06.05.2021 · IWW-Abrufnummer 222167
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 26.01.2021 – 3 K 2195/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz
3. Senat
26.01.2021
3 K 2195/18
Urteil
Tatbestand
1
Der Kläger war im Streitjahr (2014) als Honorararzt selbständig tätig und ermittelte seinen Gewinn im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung. Der Kläger war im Streitjahr an folgenden Kranken-häusern tätig:
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Klinik G 06.01.-28.02. 53 Arbeitstage
Klinik B 03.03.-11.03. 9 Arbeitstage
Klinik W 25.03. 1 Arbeitstag
Klinik H 13.04.-09.05. 27 Arbeitstage
Klinik S 12.05.-27.06. 46 Arbeitstage
Klinik W 30.06.-31.12. 90 Arbeitstage
3
Der Kläger suchte die Krankenhäuser jeweils mit seinem dem Betriebsvermögen zugeordneten Kfz auf, mit dem er im Streitjahr insgesamt 35.963 km zurücklegte. Die Verträge mit den jeweiligen Krankenhäusern wurden jeweils für einen von vornherein bestimmten Zeitraum geschlossen. Für die Tätigkeit in W wurde dem Kläger von dem Krankenhaus unentgeltlich eine Unterkunft zur Ver-fügung gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Honorararzt-Vertrag zwischen der Klinikum W GmbH und dem Kläger vom 29. April 2014 (Blatt 53 f. der Ein-spruchsakte).
4
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gab der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 268.385 € an. In der Einnahmen-Überschussrechnung des Klägers für das Streit-jahr wurden u.a. Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 5.542 € sowie Fahrtkosten in einer Gesamthöhe von 22.902,65 € (Leasingkosten: 14.394,24 €; Steuern, Versicherung und Maut: 2.213,50 €; sonstige tatsächliche Fahrtkosten ohne AfA und Zinsen: 6.294,91 €) als Betriebsausgaben in Abzug gebracht. Für die private Nutzung des Kfz brachte der Kläger Betriebseinnahmen in Höhe von 390,66 € in Ansatz.
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Mit Schreiben vom 26. April 2016 führte der Beklagte aus, es sei beabsichtigt, die Fahrten als „Hono-rarvertreter“ zu den jeweiligen Kliniken aufgrund der Neuregelung des steuerlichen Reisekosten-rechts als Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Ein-kommensteuergesetzes (EStG) anzusetzen. Die Fahrtkosten seien mit der Entfernungspauschale anzusetzen und ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen entfalle.
6
Laut den vorliegenden Unterlagen und den Arbeitsverträgen aus dem Jahr 2013 handele es sich bei dem Berufsbild des Klägers als Arztvertreter um eine von vornherein befristete Beschäftigung, die nacheinander an verschiedenen Kliniken ausgeübt werde. Die Tätigkeit werde an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dauerhaft für einen bestimmten Zeitraum ausgeübt. Dauerhaftigkeit i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG liege vor, wenn die steuerlich erhebliche Tätigkeit an einer Tätigkeitsstät-te unbefristet, für eine Dauer von voraussichtlich mehr als 48 Monaten oder für die gesamte Dauer der betrieblichen Tätigkeit ausgeübt werden solle. Für die Prognose der voraussichtlichen Dauer könne auf die Dauer des Auftragsverhältnisses abgestellt werden. Mit dem Abschluss eines befris-teten Arbeitsvertrages seien demnach diese Voraussetzungen erfüllt und die Dauer der jeweiligen Beschäftigung sei maßgebend.
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Mit Bescheid vom 13. Juli 2016 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 101.343 € fest, wobei er Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 283.046 € zu Grunde legte. In den Erläuterungen wurde ausgeführt, dass gebeten werde, zukünftig zu beachten, dass die Ent-fernungspauschale nur für eine Fahrt pro Arbeitstag angesetzt werden könne. Die Abweichungen von den erklärten Angaben seien dem Kläger mit Schreiben vom 26. April 2016 mitgeteilt worden. Wegen der von dem Beklagten gegenüber den von dem Kläger angesetzten Fahrtkosten vorge-nommenen Kürzungen wird Bezug genommen auf die Aufstellung „Ermittlung der abzugsfähigen KFZ-Kosten 2014“ (Blatt 56 der Gewinnermittlungsakte).
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Mit seinem gegen den Bescheid vom 13. Juli 2016 gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, die Erhöhung des Gewinns durch die Kürzung von Aufwendungen für Fahrtkosten sowie Verpfle-gungsmehraufwendungen sei rechtswidrig. Der reisekostenrechtliche Betriebsstättenbegriff im EStG 2014 sei unverändert aus dem alten Recht übernommen worden. Die Neudefinition der ers-ten Tätigkeitsstätte als Ausgangspunkt der Auswärtstätigkeit beschränke der Gesetzeswortlaut auf Arbeitnehmer. Dieser Begriff werde durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers bestimmt. Er sei deswegen von der Natur der Sache her nicht ansatzweise auf Unternehmer übertragbar.
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Inwieweit die Neudefinition der ersten Tätigkeitsstätte beim Arbeitnehmer auf die Auslegung des Betriebsstättenbegriffs ausstrahle, bleibe abzuwarten. Insbesondere stehe eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der Frage aus, ob ein Unternehmer im Reisekostenrecht mehrere Be-triebsstätten haben könne und ob er bei längerfristiger Tätigkeit in den Räumen eines Kunden eine solche [Satz unvollständig]. Genau diese Situation sei bei ihm, dem Kläger, gegeben. Nur bei Beja-hung der Frage, ob durch seine Tätigkeit in verschiedenen Krankenhäusern jeweils Betriebsstätten begründet würden, wäre eine Kürzung der Aufwendungen gerechtfertigt.
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Es handele sich hier um eine Tätigkeitsausübung in einem weiten Gebiet, also vergleichbar mit ei-ner Auswärtstätigkeit. Als Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EstG sei danach nur ein Ort anzusehen, an dem sich der ortsgebundene Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit des Selbständi-gen befinde. Vom Verständnis der Rechtsprechung her werde eine Betriebsstätte dadurch be-gründet, dass ein Steuerpflichtiger sich mit seinen (eigenen) Betriebsmitteln von einiger Dauer an einem Ort „niederlasse“. Hier sei es so, dass er, der Kläger, die „Infrastruktur“ des jeweiligen Kran-kenhauses nutze. Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass er mit Aufnahme einer jeden neuen Tätigkeit einen „gedachten“ steuerlichen Betrieb begründen würde.
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In diesem Zusammenhang sei auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 27. Oktober 2011 - 3 K 1849/09 zu verweisen. Die Zahl der Auftraggeber sei bei Gewinneinkünften kein Kriterium für den ortsgebundenen Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit. Weitere Feststellung des Urteils sei gewesen, dass ein Selbständiger nur eine Betriebsstätte haben könne und nicht mehrere.
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Soweit der Beklagte weiterhin die Auffassung vertrete, dass mehrere erste Tätigkeitsstätten be-gründet worden seien, so entstünden dadurch steuerlich auch zwangsläufig mehrere doppelte Hausstände. Hierbei sei ein Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen innerhalb der ersten 90 Tage möglich. Insgesamt ergebe sich ein Betrag von 3.792 €. Wegen der Ermittlung der Verpfle-gungsmehraufwendungen durch den Kläger wird Bezug genommen auf die e-mail vom 8. Februar 2017 (Blatt 23 der Einspruchsakte).
13
Mit Schreiben vom 4. April 2018 wies der Beklagte auf die Möglichkeit hin, dass der angefochtene Bescheid zum Nachteil des Klägers geändert werden könne. Bei der Minderung der Kfz-Kosten um 9.118,80 € sei unberücksichtigt geblieben, dass nur eine Fahrt pro Arbeitstag berücksichtigt werden könne. An den Tagen, an denen der Kläger zwei Fahrten zum Beschäftigungsort unternommen habe, blieben die Kosten für die jeweils zweite Fahrt in vollem Umfang unberücksichtigt. Außer-dem seien die Fahrten nach W bisher nicht der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 6a EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 5 Sätze 5 und 6 EStG unterworfen worden. Nach einer überschlägigen Berech-nung übersteige die hiernach insgesamt vorzunehmende Korrektur den von dem Kläger beantrag-ten Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 104.182 € fest und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der Beklagte führ-te aus, unter Betriebsstätte i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EstG sei die von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen zu verstehen, d.h. eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Steuerpflichtigen, des Auftraggebers oder eines vom Auftraggeber bestimmten Dritten, an der oder von der aus die steuerrechtlich relevante Tätigkeit dauerhaft ausgeübt werde. Eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen sei ‒ im Unterschied zur Geschäftseinrichtung i.S. des § 12 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ‒ nicht erforderlich. Dauerhaf-tigkeit liege vor, wenn die steuerlich erhebliche Tätigkeit an einer Tätigkeitsstätte unbefristet sei, für eine Dauer von voraussichtlich mehr als 48 Monaten oder für die gesamte Dauer der betriebli-chen Tätigkeit ausgeübt werden solle. Der Steuerpflichtige könne an mehreren Betriebsstätten tätig sein. Für jeden Betrieb könne jedoch höchstens eine ortsfeste betriebliche Einrichtung Be-triebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (erste Betriebsstätte) sein.
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Im Streitfall habe der Kläger jeweils in dem Krankenhaus, an dem er tätig gewesen sei, eine Be-triebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG gehabt. Bei dem jeweiligen Krankenhaus habe es sich um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Auftraggebers des Klägers gehandelt, an der der Kläger seine freiberufliche Honorartätigkeit ausgeübt habe. Die Infrastruktur des jeweiligen Kran-kenhauses habe ihm zur Verfügung gestanden. Der Kläger sei an dem jeweiligen Krankenhaus auch dauerhaft tätig gewesen. Zwar habe der Kläger die von ihm, dem Beklagten, angeforderten Verträ-ge mit seinen Auftraggebern für das Streitjahr nicht vorgelegt. Aus den Verträgen für den Veranla-gungszeitraum 2013 sei jedoch ersichtlich, dass diese von vornherein befristet gewesen seien. Der Kläger habe das jeweilige Krankenhaus für die Dauer des jeweils befristeten Vertragsverhältnisses und damit dauerhaft aufgesucht.
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Das von dem Kläger angeführte Urteil des FG Baden-Württemberg vom 27. Oktober 2011 - 3 K 1849/09 sei noch zur alten Rechtslage ergangen und deshalb für das Streitjahr nicht einschlägig. Außerdem sei der vom FG Baden-Württemberg beurteilte Sachverhalt nicht mit dem Streitfall ver-gleichbar. Der dortige Kläger habe im gleichen Zeitraum immer wieder mehrere Einrichtungen etwa gleich oft aufgesucht, so dass kein Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit habe bestimmt werden können. Im Streitfall habe der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit für jeden Auftrag ausschließlich in der jeweiligen Klinik gelegen. Dass der Kläger den Mittelpunkt im Streitjahr mehrmals verlegt habe, ändere daran nichts.
