der Nachprüfung entfallen (§ 164 Abs. 4 S. 1 AO).
Anderseits ergibt sich aus dem Wortlaut des § 171 Abs. 4 AO "oder", dass bereits eine der beiden genannten Handlungsalternativen die Ablaufhemmung beendet. "Oder" verdeutlicht Alternativen. Für diese Auslegung spricht der Sinn und Zweck der Norm. Die Ablaufhemmung betrifft nur Steuerbescheide aufgrund der Außenprüfung (Gräber/Rüsken, AO, 14. Aufl. 2018, § 171 Rn. 50). Die Klägerin begehrt indes die Änderung eines Umsatzsteuerbescheids, der vor der Außenprüfung ergangen ist. Im Kontext Ablaufhemmung und "zu erlassenden Steuerbescheid" geht es um Änderungen aufgrund einer Außenprüfung. Bescheide ergehen nur aufgrund einer Außenprüfung, wenn sie die Feststellungen der Prüfung verwerten (so BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, DStRE 2009, 739). Kommt es nicht zu einer solchen genügt die schlichte Mitteilung iSd § 202 Abs. 1 S. 3 AO, keine Änderung vorzunehmen. Sie gewährt Rechtssicherheit und stellt mit ihrer Dreimonatsfrist sicher, dass dem Steuerpflichtigen Zeit zur Prüfung und Reaktion verbleibt. Verzichtet die Klägerin darauf, einen Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO zustellen, hat sie sich an der von ihr selbst mitverantworteten Rechtslage festzuhalten(vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 8/09, BFH/NV 2010, 161). Es ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass Verfahrensfehler, die zu Rechtsverletzungen führen, gerügt werden müssen (BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 8/09, BFH/NV 2010, 161). In diesem Sinne sieht § 27 Abs. 19 UStG (auch aus Gründen des Vertrauensschutzes) vor, dass der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer zu fordern hat, die er in der Annahme entrichtet hat, Steuerschuldner zu sein. Hieran fehlt es für das Streitjahr vor Ablauf der Festsetzungsfrist.
Der Ablauf der Frist ist auch nicht nach Treu und Glauben -ggf. unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Grundsätze, wie den "effet utile" als "Spielart der teleologischen Interpretation" (Potacs, EuR 2009, 465)-, gehemmt. Das gesetzliche Recht wird nur dann durch den Grundsatz von Treu und Glauben verdrängt, wenn das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BFH-Urteil vom 9. November 2006 V R 43/04, BStBl. II 2007, 344). Hieran fehlt es. Der Beklagte hat die Klägerin nicht daran gehindert, einen Antrag auf Änderung zu stellen. Er war auch nicht verpflichtet, der Klägerin mitzuteilen, dass der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben werden wird. Auf die Gründe, warum die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nicht erfolgte, kommt es nicht an. Der Beklagte hat auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Vielmehr zeigt das Klageverfahren für die Vorjahre, dass der Beklagte zu einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung zu § 13b UStG nicht bereit war. Ändern sich sodann Rechtslage, Rechtsprechung und/oder die Auffassung der Verwaltung, führt dies weder zur Wiedereinsetzung, noch zu einer rückwirkenden Verlängerung von Fristen (BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 48/01, DStRE 2004, 224) noch zu einer verlängerten Verjährungsfrist.
Auch der EuGH betont, dass angemessene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit liegen, die zugleich den Abgabenpflichtigen und die Behörde schützen (EuGH-Urteil vom 15. September 1998 C-231/96 Rn. 20, NJW 1999, 129), sofern diese die Ausübung der durch Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH-Urteil vom 16. März 2006 C-234/04 Rn. 22, NJW 2006, 1577). Verjährungsfristen dienen der Rechtssicherheit. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass die steuerliche Lage des Steuerpflichtigen in Anbetracht seiner Rechte und Pflichten gegenüber der Steuerverwaltung nicht unbegrenzt offenbleiben kann (EuGH-Urteil vom 6. Februar 2014 C-424/12 Rn. 46, MwStR 2014, 125). Die Verjährungsvorschriften erschweren im Streitfall auch nicht die Ausübung der durch Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte. Die Klägerin hätte vor Ablauf der Frist einen Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 AO stellen können.
