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  • 07.05.2020 · IWW-Abrufnummer 215522

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 30.11.2018 – 17 U 20/18

    1. Ist ein Steuerberater mit der Lohnbuchhaltung beauftragt, muss er – wenn Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden – prüfen, ob ein Fall der Befreiung von der Sozialversicherungspflicht vorliegt. Bestehen Zweifel, muss er entweder bei seinem Mandanten die erforderlichen Nachfragen stellen – etwa nach dem Bezug einer Altersrente bei Beschäftigung im Rentenalter - oder diesen auf die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines in Fragen des Sozialversicherungsrechts besonders ausgewiesenen weiteren Beraters hinweisen. Welche Maßnahmen der Steuerberater ergriffen hat, muss er bei seiner Inanspruchnahme ggf. im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast darlegen.

    2. Gegenüber dem Sozialversicherungsträger hat der Mandant für seinen Steuerberater einzustehen. Im Verhältnis zu diesem obliegt dem Mandanten regelmäßig keine gesonderte Überwachungspflicht.

    3. Auch in Fällen der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen beginnt der Lauf der Verjährung nicht vor Zugang eines entsprechenden Bescheids des Sozialversicherungsträgers.


    SchlHOLG
    17. Zivilsenat

    Urteil vom 30. November 2018


    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 12. April 2018 - 4 O 113/17 LG Flensburg - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Höhe eines über den ausgeurteilten Betrag hinausgehenden weiteren Betrages von 2.544,82 € die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt wird.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.

    Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

    Jedoch kann die Beklagte die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin in Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Steuerberaterhaftung in Anspruch.

    Die Klägerin … beauftragte die Beklagte im Januar 2011 mit steuerberaterischen Dienstleistungen. In diesem Zusammenhang sollte die Beklagte u. a. im Rahmen der Lohnbuchhaltung die buchhalterische Ersteinrichtung neuer Arbeitnehmer sowie die monatlichen Lohn- und Gehaltsabrechnungen der Arbeitnehmer der Klägerin vornehmen. Ab dem 1. Januar 2015 übernahm von der Beklagten eine  X. GmbH, welcher die Beklagte in diesem Rechtsstreit den Streit verkündet hat, das Mandat.

    Bei dem seit dem 1. März 2013 bei der Klägerin neu beschäftigten R., geboren am 6. November 1947, unterblieb  jedenfalls in der Zeit vom 1. März 2013 bis 31. Dezember 2015 die Abführung von Arbeitnehmeranteilen zur Rentenversicherung durch die Klägerin. Dies beanstandete die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen einer in der Zeit vom 13. Mai 2016 bis 15. Dezember 2016 durchgeführten Betriebsprüfung. Fälschlicherweise sei Herr R. als beschäftigter Altersrentner (Regelaltersrente) abgerechnet worden, obgleich dieser Mitarbeiter tatsächlich keine Vollrente wegen Alters bezogen habe. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 (K3, Bl. 35 ff. d. A.) setzte die Deutsche Rentenversicherung die nachzuentrichtenden Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung für das Jahr 2013 auf 5.481,00 €, für das Jahr 2014 auf 6.747,36 € und für das Jahr 2015 auf 6.788,16 € fest. Ferner wurden Säumniszuschläge für den Zeitraum März 2013 bis Dezember 2015 in Höhe von 5.387,00 € festgesetzt.

    Im ersten Rechtszug hatte die Klägerin ‒ was die Beklagte beanstandet hatte ‒ keine Einzelheiten dazu vorgetragen, welche Informationen sie betreffend Herrn R. der Beklagten übermittelt hatte.

    Auch im zweiten Rechtszug unterblieb zunächst eine entsprechende Ergänzung des Sachvortrags trotz entsprechender Auflage in der Terminsverfügung vom 19. Juli 2018. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat konnte die Klägerin jedoch einerseits einen derzeit verwendeten Personalfragebogen der DATEV vorlegen wie auch zum anderen ein Mail ihrer seinerzeit für Herrn R. zuständigen Mitarbeiterin an die Beklagte, laut dessen seinerzeit nur die Angaben „Geburtsdatum: XXX.“, „SV-Nummer: XXX“ , „Vers.-Nummer: XXX“ und „Krankenkasse: XXXX“ übermittelt worden waren (Bl. 252 d.A.).

    Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin eine Pflichtverletzung aus Steuerberatervertrag hinreichend dargelegt hat, ob sie sich entsprechend der Argumentation der Beklagten ein Mitverschulden anrechnen lassen muss und ob ‒ insoweit hat die Beklagte bereits erstinstanzlich die Verjährungseinrede erhoben ‒ ein etwaiger Schadensersatzanspruch verjährt ist. Des Weiteren hat die Beklagte erstinstanzlich eine Hilfsaufrechnung erklärt mit unstreitigen Honorarforderungen in Höhe von 2.544,82 € (Rechnungsnummern 1218, 1219, 1229, 1230 sowie 430 und 429; Schriftsatz vom 13. Februar 2018 (Bl. 91 ff. d. A.)). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht diesen Betrag anerkannt und den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt.

    Das Landgericht, auf dessen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich weiterer Einzelheiten verwiesen wird, hat die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 24.403,52 € nebst Zinsen abzüglich aufgerechneter 2.544,82 €, ausmachend 21.858,70 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2017 verurteilt. Die Klägerin habe eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung hinreichend dargelegt. Denn selbst wenn es der Beklagten an benötigten Informationen gefehlt hätte, wäre es an ihr gewesen, diese von der Klägerin unter entsprechendem Hinweis nachzufordern. Zudem müsse die Klägerin sich kein Mitverschulden zurechnen lassen, da sie nicht den Steuerberater zu kontrollieren habe. Auch habe  der Mandatswechsel zur X. GmbH nicht zu einem Freiwerden der Beklagten von der Verantwortung für den noch fortwirkenden Fehler geführt. Von Verjährung könne deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Anspruch erst mit dem Zugang des Nachforderungsbescheids des Rentenversicherungsträgers entstanden sei.

    Gegen dieses Urteil wendet sich die fristgerechte und zulässig begründete Berufung der Beklagten, mit welcher sie folgendes geltend macht:

    -      Nach wie vor gehe sie von Verjährung aus. Es liege nämlich kein Fall einer unerkannten Beitragspflicht vor, in welchem tatsächlich erst mit dem Zugang des Nachforderungsbescheides die Verjährung beginnen könne. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin das Problem früher erkannt habe und früher hätte auch abstellen können.
    -    Nach wie vor gehe sie auch von einem Mitverschulden der Klägerin aus; diese müsse sich jedenfalls das Verschulden ihrer Nachfolgerin als Steuerberatung zurechnen lassen.
    -    Das Landgericht habe die Darlegungslast hinsichtlich der Pflichtverletzung verkannt, nach wie vor stehe überhaupt nicht fest, welche Informationen die Klägerin ihr seinerzeit übermittelt habe.

    Der neue Sachvortrag der Klägerin im Termin sei verspätet.
    -   Unzutreffend sei auch die Kostenentscheidung, da sie ‒ die Beklagte ‒ hinsichtlich der hilfsaufgerechneten und von der Klägerin anerkannten Forderung obsiegt habe, was sich in der Kostenentscheidung habe niederschlagen müssen.

    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

    Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Aus einem - ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten, von der Beklagten ausweislich nachgelassenen Schriftsatzes vom 19. November 2018 aber für bedeutungslos gehaltenen - Mail einer Mitarbeiterin der neuen Steuerberatung X. vom 20. Dezember 2016 (Bl. 253 d.A.) lasse sich entnehmen, dass nach Rücksprache mit einer Frau G. bei der Beklagten es bei  dieser versäumt worden sei, von Herrn R. einen Nachweis über den tatsächlichen Rentenbezug anzufordern.

    Im Übrigen wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die jeweils beigefügten Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 29. Oktober 2018 (Bl. 254 ff. d.A.).

    II.

    Die zulässige Berufung der Beklagten hat nur in geringem Umfang Erfolg. Abzuändern war das angefochtene Urteil des Landgerichts lediglich dahin, dass hinsichtlich einer aufgerechneten und nicht bestrittenen Honorarforderung in Höhe von 2.544,82 € durch einseitige Erledigungserklärung der Klägerin vor dem Landgericht Erledigung des Rechtsstreits eingetreten ist, was festzustellen war, nicht aber - wie geschehen - gemäß § 91 a ZPO verfahren werden durfte. (1.). Im Übrigen haftet die Beklagte aus Schlechterfüllung des Vertragsverhältnisses über die Vornahme einer Lohnbuchhaltung für die Klägerin auf Schadensersatz (2.), so dass insoweit die Berufung zurückzuweisen war.