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Anders als der Kläger meine, seien seine Fahrten auch nicht zu einem weiträumigen Tätigkeitsge-biet unternommen worden. Ein solches liege in Abgrenzung zur Betriebsstätte vor, wenn die ver-traglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfes-ten betrieblichen Einrichtung ausgeübt werden solle. Bei den von dem Kläger aufgesuchten Klini-ken handele es sich aber jeweils um ortsfeste betriebliche Einrichtungen.
18
Für die ersten drei Monate der Tätigkeit des Klägers in W würde ein Verpflegungsmehraufwand in Höhe von 1.250 € geschätzt. Außerdem sei der Kläger bereits im Schreiben vom 4. April 2018 auf die beabsichtigte Änderung zu seinem Nachteil hingewiesen worden. Er, der Beklagte, habe bei der Berechnung im angefochtenen Bescheid übersehen, dass mit dem Fahrzeug des Klägers laut Fahr-tenbuch an manchen Tagen zwei Fahrten zur Klinik und zurück unternommen worden seien. Dies gelte für fünf „zweite“ Fahrten nach G und sieben „zweite“ Fahrten nach B. Da die Entfernungs-pauschale nur für eine Fahrt arbeitstäglich abzugsfähig sei, müssten die Kosten für die zweite Fahrt gänzlich vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen werden.
19
Außerdem seien die Fahrten des Klägers nach W bisher versehentlich nicht der Abzugsbeschrän-kung des § 4 Abs. 5 Nr. 6a EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 5 Sätze 5 und 6 EStG unterworfen worden. Da die von dem Kläger vorgelegten Fahrtenbücher den Zeitraum der Tätigkeit in W nicht lückenlos wiedergäben, sei die Anzahl der Familienheimfahrten auf 20 geschätzt worden. Wegen der Be-rechnung des von dem Beklagten in Höhe von 289.355,57 € zu Grunde gelegten Gewinns wird Be-zug genommen auf die Anlage 1 zur Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 (Blatt 103 der Einspruchsakte).
20
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, als Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG sei in Zu-sammenschau mit § 12 AO nur ein Ort anzusehen, an dem sich der ortsgebundene Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit des Selbständigen befinde. Eine Betriebsstätte werde begründet, wenn ein Steuerpflichtiger sich mit seinen (eigenen) Betriebsmitteln von einiger Dauer an einem Ort „nieder-lasse“. Dies sei hier jedoch eindeutig nicht gegeben, da sämtliche Verträge des Klägers nur befristet gewesen seien.
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Von einer entsprechenden Anwendung des § 9 Abs. 4 EStG hinsichtlich der Übertragbarkeit der Tätigkeitsstätte sei ausdrücklich nicht die Rede. Der Beklagte lege die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG also sehr extensiv aus. Ausgehend von dem Gedanken der Einheitlichkeit der Steuerrechts-ordnung könne nur nach den Rechtsgrundsätzen des § 12 AO beurteilt werden, ob eine Betriebs-stätte vorliege. Nach § 12 Satz 1 AO werde eine Geschäftseinrichtung oder Anlage nur dann zur Betriebsstätte, wenn dem Steuerpflichtigen eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Einrichtung zukomme. Das bloße Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Vertragspartners genüge für sich genommen selbst dann nicht, wenn die Tätigkeit über mehre-re Jahre hinweg erbracht werde. Neben der zeitlichen Komponente müssten zusätzliche Umstände auf eine auch örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen. Durch die zeitliche Befristung hätten die Auftraggeber des Klägers von vornherein zum Ausdruck gebracht, dass sie nur kurzfristi-ge Auftragsverhältnisse wollte und keine dauerhafte Beschäftigung, gar eine Betriebsstätte.
22
Soweit der Beklagte 20 Familienheimfahrten von W nach L geschätzt habe, stehe dem entgegen, dass er, der Kläger, ledig sei, so dass die Begründung eines doppelten Hausstandes nicht möglich sei. Vor dem Hintergrund des beim BFH anhängigen Parallelverfahrens X R 14/19 werde das Ruhen des hiesigen Verfahrens beantragt.
23
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 13. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 dahin zu ändern, dass Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 268.385 € in Ansatz gebracht werden.
24
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
25
Er wiederholt die Begründung seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, es komme nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 12 AO vorlägen. Im Hinblick auf den besonderen Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, den Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und we-gen der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Steuerpflichtigen mit Gewinnein-künften im Regelungsbereich beider Vorschriften weiche der hier maßgebende Begriff der Be-triebsstätte vom Betriebsstättenbegriff des § 12 AO ab. Dies entspreche der ständigen Rechtspre-chung des BFH.
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Die normspezifische Gesetzesauslegung sei hiernach im Hinblick auf den mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG verfolgten Zweck, die Bezieher von Gewinneinkünften in Bezug auf regelmäßige Fahrten mit Arbeitnehmern gleichzustellen, geboten. Demgegenüber diene der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO im Wesentlichen der Abgrenzung von Besteuerungsgrundlagen zwischen verschiedenen Steu-ergläubigern, was für den Regelungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht von Bedeutung sei.
Entscheidungsgründe
27
1.
Das Gericht konnte ‒ worauf in der Ladung hingewiesen wurde (vgl. Blatt 40 und 49 der Gerichtsak-te) ‒ verhandeln und entscheiden, ohne dass der Kläger erschienen war, § 91 Abs. 2 der Finanzge-richtsordnung (FGO).
28
a)
Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein gerichtlicher Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Liegen erhebliche Gründe i.S. von § 227 ZPO vor, verdichtet sich die nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechts-pflicht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. November 2009 IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671; vom 27. Juni 2012 XI B 129/11, BFH/NV 2012, 1978).
29
Der Antragsteller muss die Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO so genau angeben, dass sich das Gericht aufgrund ihrer Schilderung ein Urteil über deren Erheblichkeit bilden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Mai 2007 V B 217/06, BFH/NV 2007, 1695; vom 8. September 2015 XI B 33/15, BFH/NV 2015, 1690). Die danach erforderliche Glaubhaftmachung erfordert zwar nicht den vollen Beweis, wohl aber die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Umstände, aus denen der er-hebliche Grund abgeleitet wird, tatsächlich vorliegen (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2013 III B 58/13, BFH/NV 2014, 356, m.w.N.).
30
Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, hat das Gericht anhand sämtlicher ihm bekannter Umstände zu beurteilen. Dazu muss es in der Lage sein, sich über das Vorliegen eines Verlegungsgrundes ein eigenes Urteil zu bilden. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, ist Auf-gabe desjenigen, der die Verlegung beantragt. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass der Grund-satz der Verfahrensbeschleunigung und die Gefahr der Verschleppung des Verfahrens eine be-sonders strenge Prüfung solcher Verlegungsgesuche gebietet, die kurzfristig vor dem Termin ge-stellt werden (BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1992 IV B 154/92, BFH/NV 1993, 483). Zudem kann das Gericht auch die Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten oder andere Umstän-de berücksichtigen, die auf das Bestehen einer Prozessverschleppungsabsicht schließen lassen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. August 2014 IX B 48/14, BFH/NV 2014, 1896; IX B 39/14, BFH/NV 2014, 1896).
31
b)
Gemessen daran war in dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in den Schreiben vom 20. Januar 2021 (Blatt 52 f. der Gerichtsakte) und vom 25. Januar 2021 (Blatt 59 f. der Gerichts-akte) kein erheblicher Grund zu sehen, der eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhand-lung am 26. Januar 2021 rechtfertigen würde.
32
aa)
So hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers geltend gemacht, aufgrund der Verschärfung der Regelungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sei eine Anreise nach Rheinland-Pfalz mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und der Kreis Minden-Lübbecke, in dem er, der Pro-zessbevollmächtigte, wohne und seine berufliche Niederlassung habe, sei als Risikogebiet einge-stuft, womit zusätzlich eine Anmelde- und Testpflicht verbunden sei. Aus zeitlichen Gründen ‒ so der Prozessbevollmächtigte weiter ‒ sei dies ebenso wie eine mögliche anschließende Quarantä-nepflicht nicht möglich.
33
bb)
Die von dem Prozessbevollmächtigten geltend gemachten Einschränkungen lassen sich den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Regelungen nicht entnehmen.
34
Zwar durften nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durch einen eingeschränkten Bewegungsradius in Regionen mit erhöhten Infektionszahlen (Coronaregionalverordnung ‒ CoronaRegioVO) des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Januar 2021 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen 2021, 1d) vom 11. Januar 2021 zuletzt vor der mündlichen Verhandlung geändert durch die Verordnung zur Änderung der Coronaregionalverordnung vom 18. Januar 2021 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen 2021, 21a) Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort im Gebiet des Kreises Minden-Lübbecke dieses nur verlassen, soweit dabei ein Umkreis von 15 Kilometern Luftlinie ab der Grenze des eigenen Heimatorts (politische Gemeinde) nicht überschrit-ten wird. Von diesen Beschränkungen des Bewegungsradius ausgenommen war jedoch ‒ worun-ter auch die Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung durch einen Steuerberater fällt ‒ die Erledigung beruflicher, dienstlicher, ehrenamtlicher und vergleichbarer Besorgungen (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 CoronaRegioVO).
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Nichts Anderes folgt aus Allgemeinverfügungen des Kreises Minden-Lübbecke. So wurde mit All-gemeinverfügung zur Anordnung weiterer Maßnahmen des Infektionsschutzes des Kreises Min-den-Lübbecke vom 7. Januar 2021 (Amtliches Kreisblatt des Kreises Minden-Lübbecke 2021, 1) die Regelung der Allgemeinverfügung zur Anordnung weiterer Maßnahmen des Infektionsschutzes vom 30. Dezember 2020 (Amtliches Kreisblatt des Kreises Minden-Lübbecke 2020, 601), wonach in der Zeit von 21.00 Uhr bis jeweils bis 04.00 Uhr des Folgetages der Aufenthalt außerhalb der eige-nen Wohnung untersagt war, ausgesetzt. Darüber hinaus fand diese Ausgangssperre bei Ausübung beruflicher Tätigkeit, die zwingend in diesem Zeitraum erfolgen muss, ohnehin keine Anwendung. Im Übrigen wurde lediglich jeder „angehalten“, seine Wohnung nur aus triftigem Grund, etwa zur ‒ im Streitfall vorliegenden ‒ Ausübung beruflicher Tätigkeiten zu verlassen.