Mit Ablauf der Festsetzungsfrist ist der Vorbehalt der Nachprüfung entfallen (§ 164 Abs. 4 S. 1 AO). Die Festsetzungsfrist wird durch einen Vorbehaltsbescheid nicht hinausgeschoben. Sie führt nicht zur Unterbrechung nach § 171 Abs. 8 AO (Gräber/Rüsken, § 164 Rn. 25).
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin nach § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (Verhältnis von § 171 Abs. 4 AO zu § 164 Abs. 3 S. 3 AO) zugelassen.
Urteil vom 25.09.2019
Az.: 12 K 516/19
In dem Finanzrechtsstreit
X GmbH
vertreten durch die Geschäftsführer Y. und Z.
- Klägerin -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Finanzamt
- Beklagter -
wegen Umsatzsteuer 2012
hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2019 durch
Vorsitzenden Richter am FinanzgerichtRichterinnen am Finanzgericht
Ehrenamtliche Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Nach den Statuten der Klägerin ist Gegenstand ihres Unternehmens die Vermittlung und Vergabe von Bauvorhaben aller Art einschließlich Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen und zwar
a. als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung,
b. als Baubetreuer im fremden Namen für fremde Rechnung, sowie Vermittlung von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, gewerbliche Objekte und Wohnräume. Die Gesellschaft darf gleichartige oder ähnliche Unternehmen in jeder zulässigen Rechtsform errichten, erwerben, vertreten oder sich an solchen Unternehmen beteiligen.
Im Streitjahr 2012 hat die Klägerin unter Berücksichtigung der BMF-Schreiben vom 16. Oktober 2009 (Bundessteuerblatt (BStBl.) I 2009, 1298), 11. März 2010 (BStBl. I 2010, 254) und 17. November 2011 als vermeintliche Steuerschuldnerin im Sinne des § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) jeweils die Umsatzsteuer für die an sie erbrachten Bau- leistungen einbehalten und an den Beklagten abgeführt.
Die Klägerin erklärte in ihrer am 10. Juni 2013 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 2012 Leistungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 und 5 UStG i.H.v. xxx € (Umsatzsteuer hieraus xxx €) und nach § 13b Abs. 2 Nr. 4, 6-9 UStG i.H.v. xxx € (Umsatzsteuer hieraus xxx €). Vorsteuerbeträge aus Leistungen des § 13b UStG nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG erklärte sie in Höhe von insgesamt xxx €. Die Steuererklärung galt nach § 168 S. 1 Abgabenordnung (AO) mit dem Tag des Eingangs beim Beklagten am 10. Juni 2013 als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Für das Streitjahr 2012 wurde nach Prüfungsanordnung vom 4. August 2016 bei der Klägerin vom 20. September 2016 bis zum 30. November 2016 eine Außenprüfung unter anderem wegen "Umsatzsteuer 2012-2014" durchgeführt. Die Prüfung begann am 20. September 2016. Die letzte Ermittlung erfolgte am 30. November 2016. Ausgeführt wurde im Bericht über die Außenprüfung vom 20. Januar 2017 zur Umsatzsteuer Umsätze Tz. 23 "ohne Änderung" und Vorsteuern Tz. 24 "ohne Änderung". Eine Schlussbesprechung fand am 30. November 2016 statt. Über die Prüfungsfeststellungen wurde Übereinstimmung erzielt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Außenprüfung vom 20. Januar 2017 Bezug genommen.
Nach Betriebsprüfungsakte, Seite 46 "ist zu veranlassen: 1. Die Änderung und Aufhebung folgender Veranlagungen, Feststellungen und Festsetzungen inklusive der durch die Außenprüfung nicht geprüften Jahre:" für Körperschaft- und Gewerbesteuer 2012-2014. Nach der Steuerart "Umsatzsteuer" unter "Zeitraum" wurde handschriftlich mit Bleistift vermerkt "wegen Einsprüchen keine Aufhebung VdN".
