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  • 08.08.2023 · IWW-Abrufnummer 236734

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 16.02.2023 – 6 K 239/21

    1. Es liegt keine Leistung des Fitnessstudiobetreibers vor, wenn das Studio geschlossen ist.

    2. Weder die Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge noch die angebotenen Ersatzleistungen können einen Leistungsaustausch begründen.

    3. Soweit die Schließung im Zeitpunkt der Zahlung noch nicht absehbar war, liegt aber eine Anzahlung vor.


    Finanzgericht Hamburg

    Urteil vom 16.02.2023

    6 K 239/21

    Tatbestand

    Streitig ist, ob es sich bei den Mitgliedsbeiträgen für ein Fitnessstudio während der Corona-Schließzeit um umsatzsteuerbare Leistungen handelt.

    Der Kläger betreibt ein Fitnessstudio unter der Firma "XXX" in A im Kreis B, das während der streitigen Zeit ca. 800 Mitglieder hatte.

    Die Laufzeit einer Mitgliedschaft betrug laut den Mitgliedsverträgen 12 bzw. 24 Monate. Das Studio wurde in den jeweiligen Mitgliedsverträgen ermächtigt, die monatlichen Zahlungen mittels Lastschrift einzuziehen. Nach dem Tag des Einzugs hatte das Mitglied acht Wochen Zeit, die Erstattung des belasteten Betrags zu verlangen. Anfang des Jahres 2020 wurde das Unternehmen C mit den Einzügen der Mitgliedsbeiträge beauftragt. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Mitgliedsverträge war unter anderem vorgesehen, dass das Mitglied zur "gemeinschaftlichen Mitbenutzung sämtlicher Einrichtungen der Räume des Sports Clubs" berechtigt war. Danach umfassten die Beiträge die "Mitbenutzung der Trainingsanlage und wenn vorgesehen die Teilnahme an Gymnastikstunden, die Mitbenutzung der Erholungs- und Clubräume und die Teilnahme an sportlichen und geselligen Aktivitäten". Weiter hieß es: "Der monatliche Beitrag ist im Voraus fällig und wird per SEPA-Lastschrift zum 1. eines Monats eingezogen."

    Das Fitnessstudio war aufgrund der Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein (vom 17. März 2020, GVOBl. Schl.-H. 2020, Bl. 158; vom 23. März 2020, GVOBl. Schl.-H. 2020, Bl. 171; vom 18. April 2020, GVOBl. Schl.-H.2020, Bl. 195; vom 1. Mai 2020, GVOBl. Schl.-H. 2020, Bl. 271) in der Zeit vom 17. März 2020 bis zum 17. Mai 2020 geschlossen.

    Während dieser Zeit zahlten viele Mitglieder ihre Beiträge weiter. Der Kläger warb in einem Aushang vor Ort folgendermaßen:

    "Den Zeitraum, den ihr nicht bei uns trainieren könnt, bekommt ihr, neben vielfältiger Alternativangebote, am Ende Eurer Mitgliedschaft beitragsfrei ersetzt. Diese Schließung bedeutet auch für uns eine große wirtschaftliche Herausforderung, da alle Kosten wie Gehälter, Mieten, Gerätekosten etc. von uns in vollem Umfang weitergetragen werden müssen und unser Personal auch weiterhin für euch da sein wird. Daher schon jetzt ein großes Dankeschön für euer Verständnis und eure gute Unterstützung."

    In den sozialen Medien wurde mitgeteilt:

    "Wichtige Corona-Mitteilung
    Telefon-Hotline: Täglich 10-14 Uhr
    oder ... über E-mail/Social-Media
    100 xxx-Kurse Jetzt Gratis:
    www.XXX.de/xxx
    Online-Live Kurse: Täglich 18 Uhr
    Weltneuheit: 3D-Körperscan Kostenlos
    Geschenk: 6 X 1-Monat-Gratisgutschein
    Jeder Schließungsmonat wird ersetzt
    6-Monats-Gratis-Paket hier klicken"
    und:
    "Wir bleiben leider bis mindestens 3. Mai geschlossen. Unsere Mitglieder erhalten:

    - 3 Gratis -Monate
    - 3 x 1-Gratis Monat zum Verschenken
    - 1 x Personal-Training"

    Der Kläger bot während der Schließzeit einmal pro Tag (ohne Wochenenden) für eine Stunde einen Kurs über die Social-Media Kanäle (Facebook und Instagram) online an. Der Kurs war öffentlich zugänglich, so dass Mitglieder und Nichtmitglieder an dem Kurs teilnehmen konnten.

    Während der Schließzeit verlangten einige Mitglieder eine Rücklastschrift, 761 Mitglieder bezahlten den Mitgliedsbeitrag weiter.

    In den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate April und Mai 2020 erklärte der Kläger für den Betrieb des Fitnessstudios (für Mai anteilig) keine Umsätze zu 19 % und kündigte zugleich eine Berichtigung für den Voranmeldungszeitraum März 2020 an. Es seien während der behördlich angeordneten Schließzeit keine Leistungen an die Mitglieder erbracht worden. Er berechnete für März und Mai 2020 (nur) die Schließzeiten taggenau als umsatzlos anteilig aus den eingegangen Mitgliedsbeiträgen heraus.