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Auch hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Reise nach Rheinland-Pfalz weder anmel-den müssen, noch hätte er sich im Vorhinein oder im Anschluss auf eine Infektion testen lassen müssen. Die Absonderungsverpflichtung des § 19 Abs. 1 der Fünfzehnten Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (15. CoBeLVO) vom 8. Januar 2021 (Gesetz- und Verord-nungsblatt für Rheinland-Pfalz 2021, 7) zuletzt vor der mündlichen Verhandlung geändert durch die Erste Landesverordnung zur Änderung der Fünfzehnten Corona-Bekämpfungsverordnung Rhein-land-Pfalz vom 22. Januar 2021 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Rheinland-Pfalz 2021, 25) betrifft ausschließlich aus dem Ausland in das Land Rheinland-Pfalz einreisende Personen.
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Vergleichbares gilt für § 4 Abs. 1 der für Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in Bezug auf Ein- und Rückreisende aus Risikogebieten (Coronaeinreise-verordnung Nordrhein-Westfalen - CoronaEinrVO NRW) vom 15. Januar 2021 (Gesetz- und Verord-nungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen 2021, 22). Zwar besteht danach bei einer Einreise aus einem Risikogebiet die Verpflichtung zu einer Testung auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Jedoch kommen als Risikogebiete ausschließlich Staaten oder Regionen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Betracht (§ 4 Abs. 3 CoronaEinrVO NRW).
38
cc)
Da der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch nicht geltend gemacht hat, dass die Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 für ihn eine besondere Gefahr darstellt, sondern lediglich ange-kündigt hat, aus Gründen der „Verantwortung“ nicht zu erscheinen, und das Gericht ausreichende Hygienemaßnahmen getroffen hat (vgl. Hinweise aus S. 2 der Ladung vom 19. November 2020, Blatt 41 f. der Gerichtsakte), war dem Prozessbevollmächtigten die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auch nicht unzumutbar.
39
2.
Auch war das Gericht nicht nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 249 Abs. 2 ZPO an einer Entscheidung gehindert. So hat ausschließlich der Kläger ‒ nicht aber der Beklagte ‒ das Ruhen des Verfahrens i.S. des § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 251 Satz 1 ZPO beantragt.
40
3.
Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 13. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat sowohl zu Recht dem Betriebsaus-gabenabzug für die Fahrten zwischen der Wohnung des Klägers und den Krankenhäusern die Rege-lung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zu Grunde gelegt als auch den Ansatz von Verpflegungsmehr-aufwendungen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten an den Krankenhäusern in G, B, H und S verneint.
41
a)
Fahrten eines Gewinnermittlers zwischen Wohnung und Betriebsstätte zählen zu dessen betriebli-chen Fahrten (BFH-Beschluss vom 20. August 2015 III B 108/14, BFH/NV 2015, 1575). Die mit diesen Fahrten zusammenhängenden Aufwendungen sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG grundsätzlich als Be-triebsausgaben abzugsfähig. Hiervon abweichend dürfen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG die Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit in den folgenden Sätzen der Vorschrift nichts anderes bestimmt ist. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG, der i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG entsprechend für Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte gilt, ist der Abzug von Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte auf die Höchstbeträge der gesetzlichen Entfernungspauschale begrenzt.
42
b)
Anders als der Kläger meint, ist für die Auslegung des in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG verwen-deten Begriff des Betriebsstätte nicht die allgemeine Begriffsbestimmung in § 12 AO maßgeblich.
43
aa)
Nach der zur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unterneh-mensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) geltenden Rechtslage ergangenen Rechtsprechung ist für Zwecke der Ermittlung der nicht abzugs-fähigen Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den Fahrtkosten unter Betriebsstätte der Ort zu verstehen, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht wer-den, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen. Eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit und eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die erforderliche ortsfeste betriebliche Einrichtung ist ‒ im Unterschied zur Geschäftseinrichtung oder Anlage im Sinne des § 12 Satz 1 AO ‒ nicht erforderlich (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 34/90, BStBl II 1992, 90; vom 29. April 2014 VIII R 33/10, BStBl II 2014, 777), so dass bei einem im We-ge eines Dienstvertrags tätigen Unternehmer, der nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt, als Betriebsstätte der Ort anzusehen ist, an dem er die geschuldete Leistung zu erbringen hat, in der Regel also der Betrieb des Auftraggebers (BFH-Urteil vom 13. Juli 1989 IV R 55/88, BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23; ferner BFHUrteile vom 27. Oktober 1993 I R 99/92, BFH/NV 1994, 701; vom 19. August 1998 XI R 90/96, BFH/NV 1999, 41).
44
bb)
Ziel dieser Auslegung war es, einen Gleichlauf mit dem Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern herzustellen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23). Die Regelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG geht auf das Steueränderungsgesetz (StÄndG) vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) zurück, das die für den Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern maß-gebende Kilometerpauschale auch auf den Bereich der Gewinneinkünfte erstreckte. Aufwendun-gen von Gewerbetreibenden und Freiberuflern für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb wur-den seither in gleichem Umfang wie entsprechende Aufwendungen von Arbeitnehmern berück-sichtigt. Diese Gleichstellung wird vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 2.Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140) im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) als geboten angesehen. Dieser Regelungszweck kommt auch im Hinweis auf § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG zum Ausdruck. Er ist bei der Auslegung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG durchweg zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 31. Mai 1978 I R 69/76, BFHE 125, 381, BStBl II 1978, 564).
45
cc)
Dies gilt auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass mit dem Gesetz zur Änderung und Verein-fachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) in der erstmals für das Streitjahr geltenden Fassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nunmehr der Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ verwendet wird und diese in § 9 Abs. 2 EStG ausdrücklich als ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Un-ternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes ‒ AktG ‒) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten definiert wird, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Zwar blieb § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG insoweit unverändert, so dass für die Ermittlung der Gewinneinkünfte weiterhin der Begriff der Betriebsstätte maßgeblich ist. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Ge-setzgeber bei der Änderung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zugleich beabsichtigte, den insoweit vorher bestehenden Auslegungsgleichlauf mit § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG zu beseitigen.
46
Insbesondere wäre angesichts der bis dahin ergangenen Rechtsprechung des BFH, nach der der Begriff der Betriebsstätte sich gerade nicht nach § 12 AO bestimmte, zu erwarten gewesen, dass ‒ wäre dies dennoch gewollt gewesen ‒ auch § 4 Abs. 5 Nr. 6 EstG zu Gunsten einer ausdrücklichen Inbezugnahme der allgemeinen Begriffsbestimmung geändert worden wäre. Dies gilt umso mehr, als die „Regelungen zur Berücksichtigung der Entfernungspauschale“ nach der Begründung zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 17/10774, S. 12) trotz der Änderungen durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013, das ‒ jedenfalls nach der Begründung zu dem Gesetz-entwurf (BTDrucks 17/10774, S. 12) ‒ mit der Änderung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und der Einfügung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG als „Folgeänderungen zu dem zukünftig in § 9 Abs. 4a EStG neu geregelten Abzug der Mehraufwendungen für Verpflegung“ und „zu den zukünftig in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 und Nr. 5a EStG neu geregelten Abzügen für Mehraufwendungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung und für beruflich veranlasste Übernachtungskosten“ vor-sah und gleichzeitig die Regelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG unberührt ließ, „unverändert bestehen“ bleiben sollten. Auch beansprucht die Erwägung, dass die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte i.R. der Gewinneinkünfte aufgrund der nach Art. 3 Abs. 1 GG gebote-nen Gleichbehandlung in gleichem Umfang ‒ d.h. auch unter denselben Einschränkungen ‒ wie entsprechende Aufwendungen von Arbeitnehmern zu berücksichtigen sind, schon angesichts der weiterhin bestehenden Inbezugnahme von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 bis 6, Nr. 5 Satz 5 bis 7, Abs. 2 EStG in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG unverändert Geltung.
47
c)
Es kann dahinstehen, ob die Änderung durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Un-ternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 bei der Auslegung des Begriff der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG vollständig unberücksichtigt bleiben muss mit der Folge, dass die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Verein-fachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 vorgenommene Auslegung durch die Rechtsprechung maßgeblich ist (so FG Düsseldorf, Urteil vom 11. März 2019 9 K 1960/17 E,G, EFG 2019, 873; Loschelder in Schmidt, EStG, 39. Aufl., § 4 Rz 580; Wied in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 4 EStG Rz 805), oder ob der Begriff der Betriebsstätte ent-sprechend der Begriffsbestimmung der ersten Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 EStG auszulegen ist (so Seifert in Korn, § 4 EStG Rz 1036.2; Meurer in Lademann, EStG, § 4 Rz 698; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Dezember 2014, BStBl I 2015, 26; Spilker in Kirch-hof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz L 24; Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rz 1366). Denn in beiden Fällen sind die Krankenhäuser als Betriebsstätten des Klägers anzu-sehen.
48
aa)
Der Kläger erfüllt mit seiner Tätigkeit in den jeweiligen Krankenhäusern die ‒ soweit ersichtlich ‒ seit dem BFH-Urteil in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23 von der Rechtsprechung an das Innehaben einer Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG gestellten Anforderungen.
49
(1)
Der Kläger hat in den verschiedenen Krankenhäusern seine beruflichen Leistungen ‒ die Tätigkeit als Honorararzt ‒ erbracht. In Abweichung zum Begriffsverständnis des § 12 Satz 1 AO ist hierbei unerheblich, ob ‒ was der Kläger in Abrede stellt ‒ ihm hierfür eine abgrenzbare Fläche oder Räum-lichkeit zur Verfügung stand. Ebenso ist unbeachtlich, dass der Kläger im Streitjahr ‒ nacheinander ‒ jeweils für bestimmte Zeiträume an verschiedenen Krankenhäusern tätig war. Schließt bereits ein durch die Art der Tätigkeit bedingter häufiger Wechsel der Einsatzstelle nicht aus, dass die je-weilige Beschäftigungsstelle eine Betriebsstätte des Unternehmers i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EstG ist (BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 34/90, BFHE 165, 411, BStBl II 1992, 90; vom 23. Oktober 2014 III R 19/13, BFHE 248, 1, BStBl II 2015, 323), muss dies erst recht für ‒ wie im Streit-fall ‒ nacheinander für einen gewissen Zeitraum aufgesuchte Beschäftigungsstellen gelten. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür dargetan oder ersichtlich, dass der Kläger neben seiner Tätigkeit in den Krankenhäusern über eine eigene Betriebsstätte ‒ etwa in seinem Wohnhaus ‒ verfügte, so dass die verschiedenen Krankenhäuser als ortsfeste Betriebe der Auftraggeber des Klägers, an denen er seine Tätigkeit als Honorararzt zu erbringen hatte, als seine Betriebsstätten anzusehen sind.