Bereits für die Vorjahre 2010 und 2011 hatten sich im Rahmen einer im Jahr 2013/2014 durchgeführten Betriebsprüfung "keine Änderungen" hinsichtlich der Umsatzsteuer-Zahllast gegeben. Für diese Jahre hatte der Beklagte nach der Außenprüfung mit Bescheiden vom 15. Oktober 2014 den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben und hiergegen die Klägerin Einspruch eingelegt. Sie begehrte, die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG rückgängig zu machen, da nach der Rechtsprechung diese nicht eintrete, wenn der Leistungsempfänger die Leistungen seinerseits nicht selbst zur Erbringung einer bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG verwendet habe. Ihre nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg (Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Oktober 2018, Az. 12 K 199/17). Das Finanzgericht entschied, dass die Klägerin als Leistungsempfängerin aus einem Werkvertrag nicht Steuerschuldnerin nach § 13b UStG sei, da sie, soweit es um die streitige Umsatzsteuer gegangen sei, eigene Grundstücke bebaue bzw. bebauen lasse und sodann umsatzsteuerfrei veräußere oder vermiete.
Nach Urteil in der Rechtssache 12 K 199/17 stellte die Klägerin am 15. Oktober 2018 einen Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2012 nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO i.V.m. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG auf die von ihr 2012 bezogenen Bauleistungen, die sie nicht zur Ausführung von eigenen Umsätzen aus Bauleistungen verwendet habe, sondern für Arbeiten an eigenen Grundstücken/Gebäuden und an Grundstücken/Gebäuden, die im Rahmen von Bauträgerumsätzen veräußert worden seien. Die bisher festgesetzte Umsatzsteuer für Umsätze nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG sei fehlerhaft. Die Umsätze nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG seien um xxx € auf xxx € zu mindern (Kennziffer 877). Dadurch mindere sich die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG um xxx € auf xxx € (Kennziffer 878) und die nach § 13b von bisher xxx € um xxx € auf xxx € (Zeile 17/Zeile 95 USTE). Infolgedessen reduziere sich die abziehbare Vorsteuer nach § 13b UStG um xxx € auf xxx € (Kennziffer 467).
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2018 ab. Der geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung der bezahlten Umsatzsteuer sei bereits mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt und mithin der Anspruch erloschen. Es lägen keine Ablaufhemmungstatbestände vor.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Der Einspruch sei noch nicht verjährt, da die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen und dieser nicht aufgehoben worden sei. Nach § 171 Abs. 4 AO sei die Festsetzungsverjährung bis zur Unanfechtbarkeit der aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide gehemmt. Nach § 164 Abs. 3 S. 3 AO sei der Vorbehalt der Nachprüfung nach Abschluss einer Außenprüfung aufzuheben, wenn sich keine Änderungen der Steuerfestsetzungen ergeben. Diese gesetzlich vorgeschriebene Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung sei ebenfalls als geänderter Steuerbescheid im Sinne des vorgenannten § 171 Abs. 4 AO anzusehen, so dass die Verjährung gehemmt gewesen sei. Die Tatsache, dass der Beklagte auch für die geprüften Jahre 2013 und 2014 entgegen der üblichen Vorgehensweise und entgegen § 164 Abs. 3 S. 2 AO die Vorbehalte der Nachprüfung noch nicht aufgehoben habe, sei ein Beweis dafür, dass die Außenprüfung bis zum heutigen Tage im Sinne des § 171 Abs. 4 AO formal noch nicht abgeschlossen worden sei. Dies sei auch logisch, da angesichtsdes Rechtsstreits um die Anwendung des § 13b UStG im Jahr 2011 noch mit Auswirkungen auf die Berechnung der Steuerberichtigungserträge nach § 15a UStG in den Folgejahren zu rechnen gewesen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet ab. Die Festsetzungsfrist betrage nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO beginne die Festsetzungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem eine Steuererklärung eingereicht wird. Die Umsatzsteuererklärung 2012 sei am 10. Juli 2013 eingegangen, so dass die Verjährungsfrist zum 31.12.2013 zu laufen begonnen habe. Die vierjährige Festsetzungsfrist habe somit mit Ablauf des Jahres 2017 geendet. Der Änderungsantrag am 9. November 2018 sei mithin verspätet eingegangen.
Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei nicht nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt gewesen. Nach § 171 Abs. 4 AO laufe die Festsetzungsfrist nicht ab, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben werde. In einem solchen Fall laufe die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstrecke nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden seien oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO drei Monate verstrichen seien. Die Ablaufhemmung ende dabei mit der Unanfechtbarkeit der aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide, sofern nicht ein anderer Hemmungstatbestand eingreife. Maßgeblich sei die formelle Bestandskraft oder Rechtskraft einer Entscheidung. Formell bestandskräftig könnten auch Bescheide werden, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung im Sinne des § 164 AO sei kein aufgrund der Außenprüfung zu erlassender Steuerbescheid im Sinne des § 174 Abs. 4 S. 1 AO. Die Außenprüfung führe zu keiner Änderung. § 202 Abs. 2 Alt. 2 AO erfasse diesen Fall. Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei damit nicht gemäß § 171 Abs. 4 AO wegen einer nicht abgeschlossen Außenprüfung gehemmt gewesen. Die Außenprüfung habe am 20. September 2016 aufgrund der Prüfungsanordnung vom 4. August 2016 begonnen. Die letzte Ermittlungsmaßnahme sei am 30. November 2016 gewesen. Die Außenprüfung habe am 30. November 2016 geendet. Die Prüfung habe keine Änderung der Umsatzsteuerzahllast ergeben, so dass hierfür eine einfache Mitteilung nach Maßgabe des § 202 Abs. 1 AO ausgereicht habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), Urteile vom 2. Oktober 2013 IV R 36/01, DStRE 2004, 284 [BFH 02.10.2003 - IV R 36/01] und vom 18. Februar 2009 V R 82/07, DStRE 2009, 739 reiche gemäß § 202 Abs. 1 S. 3 AO auch ein Hinweis im Außenprüfungsbericht aus, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt habe. Im Bericht über die Außenprüfung vom 20. Januar 2017 sei die Mitteilung im Sinne des § 202 Abs. 1 AO erfolgt. Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, dass er, der Beklagte, den Vorbehalt der Nachprüfung nach Abschluss der Prüfung nicht aufgehoben habe und danach nach Ansicht der Klägerin den Anschein erweckt habe, dass die Außenprüfung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Sinn und Zweck des § 164 AO sei es, dass einerseits eine rasche Steuererhebung möglich sein solle und andererseits der Fall offengehalten werde und zwar sowohl zu Gunsten des Fiskus als auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen, der ohne Gefahr des Rechtsverlusts von Rechtsmitteln gegen den Bescheid absehen könne. Der Vorbehalt der Nachprüfung habe keinerlei Auswirkungen auf das Ende einer Außenprüfung. Die Festsetzungsfrist werde durch einen Vorbehaltsbescheid nicht hinausgeschoben. Der Vorbehalt werde vielmehr nach § 164 Abs. 4 S. 1 AO nach deren Ablauf gegenstandslos.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage und macht im Wesentlichen geltend, es sei noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten und damit auch noch nicht der Vorbehalt der Nachprüfung entfallen. Eine Aufstellung der einzelnen Eingangsumsätze sei dem Beklagten zusammen mit dem Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung zur Verfügung gestellt worden. Materiell sei ihr Begehren vom Beklagten bislang weder dem Grunde nach noch der Höhe nach bestritten worden. Nach § 164 Abs. 4 S. 1 AO entfalle der Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Dies sei noch nicht geschehen.
