03.09.2020 · IWW-Abrufnummer 217673
Landgericht Stuttgart: Beschluss vom 28.01.2020 – 19 T 320/19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Stuttgart
Anordnung der Nachtragsverteilung durch Ermittlung von weiteren Gegenständen der Insolvenzmasse nach dem Schlusstermin (hier: Zugehörigkeit eines Erbteils zu 1/5 an zwei Immobilien)
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des
A
- Schuldner und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt B
Weitere Beteiligte:
1) RA K
- Treuhänder -
2) Landeshauptstadt D
- Glübigerin -
Tenor:
Gründe
I.
Auf den Eigenantrag des Schuldners vom 16.03.2017 hin wurde vom Amtsgericht Esslingen - Insolvenzgericht (im Folgenden: "Amtsgericht") mit Beschluss vom 22.03.2017, 12 IN 146/17, ein vorläufige Insolvenzverwalter bestellt. Nach Erstattung eines Gutachtens zum Verfahren durch den vorläufigen Insolvenzverwalter am 22.04.2017 hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 27.04.2017 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und einen Insolvenzverwalter bestellt und durch weiteren Beschluss vom selben Tage die Kosten des Insolvenzverfahrens gestundet. Am 10.07.2017 legte der Insolvenzverwalter seinen Bericht vor, hieraus ergibt, dass zwei Gläubiger Forderungen i.H.v. 276.768,66 € zur Insolvenztabelle angemeldet haben. Am 21.07.2017 fand der Prüftermin im schriftlichen Verfahren statt. Am 17.02.2018 legte der Insolvenzverwalter seinen Schlussbericht vor, im Schlussverzeichnis sind als Gläubigerinnen die Landeshauptstadt D (im Folgenden: "Gläubigerin 1") und das Finanzamt N (im Folgenden: "Gläubigerin 2") aufgeführt. Mit Beschluss vom 20.02.2018 hat das Amtsgericht gemäß § 5 Abs. 2 InsO das schriftliche Verfahren angeordnet. Am 23.04.2018 fand der Schlusstermins im schriftlichen Verfahren statt, hierbei wurden Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis nicht erhoben. Mit Beschluss vom 23.04.2018 bestellte das Amtsgericht einen Treuhänder über das Vermögen des Schuldners. Der Beschluss wurde dem Schuldner am 27.04.2018 zugestellt.
Mit Schreiben vom 28.05.2019 legitimierte sich ein Verfahrensbevollmächtigter des Schuldners und teilte mit, dass mit dem einzigen Insolvenzgläubiger - gemeint war hierbei die Gläubigerin 1 - ein Vergleich geschlossen und erfüllt sei. Weiter beantragte er die Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung sowie die vorzeitige Beendigung des Restschuldbefreiungsverfahrens. Dem Schreiben beigefügt war ein Schreiben der Gläubigerin 1 vom 16.05.2019 an den Schuldner, in dem diese den Eingang einer Zahlung i.H.v. 25.000,00 € bestätigt und erklärt, dass sie auf die weitergehenden Forderungen aus dem Schlussverzeichnis verzichte. Mit Verfügung des Amtsgerichts vom 31.05.2019 wurde dem Schuldnervertreter mitgeteilt, dass zwei Gläubiger im Schlussverzeichnis aufgeführt sind und dem Insolvenzgericht keine Rücknahme der Anmeldung bzw. kein Forderungsverzicht vorliegt.
Mit Schreiben vom 24.06.2019 teilte der Treuhänder dem Amtsgericht mit, dass ihm der Schuldner mitgeteilt habe, dass er geerbt habe und weitere Auskünfte hierzu noch nicht vorliegen, vom Schuldner aber beigebracht würden; was in der Folge jedoch bis heute unterblieb. Mit Schreiben vom 01.07.2019 teilte der Treuhänder dem Amtsgericht mit, dass die Forderung der Gläubigerin 2 weiterhin bestehe und ihm von der Gläubigerin 1 mitgeteilt wurde, dass diese den Vergleich angefochten habe. Mit Schreiben vom 26.06.2019 teilte die Gläubigerin 1 dem Insolvenzgericht direkt mit, dass sie die Verzichtserklärung vom 16.05.2019 angefochten habe und ihre Forderungsanmeldung weder reduziere noch zurücknehme. Weiter teilte die Gläubigerin 1 mit, dass die Grundzüge und der Vollzug der - angefochtenen - Einigung mit dem Schuldner bereits am 16.05.2019 dem Treuhänder mitgeteilt wurden.
Mit Beschluss vom 22.07.2019, dem Schuldner zugestellt am 29.07.2019, wurde der Antrag des Schuldnervertreters vom 28.05.2019 als unzulässig zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 23.07.2019 legitimierte sich ein weiterer Verfahrensbevollmächtigter des Schuldners und beantragte das Insolvenzverfahren aufzuheben, da keine Forderungen mehr bestehen würden.