    Im Rahmen der daraufhin erfolgten Umsatzsteuersonderprüfung vertrat die Prüferin im Prüfungsbericht vom X. Juli 2021 die Ansicht, dass die Umsätze steuerbar seien. Den Mitgliedern gegenüber sei die Zusage erteilt worden, dass eine Beitragsfortzahlung zu einer Zeitgutschrift führe. Zwischen der Zahlung und der in Aussicht gestellten Leistung bestehe ein innerer Zusammenhang, der einen Leistungsaustausch begründe. Die nicht belegte, eventuell bestehende Absicht der Mitglieder, das Fitnessstudio finanziell unterstützen zu wollen, werde durch die angekündigte Leistung überlagert.

    Der Kläger machte daraufhin geltend, dass die Mitgliedsbeiträge bis zum Eintritt der Verjährung zurückgefordert werden könnten. Daher seien die gezahlten Beiträge auf einem umsatzsteuer- und erfolgsneutralen Verbindlichkeitskonto gebucht worden. Mit Eintritt der Verjährung seien die Beiträge als sonstige Erträge zu buchen. Die von dem Beklagten angenommene Laufzeitverlängerung setze eine Annahme der Mitglieder voraus. Daran fehle es hier.

    Mit Bescheiden vom X. Juli 2021 wurden die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate März bis Mai 2020 entsprechend höher festgesetzt. Dies ergab für den Monat März eine höhere Festsetzung um xxx Euro, für April eine höhere Festsetzung um xxx Euro und für Mai eine höhere Festsetzung um xxx Euro.

    Der Kläger legte am X. August 2021 jeweils Einspruch ein. Es liege kein Leistungsaustausch vor. Dieser könne auch nicht durch das einseitige Angebot einer Zeitgutschrift ersetzt werden. Bei den Online-Live-Kursen habe es sich um eine Art Werbung gehandelt, um zu zeigen, dass es ihn, den Kläger, noch gebe. Bei dem xxx-Zugang auf der Homepage habe es sich um zusammengefasste YouTube-Videos gehandelt. Diese seien kostenfrei und für jedermann zugänglich gewesen.

    Mit Einspruchsentscheidung vom X. November 2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Zahlung der Mitgliedsbeiträge sei im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustausches erfolgt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger gegenüber seinen Mitgliedern keine Leistung erbracht habe, so würden die vereinnahmten Entgelte jedenfalls als Anzahlung der Umsatzsteuer unterliegen. Erst die Rückgewähr des Entgelts berechtige zur Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Dementsprechend hätten sich Bund und Länder darauf verständigt, dass es nur dann an einem Leistungsaustausch fehle, wenn den Mitgliedern für die fortwährenden Beitragszahlungen keine Gegenleistung angeboten werde. Sage der Fitnessstudiobetreiber - wie hier - einen Ausgleich zu, so seien die Zahlungen umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig.

    Der Kläger hat am X. Dezember 2021 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus:

    Er, der Kläger, habe keine Leistungen während der Schließzeit erbringen können. Weder die vertraglich vereinbarte Mitbenutzung der Räume und Trainingsanlagen noch die Teilnahme an Kursen habe er anbieten können.

    Die Zivilgerichte hätten entschieden, dass die Leistungserbringung nach § 275 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unmöglich gewesen sei. Daran änderten auch Kompensationsangebote nichts, weil eine solche einseitige Anpassung durch den Betreiber von den Mitgliedern hätte angenommen werden müssen.

    Diese Behandlung müsse auch für die Umsatzsteuer gelten. Es liege keine Anzahlung für die Kompensationsangebote vor, weil es an einer konkreten Leistungsvereinbarung insoweit fehle. Eine Annahme seiner Angebote durch die Mitglieder sei nicht erfolgt.

    § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG könne nicht angewandt werden, weil dort das Vorliegen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustausches vorausgesetzt werde.

    Inzwischen habe sich herausgestellt, das von 761 Mitgliedern, die während der Schließzeit ihre Beiträge gezahlt hätten, lediglich 85 Mitglieder von dem Angebot einer Zeitgutschrift bzw. den angebotenen Bonusmonaten Gebrauch gemacht hätten. In allen anderen Fällen seien die Kompensationangebote nicht angenommen worden.

    Der Beklagte hat der am X. Dezember 2022 abgegebenen Jahressteuererklärung 2020, in der die streitigen Mitgliedsbeiträge nicht enthalten waren, am X. Januar 2023 zugestimmt. In der mündlichen Verhandlung vom X. Februar 2023 hat der Beklagte einen geänderten Jahresbescheid 2020 vom X. Februar 2023 der Klägerseite übergeben und zu Protokoll erklärt, dass dies eine förmliche Bekanntgabe darstellen solle. In diesem sind die streitigen Beträge als umsatzsteuerbare Leistungen aufgeführt.