§ 171 Abs. 4 AO hemme deren Ablauf. Nach § 164 AO sei der Vorbehalt der Nachprüfung nach Abschluss einer Außenprüfung aufzuheben, wenn sich keine Änderung der Steuerfestsetzung ergebe. Der Gesetzgeber wolle sich danach für den Fall, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung führt, gerade nicht mit der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO begnügen. Der Vorbehalt der Nachprüfung sei als Nebenbestimmung des Steuerbescheids Teil des Steuerbescheids. Die gesetzlich vorgeschriebene Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung erfordere nach der Außenprüfung eine Bescheidänderung. Dieser Bescheid sei ein "aufgrund der Außenprüfung zu erlassender" Steuerbescheid. § 202 Abs. 2 AO betreffe nicht den Fall, dass eine Außenprüfung ohne Feststellungen abgeschlossen werde. Wenn für den Grundfall (Bescheide stehen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) in § 171 Abs. 4 S. 1 HS 2 Alt. 2 AO geregelt werde, dass die Festsetzungsfrist frühestens drei Monate nach Ergehen der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO ablaufe, dann stehe das für den Spezialfall (Bescheid steht unter Vorbehalt der Nachprüfung und der Vorbehalt der Nachprüfung ist nach § 164 Abs. 3 S. 3 AO aufzuheben) nicht der Anwendung des § 171 Abs. 4 S. 1 HS 2 Alt. 1 AO entgegen. Diese Auslegung des Gesetzeswortlauts erlaube als Einzige eine widerspruchsfreie Subsumtion aller denkbaren Verfahrensabläufe und müsse daher wohl als die vom Gesetzgeber tatsächlich gewollte Regelung angesehen werden. Die ausstehende Bescheidänderung, Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung, führe zu einer Hemmung der Festsetzungsverjährung.
Diese hemme ihrerseits den Wegfall des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 4 AO. Die gesetzlich vorgeschriebene Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung sei als geänderter Steuerbescheid im Sinne des § 171 Abs. 4 AO anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 10. Juli 2013 zu ändern und die Umsatzsteuer um xxx € herabzusetzen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, es sei Festsetzungsverjährung eingetreten und der Vorbehalt der Nachprüfung weggefallen. Ende eine Betriebsprüfung ohne Änderung, seien insoweit aufgrund der Außenprüfung keine Steuerbescheide zu erlassen. "Aufgrund" sei dahingehend zu verstehen, dass ein inhaltlich kausales Verhältnis zwischen dem Ergebnis der Außenprüfung und deren Auswertung bestehen müsse. Dieses bestehe dann, wenn die Außenprüfung zu einer inhaltlichen Änderung der Steuerfestsetzung führe. Davon zu unterscheiden sei der Fall des § 164 Abs. 3 S. 3 AO. Danach sei bei Vorbehaltsfestsetzungen der Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben. Gefordert werde hier also eine nicht inhaltliche, konditionale Verknüpfung zwischen dem Ergebnis der Außenprüfung und deren Auswertung durch Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung. Es gebe auch keinen Grund, diese sprachliche Unterscheidung des Gesetzgebers, wie von der Klägerin vertreten, einzuebnen und auch die Vorbehaltsaufhebung ohne Änderung der Steuerfestsetzung der Fallgruppe 1 des § 171 Abs. 4 S. 1 AO zuzuschlagen. Führe die Außenprüfung nicht zu einer Änderung der Steuerfestsetzung, liege unter der weiteren Maßgabe des Ergehens einer Mitteilung der Ergebnislosigkeit nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO ein Fall der Alternative 2 vor. Die Ablaufhemmung habe mithin drei Monate nach Bekanntgabe der Mitteilung vom 20. Januar 2017 geendet. Weil damit die Ablaufhemmung infolge Außenprüfung vor Eintritt der regulären Festsetzungsfrist zum 31. Dezember 2017 geendet habe, bleibe es bei dieser.
Am 25. September 2019 fand die mündliche Verhandlung statt. Der Vertreter des Beklagten stellte den Betrag der Umsatzsteuer iSd § 13b UStG mit xxx € unstreitig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 25. September 2019 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 10. Juli 2013 ist nicht nach § 164 Abs. 2 AO zu ändern und die Umsatzsteuer um xxx € zu reduzieren. Die Festsetzungsfrist ist abgelaufen. Infolgedessen ist eine Änderung nicht mehr zulässig (§ 169 Abs. 1 S. 1 AO) - auch nicht zu Gunsten der Klägerin. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen durch Verjährung (§ 47 AO).