50
(2)
Die Krankenhäuser sind auch nicht als ständig wechselnde auswärtige Tätigkeitsstätten anzusehen. Zwar war ‒ jedenfalls vor Inkrafttreten der Änderungen durch das Gesetz zur Änderung und Ver-einfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Feb-ruar 2013 ‒ die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ‒ und damit auch die des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (BFH-Urteil in BFHE 248, 1, BStBl II 2015, 323) ‒ dann nicht anzuwenden, wenn der Ar-beitnehmer auf ständig wechselnden auswärtigen Tätigkeitsstätten (Einsatzstellen) tätig ist (BFH-Urteile vom 18. Dezember 2008 VI R 39/07, BFHE 224, 111, BStBl II 2009, 475; VI R 47/07, BFH/NV 2009, 751). Jedoch fehlt es im Streitfall an einem ständigen Wechsel. Die Tätigkeit des Klägers wäh-rend des Streitjahrs ‒ und darin unterscheidet sich der Fall von demjenigen ständig wechselnder Einsatzstellen oder Betriebsstätten ‒ ist nicht durch das Fehlen einer festen Betriebsstätte, son-dern dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger ‒ lässt man die Tätigkeit in W am 25. März 2014, die auch der Beklagte unberücksichtigt gelassen hat, außer Betracht ‒ jeweils für bestimmte, aufei-nander folgende Zeiträume zwischen seiner Wohnung und jeweils einer einzigen festen Betriebs-stätte arbeitstäglich hin- und hergefahren ist. Der Kläger musste sich nicht auf ständig neue, son-dern lediglich auf für die ‒ gesamte ‒ Dauer der Vertragsverhältnisse mit den jeweiligen Kliniken wiederkehrende Fahrtwege einstellen.
51
bb)
Auch erfüllen die von dem Kläger aufgesuchten Krankenhäuser die Anforderungen des § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG an eine erste Tätigkeitsstätte.
52
(1)
Nach dieser Vorschrift ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitge-bers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllen-den Absprachen und Weisungen bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 2 EStG). Von einer dauerhaften Zuord-nung ist nach § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefris-tet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
53
(2)
Gemessen daran und übertragen auf die Ermittlung von Gewinneinkünften war der Kläger den von ihm aufgesuchten Krankenhäusern ‒ als ortsfesten betrieblichen Einrichtungen seiner Dienstgeber ‒ dauerhaft zugeordnet. Zwar kommt bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen ‒ wie sie im Streitfall vorliegen ‒ eine unbefristete Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 1 EStG zu einer ersten Tätigkeitsstätte nicht in Betracht. Die Zuordnung erfolgt jedoch gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 2 EStG für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses, wenn sie aus der maßgebli-chen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll (BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539). Diese Anforderungen waren im Streitfall erfüllt. Der Kläger war für die gesamte Dauer der im Vorhinein befristeten Dienstverhältnisse dem jeweiligen Krankenhaus zugeordnet. Dass der Kläger lediglich für höchs-tens 90 Arbeitstage an einem Krankenhaus tätig wurde, ist bereits nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 2 EStG, der bei einer Zuordnung für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses keine Anforderungen an den zeitlichen Umfang stellt, unbeachtlich.
54
d)
Der Beklagte hat ‒ wie der mit Bescheid vom 13. Juli 2016 erfolgten Festsetzung der Einkommens-teuer für das Streitjahr zu Grunde gelegt ‒ die von dem Kläger geltend gemachten Kraftfahrzeug-kosten zu Recht um 9.118,80 € (vgl. Aufstellung „Ermittlung der abzugsfähigen KFZ-Kosten 2014“, Blatt 56 der Gewinnermittlungsakte) und ‒ wie es der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 zu Grunde liegt und worauf der Beklagte mit Schreiben vom 4. April 2018 (Blatt 30 f. der Ein-spruchsakte) hingewiesen hat ‒ weitere 899,40 € (vgl. Anlage zur Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018) gemindert.
55
aa)
Werden die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte mit einem zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz zurückgelegt, dessen Privatnutzung pauschal nach der sog. 1 %-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu besteuern ist, dürfen aufgrund der Rückausnahme des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit sich ein positiver Unterschiedsbetrag zwischen 0,03 % des inlän-dischen Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG des Kfz im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (der Entfernungspauschale) ergebenden Betrag ergibt. Ermittelt der Steuerpflichtige den Entnahme-wert für die private Nutzung des Kfz ‒ wie im Streitfall ‒ nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 oder Satz 3 EStG nach der sog. Fahrtenbuchmethode, treten gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 2 EStG an die Stelle des mit 0,03 % des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen.
56
bb)
Diese Maßstäbe hat der Beklagte bei der Ermittlung des von ihm insgesamt für die Fahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung und den Betriebsstätten in Ansatz gebrachten Kürzungsbetrags von 10.018,20 € (= 9.118,80 € + 899,40 €) beachtet.
57
Ausgehend von einer sich aus dem Fahrtenbuch des Klägers ergebenden Gesamtfahrleistung von 35.963 km und den insgesamt für das Fahrzeug geltend gemachten Kosten hat der Beklagte ‒ rech-nerisch zutreffend ‒ einen Betrag von 0,60 € je km errechnet, anhand dessen die auf die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte entfallenden tatsächlichen Aufwendungen ermittelt und hiervon den sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ergebenden Betrag in Abzug gebracht. Da die zu Grunde gelegte Anzahl der Fahrten und die Entfernungen ‒ auch unter Berücksichtigung des der in der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 erfolgten Verböserung zu Grunde liegenden Ansatzes zusätzlicher Fahrten nach G und B ‒ von dem Kläger nicht beanstandet werden, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.
58
Dass der Beklagte zu Gunsten des Klägers von tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für das von ihm im Streitjahr seinem Betriebsvermögen zugeordneten Kraftfahrzeug in Höhe von 21.561,75 € ausgegangen ist und nicht den sich aus der Gewinnermittlung des Klägers ergebenden Betrag von 22.902,65 € zu Grunde gelegt hat, ist unerheblich. Denn insoweit ist der Senat nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO an einer Entscheidung zu Lasten des Klägers gehindert.
59
e)
Der Beklagte hat zu Recht den von dem Kläger in seiner Gewinnermittlung als „Reisekosten UN Verpfleg.mehraufwand“ bezeichneten Betrag in Höhe von 5.542 € bei der Festsetzung der Ein-kommensteuer für das Streitjahr unberücksichtigt gelassen. Da die Krankenhäuser für den Kläger jeweils ‒ die für den betreffenden Zeitraum einzigen ‒ Betriebsstätten darstellten, wurde er inso-weit auch nicht ‒ wie jedoch nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG für den Ansatz von Mehrauf-wendungen für Verpflegung erforderlich ‒ von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dau-erhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt tätig. Darüber hinaus ist, soweit sich aus der Auf-stellung des Klägers (Blatt 29 der Gewinnermittlungsakte) über Verpflegungsmehraufwendungen lediglich ein Betrag von 5.424 € ergibt, hinsichtlich der Differenz zu dem in der Gewinnermittlung enthaltenen Betrag bereits unklar, ob der Kläger überhaupt von seiner Wohnung und dem Mittel-punkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt tätig wurde.
60
Dies gilt auch, soweit der Kläger geltend macht, es seien zwangsläufig mehrere doppelte Hausstän-de begründet worden, i.R. derer ein Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen innerhalb der ersten 90 Tage möglich sei. Zwar sind Mehraufwendungen für eine betriebliche veranlasste dop-pelte Haushaltsführung lediglich insoweit von Abzug als Betriebsausgaben ausgeschlossen, als sie die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 bis 4 EstG abziehbaren Beträge übersteigen. Jedoch ist ‒ zum einen ‒ in Bezug auf die Tätigkeiten in G, B, H und S angesichts der arbeitstäglichen Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Betriebsstätte auszuschließen, dass der Kläger neben seiner Woh-nung in L einen weiteren Haushalt unterhielt. Zum anderen hat der Beklagte der in der Einspruchs-entscheidung vom 15. November 2018 erfolgten Festsetzung für die Tätigkeit in W Verpflegungs-mehraufwendungen in Höhe von 1.250 € in Ansatz gebracht. Dass dem Kläger höhere Verpfle-gungsmehraufwendungen zustehen, hat dieser nicht geltend gemacht.
61
f)
Der Beklagte hat ‒ wie der Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr in der Einspruchs-entscheidung vom 15. November 2018 zu Grunde gelegt ‒ zu Recht den Gewinn des Klägers um weitere 6.660 € erhöht.
62
Die Rückausnahme des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG findet auch für Familienheimfahrten An-wendung. Bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen den auf die Familienheimfahrten entfallenden tatsächlichen Auf-wendungen und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 bis 7 und Abs. 2 EStG ergebenden Be-trag den Gewinn nicht mindern. Da dem Kläger während seiner Tätigkeit in W von dem Kranken-haus eine Wohnung zur Verfügung gestellt wurde, ist davon auszugehen, dass der Kläger, der in L einen eigenen Hausstand unterhielt, während seiner Tätigkeit in W auch dort wohnte und hier-durch eine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG begründete. Dem steht ‒ anders als der Kläger meint ‒ nicht entgegen, dass er ledig ist. Die Anerkennung der doppel-ten Haushaltsführung eines nicht verheirateten Steuerpflichtigen setzt nicht voraus, dass im eige-nen Hausstand des Steuerpflichtigen von ihm abhängige Zurechnungspersonen leben (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180).
63
Dass der Beklagte den nichtabzugsfähigen Betrag ‒ rechnerisch zutreffend ‒ auf Grundlage einer Schätzung der von dem Kläger durchgeführten Familienheimfahrten i.S. des § 162 Abs. 1 Satz 1 AO ermittelt hat, ist ‒ da der Kläger auch auf Anforderung des Beklagten die Aufzeichnungen über seine Fahrten im Zeitraum vom 14. Juni 2014 bis zum 25. Juli 2014 nicht vorgelegt hat und damit i.S. des § 162 Abs. 2 Satz 1 AO keine ausreichenden Aufklärungen über seine Angaben gegeben hat ‒ nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Anzahl der von dem Beklagten angenommenen Famili-enheimfahrten, welche der Kläger nicht beanstandet hat.
64
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
65
5.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Zwar weicht der Senat in der Frage, ob für die Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG die Be-stimmung des § 12 AO maßgeblich ist, mit seiner Entscheidung nicht von dem Urteil des FG Düssel-dorf in EFG 2019, 873 ab, so dass die Revision nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen war. Jedoch kommt der Frage grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.