    Der Kläger beantragt,
    den Umsatzsteuerjahresbescheid 2020 vom X. Februar 2023 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte nimmt Bezug auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus: Durch die Weiterzahlung der Beiträge auch im Monat zwei und drei der Schließung anstelle der Rückforderung der Beiträge für die Schließungsmonate hätten die Mitglieder ihre Zustimmung zum Ausdruck gebracht, dass die drei Monate hinten angehängt werden könnten und sie zudem weitere Vorteile genießen würden. Die Monatsbeiträge seien somit eine Vorauszahlung/Anzahlung. Bei Entrichtung der Beiträge für April und Mai sei den Mitgliedern schon bekannt gewesen, dass sie seinerzeit nicht wie gewohnt trainieren konnten - dafür aber zeitlich versetzt die Leistungen in Anspruch nehmen konnten. Soweit ein Mitglied nicht aus besonderen Gründen ein Interesse an einer vertragsgemäßen Beendigung der Mitgliedschaft gehabt habe (Gesundheit, Wegzug o.ä.) habe diese Regelung ihnen ein Hin- und Her der Zahlungen erspart. Da in den Ankündigungen nicht darauf hingewiesen worden sei, dass es einer schriftlichen Zustimmung bedurft hätte, hätten die Mitglieder schlicht darauf vertraut, dass ihr Vertragspartner zu seinen Versprechungen stehen würde und sie nach dem "regulären Ablauf" noch einige Monate "beitragsfrei" weiter trainieren dürften

    Entscheidungsgründe

    I.
    Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Der Umsatzsteuerbescheid 2020 vom X. Februar 2023 ist in Höhe von xxx Euro rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Er ist insoweit zu ändern und die Umsatzsteuer auf xxx Euro festzusetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO).

    Der Umsatzsteuerjahresbescheid vom X. Februar 2023 ist dem Kläger wirksam bekannt gegeben worden. Der Beklagte hat dem Kläger in der mündlichen Verhandlung einen neuen Umsatzsteuerjahresbescheid überreicht und zu Protokoll gegeben, dass dies eine förmliche Bekanntgabe darstelle.

    Dieser neue Bescheid ist gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden und hat den Umsatzsteuerbescheid vom X. Januar 2023, der nach § 168 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO geändert. Nach der zuletzt genannten Vorschrift kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist. Das ist hier der Fall.

    Der Umsatzsteuerjahresbescheid vom X. Januar 2023 ist wiederum gemäß § 68 Satz 1 FGO an die Stelle der zunächst angegriffenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide getreten (vgl. BFH, Urteil vom 3. Juli 2014, V R 32/13, BStBl. II, 2017, 666 juris Rn. 11; vgl. Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 68 FGO Stand: April 2020, Rn. 11 m.w.N.). Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Vorliegend ersetzt der Jahressteuerbescheid die Vorauszahlungsbescheide. Diese haben sich gemäß § 124 Abs. 2 AO "auf andere Weise erledigt" (vgl. BFH, Urteil vom 7. Juli 2011, V R 21/10, BStBl. II 2014, 81, juris Rn. 27 m.w.N.).

    Der Umsatzsteuerjahresbescheid vom X. Februar 2023 ist in Höhe von xxx Euro rechtswidrig.

    Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer unter anderem die sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

    Dazu muss zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet (BFH, Urteil vom 10. April 2019, XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635, juris Rn. 16). Dies ist dann der Fall, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert besteht (BFH, Urteil vom 10. April 2019, XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635, juris Rn. 16 m.w.N.; Peltner in: Weymüller, UStG, 2. Auflage 2019, Rn. 68; Lippross, Umsatzsteuer, 24. Auflage 2017, 2.2.3.3).

    Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung der Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (BFH, Urteil vom 22. Mai 2019, XI R 20/17, UR 2019, 764, juris, Rn. 17; BFH, Urteil vom 16. Januar 2014, V R 22/13, BFH/NV 2014, 736, juris, Rn. 21). Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrags, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls der leistende Vertragspartner Unternehmer ist (BFH, Urteil vom 10. April 2019, XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635, juris Rn. 17).

    Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen (BFH, Urteil vom 22. Mai 2019, XI R 20/17, UR 2019, 764, juris, Rn. 18; BFH, Urteil vom 16. Januar 2014, V R 22/13, BFH/NV 2014, 736, juris, Rn. 22; Peltner in: Weymüller, UStG, 2. Auflage 2019, Rn. 67). Es stellt eine unionsrechtliche, unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheidende Frage dar, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt (BFH, Urteil vom 10. April 2019, XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635, juris Rn. 18; vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2018, C-295/17 - MEO, www.curia.eu).

    Aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 a und c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (RL 2006/112) ergibt sich des Weiteren, dass eine Geldzahlung allein noch keine Steuerpflicht des Empfängers auslöst; dieser muss vielmehr eine Lieferung ausgeführt oder eine Dienstleistung erbracht haben (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Februar 2006, C-419/02 - BUPA, www.curia.eu; Schlussantrag der Generalanwältin vom 7. Juni 2018 zur Rechtssache C-295/17, Rn. 33, www.curia.eu). Die Leistungserbringung und nicht die Entgeltentrichtung unterliegt der Besteuerung (BFH, Urteil vom 15. September 2011, V R 36/09, BStBl. II 2012, 365, juris Rn. 28). Keine Dienstleistung gegen Entgelt liegt vor, wenn das Unternehmen zwar eine Zahlung erhält, dieses Geld aber von dem Zahlenden nicht für einen verbrauchbaren Vorteil, sondern aus anderen Gründen (z.B. Mitleid) gezahlt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 3. März 1994, C-16/93, Tolsma, www.eur-lex.europa.eu; Schlussantrag der Generalanwältin vom 7. Juni 2018 zur Rechtssache C-295/17, Rn. 35, www.curia.eu; Lippross, Umsatzsteuer, 24. Auflage 2017, 2.2.3.3 b).

