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  • 21.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228764

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 02.02.2022 – III R 65/19

    Grundsteuer, die vertraglich auf den Mieter oder Pächter eines Gewerbegrundstücks umgelegt wird, ist nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG gewerbesteuerrechtlich hinzuzurechnen.


    Tenor:

    Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 21.02.2019 ‒ 10 K 2174/17 insoweit aufgehoben, als es die Gewerbesteuermessbescheide 2010, 2012 und 2014 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 bis zum 31.12.2014 betrifft.

    Insoweit wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen, die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens haben die Klägerin zu 21 % und das Finanzamt zu 79 % zu tragen.



    Gründe



    I.

    1


    Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die sich mit der Herstellung von Verpackungsmitteln aus Kunststoffen befasst. An ihr sind die Geschwister A und B beteiligt. Diese sind auch Gesellschafter einer GbR, welche an die Klägerin im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Wirtschaftsgüter vermietet. Bei einer Außenprüfung, die bei der Klägerin durchgeführt wurde, waren u.a. Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. e des Gewerbesteuergesetzes in der für die Streitjahre 2010 bis 2014 geltenden Fassung (GewStG) streitig. Die Klägerin hatte in den Streitjahren von der GbR ein Betriebsgebäude gemietet. Im Mietvertrag war u.a. vereinbart, dass die Klägerin als Mieterin die Grundsteuer tragen sollte, die sich auf Beträge von ... € (2010), ... € (2011), ... € (2012) sowie ... € (2013 und 2014) belief. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) rechnete die Grundsteuer zusammen mit den laufend zu zahlenden Miet- und Pachtzinsen nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG dem Gewinn hinzu. In den Wirtschaftsjahren 2011 und 2013 erzielte die Klägerin Verluste, die sich in Bescheiden über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 bis zum 31.12.2014 niederschlugen. Darüber hinaus griff das FA einen Sachverhalt auf, der nach seiner Ansicht zu einer im Jahr 2010 anzusetzenden verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führte. Die Feststellungen der Außenprüfung hatten Änderungsbescheide zur Folge. Gegen die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der umgelegten Grundsteuer sowie gegen die Berücksichtigung einer vGA bei der Körperschaftsteuerveranlagung 2010 wandte sich die Klägerin mit Einsprüchen, die ohne Erfolg blieben (Einspruchsentscheidung vom 18.07.2016).


    2


    Die anschließend erhobene Klage hatte sowohl hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen als auch der vGA Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, die Hinzurechnung der auf die Klägerin umgelegten Grundsteuer sei rechtswidrig. Eine Hinzurechnung sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei Instandhaltungsaufwendungen gerechtfertigt, die vertragsgemäß vom Mieter zu zahlen seien. Bei der Grundsteuer handele es sich um eine mehr oder weniger konstante Position, die vom Grundstückseigentümer ertragsmindernd geltend gemacht werden könne. Die nicht begründete Aussage im Verwaltungserlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 02.07.2012 (BStBl I 2012, 654, Rz 29) genüge nicht, um die vom FA vorgenommene Hinzurechnung zu rechtfertigen. Das FG änderte die Gewerbesteuermessbescheide 2010, 2012 und 2014 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 bis 31.12.2014 dahingehend, dass die Hinzurechnung der Grundsteuer unterblieb. Die Berechnung der Messbeträge bzw. der vortragsfähigen Gewerbeverluste übertrug es dem FA. Darüber hinaus verminderte das FG im Urteilstenor hinsichtlich der Festsetzung der Körperschaftsteuer 2010 die Höhe der vGA von ... € auf den von der Klägerin eingeräumten Betrag von ... €. Bei der Gewerbesteuer nahm es keine entsprechende Reduzierung vor.


    3


    Gegen das Urteil wendet sich das FA insoweit mit der Revision, als es die Gewerbesteuer und die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen betrifft. Zur Begründung trägt es vor, es sei kein Gleichheitsverstoß darin zu sehen, dass von der Hinzurechnung auch die auf den Mieter umgelegte Grundsteuer erfasst werde, während der Eigentümer die Grundsteuer abziehen könne. Auch müssten die Hinzurechnungsvorschriften nicht in der Weise "folgerichtig" ausgestaltet sein, dass vergleichbare Betriebe in allen Sachverhaltskonstellationen in gleicher Weise mit Gewerbesteuer belastet würden. Der Begriff der Miet- und Pachtzinsen erfasse nicht nur die laufenden Miet- und Pachtzahlungen, sondern auch solche Kosten, die nach dem gesetzestypischen Lastenverteilungssystem eigentlich vom Vermieter zu tragen seien, die aber aufgrund der vertraglichen Abmachungen vom Mieter getragen würden.