3. Senat
26.01.2021
3 K 2195/18
Urteil
Tatbestand
1
Der Kläger war im Streitjahr (2014) als Honorararzt selbständig tätig und ermittelte seinen Gewinn im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung. Der Kläger war im Streitjahr an folgenden Kranken-häusern tätig:
2
Klinik G 06.01.-28.02. 53 Arbeitstage
Klinik B 03.03.-11.03. 9 Arbeitstage
Klinik W 25.03. 1 Arbeitstag
Klinik H 13.04.-09.05. 27 Arbeitstage
Klinik S 12.05.-27.06. 46 Arbeitstage
Klinik W 30.06.-31.12. 90 Arbeitstage
3
Der Kläger suchte die Krankenhäuser jeweils mit seinem dem Betriebsvermögen zugeordneten Kfz auf, mit dem er im Streitjahr insgesamt 35.963 km zurücklegte. Die Verträge mit den jeweiligen Krankenhäusern wurden jeweils für einen von vornherein bestimmten Zeitraum geschlossen. Für die Tätigkeit in W wurde dem Kläger von dem Krankenhaus unentgeltlich eine Unterkunft zur Ver-fügung gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Honorararzt-Vertrag zwischen der Klinikum W GmbH und dem Kläger vom 29. April 2014 (Blatt 53 f. der Ein-spruchsakte).
4
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gab der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 268.385 € an. In der Einnahmen-Überschussrechnung des Klägers für das Streit-jahr wurden u.a. Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 5.542 € sowie Fahrtkosten in einer Gesamthöhe von 22.902,65 € (Leasingkosten: 14.394,24 €; Steuern, Versicherung und Maut: 2.213,50 €; sonstige tatsächliche Fahrtkosten ohne AfA und Zinsen: 6.294,91 €) als Betriebsausgaben in Abzug gebracht. Für die private Nutzung des Kfz brachte der Kläger Betriebseinnahmen in Höhe von 390,66 € in Ansatz.
5
Mit Schreiben vom 26. April 2016 führte der Beklagte aus, es sei beabsichtigt, die Fahrten als „Hono-rarvertreter“ zu den jeweiligen Kliniken aufgrund der Neuregelung des steuerlichen Reisekosten-rechts als Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Ein-kommensteuergesetzes (EStG) anzusetzen. Die Fahrtkosten seien mit der Entfernungspauschale anzusetzen und ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen entfalle.
6
Laut den vorliegenden Unterlagen und den Arbeitsverträgen aus dem Jahr 2013 handele es sich bei dem Berufsbild des Klägers als Arztvertreter um eine von vornherein befristete Beschäftigung, die nacheinander an verschiedenen Kliniken ausgeübt werde. Die Tätigkeit werde an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dauerhaft für einen bestimmten Zeitraum ausgeübt. Dauerhaftigkeit i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG liege vor, wenn die steuerlich erhebliche Tätigkeit an einer Tätigkeitsstät-te unbefristet, für eine Dauer von voraussichtlich mehr als 48 Monaten oder für die gesamte Dauer der betrieblichen Tätigkeit ausgeübt werden solle. Für die Prognose der voraussichtlichen Dauer könne auf die Dauer des Auftragsverhältnisses abgestellt werden. Mit dem Abschluss eines befris-teten Arbeitsvertrages seien demnach diese Voraussetzungen erfüllt und die Dauer der jeweiligen Beschäftigung sei maßgebend.
7
Mit Bescheid vom 13. Juli 2016 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 101.343 € fest, wobei er Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 283.046 € zu Grunde legte. In den Erläuterungen wurde ausgeführt, dass gebeten werde, zukünftig zu beachten, dass die Ent-fernungspauschale nur für eine Fahrt pro Arbeitstag angesetzt werden könne. Die Abweichungen von den erklärten Angaben seien dem Kläger mit Schreiben vom 26. April 2016 mitgeteilt worden. Wegen der von dem Beklagten gegenüber den von dem Kläger angesetzten Fahrtkosten vorge-nommenen Kürzungen wird Bezug genommen auf die Aufstellung „Ermittlung der abzugsfähigen KFZ-Kosten 2014“ (Blatt 56 der Gewinnermittlungsakte).
8
Mit seinem gegen den Bescheid vom 13. Juli 2016 gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, die Erhöhung des Gewinns durch die Kürzung von Aufwendungen für Fahrtkosten sowie Verpfle-gungsmehraufwendungen sei rechtswidrig. Der reisekostenrechtliche Betriebsstättenbegriff im EStG 2014 sei unverändert aus dem alten Recht übernommen worden. Die Neudefinition der ers-ten Tätigkeitsstätte als Ausgangspunkt der Auswärtstätigkeit beschränke der Gesetzeswortlaut auf Arbeitnehmer. Dieser Begriff werde durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers bestimmt. Er sei deswegen von der Natur der Sache her nicht ansatzweise auf Unternehmer übertragbar.
9
Inwieweit die Neudefinition der ersten Tätigkeitsstätte beim Arbeitnehmer auf die Auslegung des Betriebsstättenbegriffs ausstrahle, bleibe abzuwarten. Insbesondere stehe eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der Frage aus, ob ein Unternehmer im Reisekostenrecht mehrere Be-triebsstätten haben könne und ob er bei längerfristiger Tätigkeit in den Räumen eines Kunden eine solche [Satz unvollständig]. Genau diese Situation sei bei ihm, dem Kläger, gegeben. Nur bei Beja-hung der Frage, ob durch seine Tätigkeit in verschiedenen Krankenhäusern jeweils Betriebsstätten begründet würden, wäre eine Kürzung der Aufwendungen gerechtfertigt.
10
Es handele sich hier um eine Tätigkeitsausübung in einem weiten Gebiet, also vergleichbar mit ei-ner Auswärtstätigkeit. Als Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EstG sei danach nur ein Ort anzusehen, an dem sich der ortsgebundene Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit des Selbständi-gen befinde. Vom Verständnis der Rechtsprechung her werde eine Betriebsstätte dadurch be-gründet, dass ein Steuerpflichtiger sich mit seinen (eigenen) Betriebsmitteln von einiger Dauer an einem Ort „niederlasse“. Hier sei es so, dass er, der Kläger, die „Infrastruktur“ des jeweiligen Kran-kenhauses nutze. Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass er mit Aufnahme einer jeden neuen Tätigkeit einen „gedachten“ steuerlichen Betrieb begründen würde.
11
In diesem Zusammenhang sei auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 27. Oktober 2011 - 3 K 1849/09 zu verweisen. Die Zahl der Auftraggeber sei bei Gewinneinkünften kein Kriterium für den ortsgebundenen Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit. Weitere Feststellung des Urteils sei gewesen, dass ein Selbständiger nur eine Betriebsstätte haben könne und nicht mehrere.
12
Soweit der Beklagte weiterhin die Auffassung vertrete, dass mehrere erste Tätigkeitsstätten be-gründet worden seien, so entstünden dadurch steuerlich auch zwangsläufig mehrere doppelte Hausstände. Hierbei sei ein Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen innerhalb der ersten 90 Tage möglich. Insgesamt ergebe sich ein Betrag von 3.792 €. Wegen der Ermittlung der Verpfle-gungsmehraufwendungen durch den Kläger wird Bezug genommen auf die e-mail vom 8. Februar 2017 (Blatt 23 der Einspruchsakte).
13
Mit Schreiben vom 4. April 2018 wies der Beklagte auf die Möglichkeit hin, dass der angefochtene Bescheid zum Nachteil des Klägers geändert werden könne. Bei der Minderung der Kfz-Kosten um 9.118,80 € sei unberücksichtigt geblieben, dass nur eine Fahrt pro Arbeitstag berücksichtigt werden könne. An den Tagen, an denen der Kläger zwei Fahrten zum Beschäftigungsort unternommen habe, blieben die Kosten für die jeweils zweite Fahrt in vollem Umfang unberücksichtigt. Außer-dem seien die Fahrten nach W bisher nicht der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 6a EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 5 Sätze 5 und 6 EStG unterworfen worden. Nach einer überschlägigen Berech-nung übersteige die hiernach insgesamt vorzunehmende Korrektur den von dem Kläger beantrag-ten Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen.
14
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 104.182 € fest und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der Beklagte führ-te aus, unter Betriebsstätte i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EstG sei die von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen zu verstehen, d.h. eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Steuerpflichtigen, des Auftraggebers oder eines vom Auftraggeber bestimmten Dritten, an der oder von der aus die steuerrechtlich relevante Tätigkeit dauerhaft ausgeübt werde. Eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen sei ‒ im Unterschied zur Geschäftseinrichtung i.S. des § 12 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ‒ nicht erforderlich. Dauerhaf-tigkeit liege vor, wenn die steuerlich erhebliche Tätigkeit an einer Tätigkeitsstätte unbefristet sei, für eine Dauer von voraussichtlich mehr als 48 Monaten oder für die gesamte Dauer der betriebli-chen Tätigkeit ausgeübt werden solle. Der Steuerpflichtige könne an mehreren Betriebsstätten tätig sein. Für jeden Betrieb könne jedoch höchstens eine ortsfeste betriebliche Einrichtung Be-triebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (erste Betriebsstätte) sein.
15
Im Streitfall habe der Kläger jeweils in dem Krankenhaus, an dem er tätig gewesen sei, eine Be-triebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG gehabt. Bei dem jeweiligen Krankenhaus habe es sich um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Auftraggebers des Klägers gehandelt, an der der Kläger seine freiberufliche Honorartätigkeit ausgeübt habe. Die Infrastruktur des jeweiligen Kran-kenhauses habe ihm zur Verfügung gestanden. Der Kläger sei an dem jeweiligen Krankenhaus auch dauerhaft tätig gewesen. Zwar habe der Kläger die von ihm, dem Beklagten, angeforderten Verträ-ge mit seinen Auftraggebern für das Streitjahr nicht vorgelegt. Aus den Verträgen für den Veranla-gungszeitraum 2013 sei jedoch ersichtlich, dass diese von vornherein befristet gewesen seien. Der Kläger habe das jeweilige Krankenhaus für die Dauer des jeweils befristeten Vertragsverhältnisses und damit dauerhaft aufgesucht.
16
Das von dem Kläger angeführte Urteil des FG Baden-Württemberg vom 27. Oktober 2011 - 3 K 1849/09 sei noch zur alten Rechtslage ergangen und deshalb für das Streitjahr nicht einschlägig. Außerdem sei der vom FG Baden-Württemberg beurteilte Sachverhalt nicht mit dem Streitfall ver-gleichbar. Der dortige Kläger habe im gleichen Zeitraum immer wieder mehrere Einrichtungen etwa gleich oft aufgesucht, so dass kein Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit habe bestimmt werden können. Im Streitfall habe der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit für jeden Auftrag ausschließlich in der jeweiligen Klinik gelegen. Dass der Kläger den Mittelpunkt im Streitjahr mehrmals verlegt habe, ändere daran nichts.