    Nach diesen Grundsätzen fehlt es für die Monate ganz (April) oder teilweise (März und Mai) an dem für die Umsatzsteuerbarkeit erforderlichen Leistungsaustausch. Aufgrund der Schließung des Fitnessstudios in den streitgegenständlichen Monaten ist dem Kläger die Erbringung der Leistung vom 17. März 2020 bis 17. Mai 2020 nach zivilrechtlichen Maßstäben unmöglich gewesen (1.). Dies gilt auch nach der gebotenen unionsrechtlichen Betrachtungsweise (2.). Die Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge kann keine Leistung begründen (3.) Die angebotenen "Ersatzleistungen" führen zu keiner anderen Bewertung (4.). Hinsichtlich der Monate April und Mai liegt auch keine Anzahlung vor (5.). § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG greift ebensowenig (6.) wie § 14c UStG (7.). Anders ist die Zahlung der Mitgliedsbeiträge Anfang März zu beurteilen. Hierbei handelt es sich um eine Anzahlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG (8.). Zwischen den im Mai zum Teil erbrachten Steuern und den im März zum Teil nicht erbrachten Steuern ist wegen des zwischenzeitlich ergangenen Jahresbescheides, der die Steuer insgesamt festsetzt, eine Saldierung vorzunehmen (9.).

    1. Aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die unter anderem in Schleswig-Holstein die Schließung von Fitnessstudios vorsahen, war es dem Kläger als Fitnessstudiobetreiber im Sinne von § 275 BGB unmöglich, seine Leistung vom 17. März 2020 bis zum 17. Mai 2020 zu erbringen.

    Es war dem Betreiber rechtlich unmöglich, dem jeweiligen Nutzungsberechtigten (d.h. dem Mitglied) die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit seine vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2022, XII ZR 64/21, juris). Es liegt kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Zwar musste das Fitnessstudio nur vorübergehend schließen, ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist aber dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2022, XII ZR 64/21, juris Rn. 20).

    Wird für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2022, XII ZR 64/21, juris Rn. 22 m.w.N.). Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner zeitweise die Nutzungsmöglichkeit des Studios nicht gewähren, etwa weil er - wie hier - das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2022, XII ZR 64/21, juris Rn. 22 m.w.N.).

    2. Diese Wertung des Zivilrechts entspricht auch der ausschließlich gebotenen unionsrechtlichen Betrachtungsweise im Umsatzsteuerrecht. Auch danach liegt keine Leistung des Klägers vor. Der Vorteil, den der Kläger den Vertragspartnern nach dem geschlossenen Vertrag zur Verfügung stellen sollte, waren die Nutzung von Trainingsgeräten, Trainingsräumen und die Durchführung von Kurse in der Anwesenheit von Trainern. Aufgrund der Schließung der Räumlichkeiten konnte der Kläger diese Vorteile nicht zur Verfügung stellen. Die Zahlung des Entgelts, das heißt der Mitgliedsbeiträge, erfolgte für diese genannten Nutzungsmöglichkeiten.

    Auch nach unionsrechtlichen Maßstäben ist eine monatliche Betrachtungsweise geboten. Es kann hingegen nicht auf den Gesamtzeitraum der Laufzeit der Mitgliedsverträge abgestellt werden. Die Leistung und die Zahlung der Mitgliedsbeiträge stehen vielmehr in einem inneren monatlichen Zusammenhang. Denn das Mitglied zahlt die Leistung nicht für die Möglichkeit, das Studio irgendwann innerhalb der abgeschlossenen Vertragslaufzeit nutzen zu können, sondern für die konkrete monatliche Nutzung. Anders ausgedrückt: Die monatliche Zahlung des Entgelts (Mitgliedsbeiträge) erfolgt als Gegenleistung für die monatliche Erbringung der Leistungen des Fitnessstudiobetreibers. Diese monatliche Betrachtungsweise entspricht am ehesten den Interessen der Parteien. Denn der Zweck einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio liegt, wie der BGH zutreffend festgehalten hat, in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen ist für das Mitglied gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung.

    Zwar kann auch bei Dauerschuldverhältnissen, die monatliche Leistungen vorsehen, darüber hinaus eine nicht monatsbezogene Leistung wie die Zur-Verfügung-Stellung einer Infrastruktur erbracht werden (so z.B. nach der Prepaid-Rechtsprechung des BFH [Urteil vom 10. April 2019, BStBl. II 2019, 635, juris], die besagt, dass die beim Provider endgültig verbliebenen Restguthaben ein nachträgliches Entgelt für die eröffnete Nutzung der von ihm zur Verfügung gestellten Infrastruktur darstellen). Eine solche Zur-Verfügung-Stellung einer Infrastruktur, kann aber nur dann angenommen werden, wenn die Infrastruktur ohne Inanspruchnahme durch den Leistungsempfänger selbst eine Leistung darstellt (z.B. Erreichbarkeit beim Telefon durch Telefonnummer). Dies ist bei einem Fitnessstudio nicht der Fall. Dieses wird erst durch die Nutzung des Mitglieds für dieses werthaltig. Das Bereithalten von Geräten, Personal und Räumen, um dem Mitglied nach einer Schließung bei Wiedereröffnung die unmittelbare Nutzung zu ermöglichen, genügt nicht. Bei dem Fitnessstudio handelt es sich nämlich nicht um eine Leistung, die etwa der Daseinsvorsorge vergleichbar wäre, auf die das Mitglied also unmittelbar und sofort angewiesen wäre. Anders ausgedrückt: Es gibt keine Leistung des Fitnessstudiobetreibers, wenn das Fitnessstudio geschlossen ist (so im Ergebnis auch: Grambeck, NWB Nr. 21 vom 23.5.2020, 1 (6)).