Mit Schreiben vom 09.08.2019 teilte der Treuhänder dem Amtsgericht mit, dass die Gläubigerin 2 ihm gegenüber erklärt habe, dass die Forderung vollständig erledigt sei. Weiter sei der Schuldner bereits am 29.12.2017 Erbe geworden, wobei der Schuldner vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 23.04.2018 hiervon wohl keine Kenntnis hatte. Der Schuldner sei Erbe zu 1/5 geworden, wobei die Erbmasse im Wesentlichen aus zwei Grundstücken bestehe, die für den Schuldner zu einer Auszahlung in sechsstelliger Höhe führen werden. In dem Schreiben beantragte der Treuhänder gemäß § 203 InsO die Anordnung der Nachtragsverteilung.
Mit Beschluss vom 20.08.2019 hat das Amtsgericht Esslingen den Antrag des Schuldnervertreters auf Aufhebung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen und mit weiterem Beschluss vom selben Tag die Nachtragsverteilung hinsichtlich des Erbteils angeordnet und die Durchführung der Nachtragsverteilung dem Treuhänder übertragen. Der Beschluss wurde dem Schuldnervertreter am 29.08.2019 zugestellt.
Mit Schreiben vom 05.09.2019 legte der - inzwischen einzige - Schuldnervertreter sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 20.08.2019 ein und führt aus, dass eine Nachtragsverteilung nicht anzuordnen sei, da die von der Gläubigerin 1 erklärte Anfechtung bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen sei. Die Gläubigerin 2 habe ihre Forderung ebenfalls auf null reduziert und dies sogar dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder mitgeteilt.
Mit Beschluss vom 06.09.2019 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss vom 20.08.2019 (Anordnung der Nachtragsverteilung) nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Mit Verfügung der Kammer vom 11.09.2019 erhielten die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Schreiben vom 04.10.2019 teilte der Treuhänder mit, dass ihm eine Erklärung der Gläubigerin 1 zugegangen sei, nach welcher sie die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung zurücknehme. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch ausschließlich das Amtsgericht als Adressatin berechtigt gewesen. Nach Rücksprache mit der Gläubigerin 1 habe diese ihm mitgeteilt, dass er die Erklärungen nicht an das Amtsgericht weiterleiten solle, da der zugrundeliegende Vergleich angefochten wurde. Eine gleichlautende Erklärung sei ihm auch von der Gläubigerin 2 zugegangen, die er ebenfalls darüber informiert habe, dass entsprechende Erklärungen ausschließlich gegenüber dem Insolvenzgericht vorzunehmen seien.
Mit Schreiben vom 04.10.2019 hat der Schuldnervertreter ebenfalls Stellung genommen und ausgeführt, dass keine Forderungen mehr bestünden, da die Gläubigerin 1 ihren Verzicht erklärt habe und diese Verzichtserklärung sowie die Verzichtserklärung der Gläubigerin 2 an das Insolvenzgericht übersandt wurden. Weiter würde sich der Insolvenzverwalter unredlich und pflichtwidrig verhalten.
Am 15.10.2019 nahm der Treuhänder erneut Stellung. Mit Schreiben vom 18.10.2019 teilte die Gläubigerin 2 dem Amtsgericht mit, dass die Forderungsanmeldung vom 01.06.2017 auf 0,00 € gemindert werde, da eine Zahlung durch den Schuldner erfolgt sei. Mit Schreiben vom 14.11.2019 nahm der Schuldner persönlich Stellung.
II.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gemäß den §§ 4, 6, 204 Abs. 2 InsO i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässig, jedoch unbegründet.
1.
Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Nachtragsverteilung anzuordnen, wenn nach dem Schlusstermin weitere Gegenstände der Insolvenzmasse ermittelt werden. Vorliegend fand der Schlusstermin am 23.04.2018 statt. Hiernach wurde von Seiten des Insolvenzverwalters festgestellt, dass der Schuldner über weiteres (erhebliches) Vermögen - einen Erbteil zu 1/5 an zwei Immobilien - verfügt, dass zur Insolvenzmasse zählt.
a)
Die Forderungsanmeldung der Gläubigerin 1 wurde von dieser nicht zurückgenommen oder gemindert.
aa)
Die Feststellung einer Forderung nach Grund, Betrag und Rang kann gemäß § 181 InsO nur in der Weise begehrt werden, wie die Forderung in der Anmeldung oder im Prüftermin bezeichnet worden ist. Die Anmeldung zur Tabelle ist eine Sachurteilsvoraussetzung (BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 - IX ZR 221/05; Urteil vom 11. Oktober 2018 - IX ZR 217/17 m.w.N.). Die Rücknahme einer Forderungsanmeldung ist im Insolvenzverfahren jedenfalls bis zur Feststellung der angemeldeten Forderung möglich (RGZ 112, 297, 299; BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18 m.w.N.). Eine wirksame Rücknahme hat zur Folge, dass die Forderung nicht mehr am Insolvenzverfahren teilnimmt.
