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  • 07.04.2020 · IWW-Abrufnummer 215168

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 06.02.2020 – 5 K 158/17 U

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster


    Tenor:

    Die Umsatzsteuerfestsetzung für 2014 vom 31.03.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.12.2016 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer auf Null Euro festgesetzt wird.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    Die Revision wird zugelassen.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    1

    T a t b e s t a n d

    2

    Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen durch eine eigenständige GbR eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung darstellt.

    3

    Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der X GbR (im Folgenden: GbR), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter die Ärzte E, O und H waren. Die GbR ist am 00.00.2018 in die Klägerin eingebracht worden. Die ehemaligen Gesellschafter der GbR sind Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und betrieben im Streitjahr zugleich ein … (im Folgenden: N) in F in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft.

    4

    Die GbR war im Bereich der Kryokonservierung tätig. Nach § 1 des Gesellschaftsvertrages bestand der Gesellschaftszweck im tiefgekühlten Einlagern von Samen- und Eizellen.

    5

    Wurde im Rahmen der Kinderwunschbehandlung von den Patienten die Entscheidung über eine Kryokonservierung getroffen, so schlossen die Patienten mit dem N einen Vertrag über die Kryokonservierung der Eizellen/Embryonen ab (vgl. Muster Bl. 21R ff. der Gerichtsakte). Zudem schlossen die Patienten mit der GbR einen Vertrag über die Lagerung der Eizellen/Embryonen ab (vgl. Muster Bl. 24R ff. der Gerichtsakte).

    6

    Für das Streitjahr 2014 stimmte der Beklagte der am 10.03.2016 eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung der GbR (Bl. 4 ff. der Umsatzsteuerakte) zu. Die entsprechende Mitteilung über die Zustimmung erging am 31.03.2016, es wurde eine Umsatzsteuer in Höhe von xxx € festgesetzt und es ergab sich aufgrund von Vorauszahlungen in Höhe von xxx € eine Zuvielzahlung in Höhe von xxx € (Bl. 12 der Gerichtsakte).

    7

    Hiergegen legte die GbR am 20.04.2016 Einspruch ein. Zur Begründung trug sie unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 29.07.2015 (XI R 23/13) vor, dass es sich bei der Kryokonservierung um eine steuerfreie Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. handele.

    8

    Mit Einspruchsentscheidung vom 13.12.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Nach der Rechtsprechung des BFH sei eine Steuerfreiheit nur dann anzunehmen, wenn eine Lagerung erfolgte, weil eine organisch bedingte Sterilität bei einem der beiden fortpflanzungswilligen Partner vorlag. Nicht steuerfrei sei hingegen die Lagerung von Eizellen oder Spermien ohne medizinischen Anlass (sog. social freezing). Der Internetauftritt des N weise auch auf die Möglichkeit der Fertilitätsreserve hin. Die Feststellungslast in Bezug auf die Steuerfreiheit trage für jeden einzelnen Umsatz die GbR.