17
Anders als der Kläger meine, seien seine Fahrten auch nicht zu einem weiträumigen Tätigkeitsge-biet unternommen worden. Ein solches liege in Abgrenzung zur Betriebsstätte vor, wenn die ver-traglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfes-ten betrieblichen Einrichtung ausgeübt werden solle. Bei den von dem Kläger aufgesuchten Klini-ken handele es sich aber jeweils um ortsfeste betriebliche Einrichtungen.
18
Für die ersten drei Monate der Tätigkeit des Klägers in W würde ein Verpflegungsmehraufwand in Höhe von 1.250 € geschätzt. Außerdem sei der Kläger bereits im Schreiben vom 4. April 2018 auf die beabsichtigte Änderung zu seinem Nachteil hingewiesen worden. Er, der Beklagte, habe bei der Berechnung im angefochtenen Bescheid übersehen, dass mit dem Fahrzeug des Klägers laut Fahr-tenbuch an manchen Tagen zwei Fahrten zur Klinik und zurück unternommen worden seien. Dies gelte für fünf „zweite“ Fahrten nach G und sieben „zweite“ Fahrten nach B. Da die Entfernungs-pauschale nur für eine Fahrt arbeitstäglich abzugsfähig sei, müssten die Kosten für die zweite Fahrt gänzlich vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen werden.
19
Außerdem seien die Fahrten des Klägers nach W bisher versehentlich nicht der Abzugsbeschrän-kung des § 4 Abs. 5 Nr. 6a EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 5 Sätze 5 und 6 EStG unterworfen worden. Da die von dem Kläger vorgelegten Fahrtenbücher den Zeitraum der Tätigkeit in W nicht lückenlos wiedergäben, sei die Anzahl der Familienheimfahrten auf 20 geschätzt worden. Wegen der Be-rechnung des von dem Beklagten in Höhe von 289.355,57 € zu Grunde gelegten Gewinns wird Be-zug genommen auf die Anlage 1 zur Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 (Blatt 103 der Einspruchsakte).
20
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, als Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG sei in Zu-sammenschau mit § 12 AO nur ein Ort anzusehen, an dem sich der ortsgebundene Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit des Selbständigen befinde. Eine Betriebsstätte werde begründet, wenn ein Steuerpflichtiger sich mit seinen (eigenen) Betriebsmitteln von einiger Dauer an einem Ort „nieder-lasse“. Dies sei hier jedoch eindeutig nicht gegeben, da sämtliche Verträge des Klägers nur befristet gewesen seien.
21
Von einer entsprechenden Anwendung des § 9 Abs. 4 EStG hinsichtlich der Übertragbarkeit der Tätigkeitsstätte sei ausdrücklich nicht die Rede. Der Beklagte lege die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG also sehr extensiv aus. Ausgehend von dem Gedanken der Einheitlichkeit der Steuerrechts-ordnung könne nur nach den Rechtsgrundsätzen des § 12 AO beurteilt werden, ob eine Betriebs-stätte vorliege. Nach § 12 Satz 1 AO werde eine Geschäftseinrichtung oder Anlage nur dann zur Betriebsstätte, wenn dem Steuerpflichtigen eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Einrichtung zukomme. Das bloße Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Vertragspartners genüge für sich genommen selbst dann nicht, wenn die Tätigkeit über mehre-re Jahre hinweg erbracht werde. Neben der zeitlichen Komponente müssten zusätzliche Umstände auf eine auch örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen. Durch die zeitliche Befristung hätten die Auftraggeber des Klägers von vornherein zum Ausdruck gebracht, dass sie nur kurzfristi-ge Auftragsverhältnisse wollte und keine dauerhafte Beschäftigung, gar eine Betriebsstätte.
22
Soweit der Beklagte 20 Familienheimfahrten von W nach L geschätzt habe, stehe dem entgegen, dass er, der Kläger, ledig sei, so dass die Begründung eines doppelten Hausstandes nicht möglich sei. Vor dem Hintergrund des beim BFH anhängigen Parallelverfahrens X R 14/19 werde das Ruhen des hiesigen Verfahrens beantragt.
23
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 13. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 dahin zu ändern, dass Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 268.385 € in Ansatz gebracht werden.
24
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
25
Er wiederholt die Begründung seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, es komme nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 12 AO vorlägen. Im Hinblick auf den besonderen Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, den Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und we-gen der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Steuerpflichtigen mit Gewinnein-künften im Regelungsbereich beider Vorschriften weiche der hier maßgebende Begriff der Be-triebsstätte vom Betriebsstättenbegriff des § 12 AO ab. Dies entspreche der ständigen Rechtspre-chung des BFH.
26
Die normspezifische Gesetzesauslegung sei hiernach im Hinblick auf den mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG verfolgten Zweck, die Bezieher von Gewinneinkünften in Bezug auf regelmäßige Fahrten mit Arbeitnehmern gleichzustellen, geboten. Demgegenüber diene der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO im Wesentlichen der Abgrenzung von Besteuerungsgrundlagen zwischen verschiedenen Steu-ergläubigern, was für den Regelungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht von Bedeutung sei.
Entscheidungsgründe
27
1.
Das Gericht konnte ‒ worauf in der Ladung hingewiesen wurde (vgl. Blatt 40 und 49 der Gerichtsak-te) ‒ verhandeln und entscheiden, ohne dass der Kläger erschienen war, § 91 Abs. 2 der Finanzge-richtsordnung (FGO).
28
a)
Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein gerichtlicher Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Liegen erhebliche Gründe i.S. von § 227 ZPO vor, verdichtet sich die nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechts-pflicht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. November 2009 IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671; vom 27. Juni 2012 XI B 129/11, BFH/NV 2012, 1978).
29
Der Antragsteller muss die Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO so genau angeben, dass sich das Gericht aufgrund ihrer Schilderung ein Urteil über deren Erheblichkeit bilden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Mai 2007 V B 217/06, BFH/NV 2007, 1695; vom 8. September 2015 XI B 33/15, BFH/NV 2015, 1690). Die danach erforderliche Glaubhaftmachung erfordert zwar nicht den vollen Beweis, wohl aber die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Umstände, aus denen der er-hebliche Grund abgeleitet wird, tatsächlich vorliegen (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2013 III B 58/13, BFH/NV 2014, 356, m.w.N.).
30
Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, hat das Gericht anhand sämtlicher ihm bekannter Umstände zu beurteilen. Dazu muss es in der Lage sein, sich über das Vorliegen eines Verlegungsgrundes ein eigenes Urteil zu bilden. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, ist Auf-gabe desjenigen, der die Verlegung beantragt. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass der Grund-satz der Verfahrensbeschleunigung und die Gefahr der Verschleppung des Verfahrens eine be-sonders strenge Prüfung solcher Verlegungsgesuche gebietet, die kurzfristig vor dem Termin ge-stellt werden (BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1992 IV B 154/92, BFH/NV 1993, 483). Zudem kann das Gericht auch die Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten oder andere Umstän-de berücksichtigen, die auf das Bestehen einer Prozessverschleppungsabsicht schließen lassen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. August 2014 IX B 48/14, BFH/NV 2014, 1896; IX B 39/14, BFH/NV 2014, 1896).
31
b)
Gemessen daran war in dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in den Schreiben vom 20. Januar 2021 (Blatt 52 f. der Gerichtsakte) und vom 25. Januar 2021 (Blatt 59 f. der Gerichts-akte) kein erheblicher Grund zu sehen, der eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhand-lung am 26. Januar 2021 rechtfertigen würde.
32
aa)
So hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers geltend gemacht, aufgrund der Verschärfung der Regelungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sei eine Anreise nach Rheinland-Pfalz mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und der Kreis Minden-Lübbecke, in dem er, der Pro-zessbevollmächtigte, wohne und seine berufliche Niederlassung habe, sei als Risikogebiet einge-stuft, womit zusätzlich eine Anmelde- und Testpflicht verbunden sei. Aus zeitlichen Gründen ‒ so der Prozessbevollmächtigte weiter ‒ sei dies ebenso wie eine mögliche anschließende Quarantä-nepflicht nicht möglich.
33
bb)
Die von dem Prozessbevollmächtigten geltend gemachten Einschränkungen lassen sich den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Regelungen nicht entnehmen.
34
Zwar durften nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durch einen eingeschränkten Bewegungsradius in Regionen mit erhöhten Infektionszahlen (Coronaregionalverordnung ‒ CoronaRegioVO) des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Januar 2021 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen 2021, 1d) vom 11. Januar 2021 zuletzt vor der mündlichen Verhandlung geändert durch die Verordnung zur Änderung der Coronaregionalverordnung vom 18. Januar 2021 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen 2021, 21a) Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort im Gebiet des Kreises Minden-Lübbecke dieses nur verlassen, soweit dabei ein Umkreis von 15 Kilometern Luftlinie ab der Grenze des eigenen Heimatorts (politische Gemeinde) nicht überschrit-ten wird. Von diesen Beschränkungen des Bewegungsradius ausgenommen war jedoch ‒ worun-ter auch die Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung durch einen Steuerberater fällt ‒ die Erledigung beruflicher, dienstlicher, ehrenamtlicher und vergleichbarer Besorgungen (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 CoronaRegioVO).
35
Nichts Anderes folgt aus Allgemeinverfügungen des Kreises Minden-Lübbecke. So wurde mit All-gemeinverfügung zur Anordnung weiterer Maßnahmen des Infektionsschutzes des Kreises Min-den-Lübbecke vom 7. Januar 2021 (Amtliches Kreisblatt des Kreises Minden-Lübbecke 2021, 1) die Regelung der Allgemeinverfügung zur Anordnung weiterer Maßnahmen des Infektionsschutzes vom 30. Dezember 2020 (Amtliches Kreisblatt des Kreises Minden-Lübbecke 2020, 601), wonach in der Zeit von 21.00 Uhr bis jeweils bis 04.00 Uhr des Folgetages der Aufenthalt außerhalb der eige-nen Wohnung untersagt war, ausgesetzt. Darüber hinaus fand diese Ausgangssperre bei Ausübung beruflicher Tätigkeit, die zwingend in diesem Zeitraum erfolgen muss, ohnehin keine Anwendung. Im Übrigen wurde lediglich jeder „angehalten“, seine Wohnung nur aus triftigem Grund, etwa zur ‒ im Streitfall vorliegenden ‒ Ausübung beruflicher Tätigkeiten zu verlassen.