Für die Gläubigerin 1 wurde eine Forderung in Höhe von 195.088,49 € in der Schlusstabelle festgestellt, die auch Gegenstand des Prüftermins gewesen ist. Der Schuldnervertreter vertritt - rechtsirrig - die Ansicht, dass diese Forderung durch eine Vereinbarung nebst Zahlung eines Betrags i.H.v. 25.000,00 € hinfällig sei und von der Gläubigerin 1 gemindert bzw. zurückgenommen wurde.
(1)
Das Schreiben der Gläubigerin 1 vom 16.05.2019 an den Schuldner mag ggf. eine materiellrechtliche Rücknahme oder einen Verzicht darstellen, eine - insofern notwendige - Erklärung gegenüber dem Insolvenzgericht findet sich darin jedoch nicht.
Ob und welche materiellrechtlichen Folgen sich zwischen dem Schuldner und der Gläubigerin 1 aus diesem Schreiben bzw. aus einer Vereinbarung bzw. einer von der Gläubigerin 1 erklärten Anfechtung möglicherweise ergeben können, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und bedarf daher keiner weiteren Erörterung oder gar Klärung.
(2)
Aus dem Umstand, dass ein gleichlautendes Schreiben der Gläubigerin 1 auch beim Treuhänder eingegangen ist, ändert sich - entgegen der Auffassung des Schuldnervertreters - an der tatsächlichen Sachlage nichts.
(a)
Nach Durchführung des Prüftermins kann die Rücknahme einer Forderungsanmeldung nur noch gegenüber dem Insolvenzgericht erklärt werden. Hat der Anmelder die Erklärung an den Insolvenzverwalter adressiert, kann dies auch ausreichend sein, wenn der Insolvenzverwalter die Erklärung an das Insolvenzgericht weitergeleitet hat (hierzu umfassend: BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18). Spätestens der Prüftermin führt jedoch zu einer relevanten Zäsur im Feststellungsverfahren, so dass die Rücknahme einer geprüften Forderungsanmeldung zwingend und ausschließlich gegenüber dem Insolvenzgericht zu erklären ist (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18 m.w.N.). Der Grund für die Zäsur besteht darin, dass nach dem Prüftermin nicht mehr dem Insolvenzverwalter, sondern dem Insolvenzgericht die weitere Führung der Tabelle obliegt. Soweit der Verwalter die Tabelle weiter pflegt und Änderungen dem Gericht übermittelt, handelt es sich nur um Vorbereitungshandlungen (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18).
Auch aus der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Entgegennahme von nachträglichen Änderungen von Anmeldungen im Sinne von § 177 Abs. 1 Satz 3 InsO ergibt sich nichts Anderes. Die bloße Minderung oder Rücknahme einer geprüften Forderungsanmeldung fällt nicht darunter, weil es sich nicht um eine wesentliche nachträgliche Änderung handelt (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18). Soweit hingegen eine nachträgliche Änderung gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erklären ist, wird die damit verbundene Teilrücknahme der bisherigen Anmeldung nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze erst wirksam, wenn eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Insolvenzgericht abgegeben wird.
(b)
Allerdings kann auch eine Rücknahmeerklärung, die an den Insolvenzverwalter adressiert ist, zur wirksamen Rücknahme oder Minderung einer geprüften Forderungsanmeldung führen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Insolvenzverwalter die Erklärung an das Insolvenzgericht weitergeleitet hat (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18).
Gemäß § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch nach den Vorschriften des Insolvenzrechts, also durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gemäß §§ 174 ff InsO verfolgen. Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit dieser Form der Rechtsverfolgung ist die Zulässigkeit einer insolvenzrechtlichen Feststellungsklage an die Sachurteilsvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Anmeldung und Prüfung der geltend gemachten Forderung gekoppelt (BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - IX ZR 92/12). Demnach handelt es sich sowohl bei der Anmeldung einer Forderung als auch bei deren Rücknahme um eine Prozesshandlung (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18 m.w.N.). Auf sie finden gemäß § 4 InsO die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze zur Prozesshandlung entsprechende Anwendung (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 - IX ZB 117/04). Hierzu gehört, dass die Erklärung einer Partei als Prozesshandlung dem zuständigen Gericht auch dann zugeht, wenn ein zunächst angegangenes unzuständiges Gericht die Erklärung an das zuständige Gericht weitergeleitet hat (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18)
Diese Grundsätze sind auf die Rücknahme einer Forderungsanmeldung im Verhältnis zwischen Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter gemäß § 4 InsO entsprechend anzuwenden. Die Weiterleitung der Rücknahmeerklärung durch den Insolvenzverwalter an das Insolvenzgericht steht im Forderungsfeststellungsverfahren der Weiterleitung durch ein unzuständiges Gericht gleich, weil der Insolvenzverwalter in diesem Verfahren richtiger Adressat einer Prozesshandlung sein kann (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18). Gleiches gilt hierbei auch für das Verhältnis zwischen Insolvenzgericht und Treuhänder.
(c)
Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt in der Übersendung des Schreibens von der Gläubigerin 1 an den Treuhänder weder ein Verzicht noch eine Rücknahme der Forderungsanmeldung, da der Treuhänder das Schreiben der Gläubigerin 1 - unstreitig - nicht an das Insolvenzgericht weitergeleitet hat.
