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Finanzgericht des Saarlandes: Gerichtsbescheid vom 07.11.2013 – 1 K 1307/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland
07.11.2013
In dem Rechtsstreit
A. S.à.r.l.
- Klägerin -
Bevollmächtigt: Wirtschaftsprüfungsgesellschaft B
gegen
Finanzamt C
- Beklagter -
wegen Umsatzsteuer-Vorauszahlung 4. Quartal 2010
hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Präsidenten des Finanzgerichtsxxx als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht xxx und die Richterin xxx
am 7. November 2013 für Recht erkannt:Tenor:
1.Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
2.Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Am xx.xx.2011 reichte die Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldung für das vierte Quartal 2010 ein (USt-Akte Bl. 56). Darin wurde die Rechnung der Verfahrensbevollmächtigten an die Klägerin vom xx.xx.2010 zum Vorsteuerabzug in Höhe von xxxx € geltend gemacht. Gegenstand der Rechnung waren Steuerberatungs-leistungen i.H.v. xxxx € netto (Bl. 28). Der Beklagte erließ am xx.xx.2011 den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung und lehnte darin den Vorsteuerabzug aus der Rechnung unter Verweis auf § 3a Abs. 2 UStG und 3a.3 Abs. 3 und 10 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) ab (Bl. 4 ff.). Der Bescheid erging gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Dagegen legte die Klägerin am xx.xx.2011 Einspruch ein, welcher am xx.xx.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde (Bl. 7 ff.).
Hiergegen hat die Klägerin am xx.xx.2011 Klage erhoben (Bl. 1) und beantragt (Bl. 3),
den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 4. Kalendervierteljahr 2010 vom xx.xx.2011 und die Einspruchsentscheidung vom xx.xx.2011 aufzuheben und die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 4. Kalendervierteljahr 2010 unter Berücksichtigung des Vorsteuerabzugs in Höhe von xxxx € aus der Rechnung der B festzusetzen.
Die Rechnung vom xx.xx.2010 sei zutreffend mit Umsatzsteuerausweis erfolgt. Es habe sich um einen in Deutschland steuerbaren Vorgang gehandelt, weil der Ort der Leistung im Inland belegen sei. Dies beruhe auf dem Umstand, dass die Klägerin weder über eine USt-IdNr. verfüge noch eine solche beantragt habe. Trotz der auch damals schon unstreitig gegebenen Unternehmereigenschaft der Klägerin sei seitens der Rechnungsausstellerin der notwendige Nachweis dieser Eigenschaft nicht systemgerecht zu erbringen gewesen. Maßgeblich für die Bestimmung des Leistungsorts sei die positive Feststellung der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers. Aus Abschn. 3a.2 Abs. 9 UStAE ergebe sich, dass der Leistungsempfänger die ihm von dem EU-Mitgliedsstaat, von dem aus er sein Unternehmen betreibe, erteilte USt-IdNr. für diesen Umsatz gegenüber dem Auftragnehmer verwenden müsse. Diese Richtlinienstelle stütze sich auf Art. 18 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011. Es komme damit auf die Vorlage der USt-IdNr. an, andernfalls fände § 3a Abs. 1 UStG Anwendung. Aus Sicht der Rechnungsstellerin habe die Anwendung der Ortsregelung des § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG mangels USt-IdNr. der Klägerin nicht positiv festgestellt werden können. Denknotwendig habe daher ein Ausweis der Umsatzsteuer erfolgen müssen. Zwar sei die USt-IdNr. keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anwendung des § 3a Abs. 2 UStG und somit für den Nachweis der fehlenden Steuerbarkeit in Deutschland, es existierten jedoch keine eindeutigen Regelungen, wie der Nachweis der Unternehmereigenschaft anderweitig konkret zu erbringen sei. Außerdem könne die Rechnungsstellerin als deutsche Unternehmerin ihrer Pflicht aus § 18a UStG nicht nachkommen, wenn der Ort der Leistung in Luxemburg belegen wäre, da der Klägerin keine USt-IdNr. erteilt worden sei und die Rechnungsstellerin eine solche jedoch zwingend zur Meldung im MIAS benötige (Bl. 39 f.).