    1.

    In der Sache noch zutreffend hat das Landgericht die von der Klägerin anerkannte Honorarforderung in Höhe von 2.544,82 € nach erklärter Hilfsaufrechnung durch die Beklagte von der Klagforderung abgezogen. Eine beiderseitige Erledigungserklärung mit der Folge einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO durfte das Landgericht entgegen seinem Urteil allerdings nicht annehmen, da - insoweit ist zu Recht ein Tatbestandsberichtigungsbeschluss ergangen - der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung der Erledigungserklärung der Klägerin widersprochen hatte, es also bei einer einseitigen Erledigungserklärung verblieben war. Da die Aufrechnung gegenüber der begründeten Klagforderung (dazu noch unter 2.) durchgreift und die Aufrechnung selbst erst im Rechtsstreit erklärt worden ist, kann von einer Erledigung noch im Verlaufe des Rechtsstreits ausgegangen werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 268/02 -, BGHZ 155, 392 ff. - bei juris, Rn. 18 ff.). Auch diese Konsequenz führt jedoch - anders als es die Beklagte meint - nicht zu einem kostenmäßigen Obsiegen ihrerseits, da die Beklagte nicht - was ihr möglich gewesen wäre - den geänderten Antrag der Klägerin im Umfang dieser Änderung sofort anerkannt hatte (§ 93 ZPO).

    2.

    Was die Klagforderung anbelangt, hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagte der Klägerin aus dem - auch die Lohnbuchhaltung umfassenden - Steuerberatungsverhältnis auf Überprüfung der Abführungspflichten zur Sozialversicherung haftet (a) und diese Pflicht vorliegend verletzt worden ist (b). Insoweit muss die Klägerin sich auch weder eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch die Tätigkeit der nachfolgenden Steuerberatung (c) noch ein Mitverschulden anrechnen lassen (d). Die Geltendmachung des ersatzfähigen Schadens (e) ist schließlich nicht verjährt (f).

    a)

    Was die Pflichtverletzung des Steuerberatungsvertrages betrifft, ist heute anerkannt, dass ein steuerlicher Berater, der im Auftrag des Arbeitgebers die Lohnabrechnung besorgt, grundsätzlich auch zu prüfen hat, ob für Arbeitnehmer eine Befreiung von der Versicherungspflicht in Betracht kommt, wenn Beiträge nicht abgeführt werden (siehe nur OLG Brandenburg, .Urteil vom 7. November 2006 -, DStR 2007, 189 f., bei juris Rn. 28;  BGH, Urteil vom 23. September 2004 - IX ZR 148/03, NJW-RR 2005, 1223 f, bei juris, Rn. 13).  Anderenfalls muss er entweder auf die Abführung der geschuldeten Beiträge hinwirken oder bei Zweifelsfragen die Einschaltung eines in Fragen des Sozialversicherungsrechts besonders ausgewiesenen weiteren Beraters empfehlen (BGH a.a.O.).

    Der Senat sieht wohl, dass im vorliegenden Fall die Abführungspflicht nur erkannt werden konnte, wenn das Zusammenspiel der Regelungen in § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III und § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI betrachtet wurde. Gleichwohl sieht der Senat ein Steuerberatungsbüro wie die Beklagte - welches in allgemein zugänglichen Quellen (vgl. etwa ihren aktuellen Internet-Auftritt) damit wirbt, den gewerblichen Mandanten bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung - „von allen steuerlich- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen ...entlasten“ zu wollen, als hinreichend erfahren an, um im Falle eines - wie vorliegend -  gerade 65 Jahre alt gewordenen Arbeitnehmers hinreichendes Problembewusstsein dahin zu entwickeln, bei unzureichenden Informationen des Mandanten entweder die erforderlichen Nachfragen zu stellen oder ggf. die Grenzen der eigenen Möglichkeiten zu erkennen und auf die Notwendigkeit die Hinzuziehung eines Spezialisten hinzuweisen.

    b)

    Vorliegend ist ersichtlich beides nicht erfolgt, obwohl ein Tätigwerden der Beklagten angezeigt war.

    Insoweit hatte allerdings die Beklagte im ersten Rechtszug noch zutreffend beanstandet, dass die Klägerin nicht dargelegt hatte, welche Informationen sie der Beklagten seinerzeit übermittelt hat.

    Dies ist nunmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschehen, ohne dass die Beklagte dem hätte überzeugend entgegentreten können. Soweit diese nämlich mit nachgelassenem Schriftsatz vom 19. November 2018 über Kritik am Prozessverhalten der Gegenseite hinaus auf die Sachlage eingeht, weist sie noch zutreffend darauf hin, dass die Frage der Pflichtverletzung nicht schon aus der von der Klägerin - auch - vorgelegten Mail  über die Aussage einer Beklagten abgeleitet werden kann, es vielmehr einer rechtlichen Bewertung der konkreten Umstände bedarf. Ihr Tatsachenvortrag geht indes nicht über ein pauschales Bestreiten einer Pflichtverletzung hinaus. Damit stellt sich aber weder ein Verspätungsproblem im engeren Sinne noch ein Problem des Novenrechts im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO, hat es doch das Landgericht trotz entsprechender Erörterung der Problematik im ersten Rechtszug an einer entsprechenden Auflage fehlen lassen.
    Der Sache nach lassen die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen erkennen, dass - anders als bei Verwendung der heute offenbar üblichen DATEV-Personalfragebögen - die seinerzeit übermittelten Informationen eher spärlich ausfielen. Immerhin enthielten sie zwei wichtige Informationen, nämlich die Mitteilung der Sozialversicherungsnummer (“SV-Nr.“) und die Mitteilung des Geburtsdatums des Mitarbeiters R., aus dem die Mitarbeiter der Beklagten dessen Alter ersehen konnten. Mangels weiterer Informationen - und von derartigen weiteren Informationen ist bei beiden Parteien nicht die Rede - musste die Beklagte sich in dieser Situation fragen, wie es denn mit dem Rentenbezug des ersichtlich sozialversicherten Arbeitnehmers stehen würde. Dies zu erfahren war am ehesten über eine gezielte Nachfrage möglich, am besten durch Vorlage eines etwaigen Rentenbescheids.

    Es ist aber überhaupt nicht erkennbar und von der Beklagten im Rahmen der insoweit sie treffenden sekundären Darlegungslast selbst mit nachgelassenem Schriftsatz vom 19. November 2018 nicht vorgetragen, dass sie entweder selbst einen derartigen Schritt eingeleitet oder wenigstens die Klägerin auf dessen Notwendigkeit hingewiesen hätte. Dies ist mit den in einer in einer derartigen Situation gebotenen Verhaltensstandards nicht zu vereinbaren. Wie gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vermuten ist, muss daher von einem von der Beklagten auch zu vertretenden Pflichtenverstoß ausgegangen werden.

    c)

    Was die Schadensentwicklung anbelangt, sind der Beklagten zweifelsohne die Abführungen während ihrer Tätigkeit für die Klägerin zuzurechnen. Die Klägerin selbst konnte auch unter dem Aspekt der Schadensminderungspflicht nicht mehr eingreifen, weil die Arbeitnehmeranteile nach § 28 g SGB IV nur innerhalb der nächsten drei Lohn- und Gehaltszahlungen hätten einbehalten werden können; dies war aber bei Aufdeckung des Fehlers durch die Deutsche Rentenversicherung im Frühjahr 2016 schon nicht mehr möglich. Weshalb - wie die Beklagte behauptet - der Fehler schon früher hätte entdeckt werden müssen, erschließt sich dem Senat nicht.

    Die ab dem  1. Januar 2015  in Nachfolge der Beklagten tätige neue Steuerberatung hätte die Ursächlichkeit der von der Beklagten gesetzten Fehlerursache nur unterbrochen, wenn ihr Eingreifen schlechthin unverständlich gewesen wäre (für die Anwaltshaftung entschieden mit Urteil des BGH vom 29. November 2001 - IX ZR 278/00 -, NJW 2002, 1117 ff., bei juris, Rn. 39 und 41) oder es gerade Aufgabe der neuen Beratung gewesen wäre, etwaige Fehler der früheren Beratung aufzudecken und zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2005 - IX ZR 8/04 - NJW-RR 2006, 275 ff., bei juris, Rn. 23). Nur unter derartigen Voraussetzungen könnte entweder von einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs oder jedenfalls von einem insoweit zurechenbaren Mitverschulden überhaupt die Rede sein. Anhaltspunkte für derartige Konstellationen liegen jedoch vorliegend überhaupt nicht vor.

    d)

    Dessen ungeachtet haftet die Klägerin für das Verschulden der Beklagten zwar Dritten gegenüber - hierzu gehören auch Steuerbehörden oder die Sozialversicherungsträger - im Außenverhältnis, nicht aber im Innenverhältnis.