Ob der Treuhänder hierbei - wie der Schuldnervertreter meint - treuwidrig gehandelt hat, spielt für das vorliegende Verfahren keine Rolle, da die Erklärung der Gläubigerin 1 nicht beim Insolvenzgericht angekommen ist. Gleiches gilt für die Frage, ob der Schuldner durch die Zahlungen an die beiden Gläubigerinnen ggf. gegen § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO verstoßen hat und ob er Schuldner seinen übrigen Informationspflichten - insbesondere in Bezug auf das Erbe - ausreichend nachgekommen ist.
bb)
Es ist daher keine Rücknahme oder Minderung der von der Gläubigerin 1 angemeldeten und festgestellten Forderung gegeben.
Der Umstand, dass die Gläubigerin 2 mit Schreiben vom 18.10.2019 gegenüber dem Amtsgericht - und insofern richtig adressiert - ihre Forderungsanmeldung auf 0,00 € gemindert hat, ist insofern ohne Belang, da noch eine weitere angemeldete und festgestellte Forderung gegeben ist.
b)
Die Voraussetzungen zur Anordnung der Nachtragsverteilung nach § 203 InsO liegen vor.
aa)
Voraussetzung für die Anordnung einer Nachtragsverteilung ist das Vorliegen eines Tatbestandes gem. § 203 Abs. 1 InsO. Danach kommt eine Nachtragsverteilung in Betracht, wenn nach dem Schlusstermin entweder zurückbehaltene Anteile frei werden, gezahlte Beträge zur Masse zurückfließen oder - wie vorliegend - Massegegenstände nachträglich ermittelt werden (BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - IX ZB 93/16).
Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO unterliegen u.a. solche Gegenstände der Nachtragsverteilung, die erst nachträglich, also nach der Schlussverteilung oder nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 203 Abs. 2 InsO), ermittelt worden sind (BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - IX ZB 93/16). Ebenso fallen hierunter Gegenstände, die der Schuldner dem Insolvenzverwalter verheimlicht oder ins Ausland verbracht hatte und die dem Insolvenzverwalter unbekannt geblieben waren. Liegen die oben genannten Voraussetzungen in einem Verbraucherinsolvenzverfahren vor, so ist eine Nachtragsverteilung dann anzuordnen, wenn ein Schlusstermin durchgeführt wurde (BGH, Beschluss vom 01. Dezember 2005 - IX ZB 17/04).
bb)
Vorliegend wurde der Schuldner am 29.12.2017 Erbe und damit vor Durchführung des Schlusstermins, weshalb das dem Schuldner zufallende Erbe grundsätzlich Gegenstand der Insolvenzmasse nach § 35 InsO ist und somit unter § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO fällt.
cc)
Der Vermögensgegenstand wurde auch nicht durch den Insolvenzverwalter freigegeben.
Ein zur Masse gehörender Gegenstand kann für diese auch eine Belastung darstellen. Der Insolvenzverwalter hat deswegen das Recht, den betreffenden Gegenstand freizugeben. Die Freigabe wird nicht ausdrücklich vom Gesetz geregelt, aber - etwa durch Erwähnung in § 32 Abs. 3 S. 1 InsO - erkennbar vorausgesetzt. Sie löst den freigegebenen Gegenstand aus dem Insolvenzbeschlag aus und lässt insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners wiederaufleben. Die Freigabe setzt hierbei eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Schuldner voraus, die auch durch schlüssiges Handeln erfolgen kann. Als Folge einer solchen Freigabe wäre eine Anordnung nach § 103 InsO nicht mehr möglich.
Vorliegend ist eine solche jedoch nicht gegeben, weshalb das dem Schuldner zugefallene Erbe zur Insolvenzmasse zählt und - da dieses erst nach dem Schlusstermin ermittelt wurde - auf Antrag des Insolvenzverwalters vom Amtsgericht gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Nachtragsverteilung anzuordnen war.
2.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners war daher zurückzuweisen.
III.
1.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.
2.
Der Beschwerdewert bemisst sich vorliegend grds. nach dem Wert der Nachtragsverteilung, begrenzt auf die festgestellten Forderungen nebst Kosten. Der Wert des Erbes wurde vom Treuhänder mit einem sechsstelligen Betrag angegeben. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte geht die Kammer davon aus, dass der Wert des Erbes den Wert der Gläubigerforderungen (195.088,49 €) übersteigt, weshalb der Beschwerdewert wie geschehen festzusetzen war.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 4 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 2 ZPO).
4.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist weiter auszuführen, dass das Amtsgericht in eigener Zuständigkeit noch zu prüfen hat, ob sich die - insoweit nicht hinreichend konkrete Beschwerde des Schuldnervertreters vom 05.09.2019 - auch auf den Beschluss vom 20.08.2019 bezüglich der beantragten Aufhebung des Insolvenzverfahrens bezieht.