Es ist Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Festsetzungsfrist begann nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steueranmeldung eingereicht wird und damit mit Ablauf des Kalenderjahres 2013. Die Umsatzsteuererklärung für 2013 stand als Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Festsetzungsfrist verlängert sich nicht nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO. Die Klägerin hat weder Umsatzsteuer hinterzogen noch leichtfertig verkürzt. Infolgedessen scheidet auch eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO aus. Die Festsetzungsfrist endete mit Ablauf des Kalenderjahres 2017.
Der Antrag auf Änderung der Klägerin ging erst 2018 beim Beklagten ein. Er führt deshalb keine Ablaufhemmung herbei. Nur ein "vor Ablauf der Festsetzungsfrist" gestellter Antrag führt dazu, dass die Festsetzungsfrist insoweit nicht abläuft, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist (§ 171 Abs. 3 AO).
Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist entgegen den Ausführungen der Klägerin auch nicht nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt. Es hat zwar vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Außenprüfung begonnen, aber diese verlängerte die Festsetzungsfrist im Streitfall nicht. Die Festsetzungsfrist läuft nach § 171 Abs. 4 AO nicht ab, "bevor" "nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 drei Monate verstrichen sind". Nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO genügt es, wenn die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt, dass "dies dem Steuerpflichtigen schriftlich mitgeteilt wird". Im Streitfall wurde im Bericht über die Außenprüfung vom 20. Januar 2017 zur Umsatzsteuer des Streitjahres zu den Umsätzen in Tz. 23 und zu den Vorsteuern in Tz. 24 jeweils ausgeführt "ohne Änderung". Eine Mitteilung iSd § 202 Abs. 1 S. 3 AO kann auch in einem diesbezüglichen ausdrücklichen Hinweis im Prüfungsbericht liegen (vgl. BFH-Urteil vom 2.10.2003 IV R 36/01, DStRE 2004, 284; BFH-Urteil vom 19. Januar 2010 X R 30/09, BFH/NV 2010, 1234; Gräber/Rüsken, AO, 14. Aufl. 2018, § 203 Rn. 4). Die Feststellungen "ohne Änderung" sind ein schriftlicher Hinweis iSd § 202 Abs. 1 S. 3 AO. Die Mitteilung ist eindeutig. Dem Hinweis ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Prüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führte. Es genügt, dass sich dies eindeutig dem Bericht für das Streitjahr entnehmen lässt (BFH-Urteil vom 13. März 1991 X R 33/89, BFH/NV 1991, 643; BFH-Urteil 18. Februar 2009 V R 82/07, DStRE 2009, 739). Dies genügt, um das Gebot einer ausdrücklichen schriftlichen Mitteilung (zu diesem Gebot BFH-Urteil vom 19. Januar 2010 X R 30/09, BFH/NV 2010, 1234 [BFH 14.01.2010 - X B 64/09]) zu erfüllen. Der ausdrückliche Hinweis "keine Änderung" dokumentiert das Ergebnis der Prüfung. Die Mitteilung hat (lediglich) Dokumentations- und Protokollfunktion. Unbeachtlich ist, ob sie rechtmäßig ist.
Daher kann dahin gestellt bleiben, ob die Außenprüfung unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung zu § 13b UStG mit der Mitteilung "keine Änderung" enden hätte dürfen. Infolge der eindeutigen Mitteilung hat sich die Festsetzungsfrist nicht verlängert. Sie endete auch danach 2017. Die Mitteilung löst wie die Änderung von Steuerbescheiden nach Außenprüfung Rechtsfolgen aus. Sie lässt die durch die Außenprüfung bewirkte Ablaufhemmung drei Monate nach Bekanntgabe entfallen (Gräber/Rüsken, AO, 14. Aufl. 2018, § 203 Rn. 4).
Während dieser Zeit bzw. im Streitfall bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist mit Ablauf 2017 hätte die Klägerin einen Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO stellen können, der nach § 171 Abs. 3 AO den Ablauf der Frist hemmen hätte können (so Kruse in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 171 AO auch Rn. 65; Banniza in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 171 AO Rn. 122). Bis zum Ablauf 2017 hat die Klägerin auch nicht die Erstattung der Steuer nach § 27 Abs. 19 UStG gefordert.
Etwas Anderes ergibt sich nicht dadurch, dass nach § 164 Abs. 3 S. 3 AO der Vorbehalt der Nachprüfung nach einer Außenprüfung aufzuheben "ist", wenn sich keine Änderungen ergeben. Er ist aufzuheben, da der Sachverhalt grundsätzlich nach einer Außenprüfung abschließend geprüft ist. Die Rechtfertigung für einen Vorbehalt der Nachprüfung entfällt. Es kommt nicht darauf an, ob im Streitfall unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung zu § 13b UStG und des für die Vorjahre anhängigen Verfahrens beim Finanzgericht Baden-Württemberg noch ein Rechtfertigungsgrund für einen Vorbehalt nach Abschluss der Außenprüfung bestanden hat. Unterlässt der Beklagte die Aufhebung des Vorbehalts, steht der Steuerbescheid weiterhin unter einem wirksamen Vorbehalt der Nachprüfung und kann nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden (BFH-Urteil vom 9. November 2006 V R 43/04, BStBl. II 2007,344; BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 8/09, BFH/NV 2010, 161). Der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich nicht dafür entschieden, dass der Vorbehalt der Nachprüfung ausdrücklich nach einer Außenprüfung entfällt. Er gab vielmehr der Finanzbehörde auf, diesen aufzuheben (BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 8/09, BFH/NV 2010, 161). Dies gilt auch, wenn nach Außenprüfung -wie im Streitfall- mitgeteilt worden ist, sie habe zu keiner Änderung geführt (BFH-Urteil vom 9. November 2006 V R 43/04, BStBl. II 2007, 344; BFH-Urteil vom 29. April 1987 I R 118/83, BStBl. II 1988, 168; kritisch hierzu Thomas DStR 1992, 1468). Im Streitfall kann dahin gestellt bleiben, ob die geänderte Rechtsprechung zu § 13b UStG der Grund für die fehlende Aufhebung gewesen ist. Denn die nach dem Wortlaut des § 164 Abs. 3 S. 3 AO ("ist") bestehende Verpflichtung zur Aufhebung des Vorbehalts, ggf. trotz bestehender Unsicherheiten über die Anwendung von § 13b UStG, macht den Bescheid über eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nicht zu einem "auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheid" iSd § 171 Abs. 4 AO mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist bis zu dessen Erlass gehemmt ist.
Einerseits führt § 164 Abs. 3 S. 3 AO lediglich zu einem Anspruch des Steuerpflichtigen. Kommt das Finanzamt seiner Pflichtaus § 164 Abs. 3 S. 3 AO nicht nach, hat der Steuerpflichtige infolge seines Anspruchs auf Aufhebung des Vorbehalts die Möglichkeit, die Aufhebung durch einen Rechtsbehelf durchzusetzen (BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 8/09, BFH/NV 2010, 161). Geschieht dies nicht, kann die Festsetzungsfrist ablaufen und der Vorbehalt der Nachprüfung entfallen (§ 164 Abs. 4 S. 1 AO).