    4


    Das FA hat am 04.11.2021 einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid 2010 erlassen, durch den der im FG-Urteil ausgesprochenen Verminderung der vGA auch in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht Rechnung getragen wird.


    5


    Das FA beantragt,


    das angefochtene Urteil hinsichtlich der Gewerbesteuermessbeträge 2010, 2012 und 2014 sowie der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 bis 31.12.2014 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

    6


    Die Klägerin beantragt,


    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

    7


    Sie ist der Ansicht, die unterschiedliche Behandlung von Unternehmen mit eigenem Grundbesitz und solchen, die Grundbesitz angemietet hätten, verstoße gegen das Prinzip der gerechten und gleichmäßigen Besteuerung gleicher wirtschaftlicher Sachverhalte. Mit der Klage solle nicht belegt werden, dass § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG verfassungswidrig sei, vielmehr gehe es um die Frage, ob die Vorschrift es erlaube, die Grundsteuer beim Mieter dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen. In § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG würden Miet- und Pachtzinsen genannt. Dies seien wirtschaftlich die Mieten und Pachten, die der Eigentümer für die Überlassung seines Eigentums erhalte. Durch Einbeziehung der Nebenkosten würden Hinzurechnungen "produziert". Die in der Betriebskostenverordnung aufgeführten umlagefähigen Nebenkosten seien nicht unter § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG zu subsumieren.


    II.


    8


    Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich des für das Jahr 2010 festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil der nach Ergehen des FG-Urteils erlassene Änderungsbescheid vom 04.11.2021 an die Stelle des früheren Bescheids getreten ist. Dem FG-Urteil liegt insoweit ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde. Das FA hat im Revisionsverfahren durch Erlass eines nach § 35b Abs. 1 GewStG geänderten Bescheids die Konsequenz daraus gezogen, dass die vom FA ursprünglich für das Jahr 2010 angenommene vGA auf ... € zu reduzieren war. Da die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs durch die Änderung des angefochtenen Bescheids unberührt geblieben sind, bedarf es jedoch keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 der Finanzgerichtsordnung —FGO— (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 18.05.2021 ‒ I R 4/17, BFHE 273, 440, BFH/NV 2021, 1595). Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind aufgrund der Aufhebung des FG-Urteils nicht weggefallen.


    III.


    9


    Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit dieses die Gewerbesteuermessbeträge 2010, 2012 und 2014 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 bis zum 31.12.2014 betrifft (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Klage ist insoweit abzuweisen. Das FG war zu Unrecht der Ansicht, die vertraglich auf die Klägerin umgelegte Grundsteuer sei nicht gewerbesteuerrechtlich hinzuzurechnen.


    10


    1. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG wird zur Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzugerechnet, soweit die Aufwendungen bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.


    11


    a) Der Begriff der Miet- und Pachtzinsen ist nach der zu § 8 Nr. 7 GewStG a.F. ergangenen Rechtsprechung wirtschaftlich zu verstehen. Er erfasst nicht nur die laufenden Zahlungen des Mieters oder Pächters an den Vermieter oder Verpächter. Vielmehr gehören auch die vom Mieter/Pächter getragenen Aufwendungen zu den Miet- oder Pachtzinsen, wenn und soweit sie aufgrund der für den jeweiligen Vertragstyp gültigen zivilrechtlichen Vorschriften nicht ohnehin vom Mieter/Pächter zu tragen wären. Es handelt sich um solche Kosten, die nach dem gesetzestypischen Lastenverteilungssystem eigentlich vom Vermieter/Verpächter zu tragen wären, die aber nach dem im konkreten Fall abgeschlossenen Vertrag vom Mieter/Pächter übernommen worden sind (BFH-Urteil vom 27.11.1975 ‒ IV R 192/71, BFHE 117, 474, BStBl II 1976, 220; BFH-Beschlüsse vom 23.09.1998 ‒ I B 34/98, BFH/NV 1999, 515, und vom 23.01.2008 ‒ I B 136/07, BFH/NV 2008, 1197; s.a. BFH-Urteil vom 21.06.2012 ‒ IV R 54/09, BFHE 238, 194, BStBl II 2012, 692). Die Rechtsprechung beruht auf der Vorstellung, dass sich eine vom gesetzestypischen Normalfall abweichende Kostenübernahme durch den Mieter/Pächter mindernd auf die Miet‒/Pachthöhe auswirkt (BFH-Urteil vom 18.08.2015 ‒ I R 43/14, BFH/NV 2016, 232, Rz 19; Brandis/Heuermann/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 210).