    3. Dass die Mitglieder ihre Mitgliedsbeiträge trotz der Schließung weiterzahlten, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise.

    a) Zum einen kann anhand der Gegenleistung nicht auf eine Leistung geschlossen werden. Denn die Zahlung von Geld allein rechtfertigt nach unionsrechtlichen Maßstäben nicht die Annahme eines Leistungsaustauschs (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Februar 2006, C-419/02 - BUPA, www.curia.eu; EuGH, Urteil vom 3. März 1994, C-16/93, Tolsma, www.eur-lex.europa.eu; BFH, Urteil vom 15. September 2011, V R 36/09, BStBl. II 2012, 365, juris Rn. 28; Schlussantrag der Generalanwältin vom 7. Juni 2018 zur Rechtssache C-295/17, Rn. 35, www.curia.eu). Dafür muss die Leistung selbst beurteilt werden. Diese ist hier aber gerade nach dem oben Ausgeführten entfallen, weil sie unmöglich war.

    Zum anderen liegt keine Leistung vor, wenn das Geld aus anderen Gründen gezahlt wird. Dies ist hier der Fall. Auch wenn im Einzelfall offen ist, aus welchen anderen Gründen das Geld gezahlt wurde, gab es jedenfalls solche anderen Gründe, die allein für die Zahlung der Beiträge verantwortlich waren. Beiträge wurden - vor allem in der Anfangszeit der Schließung - aus Solidarität (Mitleid) gezahlt, aber auch die Bequemlichkeit des Einzelnen, von der Rückforderung abzusehen, oder ein Rechtsirrtum stellen solche anderen Gründe dar. Dann sind die Zahlungen gerade nicht für einen verbrauchbaren Vorteil geleistet worden, sondern aus anderen Gründen.

    b) Es ist ferner kein freiwilliges Entgelt für eine Leistung gegeben.

    Ein Entgelt ist alles, was für die Leistung aufgewendet wird. Freiwillig an den Leistenden gezahlte Beträge werden dann aufgewendet, um die Leistung zu erhalten, wenn zwischen dieser und der Zahlung eine innere Verknüpfung besteht (BFH, Urteil vom 17. Februar 1972, V R 118/71, BStBl. II 1972, 405, juris - Trinkgelder). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Hier ist die Leistung rechtlich unmöglich, das heißt es liegt keine Leistung vor, mit der die Zahlung der Mitgliedsbeiträge im Zusammenhang stehen könnte. Damit kann keine innere Verknüpfung mit einer Leistung - wie etwa beim freiwillig hingegebenen Trinkgeld für eine Leistung - bestehen.

    c) Es liegt auch keine Überzahlung oder Doppelzahlung vor (vgl. dazu BFH, Urteil vom 19. Juli 2007, V R 11/05, BStBl. II 2007, 966, juris). Weder zahlten die Mitglieder die Mitgliedsbeiträge irrtümlich doppelt noch zahlten sie versehentlich zuviel. Vielmehr fiel die Leistung wegen rechtlicher Unmöglichkeit weg und die Mitglieder zahlten trotzdem für diese Monate ihre (richtigen und vollständigen) Mitgliedsbeiträge. Die Leistung bleibt gänzlich aus, damit fehlt der unmittelbare Zusammenhang (vgl. Grambeck, NWB Nr. 21 vom 23.5.2020, 1 (5)).

    4. Die Ersatzleistungen rechtfertigen keine andere Beurteilung.

    Dies gilt bei der Telefon-Hotline und den Online-Kursen schon deshalb, weil diese nach Art und Umfang die ursprünglich angebotene Leistung nicht ersetzen konnten. Wie der Kläger nachvollziehbar und glaubhaft ausführte, waren sie dem Zweck nach vor allem dazu gedacht, eine Kündigung zu verhindern, nicht aber die eigentlich gebotene Leistung zu erbringen. Es macht einen Unterschied, ob in einem Trainingsraum an Trainingsgeräten trainiert werden und der Spa-Bereich genutzt werden kann oder ob einmal pro Woche ein Video auf einer Internetplattform von zu Hause aus angesehen werden kann. Bei einem Video auf einer Internetplattform fehlt das Gemeinschaftserlebnis und der direkte Kontakt zum Trainer. Zudem sind Verbesserungen der Haltung etc., die ein Trainer bei einem Kurs vor Ort vornehmen konnte, nicht möglich. Hinzu kommt, dass das Fitnessstudio sonst - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft angegeben hat - zehn Kurse pro Tag angeboten hat und nicht nur einen Kurs. Außerdem waren die Kurse öffentlich zugänglich und nicht an eine bestehende Mitgliedschaft gebunden. Die Telefon-Hotline war ebenfalls im Vergleich zur sonstigen Telefonhotline den Zeiten nach reduziert. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass normalerweise Zeiten von 7 Uhr bis 23 Uhr angeboten wurden.

    Der Körperscan, der - wie ebenfalls glaubhaft in der mündlichen Verhandlung angegeben - normalerweise xxx Euro kostete, und während der Schließzeit kostenlos angeboten wurde, kann ebenfalls nicht als Trainingsleistung eines Fitnessstudios angesehen werden. Vielmehr ist es nach Art (kein aktiver Muskel-/Bewegungssport) und Umfang (einmalig) eine Zusatzleistung, die nicht unmittelbar mit der Hauptleistung verknüpft ist.