Beschluss vom 28.01.2020
Az.: 19 T 320/19
Anordnung der Nachtragsverteilung durch Ermittlung von weiteren Gegenständen der Insolvenzmasse nach dem Schlusstermin (hier: Zugehörigkeit eines Erbteils zu 1/5 an zwei Immobilien)
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des
A
- Schuldner und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt B
Weitere Beteiligte:
1) RA K
- Treuhänder -
2) Landeshauptstadt D
- Glübigerin -
wegen Beschwerde in Insolvenzsachen
Hier: Anordnung nach § 203 InsOhat das Landgericht Stuttgart - 19. Zivilkammer - durch den Richter am Landgerichtals Einzelrichter am 28.01.2020 beschlossen:
Tenor:
- Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Esslingen vom 20.08.2019, Az. 12 IN 146/17, wird zurückgewiesen.
- Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 200.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Auf den Eigenantrag des Schuldners vom 16.03.2017 hin wurde vom Amtsgericht Esslingen - Insolvenzgericht (im Folgenden: "Amtsgericht") mit Beschluss vom 22.03.2017, 12 IN 146/17, ein vorläufige Insolvenzverwalter bestellt. Nach Erstattung eines Gutachtens zum Verfahren durch den vorläufigen Insolvenzverwalter am 22.04.2017 hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 27.04.2017 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und einen Insolvenzverwalter bestellt und durch weiteren Beschluss vom selben Tage die Kosten des Insolvenzverfahrens gestundet. Am 10.07.2017 legte der Insolvenzverwalter seinen Bericht vor, hieraus ergibt, dass zwei Gläubiger Forderungen i.H.v. 276.768,66 € zur Insolvenztabelle angemeldet haben. Am 21.07.2017 fand der Prüftermin im schriftlichen Verfahren statt. Am 17.02.2018 legte der Insolvenzverwalter seinen Schlussbericht vor, im Schlussverzeichnis sind als Gläubigerinnen die Landeshauptstadt D (im Folgenden: "Gläubigerin 1") und das Finanzamt N (im Folgenden: "Gläubigerin 2") aufgeführt. Mit Beschluss vom 20.02.2018 hat das Amtsgericht gemäß § 5 Abs. 2 InsO das schriftliche Verfahren angeordnet. Am 23.04.2018 fand der Schlusstermins im schriftlichen Verfahren statt, hierbei wurden Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis nicht erhoben. Mit Beschluss vom 23.04.2018 bestellte das Amtsgericht einen Treuhänder über das Vermögen des Schuldners. Der Beschluss wurde dem Schuldner am 27.04.2018 zugestellt.
Mit Schreiben vom 28.05.2019 legitimierte sich ein Verfahrensbevollmächtigter des Schuldners und teilte mit, dass mit dem einzigen Insolvenzgläubiger - gemeint war hierbei die Gläubigerin 1 - ein Vergleich geschlossen und erfüllt sei. Weiter beantragte er die Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung sowie die vorzeitige Beendigung des Restschuldbefreiungsverfahrens. Dem Schreiben beigefügt war ein Schreiben der Gläubigerin 1 vom 16.05.2019 an den Schuldner, in dem diese den Eingang einer Zahlung i.H.v. 25.000,00 € bestätigt und erklärt, dass sie auf die weitergehenden Forderungen aus dem Schlussverzeichnis verzichte. Mit Verfügung des Amtsgerichts vom 31.05.2019 wurde dem Schuldnervertreter mitgeteilt, dass zwei Gläubiger im Schlussverzeichnis aufgeführt sind und dem Insolvenzgericht keine Rücknahme der Anmeldung bzw. kein Forderungsverzicht vorliegt.
Mit Schreiben vom 24.06.2019 teilte der Treuhänder dem Amtsgericht mit, dass ihm der Schuldner mitgeteilt habe, dass er geerbt habe und weitere Auskünfte hierzu noch nicht vorliegen, vom Schuldner aber beigebracht würden; was in der Folge jedoch bis heute unterblieb. Mit Schreiben vom 01.07.2019 teilte der Treuhänder dem Amtsgericht mit, dass die Forderung der Gläubigerin 2 weiterhin bestehe und ihm von der Gläubigerin 1 mitgeteilt wurde, dass diese den Vergleich angefochten habe. Mit Schreiben vom 26.06.2019 teilte die Gläubigerin 1 dem Insolvenzgericht direkt mit, dass sie die Verzichtserklärung vom 16.05.2019 angefochten habe und ihre Forderungsanmeldung weder reduziere noch zurücknehme. Weiter teilte die Gläubigerin 1 mit, dass die Grundzüge und der Vollzug der - angefochtenen - Einigung mit dem Schuldner bereits am 16.05.2019 dem Treuhänder mitgeteilt wurden.
Mit Beschluss vom 22.07.2019, dem Schuldner zugestellt am 29.07.2019, wurde der Antrag des Schuldnervertreters vom 28.05.2019 als unzulässig zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 23.07.2019 legitimierte sich ein weiterer Verfahrensbevollmächtigter des Schuldners und beantragte das Insolvenzverfahren aufzuheben, da keine Forderungen mehr bestehen würden.