    9

    Mit der von der GbR am 13.01.2017 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin das Begehren weiter. Die Leistungen der GbR seien Teil der Gesamtleistung der vom N erbrachten, nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreien Heilbehandlungsleistungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft gewesen. Soweit bei der Entnahme der Eizellen und anschließender Aufbereitung mehr als drei Eizellen im Vorkernstadium entstanden seien, könnten diese kryokonserviert werden, um sie bei einem späteren Behandlungszyklus einsetzen zu können. Die Kryokonservierung erspare der Patientin eine erneute hormonelle Stimulation und Punktion und die damit verbundene Narkotisierung. Da sowohl die hormonelle Stimulation als auch die Punktion psychische und physische Nebenwirkungen haben könnten, sei die Verwendung der kryokonservierten Eizellen im Vorkernstadium für die Patienten eine erhebliche Erleichterung im Behandlungsablauf. Dies sei aber nur eine Form der Unfruchtbarkeitsbehandlung. Je nach Ausbildung des Krankheitsbildes könne eine Kryokonservierung von Eizellen im Vorkernstadium als auch von Sperma und/oder Hodengewebe auch notwendig sein, um später überhaupt noch eine Kinderwunschbehandlung durchführen zu können. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist die Klägerin auf die im Internet abrufbare Informationsbroschüre des N. Da die Kosten der Behandlungsschritte zur Kryokonservierung und das anschließende Einsetzen sowie weitere Teile der Fruchtbarkeitsbehandlung nicht von den Krankenkassen übernommen worden seien, sei eine gesonderte Abrechnung mit den Patienten erfolgt, wozu ein Vertrag zwischen dem N und der GbR und den Patienten geschlossen worden sei. Die GbR habe keine Einlagerungen ohne eine vorhergehende Heilbehandlung durchgeführt, ein sog. „social freezing“ sei auch nicht auf der Internetseite des N/der GbR angeboten worden. Zwischen der Heilbehandlung und der Kryokonservierung bestehe immer ein sehr enger Zusammenhang, weil die Eizellen anlässlich der Behandlung entnommen würden. Der zeitliche Zusammenhang sei biologisch vorgegeben, da anderenfalls die Eizellen abstürben. Beim Embryotransfer würden die Eizellen für die Folgebehandlungen verwendet. Eine Herausgabe an Dritte dürfe nach deutschen Recht nicht erfolgen, der Nichttransfer durch Tod sei aufgrund des Alters der Patienten sehr selten. Auch ein Nichttransfer wegen einer Trennung der Paare komme äußerst selten vor. Selbst wenn sich Patienten nach der ersten Behandlung und der danach vorgenommenen Kryokonservierung entschlössen, keine weiteren Versuche durchzuführen, so ändere dies nichts daran, dass es sich bei dem ersten Versuch um eine Heilbehandlung handele. Ein Nichttransfer führe nicht dazu, dass der Heilbehandlungscharakter entfalle. Nach der Berufsordnung der … sei eine Kryokonservierung von Embryonen nur zulässig, wenn die im Behandlungszyklus vorgesehene Übertragung nicht möglich sei. Eine Kryokonservierung ergebe zudem nur mit der vorherigen Entnahme aus dem menschlichen Körper und der geplanten anschließenden Einführung in den menschlichen Körper Sinn. Losgelöst von diesen Merkmalen könne keine Kryokonservierung erfolgen. Insoweit sei der vorliegende Sachverhalt mit der EuGH-Entscheidung vom 18.11.2010 in der Rechtssache Verigen (C-156/09) vergleichbar. Der EuGH habe in dieser Entscheidung die Leistungen eines Labors, das aus von Ärzten entnommenem und später wiedereingesetztem Knorpelmaterial Gelenkknorpelzellen herauslöste und diese vermehrte, als umsatzsteuerfrei eingestuft. Hinzu komme, dass es sich im vom EuGH entschiedenen Fall um voneinander unabhängige Gesellschaften gehandelt habe, während die GbR zwar eine eigenständige Gesellschaft sei, aber personell, finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in das N eingegliedert gewesen sei.

    10

    Die Klägerin beantragt,

    11

    die Umsatzsteuerfestsetzung vom 31.03.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.12.2016 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2014 auf Null Euro festzusetzen.

    12

    Der Beklagte beantragt,

    13

    die Klage abzuweisen.

    14

    Er trägt vor, dass auch durch die von der Klägerin im Klageverfahren eingereichten Unterlagen nicht der erforderliche enge/zeitliche Zusammenhang zwischen Lagerung des Kryokonservierungsgutes und eigentlicher Heilbehandlung nachgewiesen sei. Zum einen reichten die Heilbehandlungsunterlagen nur bis zum 31.12.2014. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die einzelnen Verträge zum Beispiel durch Herausgabe an Dritte, Trennung oder Tod der Auftraggeber beendet worden seien. Auch sei nicht erkennbar, ob das eingelagerte Konservierungsgut überhaupt in allen Fällen für eine nachfolgende Heilbehandlung genutzt werde.

    15

    Zudem habe es sich bei der GbR und dem N um zwei getrennt voneinander zu beurteilende Unternehmer gehandelt. Gesellschaftszweck der GbR sei lediglich die Lagerung des Konservierungsgutes gewesen, hierüber werde mit den Patienten ein gesonderter Vertrag abgeschlossen. Für die Kryokonservierung habe ein weiterer Vertrag mit dem N existiert. Das von der Klägerin zitierte BFH-Urteil vom 29.07.2015 (XI R 23/13) unterscheide sich dadurch vom Streitfall, dass die dortige GbR die komplette Diagnostik und Therapie der Paare mit Kinderwunsch durchgeführt habe. Die bloße Lagerung eingefrorener Eizellen oder Spermien durch dritte Unternehmer (wie z.B. Kryobanken), die nicht auch vorhergehende oder sich ggf. anschließende Fruchtbarkeitsbehandlungen erbrächten, sei aber nach der für den Beklagten bindenden Auffassung des BMF im Schreiben vom 10.07.2017 (BStBl. I 2017, 888) umsatzsteuerpflichtig.

    16

    In der Sache hat am 06.02.2019 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

    17

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

    18

    Die Klage hat Erfolg.

    19

    Die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung vom 31.03.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.12.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    20

    I. Die Klage ist nicht wegen Versäumung der Einspruchsfrist unbegründet. Die GbR als Rechtvorgängerin der Klägerin hat fristgerecht Einspruch eingelegt.