    Aus diesem Grund liegt auch weder eine Teilleistung noch ein Aliud zu den ursprünglich vereinbarten Leistungen vor. Ein Aliud ist schon deshalb nicht gegeben, weil es sich nicht um eine vergleichbare Leistung handelt. Für eine Teilleistung wäre allenfalls die Telefon-Hotline anzusetzen. Diese ist aber ein so unwesentlicher Teil, dass nicht mehr von einer Teilleistung im Rechtssinne gesprochen werden kann.

    Die angebotenen Bonus-Monate führen ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung. Zum einen kann insoweit schon kein Vertragsschluss angenommen werden, weil Schweigen keine Willenserklärung darstellt und es insoweit an der Annahme fehlt. Die Weiterzahlung der Mitgliedsbeiträge kann insoweit nicht als konkludente Annahmehandlung angesehen werden, weil insoweit kein eindeutiger Rechtsbindungswille aus dem objektiven Empfängerhorizont erkennbar ist. Vielmehr blieb offen, ob die Mitgliedsbeiträge nicht einfach aus Solidarität, Bequemlichkeit oder aufgrund eines Rechtsirrtums weitergezahlt worden sind. Solche Zahlungen sind aber nicht steuerbar (vgl. EuGH, Urteil vom 3. März 1994, C-16/93, Tolsma, www.eur-lex.europa.eu; Schlussantrag der Generalanwältin vom 7. Juni 2018 zur Rechtssache C-295/17, Rn. 35, www.curia.eu).

    Es kann auch nicht angenommen werden, dass das Angebot, die Monate gewissermaßen "hintendran" zu hängen, erst bei Ablauf der regulären Mitgliedschaft angenommen werden konnte. Denn ein Angebot erlischt nach § 146 BGB unter anderem dann, wenn es nicht rechtzeitig angenommen wird. Dabei gilt nach § 147 Abs. 2 BGB, dass der einem Abwesenden - wie hier - gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Dies ist hier nicht erst bei Ende des Ablaufs der regulären Mitgliedschaft der Fall. Wie die Verlängerung des Vertrages mit den 85 Mitgliedern zustande kam, kann hier offenbleiben. Wahrscheinlich ist, dass ein erneutes Angebot ausgesprochen wurde, was dann angenommen werden konnte.

    5. Hinsichtlich der Monate April und Mai kann keine Anzahlung für eine noch zu erbringende Leistung angenommen werden, denn die monatlich zu erbringende Leistung war (im Mai teilweise) unmöglich.

    Vereinnahmt der Unternehmer ein Entgelt, bevor er die Leistung ausgeführt hat, entsteht die Steuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem er das Entgelt vereinnahmt. Die Bestimmung sagt nichts darüber aus, ob der materielle Steueranspruch entsteht, dies richtet sich ausschließlich danach, ob ein Steuertatbestand des Umsatzsteuergesetzes erfüllt ist. Die Vorschrift führt lediglich zu einer Vorverlagerung der Entstehung (Grünwald, DStR 2012, 998 (998)). Dadurch soll der Zinsvorteil beseitigt werden (zum Ganzen: Posegga, UR 2012, 737 (738); Grünwald, DStR 2012, 998 (998)). Es sind die Leistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegen, nicht aber die als Gegenleistung erbrachten Zahlungen (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2006, C-419/02 - BUPA, www.curia.eu).

    Anzahlungen, Abschlagszahlungen, Vorauszahlungen usw. führen nur dann zur Entstehung der Steuer, wenn sie für eine (nach Art, Umfang und Zeitpunkt) bestimmte oder zumindest bestimmbare Leistung entrichtet werden (EuGH, Urteil vom 31. Mai 2018, C-660/18, www.curia.eu; EuGH, Urteil vom 21. Februar 2006, C-419/02 - BUPA, www.curia.eu; Kostecka, Weymüller, UStG, 2. Auflage 2019, § 13 Rn. 33.4; Wagner in: Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 13 Stand: 1/2020, Rn. 89). Die Besteuerung des Entgelts vor Leistungserbringung setzt voraus, dass alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands, das heißt der künftigen Lieferung oder der künftigen Dienstleistung, bereits bekannt sind, insbesondere die Dienstleistungen zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind (BFH, Urteil vom 15. September 2011, V R 36/09, BStBl. II 2012, 365, juris Rn. 15; vgl. Kostecka, Weymüller, UStG, 2. Auflage 2019, § 13 Rn. 33.4). Steht im Zeitpunkt der Vereinnahmung der Anzahlung bereits fest, dass die vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbracht wird oder werden kann, so findet die Anzahlungsbesteuerung keine Anwendung (EuGH, Urteil vom 31. Mai 2018, C-660/18, www.curia.eu; Wagner in: Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 13 Stand: 1/2020, Rn. 90; Posegga, UR 2012, 737 (739). Eine Vorverlagerung der Steuerentstehung ist dann nicht mehr denkbar (Posegga, DStR 2012, 737 (739)). Die "Anzahlung" ist in diesem Fall eine nicht steuerbare bloße Hingabe von Geld (Wagner in: Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 13 Stand: 1/2020, Rn. 90).