36
Auch hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Reise nach Rheinland-Pfalz weder anmel-den müssen, noch hätte er sich im Vorhinein oder im Anschluss auf eine Infektion testen lassen müssen. Die Absonderungsverpflichtung des § 19 Abs. 1 der Fünfzehnten Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (15. CoBeLVO) vom 8. Januar 2021 (Gesetz- und Verord-nungsblatt für Rheinland-Pfalz 2021, 7) zuletzt vor der mündlichen Verhandlung geändert durch die Erste Landesverordnung zur Änderung der Fünfzehnten Corona-Bekämpfungsverordnung Rhein-land-Pfalz vom 22. Januar 2021 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Rheinland-Pfalz 2021, 25) betrifft ausschließlich aus dem Ausland in das Land Rheinland-Pfalz einreisende Personen.
37
Vergleichbares gilt für § 4 Abs. 1 der für Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in Bezug auf Ein- und Rückreisende aus Risikogebieten (Coronaeinreise-verordnung Nordrhein-Westfalen - CoronaEinrVO NRW) vom 15. Januar 2021 (Gesetz- und Verord-nungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen 2021, 22). Zwar besteht danach bei einer Einreise aus einem Risikogebiet die Verpflichtung zu einer Testung auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Jedoch kommen als Risikogebiete ausschließlich Staaten oder Regionen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Betracht (§ 4 Abs. 3 CoronaEinrVO NRW).
38
cc)
Da der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch nicht geltend gemacht hat, dass die Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 für ihn eine besondere Gefahr darstellt, sondern lediglich ange-kündigt hat, aus Gründen der „Verantwortung“ nicht zu erscheinen, und das Gericht ausreichende Hygienemaßnahmen getroffen hat (vgl. Hinweise aus S. 2 der Ladung vom 19. November 2020, Blatt 41 f. der Gerichtsakte), war dem Prozessbevollmächtigten die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auch nicht unzumutbar.
39
2.
Auch war das Gericht nicht nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 249 Abs. 2 ZPO an einer Entscheidung gehindert. So hat ausschließlich der Kläger ‒ nicht aber der Beklagte ‒ das Ruhen des Verfahrens i.S. des § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 251 Satz 1 ZPO beantragt.
40
3.
Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 13. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat sowohl zu Recht dem Betriebsaus-gabenabzug für die Fahrten zwischen der Wohnung des Klägers und den Krankenhäusern die Rege-lung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zu Grunde gelegt als auch den Ansatz von Verpflegungsmehr-aufwendungen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten an den Krankenhäusern in G, B, H und S verneint.
41
a)
Fahrten eines Gewinnermittlers zwischen Wohnung und Betriebsstätte zählen zu dessen betriebli-chen Fahrten (BFH-Beschluss vom 20. August 2015 III B 108/14, BFH/NV 2015, 1575). Die mit diesen Fahrten zusammenhängenden Aufwendungen sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG grundsätzlich als Be-triebsausgaben abzugsfähig. Hiervon abweichend dürfen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG die Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit in den folgenden Sätzen der Vorschrift nichts anderes bestimmt ist. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG, der i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG entsprechend für Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte gilt, ist der Abzug von Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte auf die Höchstbeträge der gesetzlichen Entfernungspauschale begrenzt.
42
b)
Anders als der Kläger meint, ist für die Auslegung des in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG verwen-deten Begriff des Betriebsstätte nicht die allgemeine Begriffsbestimmung in § 12 AO maßgeblich.
43
aa)
Nach der zur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unterneh-mensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) geltenden Rechtslage ergangenen Rechtsprechung ist für Zwecke der Ermittlung der nicht abzugs-fähigen Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den Fahrtkosten unter Betriebsstätte der Ort zu verstehen, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht wer-den, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen. Eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit und eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die erforderliche ortsfeste betriebliche Einrichtung ist ‒ im Unterschied zur Geschäftseinrichtung oder Anlage im Sinne des § 12 Satz 1 AO ‒ nicht erforderlich (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 34/90, BStBl II 1992, 90; vom 29. April 2014 VIII R 33/10, BStBl II 2014, 777), so dass bei einem im We-ge eines Dienstvertrags tätigen Unternehmer, der nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt, als Betriebsstätte der Ort anzusehen ist, an dem er die geschuldete Leistung zu erbringen hat, in der Regel also der Betrieb des Auftraggebers (BFH-Urteil vom 13. Juli 1989 IV R 55/88, BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23; ferner BFHUrteile vom 27. Oktober 1993 I R 99/92, BFH/NV 1994, 701; vom 19. August 1998 XI R 90/96, BFH/NV 1999, 41).
44
bb)
Ziel dieser Auslegung war es, einen Gleichlauf mit dem Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern herzustellen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23). Die Regelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG geht auf das Steueränderungsgesetz (StÄndG) vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) zurück, das die für den Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern maß-gebende Kilometerpauschale auch auf den Bereich der Gewinneinkünfte erstreckte. Aufwendun-gen von Gewerbetreibenden und Freiberuflern für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb wur-den seither in gleichem Umfang wie entsprechende Aufwendungen von Arbeitnehmern berück-sichtigt. Diese Gleichstellung wird vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 2.Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140) im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) als geboten angesehen. Dieser Regelungszweck kommt auch im Hinweis auf § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG zum Ausdruck. Er ist bei der Auslegung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG durchweg zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 31. Mai 1978 I R 69/76, BFHE 125, 381, BStBl II 1978, 564).
45
cc)
Dies gilt auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass mit dem Gesetz zur Änderung und Verein-fachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) in der erstmals für das Streitjahr geltenden Fassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nunmehr der Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ verwendet wird und diese in § 9 Abs. 2 EStG ausdrücklich als ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Un-ternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes ‒ AktG ‒) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten definiert wird, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Zwar blieb § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG insoweit unverändert, so dass für die Ermittlung der Gewinneinkünfte weiterhin der Begriff der Betriebsstätte maßgeblich ist. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Ge-setzgeber bei der Änderung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zugleich beabsichtigte, den insoweit vorher bestehenden Auslegungsgleichlauf mit § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG zu beseitigen.
46
Insbesondere wäre angesichts der bis dahin ergangenen Rechtsprechung des BFH, nach der der Begriff der Betriebsstätte sich gerade nicht nach § 12 AO bestimmte, zu erwarten gewesen, dass ‒ wäre dies dennoch gewollt gewesen ‒ auch § 4 Abs. 5 Nr. 6 EstG zu Gunsten einer ausdrücklichen Inbezugnahme der allgemeinen Begriffsbestimmung geändert worden wäre. Dies gilt umso mehr, als die „Regelungen zur Berücksichtigung der Entfernungspauschale“ nach der Begründung zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 17/10774, S. 12) trotz der Änderungen durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013, das ‒ jedenfalls nach der Begründung zu dem Gesetz-entwurf (BTDrucks 17/10774, S. 12) ‒ mit der Änderung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und der Einfügung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG als „Folgeänderungen zu dem zukünftig in § 9 Abs. 4a EStG neu geregelten Abzug der Mehraufwendungen für Verpflegung“ und „zu den zukünftig in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 und Nr. 5a EStG neu geregelten Abzügen für Mehraufwendungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung und für beruflich veranlasste Übernachtungskosten“ vor-sah und gleichzeitig die Regelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG unberührt ließ, „unverändert bestehen“ bleiben sollten. Auch beansprucht die Erwägung, dass die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte i.R. der Gewinneinkünfte aufgrund der nach Art. 3 Abs. 1 GG gebote-nen Gleichbehandlung in gleichem Umfang ‒ d.h. auch unter denselben Einschränkungen ‒ wie entsprechende Aufwendungen von Arbeitnehmern zu berücksichtigen sind, schon angesichts der weiterhin bestehenden Inbezugnahme von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 bis 6, Nr. 5 Satz 5 bis 7, Abs. 2 EStG in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG unverändert Geltung.
47
c)
Es kann dahinstehen, ob die Änderung durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Un-ternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 bei der Auslegung des Begriff der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG vollständig unberücksichtigt bleiben muss mit der Folge, dass die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Verein-fachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 vorgenommene Auslegung durch die Rechtsprechung maßgeblich ist (so FG Düsseldorf, Urteil vom 11. März 2019 9 K 1960/17 E,G, EFG 2019, 873; Loschelder in Schmidt, EStG, 39. Aufl., § 4 Rz 580; Wied in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 4 EStG Rz 805), oder ob der Begriff der Betriebsstätte ent-sprechend der Begriffsbestimmung der ersten Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 EStG auszulegen ist (so Seifert in Korn, § 4 EStG Rz 1036.2; Meurer in Lademann, EStG, § 4 Rz 698; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Dezember 2014, BStBl I 2015, 26; Spilker in Kirch-hof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz L 24; Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rz 1366). Denn in beiden Fällen sind die Krankenhäuser als Betriebsstätten des Klägers anzu-sehen.
48
aa)
Der Kläger erfüllt mit seiner Tätigkeit in den jeweiligen Krankenhäusern die ‒ soweit ersichtlich ‒ seit dem BFH-Urteil in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23 von der Rechtsprechung an das Innehaben einer Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG gestellten Anforderungen.
49
(1)
Der Kläger hat in den verschiedenen Krankenhäusern seine beruflichen Leistungen ‒ die Tätigkeit als Honorararzt ‒ erbracht. In Abweichung zum Begriffsverständnis des § 12 Satz 1 AO ist hierbei unerheblich, ob ‒ was der Kläger in Abrede stellt ‒ ihm hierfür eine abgrenzbare Fläche oder Räum-lichkeit zur Verfügung stand. Ebenso ist unbeachtlich, dass der Kläger im Streitjahr ‒ nacheinander ‒ jeweils für bestimmte Zeiträume an verschiedenen Krankenhäusern tätig war. Schließt bereits ein durch die Art der Tätigkeit bedingter häufiger Wechsel der Einsatzstelle nicht aus, dass die je-weilige Beschäftigungsstelle eine Betriebsstätte des Unternehmers i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EstG ist (BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 34/90, BFHE 165, 411, BStBl II 1992, 90; vom 23. Oktober 2014 III R 19/13, BFHE 248, 1, BStBl II 2015, 323), muss dies erst recht für ‒ wie im Streit-fall ‒ nacheinander für einen gewissen Zeitraum aufgesuchte Beschäftigungsstellen gelten. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür dargetan oder ersichtlich, dass der Kläger neben seiner Tätigkeit in den Krankenhäusern über eine eigene Betriebsstätte ‒ etwa in seinem Wohnhaus ‒ verfügte, so dass die verschiedenen Krankenhäuser als ortsfeste Betriebe der Auftraggeber des Klägers, an denen er seine Tätigkeit als Honorararzt zu erbringen hatte, als seine Betriebsstätten anzusehen sind.