Mit Schreiben vom 09.08.2019 teilte der Treuhänder dem Amtsgericht mit, dass die Gläubigerin 2 ihm gegenüber erklärt habe, dass die Forderung vollständig erledigt sei. Weiter sei der Schuldner bereits am 29.12.2017 Erbe geworden, wobei der Schuldner vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 23.04.2018 hiervon wohl keine Kenntnis hatte. Der Schuldner sei Erbe zu 1/5 geworden, wobei die Erbmasse im Wesentlichen aus zwei Grundstücken bestehe, die für den Schuldner zu einer Auszahlung in sechsstelliger Höhe führen werden. In dem Schreiben beantragte der Treuhänder gemäß § 203 InsO die Anordnung der Nachtragsverteilung.
Mit Beschluss vom 20.08.2019 hat das Amtsgericht Esslingen den Antrag des Schuldnervertreters auf Aufhebung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen und mit weiterem Beschluss vom selben Tag die Nachtragsverteilung hinsichtlich des Erbteils angeordnet und die Durchführung der Nachtragsverteilung dem Treuhänder übertragen. Der Beschluss wurde dem Schuldnervertreter am 29.08.2019 zugestellt.
Mit Schreiben vom 05.09.2019 legte der - inzwischen einzige - Schuldnervertreter sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 20.08.2019 ein und führt aus, dass eine Nachtragsverteilung nicht anzuordnen sei, da die von der Gläubigerin 1 erklärte Anfechtung bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen sei. Die Gläubigerin 2 habe ihre Forderung ebenfalls auf null reduziert und dies sogar dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder mitgeteilt.
Mit Beschluss vom 06.09.2019 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss vom 20.08.2019 (Anordnung der Nachtragsverteilung) nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Mit Verfügung der Kammer vom 11.09.2019 erhielten die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Schreiben vom 04.10.2019 teilte der Treuhänder mit, dass ihm eine Erklärung der Gläubigerin 1 zugegangen sei, nach welcher sie die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung zurücknehme. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch ausschließlich das Amtsgericht als Adressatin berechtigt gewesen. Nach Rücksprache mit der Gläubigerin 1 habe diese ihm mitgeteilt, dass er die Erklärungen nicht an das Amtsgericht weiterleiten solle, da der zugrundeliegende Vergleich angefochten wurde. Eine gleichlautende Erklärung sei ihm auch von der Gläubigerin 2 zugegangen, die er ebenfalls darüber informiert habe, dass entsprechende Erklärungen ausschließlich gegenüber dem Insolvenzgericht vorzunehmen seien.
Mit Schreiben vom 04.10.2019 hat der Schuldnervertreter ebenfalls Stellung genommen und ausgeführt, dass keine Forderungen mehr bestünden, da die Gläubigerin 1 ihren Verzicht erklärt habe und diese Verzichtserklärung sowie die Verzichtserklärung der Gläubigerin 2 an das Insolvenzgericht übersandt wurden. Weiter würde sich der Insolvenzverwalter unredlich und pflichtwidrig verhalten.
Am 15.10.2019 nahm der Treuhänder erneut Stellung. Mit Schreiben vom 18.10.2019 teilte die Gläubigerin 2 dem Amtsgericht mit, dass die Forderungsanmeldung vom 01.06.2017 auf 0,00 € gemindert werde, da eine Zahlung durch den Schuldner erfolgt sei. Mit Schreiben vom 14.11.2019 nahm der Schuldner persönlich Stellung.
II.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gemäß den §§ 4, 6, 204 Abs. 2 InsO i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässig, jedoch unbegründet.
1.
Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Nachtragsverteilung anzuordnen, wenn nach dem Schlusstermin weitere Gegenstände der Insolvenzmasse ermittelt werden. Vorliegend fand der Schlusstermin am 23.04.2018 statt. Hiernach wurde von Seiten des Insolvenzverwalters festgestellt, dass der Schuldner über weiteres (erhebliches) Vermögen - einen Erbteil zu 1/5 an zwei Immobilien - verfügt, dass zur Insolvenzmasse zählt.
a)
Die Forderungsanmeldung der Gläubigerin 1 wurde von dieser nicht zurückgenommen oder gemindert.
aa)
Die Feststellung einer Forderung nach Grund, Betrag und Rang kann gemäß § 181 InsO nur in der Weise begehrt werden, wie die Forderung in der Anmeldung oder im Prüftermin bezeichnet worden ist. Die Anmeldung zur Tabelle ist eine Sachurteilsvoraussetzung (BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 - IX ZR 221/05; Urteil vom 11. Oktober 2018 - IX ZR 217/17 m.w.N.). Die Rücknahme einer Forderungsanmeldung ist im Insolvenzverfahren jedenfalls bis zur Feststellung der angemeldeten Forderung möglich (RGZ 112, 297, 299; BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18 m.w.N.). Eine wirksame Rücknahme hat zur Folge, dass die Forderung nicht mehr am Insolvenzverfahren teilnimmt.