    Nach diesen Maßstäben liegt für die Leistungen in den Monaten April und Mai keine Anzahlung vor. Die monatlich zu erbringende Leistung ist jeweils nach § 275 BGB (im Mai teilweise) unmöglich gewesen. Sie kann nicht nachgeholt werden. Im Zeitpunkt der Zahlung jeweils zum 1. des jeweiligen Monats stand dies auch fest, weil es sich um eine rechtliche Unmöglichkeit handelte und § 4 Abs. 2 e) der Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein seit dem 17. März 2020 die Schließung von Fitnessstudios vorsah. Die Änderung der Verordnung vom 1. Mai 2020, die eine Schließung bis zum 17. Mai 2020 vorsah, dürfte den Mitgliedern zum Zeitpunkt der Zahlungseinzüge zum 1. Mai 2020 weitgehend noch nicht bekannt gewesen sein, so dass diese weiter davon ausgehen mussten, dass ein Ende der coronabedingten Schließungen des Studios nicht absehbar ist.

    6. Schließlich ist der Kläger nicht aufgrund der Entgeltvereinnahmung nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 UStG Steuerschuldner bis zur Rückzahlung des Entgelts.

    Zwar hat der Kläger die vereinnahmten Entgelte für die zu erbringenden Leistungen nicht zurückgezahlt, indes ist § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht anwendbar.

    Diese Vorschrift regelt nach der amtlichen Überschrift die "Änderung der Bemessungsgrundlage". Nach Absatz 1 der Vorschrift hat, wenn sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert hat, der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Absatz 2 ordnet die sinngemäße Geltung der Vorschrift an, wenn für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist.

    Zwar könnte man dem Wortlaut nach annehmen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, weil ein Entgelt entrichtet wurde, eine Leistung aber nicht ausgeführt. Eine solch weite Auslegung würde aber die systematische Stellung und den Zweck der Vorschrift verkennen.

    Systematisch ergibt sich schon aus der Überschrift, dass es um die Bemessungsgrundlage geht. Die Umsatzsteuerpflicht des Umsatzes wird also vorausgesetzt. Auch der Zusammenhang mit Absatz 1 macht deutlich, dass eine Leistungsbeziehung Voraussetzung ist.

    Dies entspricht auch der Auslegung nach Sinn und Zweck. Die Vorschrift steht im Zusammenhang mit der Mindest-Ist-Besteuerung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 (Korn in: Bunjes, UStG, 21. Auflage 2022, § 17 Rn. 141; Lippross, Umsatzsteuer, 24. Auflage, 2017, S. 949; Pull in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 17, Stand: Feb 2022, Rn. 140) und dient dem Zweck der Herstellung des Gleichgewichts von Steuerentrichtung und Vorsteuerabzug bei den Beteiligten (Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 17 Rn. 435). Sie greift dann, wenn das Entgelt ganz (Vorauszahlungen) oder teilweise entrichtet wurde (Abschlagszahlungen oder Anzahlungen) und eine Leistung nicht erbracht wird (Schulze, in Wäger, UStG, 2. Auflage 2022, § 17 Rn. 117; vgl. Huschens in: Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 17 Rn. 181ff.). Das bedeutet, dass die maßgeblichen Elemente der künftigen Leistung bekannt und genau bestimmt sein müssen (Pull in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 17, Stand: Feb 2022, Rn. 141). Die Erbringung der Leistung muss zudem sicher sein (Pull in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 17, Stand: Feb 2022, Rn. 141). Die Vorschrift greift daher nicht, wenn die Nichtausführung der Leistung bereits bei Zahlung bekannt war (vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 17 Rn. 435.1). Wenn kein Leistungsverhältnis vorliegt, kann auch keine Vorsteuer gezogen werden und das Gleichgewicht, das geschaffen werden soll, ist nicht gefährdet. Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei den Mitgliedern des Fitnessstudios um Endverbraucher handelt und schon aus diesem Grund das Vorsteueraufkommen nicht gefährdet ist.

    Eine solche Auslegung der Vorschrift entspricht auch den europarechtlichen Vorgaben. Eine ausdrückliche Bestimmung im Unionsrecht fehlt zwar, denn Art. 90 RL 2006/112 regelt nur den umgekehrten Fall, wenn er bestimmt, dass im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert wird (vgl. Schulze in: Wäger, UStG, 2. Auflage 2022, § 17 Rn. 113). Insoweit wird nach der Rechtsprechung des EuGH indes Art. 65 der Richtlinie 2006/112 fruchtbar gemacht (vgl. Schulze in: Wäger, UStG, 2. Auflage 2022, § 17 Rn. 113; EuGH, Urteil vom 13. März 2014, C-107/13 - FIRIN, www.curia.eu). Dieser sieht vor: "Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag." Art. 65 RL 2006/112 ist allerdings als Ausnahmebestimmung eng auszulegen und findet keine Anwendung, wenn die Erbringung der Dienstleistung zum Zeitpunkt der Anzahlung unsicher ist (vgl. EuGH, Urteil vom 31. Mai 2018, C-660 und C-661 - Kollroß und Wirtl, www.curia.eu; EuGH, Urteil vom 13. März 2014, C-107/13 - FIRIN, www.curia.eu; EuGH, Urteil vom 21. Februar 2006, C-419/02 - BUPA, www.curia.eu; BFH, Urteil vom 15. September 2011, V R 36/09, BStBl. II 2012, 365, juris Rn. 18). Hier ist sie nicht nur unsicher, sondern sogar (teilweise) unmöglich. In anderen Worten: Die eng auszulegende Ausnahmebestimmung kann in diesen Fällen erst recht keine Anwendung finden.