50
(2)
Die Krankenhäuser sind auch nicht als ständig wechselnde auswärtige Tätigkeitsstätten anzusehen. Zwar war ‒ jedenfalls vor Inkrafttreten der Änderungen durch das Gesetz zur Änderung und Ver-einfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Feb-ruar 2013 ‒ die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ‒ und damit auch die des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (BFH-Urteil in BFHE 248, 1, BStBl II 2015, 323) ‒ dann nicht anzuwenden, wenn der Ar-beitnehmer auf ständig wechselnden auswärtigen Tätigkeitsstätten (Einsatzstellen) tätig ist (BFH-Urteile vom 18. Dezember 2008 VI R 39/07, BFHE 224, 111, BStBl II 2009, 475; VI R 47/07, BFH/NV 2009, 751). Jedoch fehlt es im Streitfall an einem ständigen Wechsel. Die Tätigkeit des Klägers wäh-rend des Streitjahrs ‒ und darin unterscheidet sich der Fall von demjenigen ständig wechselnder Einsatzstellen oder Betriebsstätten ‒ ist nicht durch das Fehlen einer festen Betriebsstätte, son-dern dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger ‒ lässt man die Tätigkeit in W am 25. März 2014, die auch der Beklagte unberücksichtigt gelassen hat, außer Betracht ‒ jeweils für bestimmte, aufei-nander folgende Zeiträume zwischen seiner Wohnung und jeweils einer einzigen festen Betriebs-stätte arbeitstäglich hin- und hergefahren ist. Der Kläger musste sich nicht auf ständig neue, son-dern lediglich auf für die ‒ gesamte ‒ Dauer der Vertragsverhältnisse mit den jeweiligen Kliniken wiederkehrende Fahrtwege einstellen.
51
bb)
Auch erfüllen die von dem Kläger aufgesuchten Krankenhäuser die Anforderungen des § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG an eine erste Tätigkeitsstätte.
52
(1)
Nach dieser Vorschrift ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitge-bers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllen-den Absprachen und Weisungen bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 2 EStG). Von einer dauerhaften Zuord-nung ist nach § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefris-tet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
53
(2)
Gemessen daran und übertragen auf die Ermittlung von Gewinneinkünften war der Kläger den von ihm aufgesuchten Krankenhäusern ‒ als ortsfesten betrieblichen Einrichtungen seiner Dienstgeber ‒ dauerhaft zugeordnet. Zwar kommt bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen ‒ wie sie im Streitfall vorliegen ‒ eine unbefristete Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 1 EStG zu einer ersten Tätigkeitsstätte nicht in Betracht. Die Zuordnung erfolgt jedoch gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 2 EStG für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses, wenn sie aus der maßgebli-chen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll (BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539). Diese Anforderungen waren im Streitfall erfüllt. Der Kläger war für die gesamte Dauer der im Vorhinein befristeten Dienstverhältnisse dem jeweiligen Krankenhaus zugeordnet. Dass der Kläger lediglich für höchs-tens 90 Arbeitstage an einem Krankenhaus tätig wurde, ist bereits nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 2 EStG, der bei einer Zuordnung für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses keine Anforderungen an den zeitlichen Umfang stellt, unbeachtlich.
54
d)
Der Beklagte hat ‒ wie der mit Bescheid vom 13. Juli 2016 erfolgten Festsetzung der Einkommens-teuer für das Streitjahr zu Grunde gelegt ‒ die von dem Kläger geltend gemachten Kraftfahrzeug-kosten zu Recht um 9.118,80 € (vgl. Aufstellung „Ermittlung der abzugsfähigen KFZ-Kosten 2014“, Blatt 56 der Gewinnermittlungsakte) und ‒ wie es der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 zu Grunde liegt und worauf der Beklagte mit Schreiben vom 4. April 2018 (Blatt 30 f. der Ein-spruchsakte) hingewiesen hat ‒ weitere 899,40 € (vgl. Anlage zur Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018) gemindert.
55
aa)
Werden die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte mit einem zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz zurückgelegt, dessen Privatnutzung pauschal nach der sog. 1 %-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu besteuern ist, dürfen aufgrund der Rückausnahme des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit sich ein positiver Unterschiedsbetrag zwischen 0,03 % des inlän-dischen Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG des Kfz im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (der Entfernungspauschale) ergebenden Betrag ergibt. Ermittelt der Steuerpflichtige den Entnahme-wert für die private Nutzung des Kfz ‒ wie im Streitfall ‒ nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 oder Satz 3 EStG nach der sog. Fahrtenbuchmethode, treten gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 2 EStG an die Stelle des mit 0,03 % des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen.
56
bb)
Diese Maßstäbe hat der Beklagte bei der Ermittlung des von ihm insgesamt für die Fahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung und den Betriebsstätten in Ansatz gebrachten Kürzungsbetrags von 10.018,20 € (= 9.118,80 € + 899,40 €) beachtet.
57
Ausgehend von einer sich aus dem Fahrtenbuch des Klägers ergebenden Gesamtfahrleistung von 35.963 km und den insgesamt für das Fahrzeug geltend gemachten Kosten hat der Beklagte ‒ rech-nerisch zutreffend ‒ einen Betrag von 0,60 € je km errechnet, anhand dessen die auf die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte entfallenden tatsächlichen Aufwendungen ermittelt und hiervon den sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ergebenden Betrag in Abzug gebracht. Da die zu Grunde gelegte Anzahl der Fahrten und die Entfernungen ‒ auch unter Berücksichtigung des der in der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2018 erfolgten Verböserung zu Grunde liegenden Ansatzes zusätzlicher Fahrten nach G und B ‒ von dem Kläger nicht beanstandet werden, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.
58
Dass der Beklagte zu Gunsten des Klägers von tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für das von ihm im Streitjahr seinem Betriebsvermögen zugeordneten Kraftfahrzeug in Höhe von 21.561,75 € ausgegangen ist und nicht den sich aus der Gewinnermittlung des Klägers ergebenden Betrag von 22.902,65 € zu Grunde gelegt hat, ist unerheblich. Denn insoweit ist der Senat nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO an einer Entscheidung zu Lasten des Klägers gehindert.
59
e)
Der Beklagte hat zu Recht den von dem Kläger in seiner Gewinnermittlung als „Reisekosten UN Verpfleg.mehraufwand“ bezeichneten Betrag in Höhe von 5.542 € bei der Festsetzung der Ein-kommensteuer für das Streitjahr unberücksichtigt gelassen. Da die Krankenhäuser für den Kläger jeweils ‒ die für den betreffenden Zeitraum einzigen ‒ Betriebsstätten darstellten, wurde er inso-weit auch nicht ‒ wie jedoch nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG für den Ansatz von Mehrauf-wendungen für Verpflegung erforderlich ‒ von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dau-erhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt tätig. Darüber hinaus ist, soweit sich aus der Auf-stellung des Klägers (Blatt 29 der Gewinnermittlungsakte) über Verpflegungsmehraufwendungen lediglich ein Betrag von 5.424 € ergibt, hinsichtlich der Differenz zu dem in der Gewinnermittlung enthaltenen Betrag bereits unklar, ob der Kläger überhaupt von seiner Wohnung und dem Mittel-punkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt tätig wurde.
60
Dies gilt auch, soweit der Kläger geltend macht, es seien zwangsläufig mehrere doppelte Hausstän-de begründet worden, i.R. derer ein Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen innerhalb der ersten 90 Tage möglich sei. Zwar sind Mehraufwendungen für eine betriebliche veranlasste dop-pelte Haushaltsführung lediglich insoweit von Abzug als Betriebsausgaben ausgeschlossen, als sie die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 bis 4 EstG abziehbaren Beträge übersteigen. Jedoch ist ‒ zum einen ‒ in Bezug auf die Tätigkeiten in G, B, H und S angesichts der arbeitstäglichen Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Betriebsstätte auszuschließen, dass der Kläger neben seiner Woh-nung in L einen weiteren Haushalt unterhielt. Zum anderen hat der Beklagte der in der Einspruchs-entscheidung vom 15. November 2018 erfolgten Festsetzung für die Tätigkeit in W Verpflegungs-mehraufwendungen in Höhe von 1.250 € in Ansatz gebracht. Dass dem Kläger höhere Verpfle-gungsmehraufwendungen zustehen, hat dieser nicht geltend gemacht.
61
f)
Der Beklagte hat ‒ wie der Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr in der Einspruchs-entscheidung vom 15. November 2018 zu Grunde gelegt ‒ zu Recht den Gewinn des Klägers um weitere 6.660 € erhöht.
62
Die Rückausnahme des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG findet auch für Familienheimfahrten An-wendung. Bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen den auf die Familienheimfahrten entfallenden tatsächlichen Auf-wendungen und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 bis 7 und Abs. 2 EStG ergebenden Be-trag den Gewinn nicht mindern. Da dem Kläger während seiner Tätigkeit in W von dem Kranken-haus eine Wohnung zur Verfügung gestellt wurde, ist davon auszugehen, dass der Kläger, der in L einen eigenen Hausstand unterhielt, während seiner Tätigkeit in W auch dort wohnte und hier-durch eine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG begründete. Dem steht ‒ anders als der Kläger meint ‒ nicht entgegen, dass er ledig ist. Die Anerkennung der doppel-ten Haushaltsführung eines nicht verheirateten Steuerpflichtigen setzt nicht voraus, dass im eige-nen Hausstand des Steuerpflichtigen von ihm abhängige Zurechnungspersonen leben (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180).
63
Dass der Beklagte den nichtabzugsfähigen Betrag ‒ rechnerisch zutreffend ‒ auf Grundlage einer Schätzung der von dem Kläger durchgeführten Familienheimfahrten i.S. des § 162 Abs. 1 Satz 1 AO ermittelt hat, ist ‒ da der Kläger auch auf Anforderung des Beklagten die Aufzeichnungen über seine Fahrten im Zeitraum vom 14. Juni 2014 bis zum 25. Juli 2014 nicht vorgelegt hat und damit i.S. des § 162 Abs. 2 Satz 1 AO keine ausreichenden Aufklärungen über seine Angaben gegeben hat ‒ nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Anzahl der von dem Beklagten angenommenen Famili-enheimfahrten, welche der Kläger nicht beanstandet hat.
64
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
65
5.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Zwar weicht der Senat in der Frage, ob für die Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG die Be-stimmung des § 12 AO maßgeblich ist, mit seiner Entscheidung nicht von dem Urteil des FG Düssel-dorf in EFG 2019, 873 ab, so dass die Revision nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen war. Jedoch kommt der Frage grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.