    12


    b) Diese Grundsätze gelten auch für die Neuregelung der Hinzurechnungsvorschriften bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912). Auf der Grundlage der Rechtsprechung zu § 8 Nr. 7 GewStG a.F. hat der Senat entschieden, dass die Rechtsfrage, ob Instandhaltungsaufwendungen, die der Mieter oder Pächter eines Grundstücks aufgrund von vertraglichen Abmachungen und entgegen der gesetzlichen Lastenverteilung zu tragen hat, als Miet- und Pachtzinsen i.S. von § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG zu beurteilen sind, zu bejahen ist (Senatsbeschluss vom 25.09.2018 ‒ III B 160/17, BFH/NV 2019, 40). Bereits im Urteil in BFH/NV 2016, 232 hatte der BFH ausgeführt, dass "nichts dagegen" spreche, die einschlägige, zu § 8 Nr. 7 GewStG a.F. ergangene Rechtsprechung auf die ab Erhebungszeitraum 2008 geltende Rechtslage und somit auf § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG zu übertragen.


    13


    2. Zu den grundstücksbezogenen Aufwendungen, die nach dem gesetzestypischen Lastenverteilungssystem vom Vermieter/Verpächter zu tragen sind und der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG unterliegen, gehört auch die auf den Mieter/Pächter überwälzte Grundsteuer.


    14


    a) In zivilrechtlicher Hinsicht hat der Vermieter nach § 535 Abs. 1 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die auf der Mietsache ruhenden Lasten, zu denen auch die Grundsteuer gehört, zu tragen. Schuldner der Grundsteuer ist nach § 10 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) derjenige, dem das Grundstück bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist. Dies ist in der Regel der Grundstückseigentümer (§ 39 Abs. 1 der Abgabenordnung), d.h. der Vermieter/Verpächter. Allerdings kann die Grundsteuer —wie im Streitfall geschehen— durch vertragliche Vereinbarung überwälzt werden. In diesem Fall gehört auch die wirtschaftlich vom Mieter/Pächter getragene Grundsteuer zu der von ihm nach § 535 Abs. 2 BGB zu entrichtenden Miete. Sie fließt damit in die nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzuzurechnenden Miet- und Pachtzinsen ein (ebenso FG Rheinland-Pfalz vom 09.08.2013 ‒ 1 K 2461/11, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2017, 41; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl., § 8 Nr. 1 Buchst. d Rz 20; Brandis/Heuermann/Hofmeister, a.a.O., Rz 211; Schreib, Der Betrieb 2020, 519; BMF in BStBl I 2012, 654, Rz 29).


    15


    b) Die Rechtsansicht des FG, wonach eine Hinzurechnung der umgelegten Grundsteuer nicht gerechtfertigt sei, weil die Klägerin dann höher besteuert würde als ein vergleichbarer Gewerbetreibender, der mit eigenem Sachkapital wirtschafte und die Grundsteuer ertragsmindernd geltend machen könne, führt zu keiner anderen Beurteilung. Bereits im Urteil vom 14.06.2018 ‒ III R 35/15 (BFHE 261, 558, BStBl II 2018, 662, Rz 22) hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Mieter oder Pächter von Grundbesitz einer höheren Gewerbesteuerbelastung unterliegen kann als ein vergleichbarer Gewerbetreibender, der mit eigenem Grundbesitz wirtschaftet, und dass dies nicht als Gleichheitsverstoß (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) anzusehen ist (ebenso Senatsbeschluss vom 18.12.2019 ‒ III R 33/17, BFH/NV 2020, 781). Die unterschiedliche Belastung ist im sog. Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer begründet, die in ihrer Grundstruktur und herkömmlichen Ausgestaltung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 15.01.2008 ‒ 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, Rz 76 ff., und vom 15.02.2016 ‒ 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557, Rz 27). Entgegen der Rechtsansicht des FG gilt die Überlegung, dass die vertragliche Überwälzung von Nebenkosten vom Vermieter/Verpächter auf den Mieter/Pächter sich typischerweise in einer Verminderung des "reinen" Miet- oder Pachtzinses auswirkt, für die Umlegung von Grundsteuer ebenso wie für Instandhaltungsaufwendungen, bei denen der Senat die Hinzurechnung bejaht hat (Senatsbeschluss in BFH/NV 2019, 40).


    16


    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.


    Vorschriften