    21

    Gem. § 168 Satz 1 Abgabenordnung (AO) steht eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung jedoch zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt (§ 168 Satz 2 AO). Entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem dem Steuerpflichtigen die Zustimmung der Behörde bekannt wird (BFH, Urt. vom 28.02.1996 ‒ XI R 42/94, BStBl. II 1996, 660; AEAO zu § 168 Nr. 2 Satz 1). Bis dahin ist die Steueranmeldung als Antrag auf Steuerfestsetzung (§ 155 Abs. 1 und 4 AO) anzusehen (AEAO zu § 168 Nr. 2 Satz 2).

    22

    Im Streitfall handelt es sich um einen Fall der Steuervergütung, da die Vorauszahlungen die festgesetzte Steuerschuld um xxx € überstiegen. Die Mitteilung über die Zustimmung datiert vom 31.03.2016. Selbst wenn der GbR die Mitteilung noch am gleichen Tag bekanntgegeben/zugestellt worden wäre, so wäre die Einspruchseinlegung am 20.04.2016 innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist gem. § 355 AO erfolgt.

    23

    II. Der Beklagte hat die von der GbR erklärten Umsätze zu Unrecht als steuerpflichtig behandelt. Es liegen steuerfreie Heilbehandlungsumsätze vor.

    24

    Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) Satz 1 UStG sind Umsätze aus Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, steuerfrei.

    25

    Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Steuer.

    26

    § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH richtlinienkonform auszulegen (BFH, Urt. vom 26.08.2014 ‒ XI R 19/12, BStBl. II 2015, 310, Rdn. 20-22).

    27

    Zwar müssen Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin einem therapeutischen Zweck dienen (EuGH, Urt. vom 21.03.2013 ‒ C-91/12, HFR 2013, 458, „PFC-Clinic“, Rdn. 26). Der Begriff „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ ist jedoch angesichts des Ziels der Befreiungsvorschrift, die Heilbehandlungskosten zu senken, „nicht besonders eng auszulegen“ (EuGH, Urt. vom 06.11.2003 ‒ C-45/01, HFR 2004, 70, Rdn. 48, „Dornier“; BFH, Urt. vom 02.08.2018 ‒ V R 37/17, BFH/NV 2019, 177). Leistungen medizinischer Art, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden, können daher unter die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL fallen (EuGH, Urt. vom 21.03.2013 ‒ C-91/12, HFR 2013, 458, „PFC-Clinic“, Rdn. 27).

    28

    Dagegen sind Leistungen, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen durchgeführt werden und keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, keine Heilbehandlungen (BFH, Urt. vom 29.07.2015 ‒ XI R 23/13, BStBl. II 2017, 733).

    29

    Nach diesen Grundsätzen ist nach der Rechtsprechung des BFH für die Fälle der sog. Kryokonservierung (Einfrieren und Lagern von Eizellen und Spermien) eine steuerfreie Heilbehandlung dann anzunehmen, wenn eine organisch bedingte Sterilität vorliegt, d.h. eine Krankheit, zu deren Linderung die Lagerung von befruchteten Eizellen medizinisch möglich und geboten ist. Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn aufgrund einer ärztlich festgestellten organisch bedingten Sterilität nicht Eizellen, sondern „Keimmaterial des Auftraggebers aus Ejakulation“ (Spermien) eingefroren wurde (BFH, Urt. vom 29.07.2015 ‒ XI R 23/13, BStBl. II 2017, 733; UStAE Abschn. 4.14.2 Abs. 4 Satz 1 und 2).

    30

    Nicht steuerfrei ist dagegen eine Lagerung von Eizellen oder Spermien ohne medizinischen Anlass, sog. „social freezing“ (BFH, Urt. vom 29.07.2015 ‒ XI R 23/13, BStBl. II 2017, 733; UStAE Abschn. 4.14.2 Abs. 4 Satz 3).

    31

    1. Im Streitfall ist der Senat aufgrund der vorgelegten anonymisierten Patientenunterlagen davon überzeugt, dass die Kryokonservierung nur in solchen Fällen erfolgte, in denen eine organisch bedingte Sterilität bei einem der beiden fortpflanzungswilligen Partner vorlag. Nach der vorgelegten anonymisierten Übersicht (Bl. 35 ff. der Gerichtsakte) waren die Patienten entweder für eine Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) oder eine In-Vitro-Fertilisation (IVF) in Behandlung. Ursache war nach den vorgelegten Unterlagen stets das Vorliegen einer Sterilität.

    32

    Nach den vorgelegten Unterlagen ist die GbR nicht im Wege des „social freezing“ tätig geworden. Unter „social freezing“ versteht man das vorsorgliche Einfrieren von unbefruchteten Eizellen ohne medizinischen Grund. Zweck ist es, Frauen, die sich ihren Kinderwunsch aktuell aus anderen als medizinischen Gründen nicht erfüllen können oder möchten, größere Chancen auf eine Schwangerschaft jenseits des Alters von 35 Jahren zu erfüllen. Die allgemeine Beschreibung/Information auf der Internetseite des N (Bl. 29 der Gerichtsakte), dass eine Lagerung unbefruchteter Eizellen auch als Fertilitätsreserve in Betracht kommt, ist insoweit unschädlich.

    33

    Die Frage, ob es nach der Kryokonservierung tatsächlich zu einer (weiteren) Fruchtbarkeitsbehandlung gekommen ist, ist nach Auffassung des Senates unerheblich. Die Tatsache, dass die Lagerung laufende Kosten verursacht, genügt nach Auffassung des BFH, um einen fortbestehenden Kinderwunsch anzunehmen und damit weiterhin einen therapeutischen Zweck (Herbeiführung einer weiteren Schwangerschaft) zu bejahen (BFH, Urt. vom 29.07.2015 ‒ XI R 23/13, BStBl. II 2017, 733, Rdn. 26).

    34

    2. Die Tatsache, dass es sich bei der GbR um einen gegenüber dem N getrennten Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts gehandelt hat, steht der Steuerfreiheit nach Auffassung des Senates nicht entgegen.

    35

    Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die bloße Lagerung eingefrorener Eizellen oder Spermien durch dritte Unternehmer, wie z.B. Kryobanken, die nicht auch die vorhergehende oder die sich ggf. anschließende Fruchtbarkeitsbehandlung erbringen, umsatzsteuerpflichtig (UStAE Abschn. 4.14.2 Abs. 4 Satz 4).

    36

    Nach der Rechtsprechung des EuGH fallen jedoch auch solche Dienstleistungen, die nur einen Teil des Gesamtverfahrens bilden, unter den Begriff der „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“, sofern diese ein unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil des Verfahrens, dessen einzelne Abschnitte sinnvollerweise nicht isoliert voneinander durchgeführt werden können, sind (EuGH, Urt. vom 18.11.2010 ‒ C-156/09, HFR 2011, 121, Rdn. 26, „Verigen Transplantation Service International“). Voraussetzung ist dabei, dass das Gesamtverfahren insgesamt einem therapeutischen Zweck dient (EuGH, Urt. vom 18.11.2010 ‒ C-156/09, HFR 2011, 121, Rdn. 25, „Verigen Transplantation Service International“). Unerheblich ist es nach der Rechtsprechung des EuGH, dass die erbrachten Dienstleistungen nicht von den Ärzten selbst, sondern einem Dritten Unternehmer erbracht werden (EuGH, Urt. vom 18.11.2010 ‒ C-156/09, HFR 2011, 121, „Verigen Transplantation Service International“: Vermehrung von Knorpelzellen durch ein Labor).

    37

    Im vorliegenden Fall liegt keine bloße Lagerung von Eizellen/Spermien vor. Vielmehr diente das Gesamtverfahren bestehend aus Entnahme von Eizellen, Konservierung durch Einfrieren und späterem Wiedereinsetzen insgesamt einem therapeutischen Zweck, der Herbeiführung einer weiteren Schwangerschaft.

    38

    Die von der GbR erbrachten Konservierungsleistungen bildeten zwar nur einen Teil dieses Gesamtverfahrens der künstlichen Befruchtung. Sie waren jedoch ein unerlässlicher fester und untrennbarer Bestandteil des Verfahrens, dessen einzelne Abschnitte sinnvollerweise nicht isoliert voneinander durchgeführt werden können. Denn ohne die Kryokonservierung würden die Eizellen/Spermien absterben und ein Wiedereinsetzen wäre wirkungslos. Es wäre dann eine erneute Entnahme und damit ein zusätzlicher medizinischer Eingriff notwendig.

    39

    In der Rechtssache Verigen Transplantation Service International (EuGH, Urt. vom 18.11.2010 ‒ C-156/09, HFR 2011, 121) hat der EuGH die Umsatzsteuerfreiheit der Tätigkeit eines Labors bejaht, das aus von Ärzten entnommenem Knorpelmaterial Gelenkknorpelzellen herausgelöst und vermehrt hat, welches dann wieder durch Ärzte in die Patienten implantiert wurde. Dies muss erst recht in Streitfall gelten, da es sich bei dem N (Partnerschaftsgesellschaft) und der GbR zwar um zwei verschiedene Unternehmer handelt, jedoch Personenidentität im Hinblick auf die Gesellschafter besteht. Denn die Gesellschafter der GbR waren im Streitjahr auch die Ärzte, die das N in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft betrieben haben.

    40

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    41

    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    42

    Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts, insbesondere im Hinblick auf die Regelung in UStAE Abschn. 4.14.2 Abs. 4 Satz 4, zuzulassen.