    7. Die Umsatzsteuer wird auch nicht nach § 14c UStG (unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis) geschuldet. Die Umsatzsteuer wurde ausweislich der in den Akten befindlichen Unterlagen vom Kläger in Rechnungen nicht gesondert ausgewiesen. 14c UStG ist nur anwendbar, wenn in der Rechnung der Steuerbetrag zu hoch bzw. zu Unrecht ausgewiesen wurde. Die bloße Angabe des Bruttopreises genügt damit nicht (vgl. z.B. FG München, Urteil vom 16. Juli 2009, 14 K 4469/06, DStRE 2010, 743, juris Rn. 18ff.; Fleckenstein-Weiland in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 14c, Stand Februar 2020, Rn. 36; Neeser in: Wäger, UStG, 2. Aufl. 2022, § 14c, Rn. 37). Dieses Ergebnis wird auch durch das Urteil des EuGH vom 8. Dezember 2022 (Finanzamt Österreich, C-378/21, www.curia.eu, Rn. 25) bestätigt, denn die hier streitigen Rechnungen des Klägers sind alle an Endverbraucher adressiert, die bezüglich der erbrachten Leistungen nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, so dass eine Gefährdung des Steueraufkommens nicht möglich ist.

    8. Anders ist die Zahlung der Mitgliedsbeiträge im Monat März zu beurteilen. Insoweit liegt eine Anzahlung vor, die steuerbar ist. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Hier stand nämlich im Zeitpunkt der Vereinnahmung der Anzahlung (1. März 2020) noch nicht fest, dass die vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbracht werden würde. Denn die Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein stammt vom 17. März 2020 und sah erst ab diesem Zeitpunkt in § 4 Abs. 2 Buchst. e die Schließung von Fitnessstudios vor.

    9. Die Voraussetzungen für eine Saldierung liegen vor. Nach § 177 Abs. 2 AO sind, wenn die Voraussetzungen für die Änderung eines Steuerbescheides zugunsten des Steuerpflichtigen vorliegen, soweit die Änderung reicht, zuungunsten und zugunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind. Diese Vorschrift findet auch im Verfahren vor den Finanzgerichten Anwendung (vgl. BFH, Beschluss vom 19. November 2013, XI B 9/13, BFH/NV 2014, 373, juris Rn. 4; BFH, Urteil vom 1. Dezember 2010, XI R 46/08, BFH/NV 2011, 712, juris Rn. 50ff.; Lange, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 96 FGO, Stand: Februar 2020, Rn. 198).

    Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass nach Auffassung des Gerichts die Steuer in Höhe von xxx Euro, die die Anzahlungen ab dem 17. März 2020 betrifft, steuerbar war und der Kläger insoweit unterliegt. Auf der anderen Seite hat der Kläger im Mai lediglich eine Steuersumme von xxx Euro (bis zum 17. Mai 2020) geltend gemacht. Da die Zahlung bereits Anfang des Monats erfolgte und zu diesem Zeitpunkt das Fitnessstudio geschlossen war, hätte aber nach den obigen Darlegungen der ganze Monat berücksichtigt werden können. Denn die Anzahlung erfolgte schon am 1. Mai 2020 und zu diesem Zeitpunkt war das Fitnessstudio geschlossen.

    Da die Anzahlung monatlich erfolgte, ist insoweit auch eine monatsweise Betrachtungsweise des Leistungsaustauschverhältnisses geboten. Es kann insoweit keine tageweise Teilleistung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 2 UStG angenommen werden. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 3 UStG liegen Teilleistungen vor, wenn für wirtschaftlich teilbare Leistungen das Entgelt gesondert vereinbart wird. Dies setzt also voraus, dass neben einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wurde (BFH, Beschluss vom 9. März 2006, V B 77/05, BFH/NV 2006, 1530, juris Rn. 12; BFH, Urteil vom 30. April 2009, V R 1/06, BStBl. II 2010, 138, juris Rn. 17). Fehlt eines der beiden Tatbestandsmerkmale, handelt es sich nicht um Teilleistungen (Brandl in Bunjes, UStG, 21. Auflage 2022, § 13 Rn. 16; Wäger, UStG, 2. Auflage 2022, § 13 Rn. 22). Da der Beitrag nur monatlich vereinbart und gezahlt wurde, fehlt es an einer gesonderten Entgeltvereinbarung und ist daher der ganze Monat Mai in die Betrachtung einzubeziehen. Eine tageweise Aufspaltung ist nicht möglich.

    Zugunsten des Klägers sind daher weitere xxx Euro (xxx Euro ./. 17 Tage; multipliziert mit den Tagen vom 18. Mai bis 31. Mai 2020, d.h. 14 Tagen) zu berücksichtigen. Insoweit kann eine Saldierung erfolgen, weil es sich nunmehr um einen Jahresbescheid handelt und nicht mehr um monatsbezogene Festsetzungen. Zieht man die xxx Euro von den xxx Euro (Monat März) ab, verbleibt ein Unterliegensbetrag von xxx Euro.

    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1, 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 2 der Zivilprozessordnung.

    III. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

    RechtsgebietUStGVorschriften§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG

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