Anderseits ergibt sich aus dem Wortlaut des § 171 Abs. 4 AO "oder", dass bereits eine der beiden genannten Handlungsalternativen die Ablaufhemmung beendet. "Oder" verdeutlicht Alternativen. Für diese Auslegung spricht der Sinn und Zweck der Norm. Die Ablaufhemmung betrifft nur Steuerbescheide aufgrund der Außenprüfung (Gräber/Rüsken, AO, 14. Aufl. 2018, § 171 Rn. 50). Die Klägerin begehrt indes die Änderung eines Umsatzsteuerbescheids, der vor der Außenprüfung ergangen ist. Im Kontext Ablaufhemmung und "zu erlassenden Steuerbescheid" geht es um Änderungen aufgrund einer Außenprüfung. Bescheide ergehen nur aufgrund einer Außenprüfung, wenn sie die Feststellungen der Prüfung verwerten (so BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, DStRE 2009, 739). Kommt es nicht zu einer solchen genügt die schlichte Mitteilung iSd § 202 Abs. 1 S. 3 AO, keine Änderung vorzunehmen. Sie gewährt Rechtssicherheit und stellt mit ihrer Dreimonatsfrist sicher, dass dem Steuerpflichtigen Zeit zur Prüfung und Reaktion verbleibt. Verzichtet die Klägerin darauf, einen Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO zustellen, hat sie sich an der von ihr selbst mitverantworteten Rechtslage festzuhalten(vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 8/09, BFH/NV 2010, 161). Es ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass Verfahrensfehler, die zu Rechtsverletzungen führen, gerügt werden müssen (BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 8/09, BFH/NV 2010, 161). In diesem Sinne sieht § 27 Abs. 19 UStG (auch aus Gründen des Vertrauensschutzes) vor, dass der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer zu fordern hat, die er in der Annahme entrichtet hat, Steuerschuldner zu sein. Hieran fehlt es für das Streitjahr vor Ablauf der Festsetzungsfrist.
Der Ablauf der Frist ist auch nicht nach Treu und Glauben -ggf. unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Grundsätze, wie den "effet utile" als "Spielart der teleologischen Interpretation" (Potacs, EuR 2009, 465)-, gehemmt. Das gesetzliche Recht wird nur dann durch den Grundsatz von Treu und Glauben verdrängt, wenn das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BFH-Urteil vom 9. November 2006 V R 43/04, BStBl. II 2007, 344). Hieran fehlt es. Der Beklagte hat die Klägerin nicht daran gehindert, einen Antrag auf Änderung zu stellen. Er war auch nicht verpflichtet, der Klägerin mitzuteilen, dass der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben werden wird. Auf die Gründe, warum die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nicht erfolgte, kommt es nicht an. Der Beklagte hat auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Vielmehr zeigt das Klageverfahren für die Vorjahre, dass der Beklagte zu einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung zu § 13b UStG nicht bereit war. Ändern sich sodann Rechtslage, Rechtsprechung und/oder die Auffassung der Verwaltung, führt dies weder zur Wiedereinsetzung, noch zu einer rückwirkenden Verlängerung von Fristen (BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 48/01, DStRE 2004, 224) noch zu einer verlängerten Verjährungsfrist.
Auch der EuGH betont, dass angemessene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit liegen, die zugleich den Abgabenpflichtigen und die Behörde schützen (EuGH-Urteil vom 15. September 1998 C-231/96 Rn. 20, NJW 1999, 129), sofern diese die Ausübung der durch Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH-Urteil vom 16. März 2006 C-234/04 Rn. 22, NJW 2006, 1577). Verjährungsfristen dienen der Rechtssicherheit. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass die steuerliche Lage des Steuerpflichtigen in Anbetracht seiner Rechte und Pflichten gegenüber der Steuerverwaltung nicht unbegrenzt offenbleiben kann (EuGH-Urteil vom 6. Februar 2014 C-424/12 Rn. 46, MwStR 2014, 125). Die Verjährungsvorschriften erschweren im Streitfall auch nicht die Ausübung der durch Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte. Die Klägerin hätte vor Ablauf der Frist einen Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 AO stellen können.
Mit Ablauf der Festsetzungsfrist ist der Vorbehalt der Nachprüfung entfallen (§ 164 Abs. 4 S. 1 AO). Die Festsetzungsfrist wird durch einen Vorbehaltsbescheid nicht hinausgeschoben. Sie führt nicht zur Unterbrechung nach § 171 Abs. 8 AO (Gräber/Rüsken, § 164 Rn. 25).
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin nach § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (Verhältnis von § 171 Abs. 4 AO zu § 164 Abs. 3 S. 3 AO) zugelassen.