Der Beklagte verstoße gegen den Neutralitätsgrundsatz, indem er der Klägerin den Vorsteuerabzug aus einer zutreffenden Rechnung verweigere. Die Regelungen zur innergemeinschaftlichen Warenbewegung (vgl. hierzu die Ausführungen Bl. 49 f.) müssten auch bei Dienstleistungen gelten. Es liege kein Fall des § 14c Abs. 1 UStG vor. Zudem sei die Besteuerung im Bestimmungsland nicht unzweifelhaft sichergestellt, wenn der Leistungsempfänger bewusst auf die Vorlage einer USt-IdNr. verzichte. Daher müsse der Leistende konsequenterweise eine Rechnung mit Umsatzsteuer erstellen. Der Ort bestimme sich in solchen Fällen nach § 3a Abs. 1 UStG.
Der Beklagte beantragt (Bl. 30),
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Er verweist vollumfänglich auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren (Bl. 8 ff.) und trägt ergänzend vor: Es obliege zwar dem Leistungsempfänger, zur Bestimmung des Ortes der sonstigen Leistung nach § 3a UStG dem Leistungserbringer die Unternehmereigenschaft nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, sofern sich Zweifel ergäben. Der Bevollmächtigten sei die unternehmerische Betätigung der Klägerin jedoch wegen der steuerberatenden Tätigkeit für dieselbe aufgrund eigener Anschauung bekannt gewesen. Als Ort der Beratungsleistung sei Luxemburg anzusehen. Ein Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip liege nicht vor, da auch dieser Grundsatz nicht den Abzug einer zu Unrecht in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer zu begründen vermöge.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Akten (Bl. 41) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Rechtsgrundlagen
a) Der Unternehmer kann die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Das Recht auf Vorsteuerabzug besteht nur für diejenigen Steuern, die mit einem der Umsatzsteuer unterworfenen Umsatz in Zusammenhang stehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt außerdem voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG. Ein Vorsteuerabzug ist nicht möglich, wenn die ausgewiesene "Steuer" ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (BFH vom 24. April 2013 XI R 9/11, BFH/NV 2013, 1457-1460).
Die Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuerausweises bestimmt sich nach folgenden Grundsätzen: Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG), die ein Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG) im Inland (§ 1 Abs. 2 Satz 1 UStG) gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Im Ausland erbrachte Leistungen sind nicht im Inland steuerbar. Ob eine sonstige Leistung im Inland erbracht wurde, bestimmt sich nach der Regelung des § 3a UStG. Gem. § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG werden sonstige Leistungen grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, wenn nicht eine Sondervorschrift greift. Die Norm ist demnach als Auffangtatbestand für die Fälle anzusehen, die nicht gesondert geregelt sind.
Solche Sondervorschriften sind u.a. § 3a Abs. 2 und 3 UStG. Gem. § 3a Abs. 2 UStG ist bei Geschäften zwischen Unternehmern als Ort der Leistung derjenige Ort bestimmend, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt, wobei der Empfänger die Leistung für sein Unternehmen empfangen muss, § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG.
§ 3a Abs. 3 UStG bestimmt für einzelne katalogmäßig aufgezählte sonstige Leistungen den Leistungsort nach den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten. Eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück wird demnach dort ausgeführt, wo das Grundstück liegt, § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG. Das Gesetz nennt unter § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG Beispiele, was unter solchen Dienstleistungen zu verstehen sein kann. Die Aufzählung ist nicht abschließend ("insbesondere"). Vielmehr ist im Einzelfall eine wertende Zuordnung zur Frage vorzunehmen, ob ein Zusammenhang i.S.d. § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG zwischen der Leistung und dem Grundstück besteht (so auch Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, Stand 4.2012, § 3a Rn. 306). Ein loser Bezug zum Grundstück wird als nicht ausreichend angesehen (EuGH vom 7. September 2006 C 166/05, IStR 2007, 109 f.).
b) Bei zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer kommt eine Anerkennung eines Vorsteuerabzugs allein aufgrund des europarechtlichen Grundsatzes der Neutralität nicht in Betracht. Das Recht auf Vorsteuerabzug ist als ein Grundprinzip des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems anzusehen, welches grundsätzlich nicht eingeschränkt werden darf. Diese Abzugsregelung soll den Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlasten. Auf diese Weise gewährleistet das gemeinsame Mehrwertsteuersystem die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. EuGH vom 8. Mai 2013 C-271/12, UR 2013, 591-595 m.w.N.).