Für die Gläubigerin 1 wurde eine Forderung in Höhe von 195.088,49 € in der Schlusstabelle festgestellt, die auch Gegenstand des Prüftermins gewesen ist. Der Schuldnervertreter vertritt - rechtsirrig - die Ansicht, dass diese Forderung durch eine Vereinbarung nebst Zahlung eines Betrags i.H.v. 25.000,00 € hinfällig sei und von der Gläubigerin 1 gemindert bzw. zurückgenommen wurde.
(1)
Das Schreiben der Gläubigerin 1 vom 16.05.2019 an den Schuldner mag ggf. eine materiellrechtliche Rücknahme oder einen Verzicht darstellen, eine - insofern notwendige - Erklärung gegenüber dem Insolvenzgericht findet sich darin jedoch nicht.
Ob und welche materiellrechtlichen Folgen sich zwischen dem Schuldner und der Gläubigerin 1 aus diesem Schreiben bzw. aus einer Vereinbarung bzw. einer von der Gläubigerin 1 erklärten Anfechtung möglicherweise ergeben können, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und bedarf daher keiner weiteren Erörterung oder gar Klärung.
(2)
Aus dem Umstand, dass ein gleichlautendes Schreiben der Gläubigerin 1 auch beim Treuhänder eingegangen ist, ändert sich - entgegen der Auffassung des Schuldnervertreters - an der tatsächlichen Sachlage nichts.
(a)
Nach Durchführung des Prüftermins kann die Rücknahme einer Forderungsanmeldung nur noch gegenüber dem Insolvenzgericht erklärt werden. Hat der Anmelder die Erklärung an den Insolvenzverwalter adressiert, kann dies auch ausreichend sein, wenn der Insolvenzverwalter die Erklärung an das Insolvenzgericht weitergeleitet hat (hierzu umfassend: BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18). Spätestens der Prüftermin führt jedoch zu einer relevanten Zäsur im Feststellungsverfahren, so dass die Rücknahme einer geprüften Forderungsanmeldung zwingend und ausschließlich gegenüber dem Insolvenzgericht zu erklären ist (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18 m.w.N.). Der Grund für die Zäsur besteht darin, dass nach dem Prüftermin nicht mehr dem Insolvenzverwalter, sondern dem Insolvenzgericht die weitere Führung der Tabelle obliegt. Soweit der Verwalter die Tabelle weiter pflegt und Änderungen dem Gericht übermittelt, handelt es sich nur um Vorbereitungshandlungen (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18).
Auch aus der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Entgegennahme von nachträglichen Änderungen von Anmeldungen im Sinne von § 177 Abs. 1 Satz 3 InsO ergibt sich nichts Anderes. Die bloße Minderung oder Rücknahme einer geprüften Forderungsanmeldung fällt nicht darunter, weil es sich nicht um eine wesentliche nachträgliche Änderung handelt (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18). Soweit hingegen eine nachträgliche Änderung gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erklären ist, wird die damit verbundene Teilrücknahme der bisherigen Anmeldung nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze erst wirksam, wenn eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Insolvenzgericht abgegeben wird.
(b)
Allerdings kann auch eine Rücknahmeerklärung, die an den Insolvenzverwalter adressiert ist, zur wirksamen Rücknahme oder Minderung einer geprüften Forderungsanmeldung führen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Insolvenzverwalter die Erklärung an das Insolvenzgericht weitergeleitet hat (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18).
Gemäß § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch nach den Vorschriften des Insolvenzrechts, also durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gemäß §§ 174 ff InsO verfolgen. Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit dieser Form der Rechtsverfolgung ist die Zulässigkeit einer insolvenzrechtlichen Feststellungsklage an die Sachurteilsvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Anmeldung und Prüfung der geltend gemachten Forderung gekoppelt (BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - IX ZR 92/12). Demnach handelt es sich sowohl bei der Anmeldung einer Forderung als auch bei deren Rücknahme um eine Prozesshandlung (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18 m.w.N.). Auf sie finden gemäß § 4 InsO die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze zur Prozesshandlung entsprechende Anwendung (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 - IX ZB 117/04). Hierzu gehört, dass die Erklärung einer Partei als Prozesshandlung dem zuständigen Gericht auch dann zugeht, wenn ein zunächst angegangenes unzuständiges Gericht die Erklärung an das zuständige Gericht weitergeleitet hat (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18)
Diese Grundsätze sind auf die Rücknahme einer Forderungsanmeldung im Verhältnis zwischen Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter gemäß § 4 InsO entsprechend anzuwenden. Die Weiterleitung der Rücknahmeerklärung durch den Insolvenzverwalter an das Insolvenzgericht steht im Forderungsfeststellungsverfahren der Weiterleitung durch ein unzuständiges Gericht gleich, weil der Insolvenzverwalter in diesem Verfahren richtiger Adressat einer Prozesshandlung sein kann (BGH, Urteil vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18). Gleiches gilt hierbei auch für das Verhältnis zwischen Insolvenzgericht und Treuhänder.
(c)
Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt in der Übersendung des Schreibens von der Gläubigerin 1 an den Treuhänder weder ein Verzicht noch eine Rücknahme der Forderungsanmeldung, da der Treuhänder das Schreiben der Gläubigerin 1 - unstreitig - nicht an das Insolvenzgericht weitergeleitet hat.