    Wie gerade der schon erwähnte Werbeauftritt der Beklagten deutlich werden lässt, soll ihre Beratungs- und Dienstleistungstätigkeit den Mandanten - wie es dort heißt - „entlasten“. Es kann daher nicht Aufgabe des Mandanten sein, seine Berater und Dienstleister gleichwohl kontinuierlich zu überwachen. Der Senat teilt für das hier zu beurteilende Innenverhältnis daher ausdrücklich nicht die Einschätzung des Bayrischen Landessozialgerichts in dessen Urteil vom 5. April 2006 (115 KR 392/12 -, bei juris, Rn. 9 f.), dass generell „Arbeitgeber, die im Falle der Delegation ihrer zentralen beitragsrechlichen Pflichten auf einen Steuerberater es unterlassen, dessen Handlungsweise zu hinterfragen, ... schuldhaft handeln“. Wäre dies zutreffend, müsste im Innenverhältnis ein Steuerberater seinen Mandanten über seine nur begrenzten Fähigkeiten und vor allem seine nur  begrenzte Bereitschaft zur Risikotragung deutlich belehren. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte in entsprechender Weise verfahren wäre.

    e)

    Mit dem Landgericht nimmt auch der Senat den an den Rentenversicherer abzuführenden Arbeitnehmeranteil zuzüglich Säumniszuschlägen als ersatzfähigen Schaden an. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass allein innerhalb der nächsten drei Lohn- und Gehaltszahlungen die Abführung der Arbeitnehmeranteile hätte nachgeholt werden können, was aber bei der späteren Aufdeckung nicht mehr möglich war.

    f)

    Anders als es die Beklagte meint, kann schließlich nicht von einer Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 BGB zum Zeitpunkt des am 31. Dezember 2016 beantragten und am 10. Januar 2017 zugestellten Mahnbescheids ausgegangen werden.

    Was die Kenntnis des Anspruchs anbelangt, bleibt die Beklagte - wie bereits erwähnt - eine nähere Darlegung dazu schuldig, warum die Klägerin schon früher von einer Entdeckung des Fehlers bei der Ersteinrichtung des betreffenden Mitarbeiters R. habe ausgehen müssen. Dies wäre nur möglich gewesen, wenn die Klägerin Veranlassung gehabt hätte, der Arbeit der Beklagten zu misstrauen; warum dies der Fall hätte sein sollen, ist aber nicht ersichtlich.

    Ungeachtet dessen muss es dabei bleiben, dass die Entstehung des geltend zu machenden Anspruchs nicht bereits mit dem durch Falschbehandlung geschaffenen „Risiko“ einhergeht, sondern erst dann, wenn sich dieses „Risiko“ zu einem tatsächlichen „Schaden“ konkretisiert. Aus diesem Grund wird bei Steuerbescheiden von einem frühestmöglichen Verjährungsbeginn erst mit dem Zugang des nachteiligen Steuerbescheides ausgegangen (BGHZ 119, 69 ff.; BGH WM 2006, 590 ff.; BGH NJW-RR 2011, 208). Diese Rechtsprechung ist mit der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. September 2004 (IX ZR 148/03 - NJW-RR 2005, 1233 ff.; bei juris, Rn. 7 f) auch auf den Fall der Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung übertragen worden.

    Dass der erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein Sachverhalt einer unerkannten Abführungspflicht zugrunde lag, ändert hieran aus Sicht des Senat nichts. Zum einen liegt auch vorliegend ein Fall mit einer nicht erkannten Abführungspflicht zugrunde. Zum anderen mag der Verjährungslauf allenfalls dann abweichend beurteilt werden, wenn (vgl. hierzu Urteil des BGH vom 23. April 2015 - IX ZR 1976/12 -, NJW 2015, 2119 ff., bei juris, Rn. 13 f) schon vor Erlass eines entsprechenden Bescheids etwa durch Beauftragung eines neuen Beraters erste Schadenspositionen angefallen sind, mit welchem die späteren Schäden eine sogenannte „Schadenseinheit“ bilden. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht bei dem erwähnten Stand der Rechtsprechung nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 280 BGB