Dies bedeutet, dass eine schrankenlose Anerkennung von Vorsteuerabzügen allein wegen eines erfolgten Umsatzsteuerausweises nicht angezeigt ist. Ein Vorsteuerabzug kommt - wie auch bei Sachverhalten ohne Auslandsbezug -in der Regel nur in Frage, wenn dies materiell-rechtlich geboten ist (EuGH vom 31. Januar 2013 C-643/11, DStRE 2013, 745-749 m.w.N.). Darin bestätigte der EuGH u.a. seine Rechtsprechung zum Fall "Reemtsma" aus dem Jahr 2007 (EuGH vom 15. 3. 2007 C-35/05, IStR 2007, 261 ff.), wonach es nur in Fällen, in denen die Erstattung der Mehrwertsteuer unmöglich oder übermäßig erschwert wird (insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Dienstleistungserbringers), aufgrund der Grundsätze der Neutralität und der Effektivität geboten sein kann, dass der Dienstleistungsempfänger seinen Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden richten kann.
Allerdings obliegt es nach dieser Rechtsprechung den Mitgliedstaaten, die erforderlichen Mittel und Verfahrensmodalitäten vorzusehen, die es dem Dienstleistungsempfänger ermöglichen, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen. Denn mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung auf Unionsebene ist die Gewährleistung der aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats (EuGH a.a.O.). Diese Gewährleistung ist gegeben, wenn der Leistungsempfänger eine zivilrechtliche Klage gegen den Leistenden auf Rückzahlung der rechtsgrundlos bezahlten Beträge erheben kann (so auch BFH vom 24. April 2013 XI R 9/11, BFH/NV 2013, 1457-1460). Der Rechnungsempfänger hat nach dem deutschen Zivilrecht (§§ 812 ff. BGB) die Möglichkeit, den zu Unrecht an den Rechnungsaussteller gezahlten Betrag von diesem herauszufordern und damit einen Zustand herzustellen, der dem unionsrechtlichen Bild des nicht von der Umsatzsteuer belasteten Unternehmers entspricht.
2. Anwendung auf den Entscheidungsfall
Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze sind vorliegend die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug aus der Rechnung der Bevollmächtigten an die Klägerin nicht gegeben.
Ob eine formell ordnungsgemäße Rechnung i.S.d. §§ 14 f. UStG i.V.m. 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG vorliegt, kann dahinstehen. Denn die Abzugsfähigkeit der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer scheitert aus anderen Gründen. Die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer ist nämlich nicht gesetzlich geschuldet i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Die Leistung, die die Klägerin empfangen hat, ist im Inland nicht steuerbar. Der Ort der Leistung und damit das Besteuerungsrecht liegen in Luxemburg, § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG. Es kommt hierbei allein darauf an, dass die Klägerin als Unternehmerin eine Leistung für ihr Unternehmen empfangen hat. Diese Tatbestandsmerkmale der genannten Norm sind unstreitig erfüllt. Die Klägerin hat die der Rechnung zu Grunde liegende Dienstleistung (Steuerberatung) durch die sie nunmehr vertretende Steuerberatungsgesellschaft als Unternehmerin und für ihr Unternehmen empfangen. Diese Feststellungen durch die Beteiligten erscheinen dem Senat nach Aktenlage richtig und unstreitig, so dass es hierzu keiner weiteren Ausführungen bedarf.
a) Es liegt kein Fall des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG vor. Zwar ist nach dem Vortrag der Beteiligten ein gewisser Zusammenhang zum in Deutschland belegenen Grundstück erkennbar, da Gegenstand der Beratungsleistung offenbar die Einkünfte aus der Vermietung einer deutschen Immobilie waren. Die wertende Zuordnung ergibt jedoch, dass dieser Zusammenhang von Leistung und Grundstück nicht ausreicht, um die Rechtsfolge des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG herbei zu führen. Die Regelbeispiele des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG weisen ausnahmslos einen engen Bezug zum Grundstück auf. Daher kann nicht jeglicher kausale Bezug der Leistungen zu einem Grundstück ausreichen. Vielmehr muss die Leistung unmittelbar mit dem Grundstück selbst zusammenhängen. Steuerberatungsleistungen hinsichtlich der Einkünfte aus der Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks erfüllen diese Voraussetzung nicht. Dies entspricht auch der Auffassung der Mitgliedstaaten, die in der 83. Sitzung des Mehrwertsteuer-Ausschusses vom 27. und 28. Februar 2008 (TAXUD/2421/08-573) geäußert sowie später in der 93. Sitzung vom 1. Juli 2011 (UR 2012, 919 f.) bestätigt wurde. Hiernach sollten juristische Dienstleistungen nur dann als Dienstleistung "im Zusammenhang" mit einem Grundstück i.S.d. Richtlinie 2006/112/EG anzusehen sein, wenn der Zweck der Dienstleistungen eine rechtliche oder physische Veränderung am Grundstück selbst ist.
b) Es greift aber der Sondertatbestand des § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG ein. Es ist unbeachtlich, dass die Klägerin der Bevollmächtigten keine USt-IdNr. genannt hat. Denn § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG stellt keine formellen Anforderungen hinsichtlich einer USt-IdNr. (so auch Wäger in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3a UStG, 69. ErgLfg. April 2013, Rz. 75; Korf, UR 2010, 763-765; Monfort, UR 2009, 301-315). Der Senat teilt nicht die Auffassung, die USt-IdNr. sei "Tatbestandsmerkmal" zur Bestimmung des Besteuerungsortes (so Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633-642 sowie Lohse in DStR 2011, 1740-1742 mit Blick auf die Durchführungsverordnung (EU) 282/11 vom 15. März 2011 (Abl EU 2011 L 77 S. 7, im Folgenden "MwSt-DVO"). Das Gegenteil ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut der Norm. Im Gesetzgebungsverfahren wurde ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass aufgrund der Neuregelungen zum Ort der Dienstleistungen die zuvor bestehende Möglichkeit zur Ortsverlagerung durch Verwendung einer USt-IdNr. entfallen soll (Bericht des Finanzausschusses vom 27. November 2008, BT-Ds 16/11108, S.34).
Auch eine Auslegung der einschlägigen Normen, insbesondere unter Beachtung des übergeordneten Unionsrechts - namentlich der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) - führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Intention des Richtliniengebers auf Unionsebene war im Gegenteil darauf ausgerichtet, dass die Besteuerung von Dienstleistungen losgelöst von formellen Anforderungen an dem Ort vorgenommen werden soll, an dem der tatsächliche Verbrauch erfolgt (Erwägungsgrund Nr. 3 der Richtlinie 2008/8/EG vom 12. Februar 2008, ABl EU 2008 L 44 S. 11). Dem entsprechend wurden die Vorschriften des Titels V Kapitel 3 der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006 (ABl EU 2006 L 347) geändert. Die zuvor bestehenden Regelungen hatten teilweise (u.a. Art. 44 Abs. 2 der RL 2006/112/EG) noch vorgesehen, dass aufgrund einer Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers der Grundsatz der Besteuerung am Ausgangspunkt der Leistung gem. Art. 43 der RL 2006/112/EG durchbrochen werden kann. Diese Möglichkeiten wurden explizit abgeschafft und durch grundlegend neue Ortsbestimmungsregelungen ersetzt.
Nichts anderes ergibt sich aus der - im Streitjahr noch nicht existenten - MwSt-DVO. Der Verordnungsgeber ging davon aus, dass die Mitteilung einer Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zwar als ausreichend zum Nachweis der Eigenschaft als Steuerpflichtiger erscheint, demnach aber offensichtlich nicht als Voraussetzung für diese Wertung gesehen werden sollte (vgl. Erwägungsgrund 19 zur Verordnung, Abl EU 2011 L 77 S. 2).
Zudem beschreibt Art. 18 der MWSt-DVO, dass sich der Dienstleistungserbringer bei Mitteilung einer - vom Erbringer zu überprüfenden - Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer durch den Empfänger darauf berufen darf, dass er darauf vertraute, mit einem Steuerpflichtigen i.S.d. Richtlinie Geschäfte zu tätigen und daher auf einen Umsatzsteuerausweis verzichten durfte (Art. 18 Abs. 1 lit. a MWSt-DVO). Absatz 2 der Norm gestattet dem Dienstleistungserbringer, davon auszugehen, dass sein Geschäftspartner als Nichtsteuerpflichtiger handelt, wenn er nachweist, dass man ihm von dort keine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt hat. Beide Regelungen stehen unter dem Vorbehalt, dass dem Dienstleistungserbringer "keine gegenteiligen Informationen" vorliegen. Das Vorliegen gegenteiliger Informationen dürfte jedenfalls in solchen Fällen anzunehmen sein, in denen der Dienstleistende vertiefte Einblicke in die Tätigkeit und den Hintergrund des Leistungsempfängers, eventuell auch schon längere Geschäftsbeziehungen zu ihm, hatte. Eine Steuerberatung hinsichtlich einer unternehmerischen Tätigkeit des Leistungsempfängers ist nach Auffassung des Senats ein geradezu klassisches Beispiel dafür, dass dem Rechnungsaussteller "gegenteilige Informationen" hinsichtlich einer fehlenden Unternehmereigenschaft vorliegen dürften (so auch Prätzler/Stuber, BB 2013, 475-479).
Auch der im Streitjahr gültige - für die Rechtsprechung ohnehin nicht bindende - UStAE sah keine diesbezüglichen formellen Voraussetzungen vor. Ein Verlangen nach einer USt-IdNr. findet sich erst im UStAE 2011/2012 des BMF zu § 3a UStG, wobei die oben erläuterten Grundsätze des Art. 18 MwSt-DVO auch hier einfließen.
Systematische Gesichtspunkte führen ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Es sind keine (Wertungs-)Widersprüche in der Gesetzessystematik erkennbar. Das Erfordernis zur Mitteilung einer USt-IdNr. aus Art. 55 MwSt-DVO bzw. § 18a UStG zum Zwecke einer ordnungsgemäßen "Zusammenfassenden Meldung" zeigt keinerlei Verknüpfung zu § 3a Abs. 2 UStG. Der Umstand, dass der Dienstleistungserbringer die USt-IdNr. des Empfängers aus anderen Gründen benötigt, lässt nicht darauf schließen, dass diese Notwendigkeit auch hinsichtlich der materiell-rechtlichen Ortsbestimmung der Leistung besteht.
Die Grundsätze des innergemeinschaftlichen Erwerbs (§ 3d UStG) sind entgegen der Argumentation der Klägerin unbeachtlich. Der Gesetzgeber hat sowohl auf Unions- als auch Bundessebene bewusst unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Leistung einerseits und des innergemeinschaftlichen Erwerbs andererseits geschaffen, so dass weder eine direkte Anwendung des § 3d UStG noch ein Rückgriff auf seinen Rechtsgedanken in Betracht kommt. Genauso verhält es sich mit den Regelungen zur innergemeinschaftlichen Lieferung gem. §§ 4 Nr. 1 lit b i.V.m. 6a UStG.
Soweit die Klägerin wie einige wenige Stimmen in der Literatur (vgl. Ripka/Knoll, BB 2010, 162-165) davon ausgeht, dass es empfehlenswert sei, i.R.d. § 3a Abs. 2 UStG allein aufgrund einer fehlenden USt-IdNr. beim Leistungsempfänger eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis auszustellen, erscheint dies dem Senat nicht nachvollziehbar. Es ist entgegen der Auffassung der Klägerin regelmäßig nicht zu berücksichtigen, dass ein Dienstleistungserbringer befürchtet, die Besteuerung im Bestimmungsland sei in diesen Fällen nicht sichergestellt. Es ist Sache des Dienstleistungsempfängers, die Besteuerung in seinem Land sicherzustellen. Hierzu hat er u.a. seine aus Art. 213 (Anzeigepflicht) und 242 ff. (Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Erklärungspflichten) MwStSystRL resultierenden Pflichten zu erfüllen und dadurch selbst dafür zu sorgen, dass die Vorgänge ordnungsgemäß besteuert werden.
Ob es bei begründeten Zweifeln an der Unternehmereigenschaft des Geschäftspartners angezeigt ist, von einem Leistungsort nach § 3a Abs. 1 UStG auszugehen, kann dahinstehen. Vorliegend ergeben sich keine Anhaltspunkte dahingehend, dass die Rechnungsausstellerin nicht positiv um die Unternehmereigenschaft der Klägerin gewusst hätte. Im Gegenteil war der Bevollmächtigten der Klägerin nach Überzeugung des Senats bekannt, dass sie in Geschäftsbeziehungen mit einer juristischen Person steht, die Unternehmerin i.S.d. § 2 UStG ist und damit die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG erfüllt. Die Rechtsauffassung der Bevollmächtigten hinsichtlich der Notwendigkeit der Mitteilung einer USt-IdNr. und der Konsequenzen eines Fehlens derselben ist hierbei irrelevant.
c) Ein trotz der Nichterfüllung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorzunehmender Vorsteuerabzug aus europarechtlichen Gründen ist ebenfalls nicht angezeigt. Die Klägerin kann sich hinsichtlich der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer an ihrer Bevollmächtigten schadlos halten. Ob dies tatsächlich geschehen ist bzw. noch geschieht, ist hierbei nicht von Bedeutung. Es genügt, dass die rechtliche Möglichkeit hierzu besteht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO kam nicht in Betracht.