Ob der Treuhänder hierbei - wie der Schuldnervertreter meint - treuwidrig gehandelt hat, spielt für das vorliegende Verfahren keine Rolle, da die Erklärung der Gläubigerin 1 nicht beim Insolvenzgericht angekommen ist. Gleiches gilt für die Frage, ob der Schuldner durch die Zahlungen an die beiden Gläubigerinnen ggf. gegen § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO verstoßen hat und ob er Schuldner seinen übrigen Informationspflichten - insbesondere in Bezug auf das Erbe - ausreichend nachgekommen ist.
bb)
Es ist daher keine Rücknahme oder Minderung der von der Gläubigerin 1 angemeldeten und festgestellten Forderung gegeben.
Der Umstand, dass die Gläubigerin 2 mit Schreiben vom 18.10.2019 gegenüber dem Amtsgericht - und insofern richtig adressiert - ihre Forderungsanmeldung auf 0,00 € gemindert hat, ist insofern ohne Belang, da noch eine weitere angemeldete und festgestellte Forderung gegeben ist.
b)
Die Voraussetzungen zur Anordnung der Nachtragsverteilung nach § 203 InsO liegen vor.
aa)
Voraussetzung für die Anordnung einer Nachtragsverteilung ist das Vorliegen eines Tatbestandes gem. § 203 Abs. 1 InsO. Danach kommt eine Nachtragsverteilung in Betracht, wenn nach dem Schlusstermin entweder zurückbehaltene Anteile frei werden, gezahlte Beträge zur Masse zurückfließen oder - wie vorliegend - Massegegenstände nachträglich ermittelt werden (BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - IX ZB 93/16).
Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO unterliegen u.a. solche Gegenstände der Nachtragsverteilung, die erst nachträglich, also nach der Schlussverteilung oder nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 203 Abs. 2 InsO), ermittelt worden sind (BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - IX ZB 93/16). Ebenso fallen hierunter Gegenstände, die der Schuldner dem Insolvenzverwalter verheimlicht oder ins Ausland verbracht hatte und die dem Insolvenzverwalter unbekannt geblieben waren. Liegen die oben genannten Voraussetzungen in einem Verbraucherinsolvenzverfahren vor, so ist eine Nachtragsverteilung dann anzuordnen, wenn ein Schlusstermin durchgeführt wurde (BGH, Beschluss vom 01. Dezember 2005 - IX ZB 17/04).
bb)
Vorliegend wurde der Schuldner am 29.12.2017 Erbe und damit vor Durchführung des Schlusstermins, weshalb das dem Schuldner zufallende Erbe grundsätzlich Gegenstand der Insolvenzmasse nach § 35 InsO ist und somit unter § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO fällt.
cc)
Der Vermögensgegenstand wurde auch nicht durch den Insolvenzverwalter freigegeben.
Ein zur Masse gehörender Gegenstand kann für diese auch eine Belastung darstellen. Der Insolvenzverwalter hat deswegen das Recht, den betreffenden Gegenstand freizugeben. Die Freigabe wird nicht ausdrücklich vom Gesetz geregelt, aber - etwa durch Erwähnung in § 32 Abs. 3 S. 1 InsO - erkennbar vorausgesetzt. Sie löst den freigegebenen Gegenstand aus dem Insolvenzbeschlag aus und lässt insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners wiederaufleben. Die Freigabe setzt hierbei eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Schuldner voraus, die auch durch schlüssiges Handeln erfolgen kann. Als Folge einer solchen Freigabe wäre eine Anordnung nach § 103 InsO nicht mehr möglich.
Vorliegend ist eine solche jedoch nicht gegeben, weshalb das dem Schuldner zugefallene Erbe zur Insolvenzmasse zählt und - da dieses erst nach dem Schlusstermin ermittelt wurde - auf Antrag des Insolvenzverwalters vom Amtsgericht gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Nachtragsverteilung anzuordnen war.
2.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners war daher zurückzuweisen.
III.
1.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.
2.
Der Beschwerdewert bemisst sich vorliegend grds. nach dem Wert der Nachtragsverteilung, begrenzt auf die festgestellten Forderungen nebst Kosten. Der Wert des Erbes wurde vom Treuhänder mit einem sechsstelligen Betrag angegeben. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte geht die Kammer davon aus, dass der Wert des Erbes den Wert der Gläubigerforderungen (195.088,49 €) übersteigt, weshalb der Beschwerdewert wie geschehen festzusetzen war.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 4 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 2 ZPO).
4.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist weiter auszuführen, dass das Amtsgericht in eigener Zuständigkeit noch zu prüfen hat, ob sich die - insoweit nicht hinreichend konkrete Beschwerde des Schuldnervertreters vom 05.09.2019 - auch auf den Beschluss vom 20.08.2019 bezüglich der beantragten Aufhebung des Insolvenzverfahrens bezieht.
RechtsgebietInsolvenzVorschriften§ 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO