07.01.2025 · IWW-Abrufnummer 245767
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 12.03.2024 – 13 K 1262/21 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2024, Az. 13 K 1262/21 E
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2016 vom 24.01.2024 wird die Einkommensteuer für 2016 in der Weise festgesetzt, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Absetzung für Abnutzung für das Objekt Z mit 1.717 Euro statt mit 1.443 Euro berücksichtigt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer für 2016 wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 93/100 und der Beklagte zu 7/100.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
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Tatbestand:
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Streitig ist die Aufteilung des Kaufpreises für ein vermietetes Dreifamilienhaus auf das Gebäude und den Grund und Boden sowie, ob die Aufwendungen für im Jahr 2017 getätigte Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten zu nachträglichen Herstellungskosten oder sofort abzugsfähigen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen.
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Der Kläger erwarb auf Grund eines Kaufvertrags vom 27.09.2016 das mit einem Dreifamilienhaus bebaute Grundstück Z. Im Kaufvertrag für das vermietete Objekt war festgehalten, dass von dem Kaufpreis i. H. von 520.000 Euro auf den Grund und Boden 170.000 Euro und auf das Gebäude 350.000 Euro entfielen. Die Anschaffungsnebenkosten beliefen sich auf 57.089 Euro.
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In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 gab der Kläger für das Haus eine Absetzung für Abnutzung (AfA) für drei Monate i. H. von insgesamt 2.036 Euro als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an, die der Beklagte (das Finanzamt ‒ FA ‒) in einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid zunächst berücksichtigte. Nach zwei, den Streitpunkt nicht betreffenden Änderungen, änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 2016 am 08.11.2018 erneut und ließ nur noch eine AfA i. H. von 1.443 Euro zum Abzug zu. Zuvor hatte der Bausachverständige des Finanzamts C, ..., am 10.08.2018 auf Anforderung des FA eine baufachliche Stellungnahme abgegeben, wonach die Anschaffungskosten für das Grundstück mit jeweils 50 % auf das Gebäude sowie den Grund und Boden entfielen.
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Im Laufe des sich anschließenden Einspruchsverfahrens änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 2016 aus hier nicht relevanten Gründen nochmals und erließ am 10.03.2020 einen Einkommensteuerbescheid für 2017. Darin berücksichtigte es die AfA mit 5.771 Euro anstelle der vom Kläger in der Einkommensteuererklärung angegebenen AfA von 7.855 Euro und Instandhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen i. H. von 41.732 Euro. Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 07.04.2020 Einspruch ein, das beim FA am 16.04.2020 einging. Während des Einspruchsverfahren erließ das FA wegen zwei anderer ‒ hier nicht streitiger ‒ Vermietungsobjekte am 27.05.2020 einen Änderungsbescheid für 2017 und hob den bisherigen Vorbehalt der Nachprüfung auf.
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Zur Begründung der beiden Einsprüche bezog sich der Kläger auf eine von ihm in Auftrag gegebene Stellungnahme zur Kaufpreisaufteilung des Dipl.-Ing. D vom 03.11.2018. Dieser gelangte zu der Auffassung, der Bodenwert gemäß der Bodenrichtwertkarte betrage unter Berücksichtigung eines Anpassungsfaktors von -10 % im Anschaffungszeitpunkt 214.812 Euro. Der Marktwerkt für das gesamte bebaute Grundstück belaufe sich unter Annahme einer Wohnfläche von 305 qm auf 605.925 Euro, wovon nach Substraktion des Bodenwerts 391.113 Euro auf das Gebäude entfielen. Die sich daraus ergebende Aufteilung der Anschaffungskosten im Verhältnis 35 % für den Grund und Boden sowie 65 % für das Gebäude zeige, dass der Parteiwille hinsichtlich der Aufteilung des Kaufpreises im Kaufvertrag marktkonform gewesen sei (Stellungnahme vom 12.02.2020).
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Das FA wies die Einsprüche mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom 20.04.2021 als unbegründet zurück. Die Bemessungsgrundlage für die AfA betrage 288.545 Euro, was 50 % der Anschaffungskosten entspreche. Dazu werde auf die Stellungnahme der Bausachverständigen des Finanzamts C vom 11.02.2021, Dipl.-Ing. E, Bezug genommen. Die AfA betrage somit für 2016 zeitanteilig 1.443 Euro und 5.771 Euro für 2017.
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Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, das FA gehe zu Unrecht von einer Kaufpreisaufteilung zu je 50 % für Grund und Boden einerseits und den Gebäudeanteil andererseits aus. Eine Korrektur der von den Parteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf den Grund und Boden sowie das Gebäude sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehle und wirtschaftlich nicht haltbar erscheine (BFH-Urteil vom 16.09.2015 IX R 12/14, Bundessteuerblatt ‒ BStBl ‒ II 2016, 397).
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Entgegen der Ansicht des FA bestünden an der im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreisaufteilung ‒ 33 % für den Grund und Boden sowie 67 % für das Gebäude ‒ keine Zweifel. Die innerdienstlichen Stellungnahmen der Bausachverständigen hätten sich nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen des konkreten Bauobjekts auseinandergesetzt. Weder der ungünstige Grundstückszuschnitt, die ungünstig geschnittenen Grundstücksaufbauten, die schlechte Belichtungssituation, das erhöhte Verkehrsaufkommen und die damit verbundene Lärmbelästigung, noch der verminderte Wohnwert durch ein sich vollständig im Souterrain befindliches Geschoss seien durch das FA mindernd in Ansatz gebracht worden. Gleichzeitig sei die leicht überdurchschnittliche Ausstattung und die erst jüngst erfolgte Erneuerung der Anlagentechnik des Gebäudes außer Acht gelassen worden.
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Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass in den Erhaltungsaufwendungen der ersten drei Jahre nach Anschaffung der Immobilie i. H. von insgesamt 63.600 Euro jährlich übliche Aufwendungen von insgesamt 1.899,55 Euro (brutto) sowie kleine laufende Schönheitsreparaturen i. H. von 4.050,46 Euro (brutto) enthalten seien, die im Rahmen der sog. 15 %-Grenze unberücksichtigt bleiben müssten.
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Auf Grund eines Hinweises des Berichterstatters vom 23.12.2022, dass der Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 10.03.2020 erst am 16.04.2020 beim FA eingegangen sei, und der damit verbundenen Frage, ob das Einspruchsschreiben bereits zuvor per Telefax oder auf andere Art und Weise an das FA übermittelt worden sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 01.02.2024 erklärt, das Einspruchsschreiben sei vom damaligen Steuerberater mit Datum vom 07.04.2020 ordnungsgemäß zur Post gegeben worden. Dazu hat er einen Ausdruck des elektronischen Postausgangsbuchs seines Steuerberaters vorgelegt.
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Während des Klageverfahrens hat das FA den Einkommensteuerbescheid für 2016 am 24.01.2024 wegen der Auswertung mehrerer Feststellungsbescheide erneut geändert.
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Der Kläger beantragt,
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unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2016 vom 24.01.2024 und des Einkommensteuerbescheids für 2017 vom 10.03.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2021 die Einkommensteuer für 2016 und 2017 in der Weise festzusetzen, dass als AfA-Bemessungsgrundlage vom Kaufpreis für das Grundstück Z 77,1 % auf das Gebäude fallen.
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Das FA beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt es aus, die Aufteilung des Kaufpreises im Vertrag vom 27.09.2016 mit 33 % für den Grund und Boden sowie 67 % für das Gebäude weiche erheblich von den realen Werten für Gebäude sowie Grund und Boden ab. Die vom Kläger angeführten ungünstigen tatsächlichen Verhältnisse würden sich grundsätzlich im Kaufpreis widerspiegeln. Im Übrigen werde auf die baufachlichen Stellungnahmen der beiden Bausachverständigen des Finanzamts C verwiesen.
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Die jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwendungen i. H. von insgesamt 1.899,50 Euro könnten ‒ wie vom Kläger erläutert ‒ bei der Bemessung der 15 %-Grenze unberücksichtigt bleiben. Dies gelte jedoch nicht für den vom Kläger genannten Betrag von 4.050,56 Euro für „kleine Schönheitsreparaturen“, da diese in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen stünden.
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Das Gericht hat zu den Verkehrswerten des Gebäudes und des Grund und Bodens des in Rede stehenden Grundstücks auf den 27.09.2016 mit Beschluss vom 22.03.2023 Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing. F. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 07.09.2023 sowie die Ergänzungen des Sachverständigen vom 28.12.2023 Bezug genommen.
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Das FA hält ‒ anders als der Kläger ‒ die Ermittlung der Verkehrswerte für den Grund und Boden sowie das Gebäude durch den Sachverständigen für fehlerhaft. Der Grund- und Bodenwertanteil des Kaufpreises betrage 41,9 % und der des Gebäudes 58,1 %. Wegen der Einzelheiten zur Kritik am Gutachten wird auf die Stellungnahmen des FA vom 19.10.2023 sowie vom 25.01.2024 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als die AfA für das vermietete Dreifamilienhaus Z im Streitjahr 2016 mit 1.717 Euro statt mit 1.443 Euro zu berücksichtigen ist. Im Übrigen ist sie unbegründet.
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1. Das Begehren des Klägers, den Einkommensteuerbescheid für 2016 in Folge einer höheren AfA zu seinen Gunsten zu ändern, hat nur teilweise Erfolg.
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Die Höhe der Gebäude-AfA richtet sich nach den Anschaffungskosten für das Gebäude (§ 7 Abs. 4 EStG). Deren Höhe bildet die Grundlage für die Bemessungsgrundlage der AfA. Ihre Ermittlung obliegt dem FA im Einspruchsverfahren und dem Finanzgericht (FG) als Tatsacheninstanz im Klageverfahren. Dies gilt auch für die Aufteilung der Anschaffungskosten von Gebäude einerseits und dazugehörendem Grund und Boden andererseits (BFH in BStBl II 2016, 397, unter II.1.a).
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a) Wurde ‒ wie vorliegend ‒ im Kaufvertrag eine entsprechende Kaufpreisaufteilung vorgenommen, sind die vereinbarten und bezahlten Anschaffungskosten nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich auch der Besteuerung zu Grunde zu legen (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2016, 397, unter II.1.b; vom 21.07.2020 IX R 26/19, BStBl II 2021, 372, unter II.1.a). Allerdings können die Kaufvertragsparteien wegen der gebotenen Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung auch mit einer nach allgemeinen Grundsätzen der Besteuerung zu Grunde zu legenden Vereinbarung, die also weder zum Schein abgeschlossen noch missbräuchlich ist, nicht die Höhe der Steuer des Käufers ‒ konkret seine AfA ‒ gestalten. Im Rahmen der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage ist mithin im Einzelfall zu prüfen, ob nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen (BFH in BStBl II 2016, 397, unter II.1.c m.w.N.). Eine Korrektur der von den Parteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf Grund und Boden sowie Gebäude ist dann geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint (BFH in BStBl II 2021, 372, unter II.1.a m.w.N.).
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b) Im Streitfall bestehen nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung des Kaufpreises für das Grundstück Z. Diese ergeben sich aus der erheblichen Abweichung zwischen dem im Kaufvertrag ausgewiesenen Kaufpreis für den Grund und Boden i. H. von 170.000 Euro und dem Bodenrichtwert auf den 01.01.2016 von 241.740 Euro (306 qm x Bodenrichtwert zum 01.01.2016 i. H. von 790 Euro). Der vereinbarte Kaufpreisanteil unterschreitet den Bodenrichtwert um rund 30 % und damit mehr als nur geringfügig (vgl. Thüringer FG, Urteil vom 20.02.2008 III 740/02, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1140, unter 2.a, das ein Unterschreiten bis zu 10 % als geringfügig ansieht). Zwar handelt es sich bei einer Differenz zum Bodenrichtwert nur um ein widerlegbares Indiz, dass die vertragliche Aufteilung möglicherweise die Werte nicht angemessen wiedergibt (BFH in BStBl II 2016, 397, unter II.1.c). Im Rahmen der vom Senat vorgenommenen Aufklärung der Gesamtumstände des Kaufobjekts und des erhobenen Sachverständigenbeweises ist dieses Indiz jedoch nicht durch andere Indizien entkräftet worden. Dabei hat der Senat im Rahmen der ihm obliegenden Schätzung des Wertes für den Grund und Boden unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen den Verkehrswert des Bodens mit 215.700 Euro ermittelt (siehe dazu unter 1.d aa-ff). Der vereinbarte Kaufpreisanteil laut Kaufvertrag i. H. von 170.000 Euro unterschreitet auch diesen Wert um mehr als 20 % und damit nicht nur geringfügig.
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Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass auch der Kläger die zwischen ihm und dem Verkäufer vereinbarte Kaufpreisaufteilung trotz seiner anderslautenden schriftsätzlichen Ausführungen für verfehlt erachtet, da er eine davon abweichende Aufteilung auf der Grundlage des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens begehrt.
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c) Kann eine vereinbarte Kaufpreisaufteilung ‒ wie hier ‒ nicht der Besteuerung zu Grunde gelegt werden, ist sie vom Gericht durch eine Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude zu ersetzen (BFH in BStBl II 2021, 372, unter II.1.b). Dabei hat das Gericht die Frage, nach welchem Wertermittlungsverfahren die Kaufpreisaufteilung vorzunehmen ist, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten (BFH in BStBl II 2021, 372, unter II.1.b m.w.N.).
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aa) Bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises sind nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, zunächst Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Grund- und Bodenanteil und den Gebäudeanteil aufzuteilen (BFH in BStBl II 2021, 372, unter II.1.c). Für die Schätzung des Werts des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils kann die Immobilienwertermittlungsvererordnung ‒ ImmoWertV ‒ herangezogen werden, denn sie enthält anerkannte Grund-sätze für die Schätzung von Verkehrswerten von Grundstücken (BFH-Urteil vom 20.09.2022 IX R 12/21, BStBl II 2024, 61, unter II.2.a). Nach deren Bestimmungen ist der Verkehrswert mit Hilfe des Vergleichswertverfahrens, des Ertragswertverfahrens, des Sachwertverfahrens oder mehrerer dieser Verfahren zu ermitteln (§ 8 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV in der zum Wertermittlungsstichtag geltenden Fassung). Welcher dieser Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Dabei stehen die Wertermittlungsverfahren einander gleichwertig gegenüber (BFH in BStBl II 2021, 372, unter II.1.c m.w.N.).
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Im Hinblick auf die Wahl des Bewertungsverfahrens zur Ermittlung der Verkehrswerte von Grund und Boden sowie Gebäude hatte der BFH in der Vergangenheit bei Mietwohngrundstücken im Privatvermögen im Regelfall eine Kaufpreisaufteilung unter Anwendung des Sachwertverfahrens mit der Erwägung für angebracht gehalten, dass für den Erwerb einer solchen Immobilie neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend sein könne (BFH-Urteil vom 29.05.2008 IX R 36/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH ‒ BFH/NV ‒ 2006, 1668, II.2.). In jüngerer Zeit hat der BFH seine Rechtsprechung dahin fortentwickelt, dass bei Mietwohngebäuden auch das Ertragswertverfahren anzuwenden sein könne, wenn es sich um ein Renditeobjekt handele (vgl. BFH in BStBl II 2024, 61, unter II.2.b dd, m.w.N.). So hat er inzwischen ausdrücklich entschieden, vor dem Hintergrund, dass im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung auch reine Wohnimmobilien als Renditeobjekte angesehen würden, verbiete es sich, das Ertragswertverfahren außerhalb der Bewertung von Geschäftsgrundstücken von vornherein für weniger geeignet und damit für nachrangig zu halten (BFH in BStBl II 2024, 61, unter II.2.c cc).
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bb) Im Streitfall legt der Senat der Bestimmung der Verkehrswerte von Grund und Boden sowie des Gebäudes das Ertragswertverfahren zu Grunde. Es handelt sich bei dem Objekt Z um ein Dreifamilienhaus, dessen Wohnungen im Zeitpunkt der Anschaffung an drei Mietparteien vermietet waren und mit dem der Kläger auch weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen wollte. Es stellt sich für ihn als Renditeobjekt dar. Die Beteiligten haben keine Einwendungen gegen die Wahl des Ertragswertverfahrens zur Ermittlung der Verkehrswerte von Grund und Gebäude in dem im Rahmen der Beweiserhebung seitens des Gerichts eingeholten Sachverständigengutachten erhoben. Das FA hat seiner Verkehrswertermittlung ebenfalls das Ertragswertverfahren zu Grunde gelegt. Der Senat schließt sich hinsichtlich des Wertermittlungsverfahrens dem Sachverständigengutachten an und verzichtet deshalb darauf, den Sachverständigen F mit einem Ergänzungsgutachten zu beauftragen, in dem die Verkehrswerte von Grund und Gebäude zusätzlich durch Anwendung des Sachwertverfahrens zu ermitteln wären.
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d) Unter Anwendung des Ertragswertverfahrens schätzt der Senat den Verkehrswert des Grundstücks Z zum 27.09.2016 auf insgesamt 532.600 Euro, der sich aus den Verkehrswerten für den Grund und Boden von 215.700 Euro sowie für das Gebäude von 316.900 Euro zusammensetzt. Dabei folgt er im Grundsatz dem Gutachten des Sachverständigen F vom 07.09.2023, dem der Kläger in vollem Umfang zugestimmt hat. Allerdings weicht der Senat im Rahmen seiner Schätzungsbefugnis hinsichtlich des Werts des Grund und Bodens in vier Punkten (unter 1.d bb-dd, ff) und des Werts des Gebäudes in einem Punkt (unter 1.d hh) von dem Gutachten ab.
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aa) Der Sachverständige F legt einen Bodenrichtwert laut Richtwertkarte des Gutachterausschusses der Stadt Y von 790 Euro je Quadratmeter für das 306 qm große Grundstück zum 01.01.2016 zu Grunde und nimmt wegen des Wertermittlungsstichtags 27.09.2016 einen Zuschlag von 4,37 % = 25,54 Euro vor, so dass sich ein Wert je Quadratmeter von 815,54 Euro ergibt. Der Senat erachtet dies ‒ in Übereinstimmung mit den Beteiligten ‒ als zutreffend.
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bb) Anders als im Gutachten des Sachverständigen ausgeführt, nimmt der Senat jedoch keinen Abschlag wegen einer „abweichenden Wohnlage innerhalb der Zone“ (Gutachten S. 29, 38, Anlage 3 sowie Ergänzungen des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 6) vor. Das „Richtwertgrundstück“ der Richtwertzone und das Grundstück des Klägers befinden sich nicht ‒ wie der Gutachter meint ‒ in „abweichenden“ Wohnlagen. Vielmehr liegen beide Grundstücke, wie sich aus der Wohnlagenkarte (Anlage 3 des Gutachtens) ergibt, in einer „guten“ Wohnlage. Eine vom Sachverständigen vorgenommene Unterteilung innerhalb der guten Wohnlage in „Unterwohnlagengruppen“, die er auf der Grundlage von Rohdaten der Firma G vorgenommen hat, kennt der Gutachterausschuss der Stadt Y, der die Bodenrichtwerte ermittelt, nicht. Die vom Sachverständigen vergebenen ‒ mal höheren, mal niedrigeren ‒ Kennzahlen innerhalb der „guten“ Wohnlage für „Unterwohnlagengruppen“ innerhalb der Richtwertzone beruhen auf Mietwerten. Eine Differenzierung nach straßenbezogenen Mieterträgen, die nicht nur von der Lage des Mietobjekts abhängen, sondern auch vom Zustand der Gebäude, ist innerhalb der Richtwertzone jedenfalls dann nicht angezeigt, wenn sich ‒ wie hier ‒ das „Richtwertgrundstück“ und das Bewertungsgrundstück in derselben Wohnlagenklasse „gute Wohnlage“ befinden.
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cc) Den Zuschlag zur „Anpassung an das abweichende Maß der baulichen Nutzung“ (Gutachten S. 29, 39 sowie Ergänzungen des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 3 f.) bemisst der Senat abweichend vom Gutachten des Sachverständigen nicht nur mit 6 %, sondern mit 13 %.
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Zutreffend beschreibt der Sachverständige die in der Bodenrichtwertdefinition angegebene Geschossflächenzahl (GFZ) mit 0,8, so dass für besser ausgenutzte Grundstücke, also solche mit einer höheren GFZ, ein Zuschlag zu machen ist. Allerdings beträgt die GFZ des Grundstücks des Klägers nicht ‒ wie vom Gutachter angenommen ‒ 0,9, sondern 1,0. Das FA weist zu Recht darauf hin, dass die Bruttogeschossfläche eines ausgebauten Untergeschosses gemäß der Bodenrichtwertrichtlinie vom 11.01.2011 mit 30 % der darüber liegenden Geschossfläche zu berücksichtigen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Räume der Wohnung im Erdgeschoss mit denen im Untergeschoss ‒ wie hier ‒ durch eine in der Wohnung liegenden Wendeltreppe oder eine andere Treppenart verbunden ist. Die Bruttogeschossfläche des Hauses beträgt somit 314 qm (Schriftsatz des FA vom 19.10.2023, S. 3) und nicht nur 289 qm (Gutachten, S. 24, Anlage 13). Der Vorgehensweise des Sachverständigen ist hinsichtlich der Nichtberücksichtigung des Souterrains bei der Berechnung der Bruttogeschossfläche des Hauses auch deshalb nicht zu folgen, weil er das Souterrain (Grundfläche 104 qm) im Rahmen der Wohnflächenberechnung ‒ unstreitig und zu Recht ‒ mit rund 56 qm berücksichtigt hat.
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Auf der Grundlage einer Bruttogeschossfläche von 314 qm beträgt die GFZ 1,0 (Geschossfläche 314 qm : 306 qm Fläche des Grund und Bodens). Der Zuschlag für die bessere Grundstücksausnutzung bei einer GFZ von 1,0 gegenüber der Richtwertnorm einer GFZ von 0,8 beträgt nach der Tabelle auf S. ... der örtlichen Fachinformation des Gutachterausschusses der Stadt Y 13 %.
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dd) Der Senat vermag dem Sachverständigen auch hinsichtlich der Höhe eines Abschlags von 30 % auf den Bodenrichtwert wegen einer „Berücksichtigung der abweichenden Objektart“ (Gutachten S. 29, 39 sowie Ergänzungen des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 5) nicht in Gänze zu folgen. Er erachtet einen Abschlag von 15 % als sachgerecht.
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Die Bodenrichtwerte sind durch Grundstückskäufe zur Begründung von Wohnungs- und Teileigentum geprägt. Nach der örtlichen Fachinformation des Gutachterausschusses der Stadt Y (dort S. ...) kann in Bereichen, in denen der klassische Mehrfamilienhausbau die ortstypische Bebauung darstellt, für Mehrfamilienhäuser ‒ in Wohn- und Mischgebieten mit in der Regel ab dreigeschossiger Bebauung ‒ ein Abschlag vom Bodenrichtwert sachverständig „von bis zu 30 %“ vorgenommen werden.
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Auch wenn es sich bei den im Bereich des „Richtwertgrundstücks“ gelegenen Wohnhäusern in der X-Straße um solche, wie der Sachverständige im Ergänzungsschreiben vom 28.12.2023 (dort S. 5) erläutert, nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeilte Wohnhäuser auf Grundstücken bis zu 1.600 qm handelt, ist zu berücksichtigen, dass der Bodenrichtwert aus Verkäufen innerhalb der ganzen Richtwertzone abgeleitet wird. Die hier in Rede stehende Richtwertzone ist nach den vom Kläger unwidersprochenen Ausführungen des FA mit überwiegend zweigeschossigen und maximal dreigeschossigen Wohnhäusern bebaut. Sie ist nicht geprägt durch Mehrfamilienhäuser „ab“ dreigeschossiger Bebauung, für den der Gutachterausschuss einen Abschlag wegen fehlender Aufteilung in Wohnungseigentum empfiehlt. Vor diesem Hintergrund hält der Senat einen Abschlag auf den Bodenrichtwert auf der Grundlage des maximalen vom Gutachterausschuss empfohlenen Prozentsatzes („von bis zu 30 %“) für zu hoch. Im Rahmen des nicht nur dem Sachverständigen, sondern auch dem Gericht eingeräumten Ermessens hinsichtlich der Abschlagshöhe bemisst der Senat den Abschlag mit 15 %.
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ee) Soweit der Sachverständige F wegen des „ungünstigen Zuschnitts des Grundstücks“ einen Abschlag von 10 % auf den Bodenrichtwert empfiehlt, folgt der Senat dem Gutachten (dort S. 29, 39).
42
Das fiktive Bodenrichtwertgrundstück hat laut der örtlichen Fachinformation des Gutachterausschusses der Stadt Y (dort S. ...) einen rechtwinkligen Zuschnitt mit einer Breite von mindestens 10 m. Das Grundstück des Klägers ist nicht rechtwinklig, sondern trapezförmig geschnitten und hat zum Gartenende nur eine Breite von 7,10 m. Die zweite Garage neben dem Haus kann wegen dieses Zuschnitts lediglich als Fahrradabstellplatz sowie als Durchgang zum Garten mit einer hinteren Breite von einem Meter genutzt werden (Ergänzungsschreiben des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 6). Der Senat teilt die Ansicht des Sachverständigen, dass Marktteilnehmer auf solche Abweichungen von der Norm mit einem Abschlag von 10 % reagieren.
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Anders als das FA meint, ändert der Umstand, dass das Grundstück gleichwohl maximal zulässig bebaut ist und auch bei einem rechteckigen Zuschnitt nicht mit mehr als einer GFZ von 1,0 bebaut werden könnte, daran nichts. Ferner rechtfertigt der Hinweis des FA auf eine Gartenausrichtung nach Westen keinen geringeren Abschlag. Zwar werden Kaufinteressenten möglicherweise bereit sein, für ein mit dem Garten nach Westen ausgerichtetes Grundstück einen höheren Preis zu zahlen, als für einen nach Norden ausgerichteten Garten. Allerdings würde dieses positive Merkmal der Grundstücksausrichtung durch den im Garten befindlichen 30 m hohen Laubbaum egalisiert, da dieser den Räumen im Souterrain und im Erdgeschoss ‒ wie der Sachverständige ausgeführt hat ‒ die Aussicht nimmt und sie verschattet.
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ff) Hinsichtlich der Frage, nach welcher Methode mehrere Zu- und Abschläge auf den Bodenrichtwert anzuwenden sind, folgt der Senat nicht der additiven Methode der Zu- und Abschlagsprozentsätze des Sachverständigen, sondern der vom Gutachterausschuss der Stadt Y empfohlenen faktoriellen, multiplikativen Methode. Danach sind die Prozente der Zu- und Abschläge zunächst in Faktoren umzurechnen und dann mit dem Bodenrichtwert zu multiplizieren (Anlage 3 zum Grundstücksmarktbericht 2016). Die faktorielle, multiplikative Anwendung ist gegenüber der additiven Anwendung der Zu- und Abschläge sachgerechter, da der zu ermittelnde Bodenwert nicht unter Null sinken kann, was bei der Methode des Sachverständigen möglich wäre (s. dazu Anlage 3 zum Grundstücksmarktbericht 2016). Auch wenn die Auswirkung auf die Höhe des Ertragswerts des Gebäudes ‒ wie der Sachverständige meint ‒ in einer Rundungsungenauigkeit untergehen sollte, erscheint die vom Gutachterausschuss der Stadt Y angewandte Methode sachgerechter und damit vorzugswürdig.
45
Unter Berücksichtigung der Anpassungsparameter ergibt sich ein Bodenwert für das Gebäude des Klägers zum 26.09.2016 von 215.730 Euro.
46
Ausgangswert 815,54 Euro
47
x 1,13 Anpassung an bauliche Nutzung
48
x 0,85 Anpassung abweichende Objektart
49
x 0,90 Anpassung Zuschnitt
50
704,99 Euro
51
rund 705 Euro x 306 qm = 215.730 Euro.
52
Den Verkehrswert des Grund und Bodens bemisst der Senat mit 215.700 Euro.
53
gg) Bei der Ermittlung des Gebäudewerts im Ertragswertverfahren folgt der Senat zur Berechnung des vorläufigen Ertragswerts der baulichen Anlagen dem Gutachten des Sachverständigen F, wobei sich auf Grund des vom Gericht angesetzten höheren Bodenwerts ein entsprechend höherer Abzug bei der Bodenwertverzinsung ergibt.
54
Marktüblich erzielbare Nettokaltmiete (lt. Gutachten)
28.609 Euro
Bewirtschaftungskosten (lt. Gutachten)
- 4.580 Euro
Jährlicher Reinertrag (lt. Gutachten)
24.029 Euro
Bodenwertverzinsung (2,75 % v. Bodenwert lt. Gutachten)
- 5.933 Euro
Reinertragsanteil der baulichen Anlagen
18.096 Euro
Barwertfaktor zur Kapitalisierung (lt. Gutachten)
x 21,1
vorläufiger Ertragswertanteil des Gebäudes
381.826 Euro
55
hh) Allerdings findet die Auffassung des Sachverständigen, die Differenz zwischen der marktüblich erzielbaren Nettokaltmiete und der am Bewertungsstichtag tatsächlich gezahlten Miete habe keine Auswirkung auf den Ertragswert des Gebäudes, seitens des Gerichts keine Zustimmung.
56
Nach dem übereinstimmenden Vortrag des Sachverständigen F, dem sich auch der Kläger angeschlossen hat, und des FA beträgt die marktüblich erzielbare Nettokaltmiete 28.609 Euro, während sich der tatsächliche Jahresrohertrag im Wertermittlungszeitpunkt nur auf 21.003,24 Euro belief (Ergänzungsschreiben des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 8; Schriftsatz des FA vom 19.10.2023, S. 5). Zu Recht weist das FA darauf hin, dass der Mietminderertrag von 7.606 Euro zu einem geringeren Gebäudeertrag führt und als ‒ bis zum Erreichen der marktüblichen Miete ‒ zu kapitalisierender Betrag in Form einer Wertminderung des Gebäudes zu berücksichtigen ist. Soweit der Sachverständige erläutert, der Kläger habe nach Abschluss der Renovierungsarbeiten eine Neuvermietung vornehmen wollen, ist zu berücksichtigen, dass sich die Renovierungsarbeiten nicht innerhalb eines Jahres durchführen ließen und zumindest bis in das Jahr 2019 hinein andauerten. Zum anderen sind die Mieterschutzregelungen zu beachten, nach denen eine Kündigung der Altmieter wegen geplanter Neuvermietung durch den Vermieter (so der Sachverständige im Ergänzungsschreiben vom 28.12.2023, S. 8) nicht möglich ist, sondern lediglich Mieterhöhungen unter Beachtung der Kappungsgrenzen in Betracht kommen. Die Wertminderung bemisst der Senat in Anlehnung an die Ausführungen des FA mit 14.900 Euro. Gegen die Berechnung im Schriftsatz des FA vom 19.10.2023 (dort S. 5) hat auch der Kläger keine Einwendungen erhoben.
57
ii) Der Ertragswert des Gebäudes beträgt unter Berücksichtigung eines Abzugs wegen Minderertrags von 14.900 Euro sowie eines ‒ unstreitigen ‒ vom Sachverständigen (Gutachten S. 4, 45) als zutreffend erachteten Abzugs von 50.000 Euro für Erhaltungsaufwendungen (Bäder, Bodenbeläge usw.) 316.926 Euro (381.826 Euro abzüglich 14.900 Euro, abzüglich 50.000 Euro). Der Senat bemisst den Verkehrswert des Gebäudes auf dem Grundstück Z zum 27.09.2016 mit 316.900 Euro.
58
e) Auf der Grundlage von Verkehrswerten für das Gebäude von 316.900 Euro und für den Grund und Boden von 215.700 Euro (Verkehrswert des gesamten Grundstücks 532.600 Euro) teilt der Senat die Anschaffungskosten für das Objekt i. H. von insgesamt 577.089 Euro (Kaufpreis 520.000 Euro zuzüglich Anschaffungsnebenkosten 57.089 Euro) im Verhältnis 59,5 % für das Gebäude zu 40,5 % für den Grund und Boden auf.
59
Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, sind die Anschaffungskosten nach dem „Verhältnis der Wertanteile“ von Boden- und Gebäudewert in Anschaffungskosten für den Grund und Boden sowie den Gebäudeanteil aufzuteilen (BFH-Urteile vom 29.10.2019 IX R 38/17, BStBl II 2021, 202, unter II.3.b; in BStBl II 2021, 372, unter II.1.c; in BStBl II 2024, 61, unter II.2.a). Dazu hat der BFH im Urteil vom 20.09.2022 (BStBl II 2024, 61, unter II.2.d dd) den Gebäudeertragswert und den Bodenwertanteil jeweils ins Verhältnis zum Gesamtertragswert gesetzt und die sich daraus ergebenden Prozentsätze als tauglich für eine Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf den Grund und Boden sowie auf das Gebäude erachtet. Die Ausführungen des Sachverständigen F zur Kaufpreisaufteilung auf der Grundlage eines umgekehrten Ertragswertverfahrens (Gutachten S. 51 sowie Ergänzungen des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 10 ff.) geben keinen Anlass, von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Aufteilung der Anschaffungskosten „nach dem Verhältnis“ der beiden zuvor gesondert ermittelten Boden- und Gebäudewertanteile abzuweichen.
60
f) Die AfA für das Gebäude Z für das Jahr 2016 (Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten im Oktober 2016) berechnet sich wie folgt:
61
Gesamtanschaffungskosten 577.089 Euro x 59,5 % = 343.368 Euro
62
2 % x 343.368 Euro x 3/12 = 1.717 Euro.
63
2. Soweit der Kläger eine Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für 2017 vom 10.03.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung begehrt, ist die Klage unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid ist bestandskräftig und kann im Rahmen der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage seitens des Gerichts nicht mehr geändert werden. Der Kläger hat innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids keinen Einspruch eingelegt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Einspruchsfrist kommt nicht in Betracht.
64
a) Der durch den Zentralversand des Rechenzentrums verschickte Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 10.03.2020 ist dem Kläger durch die Post übermittelt worden. Er gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, also am 13.03.2020 (Freitag) als bekanntgegeben. Die einmonatige Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) lief gemäß § 108 Abs. 3 AO nicht am 13.04.2020, sondern einen Tag später am 14.04.2020 (Dienstag nach Ostern) ab. Der vom Steuerberater des Klägers auf den 07.04.2020 datierte Einspruch ist jedoch erst am Donnerstag, 16.04.2020, also zwei Tage nach Ablauf der Einspruchsfrist beim FA eingegangen.
65
b) Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht erfüllt.
66
aa) Gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Antrag ist nach § 110 Abs. 2 Satz 1 AO innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Handlung nachgeholt worden, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 110 Abs. 2 Satz 4 AO).
67
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags innerhalb der Antragsfrist anzugeben, nur die Glaubhaftmachung kann in einem späteren Verfahren nachgeholt werden (BFH-Urteil vom 31.01.2017 IX R 19/16, BFH/NV 2017, 885, unter II.2.a; BFH-Beschluss vom 06.12.2011 XI B 3/11, BFH/NV 2012, 707, unter II.2.c). Dies gilt auch bei einer Wiedereinsetzung ohne Antrag nach § 110 Abs. 2 Satz 4 AO (BFH-Beschluss vom 04.11.2004 VI B 104/04, BFH/NV 2005, 326), denn durch die Nachholung der versäumten Handlung wird nur der Wiedereinsetzungsantrag ersetzt (BFH-Urteil vom 17.09.1987 III R 259/84, BFH/NV 1988, 681, unter 2.a). Es müssen mithin innerhalb der Antragsfrist von einem Monat diejenigen Umstände dargelegt werden, aus denen sich ergibt, dass kein Verschulden hinsichtlich der Versäumung der Rechtsbehelfsfrist vorliegt (BFH-Beschluss vom 14.12.2021 VIII 6/21, BFH/NV 2022, 332, unter II.2.a).
68
bb) Der Kläger ist diesem Wiedereinsetzungserfordernis nicht nachgekommen. Er hat zwar bereits zwei Tage nach Ablauf der Einspruchsfrist Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 10.03.2020 eingelegt und damit die ‒ zunächst ‒ versäumte Handlung nachgeholt. Allerdings hat er innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses keine Tatsachen vorgetragen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten.
69
Die einmonatige Frist des § 110 Abs. 2 AO beginnt mit „Wegfall des Hindernisses“. Das ist der Tag, an dem der Beteiligte oder sein Bevollmächtigter erkannt hat oder bei gebotener Sorgfalt hätte erkennen können, dass er die Frist versäumt hat (BFH-Urteil vom 01.10.1992 IV R 34/90, BStBl II 1993, 259, unter 1.; Rätke in Klein, AO, 17. Auflage, § 110 Rz. 101). Vorliegend war dies am 23.12.2022 der Fall, als das Gericht durch Schreiben des Berichterstatters darauf hingewiesen hatte, dass der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 10.03.2020 per Brief erst am 16.04.2020 beim FA eingegangen sei und deshalb um Mitteilung gebeten werde, ob das Einspruchsschreiben bereits zuvor per Telefax oder auf andere Art und Weise an das FA übermittelt worden sei. Spätestens auf Grund dieses Gerichtsschreibens hätten der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können, dass die Einspruchsfrist, die am 14.04.2020 abgelaufen war, nicht eingehalten wurde. Gleichwohl hat der Kläger erst mit Schriftsatz vom 01.02.2024 die Frage des Gerichts nach einem früheren Eingang des Einspruchsschreibens auf andere Art und Weise als per Brief konkludent verneint und erklärt, das Einspruchsschreiben vom 07.04.2020 sei von seinem damaligen Vertreter, Steuerberater H, ordnungsgemäß am 07.04.2020 zur Post gegeben worden. Vor dem Hintergrund dieser deutlich verspäteten Mitteilung eines möglichen Wiedereinsetzungsgrundes bedarf es keiner Entscheidung, ob die Schilderung des Klägers im Schriftsatz vom 01.02.2024, sein damaliger Steuerberater habe das Einspruchsschreiben am 07.04.2020 ordnungsgemäß zur Post gegeben, was sich aus dem Ausdruck einer Seite des Postausgangsbuchs ergebe, für die Darlegung einer schuldlosen Verhinderung der rechtzeitigen Einspruchseinlegung ausreichen würde.
70
3. Die Auferlegung der Errechnung der festzusetzenden Einkommensteuer für 2016 beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da die Ermittlung des festzusetzenden Betrags in Folge des zu berücksichtigen Progressionsvorbehalts für bestimmte Einkünfte einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert.
71
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
72
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2016 vom 24.01.2024 wird die Einkommensteuer für 2016 in der Weise festgesetzt, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Absetzung für Abnutzung für das Objekt Z mit 1.717 Euro statt mit 1.443 Euro berücksichtigt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer für 2016 wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 93/100 und der Beklagte zu 7/100.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
1
Tatbestand:
2
Streitig ist die Aufteilung des Kaufpreises für ein vermietetes Dreifamilienhaus auf das Gebäude und den Grund und Boden sowie, ob die Aufwendungen für im Jahr 2017 getätigte Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten zu nachträglichen Herstellungskosten oder sofort abzugsfähigen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen.
3
Der Kläger erwarb auf Grund eines Kaufvertrags vom 27.09.2016 das mit einem Dreifamilienhaus bebaute Grundstück Z. Im Kaufvertrag für das vermietete Objekt war festgehalten, dass von dem Kaufpreis i. H. von 520.000 Euro auf den Grund und Boden 170.000 Euro und auf das Gebäude 350.000 Euro entfielen. Die Anschaffungsnebenkosten beliefen sich auf 57.089 Euro.
4
In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 gab der Kläger für das Haus eine Absetzung für Abnutzung (AfA) für drei Monate i. H. von insgesamt 2.036 Euro als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an, die der Beklagte (das Finanzamt ‒ FA ‒) in einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid zunächst berücksichtigte. Nach zwei, den Streitpunkt nicht betreffenden Änderungen, änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 2016 am 08.11.2018 erneut und ließ nur noch eine AfA i. H. von 1.443 Euro zum Abzug zu. Zuvor hatte der Bausachverständige des Finanzamts C, ..., am 10.08.2018 auf Anforderung des FA eine baufachliche Stellungnahme abgegeben, wonach die Anschaffungskosten für das Grundstück mit jeweils 50 % auf das Gebäude sowie den Grund und Boden entfielen.
5
Im Laufe des sich anschließenden Einspruchsverfahrens änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 2016 aus hier nicht relevanten Gründen nochmals und erließ am 10.03.2020 einen Einkommensteuerbescheid für 2017. Darin berücksichtigte es die AfA mit 5.771 Euro anstelle der vom Kläger in der Einkommensteuererklärung angegebenen AfA von 7.855 Euro und Instandhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen i. H. von 41.732 Euro. Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 07.04.2020 Einspruch ein, das beim FA am 16.04.2020 einging. Während des Einspruchsverfahren erließ das FA wegen zwei anderer ‒ hier nicht streitiger ‒ Vermietungsobjekte am 27.05.2020 einen Änderungsbescheid für 2017 und hob den bisherigen Vorbehalt der Nachprüfung auf.
6
Zur Begründung der beiden Einsprüche bezog sich der Kläger auf eine von ihm in Auftrag gegebene Stellungnahme zur Kaufpreisaufteilung des Dipl.-Ing. D vom 03.11.2018. Dieser gelangte zu der Auffassung, der Bodenwert gemäß der Bodenrichtwertkarte betrage unter Berücksichtigung eines Anpassungsfaktors von -10 % im Anschaffungszeitpunkt 214.812 Euro. Der Marktwerkt für das gesamte bebaute Grundstück belaufe sich unter Annahme einer Wohnfläche von 305 qm auf 605.925 Euro, wovon nach Substraktion des Bodenwerts 391.113 Euro auf das Gebäude entfielen. Die sich daraus ergebende Aufteilung der Anschaffungskosten im Verhältnis 35 % für den Grund und Boden sowie 65 % für das Gebäude zeige, dass der Parteiwille hinsichtlich der Aufteilung des Kaufpreises im Kaufvertrag marktkonform gewesen sei (Stellungnahme vom 12.02.2020).
7
Das FA wies die Einsprüche mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom 20.04.2021 als unbegründet zurück. Die Bemessungsgrundlage für die AfA betrage 288.545 Euro, was 50 % der Anschaffungskosten entspreche. Dazu werde auf die Stellungnahme der Bausachverständigen des Finanzamts C vom 11.02.2021, Dipl.-Ing. E, Bezug genommen. Die AfA betrage somit für 2016 zeitanteilig 1.443 Euro und 5.771 Euro für 2017.
8
Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, das FA gehe zu Unrecht von einer Kaufpreisaufteilung zu je 50 % für Grund und Boden einerseits und den Gebäudeanteil andererseits aus. Eine Korrektur der von den Parteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf den Grund und Boden sowie das Gebäude sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehle und wirtschaftlich nicht haltbar erscheine (BFH-Urteil vom 16.09.2015 IX R 12/14, Bundessteuerblatt ‒ BStBl ‒ II 2016, 397).
9
Entgegen der Ansicht des FA bestünden an der im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreisaufteilung ‒ 33 % für den Grund und Boden sowie 67 % für das Gebäude ‒ keine Zweifel. Die innerdienstlichen Stellungnahmen der Bausachverständigen hätten sich nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen des konkreten Bauobjekts auseinandergesetzt. Weder der ungünstige Grundstückszuschnitt, die ungünstig geschnittenen Grundstücksaufbauten, die schlechte Belichtungssituation, das erhöhte Verkehrsaufkommen und die damit verbundene Lärmbelästigung, noch der verminderte Wohnwert durch ein sich vollständig im Souterrain befindliches Geschoss seien durch das FA mindernd in Ansatz gebracht worden. Gleichzeitig sei die leicht überdurchschnittliche Ausstattung und die erst jüngst erfolgte Erneuerung der Anlagentechnik des Gebäudes außer Acht gelassen worden.
10
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass in den Erhaltungsaufwendungen der ersten drei Jahre nach Anschaffung der Immobilie i. H. von insgesamt 63.600 Euro jährlich übliche Aufwendungen von insgesamt 1.899,55 Euro (brutto) sowie kleine laufende Schönheitsreparaturen i. H. von 4.050,46 Euro (brutto) enthalten seien, die im Rahmen der sog. 15 %-Grenze unberücksichtigt bleiben müssten.
11
Auf Grund eines Hinweises des Berichterstatters vom 23.12.2022, dass der Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 10.03.2020 erst am 16.04.2020 beim FA eingegangen sei, und der damit verbundenen Frage, ob das Einspruchsschreiben bereits zuvor per Telefax oder auf andere Art und Weise an das FA übermittelt worden sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 01.02.2024 erklärt, das Einspruchsschreiben sei vom damaligen Steuerberater mit Datum vom 07.04.2020 ordnungsgemäß zur Post gegeben worden. Dazu hat er einen Ausdruck des elektronischen Postausgangsbuchs seines Steuerberaters vorgelegt.
12
Während des Klageverfahrens hat das FA den Einkommensteuerbescheid für 2016 am 24.01.2024 wegen der Auswertung mehrerer Feststellungsbescheide erneut geändert.
13
Der Kläger beantragt,
14
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2016 vom 24.01.2024 und des Einkommensteuerbescheids für 2017 vom 10.03.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2021 die Einkommensteuer für 2016 und 2017 in der Weise festzusetzen, dass als AfA-Bemessungsgrundlage vom Kaufpreis für das Grundstück Z 77,1 % auf das Gebäude fallen.
15
Das FA beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Zur Begründung führt es aus, die Aufteilung des Kaufpreises im Vertrag vom 27.09.2016 mit 33 % für den Grund und Boden sowie 67 % für das Gebäude weiche erheblich von den realen Werten für Gebäude sowie Grund und Boden ab. Die vom Kläger angeführten ungünstigen tatsächlichen Verhältnisse würden sich grundsätzlich im Kaufpreis widerspiegeln. Im Übrigen werde auf die baufachlichen Stellungnahmen der beiden Bausachverständigen des Finanzamts C verwiesen.
18
Die jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwendungen i. H. von insgesamt 1.899,50 Euro könnten ‒ wie vom Kläger erläutert ‒ bei der Bemessung der 15 %-Grenze unberücksichtigt bleiben. Dies gelte jedoch nicht für den vom Kläger genannten Betrag von 4.050,56 Euro für „kleine Schönheitsreparaturen“, da diese in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen stünden.
19
Das Gericht hat zu den Verkehrswerten des Gebäudes und des Grund und Bodens des in Rede stehenden Grundstücks auf den 27.09.2016 mit Beschluss vom 22.03.2023 Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing. F. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 07.09.2023 sowie die Ergänzungen des Sachverständigen vom 28.12.2023 Bezug genommen.
20
Das FA hält ‒ anders als der Kläger ‒ die Ermittlung der Verkehrswerte für den Grund und Boden sowie das Gebäude durch den Sachverständigen für fehlerhaft. Der Grund- und Bodenwertanteil des Kaufpreises betrage 41,9 % und der des Gebäudes 58,1 %. Wegen der Einzelheiten zur Kritik am Gutachten wird auf die Stellungnahmen des FA vom 19.10.2023 sowie vom 25.01.2024 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
22
Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als die AfA für das vermietete Dreifamilienhaus Z im Streitjahr 2016 mit 1.717 Euro statt mit 1.443 Euro zu berücksichtigen ist. Im Übrigen ist sie unbegründet.
23
1. Das Begehren des Klägers, den Einkommensteuerbescheid für 2016 in Folge einer höheren AfA zu seinen Gunsten zu ändern, hat nur teilweise Erfolg.
24
Die Höhe der Gebäude-AfA richtet sich nach den Anschaffungskosten für das Gebäude (§ 7 Abs. 4 EStG). Deren Höhe bildet die Grundlage für die Bemessungsgrundlage der AfA. Ihre Ermittlung obliegt dem FA im Einspruchsverfahren und dem Finanzgericht (FG) als Tatsacheninstanz im Klageverfahren. Dies gilt auch für die Aufteilung der Anschaffungskosten von Gebäude einerseits und dazugehörendem Grund und Boden andererseits (BFH in BStBl II 2016, 397, unter II.1.a).
25
a) Wurde ‒ wie vorliegend ‒ im Kaufvertrag eine entsprechende Kaufpreisaufteilung vorgenommen, sind die vereinbarten und bezahlten Anschaffungskosten nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich auch der Besteuerung zu Grunde zu legen (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2016, 397, unter II.1.b; vom 21.07.2020 IX R 26/19, BStBl II 2021, 372, unter II.1.a). Allerdings können die Kaufvertragsparteien wegen der gebotenen Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung auch mit einer nach allgemeinen Grundsätzen der Besteuerung zu Grunde zu legenden Vereinbarung, die also weder zum Schein abgeschlossen noch missbräuchlich ist, nicht die Höhe der Steuer des Käufers ‒ konkret seine AfA ‒ gestalten. Im Rahmen der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage ist mithin im Einzelfall zu prüfen, ob nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen (BFH in BStBl II 2016, 397, unter II.1.c m.w.N.). Eine Korrektur der von den Parteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf Grund und Boden sowie Gebäude ist dann geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint (BFH in BStBl II 2021, 372, unter II.1.a m.w.N.).
26
b) Im Streitfall bestehen nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung des Kaufpreises für das Grundstück Z. Diese ergeben sich aus der erheblichen Abweichung zwischen dem im Kaufvertrag ausgewiesenen Kaufpreis für den Grund und Boden i. H. von 170.000 Euro und dem Bodenrichtwert auf den 01.01.2016 von 241.740 Euro (306 qm x Bodenrichtwert zum 01.01.2016 i. H. von 790 Euro). Der vereinbarte Kaufpreisanteil unterschreitet den Bodenrichtwert um rund 30 % und damit mehr als nur geringfügig (vgl. Thüringer FG, Urteil vom 20.02.2008 III 740/02, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1140, unter 2.a, das ein Unterschreiten bis zu 10 % als geringfügig ansieht). Zwar handelt es sich bei einer Differenz zum Bodenrichtwert nur um ein widerlegbares Indiz, dass die vertragliche Aufteilung möglicherweise die Werte nicht angemessen wiedergibt (BFH in BStBl II 2016, 397, unter II.1.c). Im Rahmen der vom Senat vorgenommenen Aufklärung der Gesamtumstände des Kaufobjekts und des erhobenen Sachverständigenbeweises ist dieses Indiz jedoch nicht durch andere Indizien entkräftet worden. Dabei hat der Senat im Rahmen der ihm obliegenden Schätzung des Wertes für den Grund und Boden unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen den Verkehrswert des Bodens mit 215.700 Euro ermittelt (siehe dazu unter 1.d aa-ff). Der vereinbarte Kaufpreisanteil laut Kaufvertrag i. H. von 170.000 Euro unterschreitet auch diesen Wert um mehr als 20 % und damit nicht nur geringfügig.
27
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass auch der Kläger die zwischen ihm und dem Verkäufer vereinbarte Kaufpreisaufteilung trotz seiner anderslautenden schriftsätzlichen Ausführungen für verfehlt erachtet, da er eine davon abweichende Aufteilung auf der Grundlage des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens begehrt.
28
c) Kann eine vereinbarte Kaufpreisaufteilung ‒ wie hier ‒ nicht der Besteuerung zu Grunde gelegt werden, ist sie vom Gericht durch eine Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude zu ersetzen (BFH in BStBl II 2021, 372, unter II.1.b). Dabei hat das Gericht die Frage, nach welchem Wertermittlungsverfahren die Kaufpreisaufteilung vorzunehmen ist, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten (BFH in BStBl II 2021, 372, unter II.1.b m.w.N.).
29
aa) Bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises sind nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, zunächst Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Grund- und Bodenanteil und den Gebäudeanteil aufzuteilen (BFH in BStBl II 2021, 372, unter II.1.c). Für die Schätzung des Werts des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils kann die Immobilienwertermittlungsvererordnung ‒ ImmoWertV ‒ herangezogen werden, denn sie enthält anerkannte Grund-sätze für die Schätzung von Verkehrswerten von Grundstücken (BFH-Urteil vom 20.09.2022 IX R 12/21, BStBl II 2024, 61, unter II.2.a). Nach deren Bestimmungen ist der Verkehrswert mit Hilfe des Vergleichswertverfahrens, des Ertragswertverfahrens, des Sachwertverfahrens oder mehrerer dieser Verfahren zu ermitteln (§ 8 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV in der zum Wertermittlungsstichtag geltenden Fassung). Welcher dieser Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Dabei stehen die Wertermittlungsverfahren einander gleichwertig gegenüber (BFH in BStBl II 2021, 372, unter II.1.c m.w.N.).
30
Im Hinblick auf die Wahl des Bewertungsverfahrens zur Ermittlung der Verkehrswerte von Grund und Boden sowie Gebäude hatte der BFH in der Vergangenheit bei Mietwohngrundstücken im Privatvermögen im Regelfall eine Kaufpreisaufteilung unter Anwendung des Sachwertverfahrens mit der Erwägung für angebracht gehalten, dass für den Erwerb einer solchen Immobilie neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend sein könne (BFH-Urteil vom 29.05.2008 IX R 36/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH ‒ BFH/NV ‒ 2006, 1668, II.2.). In jüngerer Zeit hat der BFH seine Rechtsprechung dahin fortentwickelt, dass bei Mietwohngebäuden auch das Ertragswertverfahren anzuwenden sein könne, wenn es sich um ein Renditeobjekt handele (vgl. BFH in BStBl II 2024, 61, unter II.2.b dd, m.w.N.). So hat er inzwischen ausdrücklich entschieden, vor dem Hintergrund, dass im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung auch reine Wohnimmobilien als Renditeobjekte angesehen würden, verbiete es sich, das Ertragswertverfahren außerhalb der Bewertung von Geschäftsgrundstücken von vornherein für weniger geeignet und damit für nachrangig zu halten (BFH in BStBl II 2024, 61, unter II.2.c cc).
31
bb) Im Streitfall legt der Senat der Bestimmung der Verkehrswerte von Grund und Boden sowie des Gebäudes das Ertragswertverfahren zu Grunde. Es handelt sich bei dem Objekt Z um ein Dreifamilienhaus, dessen Wohnungen im Zeitpunkt der Anschaffung an drei Mietparteien vermietet waren und mit dem der Kläger auch weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen wollte. Es stellt sich für ihn als Renditeobjekt dar. Die Beteiligten haben keine Einwendungen gegen die Wahl des Ertragswertverfahrens zur Ermittlung der Verkehrswerte von Grund und Gebäude in dem im Rahmen der Beweiserhebung seitens des Gerichts eingeholten Sachverständigengutachten erhoben. Das FA hat seiner Verkehrswertermittlung ebenfalls das Ertragswertverfahren zu Grunde gelegt. Der Senat schließt sich hinsichtlich des Wertermittlungsverfahrens dem Sachverständigengutachten an und verzichtet deshalb darauf, den Sachverständigen F mit einem Ergänzungsgutachten zu beauftragen, in dem die Verkehrswerte von Grund und Gebäude zusätzlich durch Anwendung des Sachwertverfahrens zu ermitteln wären.
32
d) Unter Anwendung des Ertragswertverfahrens schätzt der Senat den Verkehrswert des Grundstücks Z zum 27.09.2016 auf insgesamt 532.600 Euro, der sich aus den Verkehrswerten für den Grund und Boden von 215.700 Euro sowie für das Gebäude von 316.900 Euro zusammensetzt. Dabei folgt er im Grundsatz dem Gutachten des Sachverständigen F vom 07.09.2023, dem der Kläger in vollem Umfang zugestimmt hat. Allerdings weicht der Senat im Rahmen seiner Schätzungsbefugnis hinsichtlich des Werts des Grund und Bodens in vier Punkten (unter 1.d bb-dd, ff) und des Werts des Gebäudes in einem Punkt (unter 1.d hh) von dem Gutachten ab.
33
aa) Der Sachverständige F legt einen Bodenrichtwert laut Richtwertkarte des Gutachterausschusses der Stadt Y von 790 Euro je Quadratmeter für das 306 qm große Grundstück zum 01.01.2016 zu Grunde und nimmt wegen des Wertermittlungsstichtags 27.09.2016 einen Zuschlag von 4,37 % = 25,54 Euro vor, so dass sich ein Wert je Quadratmeter von 815,54 Euro ergibt. Der Senat erachtet dies ‒ in Übereinstimmung mit den Beteiligten ‒ als zutreffend.
34
bb) Anders als im Gutachten des Sachverständigen ausgeführt, nimmt der Senat jedoch keinen Abschlag wegen einer „abweichenden Wohnlage innerhalb der Zone“ (Gutachten S. 29, 38, Anlage 3 sowie Ergänzungen des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 6) vor. Das „Richtwertgrundstück“ der Richtwertzone und das Grundstück des Klägers befinden sich nicht ‒ wie der Gutachter meint ‒ in „abweichenden“ Wohnlagen. Vielmehr liegen beide Grundstücke, wie sich aus der Wohnlagenkarte (Anlage 3 des Gutachtens) ergibt, in einer „guten“ Wohnlage. Eine vom Sachverständigen vorgenommene Unterteilung innerhalb der guten Wohnlage in „Unterwohnlagengruppen“, die er auf der Grundlage von Rohdaten der Firma G vorgenommen hat, kennt der Gutachterausschuss der Stadt Y, der die Bodenrichtwerte ermittelt, nicht. Die vom Sachverständigen vergebenen ‒ mal höheren, mal niedrigeren ‒ Kennzahlen innerhalb der „guten“ Wohnlage für „Unterwohnlagengruppen“ innerhalb der Richtwertzone beruhen auf Mietwerten. Eine Differenzierung nach straßenbezogenen Mieterträgen, die nicht nur von der Lage des Mietobjekts abhängen, sondern auch vom Zustand der Gebäude, ist innerhalb der Richtwertzone jedenfalls dann nicht angezeigt, wenn sich ‒ wie hier ‒ das „Richtwertgrundstück“ und das Bewertungsgrundstück in derselben Wohnlagenklasse „gute Wohnlage“ befinden.
35
cc) Den Zuschlag zur „Anpassung an das abweichende Maß der baulichen Nutzung“ (Gutachten S. 29, 39 sowie Ergänzungen des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 3 f.) bemisst der Senat abweichend vom Gutachten des Sachverständigen nicht nur mit 6 %, sondern mit 13 %.
36
Zutreffend beschreibt der Sachverständige die in der Bodenrichtwertdefinition angegebene Geschossflächenzahl (GFZ) mit 0,8, so dass für besser ausgenutzte Grundstücke, also solche mit einer höheren GFZ, ein Zuschlag zu machen ist. Allerdings beträgt die GFZ des Grundstücks des Klägers nicht ‒ wie vom Gutachter angenommen ‒ 0,9, sondern 1,0. Das FA weist zu Recht darauf hin, dass die Bruttogeschossfläche eines ausgebauten Untergeschosses gemäß der Bodenrichtwertrichtlinie vom 11.01.2011 mit 30 % der darüber liegenden Geschossfläche zu berücksichtigen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Räume der Wohnung im Erdgeschoss mit denen im Untergeschoss ‒ wie hier ‒ durch eine in der Wohnung liegenden Wendeltreppe oder eine andere Treppenart verbunden ist. Die Bruttogeschossfläche des Hauses beträgt somit 314 qm (Schriftsatz des FA vom 19.10.2023, S. 3) und nicht nur 289 qm (Gutachten, S. 24, Anlage 13). Der Vorgehensweise des Sachverständigen ist hinsichtlich der Nichtberücksichtigung des Souterrains bei der Berechnung der Bruttogeschossfläche des Hauses auch deshalb nicht zu folgen, weil er das Souterrain (Grundfläche 104 qm) im Rahmen der Wohnflächenberechnung ‒ unstreitig und zu Recht ‒ mit rund 56 qm berücksichtigt hat.
37
Auf der Grundlage einer Bruttogeschossfläche von 314 qm beträgt die GFZ 1,0 (Geschossfläche 314 qm : 306 qm Fläche des Grund und Bodens). Der Zuschlag für die bessere Grundstücksausnutzung bei einer GFZ von 1,0 gegenüber der Richtwertnorm einer GFZ von 0,8 beträgt nach der Tabelle auf S. ... der örtlichen Fachinformation des Gutachterausschusses der Stadt Y 13 %.
38
dd) Der Senat vermag dem Sachverständigen auch hinsichtlich der Höhe eines Abschlags von 30 % auf den Bodenrichtwert wegen einer „Berücksichtigung der abweichenden Objektart“ (Gutachten S. 29, 39 sowie Ergänzungen des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 5) nicht in Gänze zu folgen. Er erachtet einen Abschlag von 15 % als sachgerecht.
39
Die Bodenrichtwerte sind durch Grundstückskäufe zur Begründung von Wohnungs- und Teileigentum geprägt. Nach der örtlichen Fachinformation des Gutachterausschusses der Stadt Y (dort S. ...) kann in Bereichen, in denen der klassische Mehrfamilienhausbau die ortstypische Bebauung darstellt, für Mehrfamilienhäuser ‒ in Wohn- und Mischgebieten mit in der Regel ab dreigeschossiger Bebauung ‒ ein Abschlag vom Bodenrichtwert sachverständig „von bis zu 30 %“ vorgenommen werden.
40
Auch wenn es sich bei den im Bereich des „Richtwertgrundstücks“ gelegenen Wohnhäusern in der X-Straße um solche, wie der Sachverständige im Ergänzungsschreiben vom 28.12.2023 (dort S. 5) erläutert, nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeilte Wohnhäuser auf Grundstücken bis zu 1.600 qm handelt, ist zu berücksichtigen, dass der Bodenrichtwert aus Verkäufen innerhalb der ganzen Richtwertzone abgeleitet wird. Die hier in Rede stehende Richtwertzone ist nach den vom Kläger unwidersprochenen Ausführungen des FA mit überwiegend zweigeschossigen und maximal dreigeschossigen Wohnhäusern bebaut. Sie ist nicht geprägt durch Mehrfamilienhäuser „ab“ dreigeschossiger Bebauung, für den der Gutachterausschuss einen Abschlag wegen fehlender Aufteilung in Wohnungseigentum empfiehlt. Vor diesem Hintergrund hält der Senat einen Abschlag auf den Bodenrichtwert auf der Grundlage des maximalen vom Gutachterausschuss empfohlenen Prozentsatzes („von bis zu 30 %“) für zu hoch. Im Rahmen des nicht nur dem Sachverständigen, sondern auch dem Gericht eingeräumten Ermessens hinsichtlich der Abschlagshöhe bemisst der Senat den Abschlag mit 15 %.
41
ee) Soweit der Sachverständige F wegen des „ungünstigen Zuschnitts des Grundstücks“ einen Abschlag von 10 % auf den Bodenrichtwert empfiehlt, folgt der Senat dem Gutachten (dort S. 29, 39).
42
Das fiktive Bodenrichtwertgrundstück hat laut der örtlichen Fachinformation des Gutachterausschusses der Stadt Y (dort S. ...) einen rechtwinkligen Zuschnitt mit einer Breite von mindestens 10 m. Das Grundstück des Klägers ist nicht rechtwinklig, sondern trapezförmig geschnitten und hat zum Gartenende nur eine Breite von 7,10 m. Die zweite Garage neben dem Haus kann wegen dieses Zuschnitts lediglich als Fahrradabstellplatz sowie als Durchgang zum Garten mit einer hinteren Breite von einem Meter genutzt werden (Ergänzungsschreiben des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 6). Der Senat teilt die Ansicht des Sachverständigen, dass Marktteilnehmer auf solche Abweichungen von der Norm mit einem Abschlag von 10 % reagieren.
43
Anders als das FA meint, ändert der Umstand, dass das Grundstück gleichwohl maximal zulässig bebaut ist und auch bei einem rechteckigen Zuschnitt nicht mit mehr als einer GFZ von 1,0 bebaut werden könnte, daran nichts. Ferner rechtfertigt der Hinweis des FA auf eine Gartenausrichtung nach Westen keinen geringeren Abschlag. Zwar werden Kaufinteressenten möglicherweise bereit sein, für ein mit dem Garten nach Westen ausgerichtetes Grundstück einen höheren Preis zu zahlen, als für einen nach Norden ausgerichteten Garten. Allerdings würde dieses positive Merkmal der Grundstücksausrichtung durch den im Garten befindlichen 30 m hohen Laubbaum egalisiert, da dieser den Räumen im Souterrain und im Erdgeschoss ‒ wie der Sachverständige ausgeführt hat ‒ die Aussicht nimmt und sie verschattet.
44
ff) Hinsichtlich der Frage, nach welcher Methode mehrere Zu- und Abschläge auf den Bodenrichtwert anzuwenden sind, folgt der Senat nicht der additiven Methode der Zu- und Abschlagsprozentsätze des Sachverständigen, sondern der vom Gutachterausschuss der Stadt Y empfohlenen faktoriellen, multiplikativen Methode. Danach sind die Prozente der Zu- und Abschläge zunächst in Faktoren umzurechnen und dann mit dem Bodenrichtwert zu multiplizieren (Anlage 3 zum Grundstücksmarktbericht 2016). Die faktorielle, multiplikative Anwendung ist gegenüber der additiven Anwendung der Zu- und Abschläge sachgerechter, da der zu ermittelnde Bodenwert nicht unter Null sinken kann, was bei der Methode des Sachverständigen möglich wäre (s. dazu Anlage 3 zum Grundstücksmarktbericht 2016). Auch wenn die Auswirkung auf die Höhe des Ertragswerts des Gebäudes ‒ wie der Sachverständige meint ‒ in einer Rundungsungenauigkeit untergehen sollte, erscheint die vom Gutachterausschuss der Stadt Y angewandte Methode sachgerechter und damit vorzugswürdig.
45
Unter Berücksichtigung der Anpassungsparameter ergibt sich ein Bodenwert für das Gebäude des Klägers zum 26.09.2016 von 215.730 Euro.
46
Ausgangswert 815,54 Euro
47
x 1,13 Anpassung an bauliche Nutzung
48
x 0,85 Anpassung abweichende Objektart
49
x 0,90 Anpassung Zuschnitt
50
704,99 Euro
51
rund 705 Euro x 306 qm = 215.730 Euro.
52
Den Verkehrswert des Grund und Bodens bemisst der Senat mit 215.700 Euro.
53
gg) Bei der Ermittlung des Gebäudewerts im Ertragswertverfahren folgt der Senat zur Berechnung des vorläufigen Ertragswerts der baulichen Anlagen dem Gutachten des Sachverständigen F, wobei sich auf Grund des vom Gericht angesetzten höheren Bodenwerts ein entsprechend höherer Abzug bei der Bodenwertverzinsung ergibt.
54
Marktüblich erzielbare Nettokaltmiete (lt. Gutachten)
28.609 Euro
Bewirtschaftungskosten (lt. Gutachten)
- 4.580 Euro
Jährlicher Reinertrag (lt. Gutachten)
24.029 Euro
Bodenwertverzinsung (2,75 % v. Bodenwert lt. Gutachten)
- 5.933 Euro
Reinertragsanteil der baulichen Anlagen
18.096 Euro
Barwertfaktor zur Kapitalisierung (lt. Gutachten)
x 21,1
vorläufiger Ertragswertanteil des Gebäudes
381.826 Euro
55
hh) Allerdings findet die Auffassung des Sachverständigen, die Differenz zwischen der marktüblich erzielbaren Nettokaltmiete und der am Bewertungsstichtag tatsächlich gezahlten Miete habe keine Auswirkung auf den Ertragswert des Gebäudes, seitens des Gerichts keine Zustimmung.
56
Nach dem übereinstimmenden Vortrag des Sachverständigen F, dem sich auch der Kläger angeschlossen hat, und des FA beträgt die marktüblich erzielbare Nettokaltmiete 28.609 Euro, während sich der tatsächliche Jahresrohertrag im Wertermittlungszeitpunkt nur auf 21.003,24 Euro belief (Ergänzungsschreiben des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 8; Schriftsatz des FA vom 19.10.2023, S. 5). Zu Recht weist das FA darauf hin, dass der Mietminderertrag von 7.606 Euro zu einem geringeren Gebäudeertrag führt und als ‒ bis zum Erreichen der marktüblichen Miete ‒ zu kapitalisierender Betrag in Form einer Wertminderung des Gebäudes zu berücksichtigen ist. Soweit der Sachverständige erläutert, der Kläger habe nach Abschluss der Renovierungsarbeiten eine Neuvermietung vornehmen wollen, ist zu berücksichtigen, dass sich die Renovierungsarbeiten nicht innerhalb eines Jahres durchführen ließen und zumindest bis in das Jahr 2019 hinein andauerten. Zum anderen sind die Mieterschutzregelungen zu beachten, nach denen eine Kündigung der Altmieter wegen geplanter Neuvermietung durch den Vermieter (so der Sachverständige im Ergänzungsschreiben vom 28.12.2023, S. 8) nicht möglich ist, sondern lediglich Mieterhöhungen unter Beachtung der Kappungsgrenzen in Betracht kommen. Die Wertminderung bemisst der Senat in Anlehnung an die Ausführungen des FA mit 14.900 Euro. Gegen die Berechnung im Schriftsatz des FA vom 19.10.2023 (dort S. 5) hat auch der Kläger keine Einwendungen erhoben.
57
ii) Der Ertragswert des Gebäudes beträgt unter Berücksichtigung eines Abzugs wegen Minderertrags von 14.900 Euro sowie eines ‒ unstreitigen ‒ vom Sachverständigen (Gutachten S. 4, 45) als zutreffend erachteten Abzugs von 50.000 Euro für Erhaltungsaufwendungen (Bäder, Bodenbeläge usw.) 316.926 Euro (381.826 Euro abzüglich 14.900 Euro, abzüglich 50.000 Euro). Der Senat bemisst den Verkehrswert des Gebäudes auf dem Grundstück Z zum 27.09.2016 mit 316.900 Euro.
58
e) Auf der Grundlage von Verkehrswerten für das Gebäude von 316.900 Euro und für den Grund und Boden von 215.700 Euro (Verkehrswert des gesamten Grundstücks 532.600 Euro) teilt der Senat die Anschaffungskosten für das Objekt i. H. von insgesamt 577.089 Euro (Kaufpreis 520.000 Euro zuzüglich Anschaffungsnebenkosten 57.089 Euro) im Verhältnis 59,5 % für das Gebäude zu 40,5 % für den Grund und Boden auf.
59
Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, sind die Anschaffungskosten nach dem „Verhältnis der Wertanteile“ von Boden- und Gebäudewert in Anschaffungskosten für den Grund und Boden sowie den Gebäudeanteil aufzuteilen (BFH-Urteile vom 29.10.2019 IX R 38/17, BStBl II 2021, 202, unter II.3.b; in BStBl II 2021, 372, unter II.1.c; in BStBl II 2024, 61, unter II.2.a). Dazu hat der BFH im Urteil vom 20.09.2022 (BStBl II 2024, 61, unter II.2.d dd) den Gebäudeertragswert und den Bodenwertanteil jeweils ins Verhältnis zum Gesamtertragswert gesetzt und die sich daraus ergebenden Prozentsätze als tauglich für eine Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf den Grund und Boden sowie auf das Gebäude erachtet. Die Ausführungen des Sachverständigen F zur Kaufpreisaufteilung auf der Grundlage eines umgekehrten Ertragswertverfahrens (Gutachten S. 51 sowie Ergänzungen des Sachverständigen vom 28.12.2023, S. 10 ff.) geben keinen Anlass, von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Aufteilung der Anschaffungskosten „nach dem Verhältnis“ der beiden zuvor gesondert ermittelten Boden- und Gebäudewertanteile abzuweichen.
60
f) Die AfA für das Gebäude Z für das Jahr 2016 (Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten im Oktober 2016) berechnet sich wie folgt:
61
Gesamtanschaffungskosten 577.089 Euro x 59,5 % = 343.368 Euro
62
2 % x 343.368 Euro x 3/12 = 1.717 Euro.
63
2. Soweit der Kläger eine Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für 2017 vom 10.03.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung begehrt, ist die Klage unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid ist bestandskräftig und kann im Rahmen der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage seitens des Gerichts nicht mehr geändert werden. Der Kläger hat innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids keinen Einspruch eingelegt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Einspruchsfrist kommt nicht in Betracht.
64
a) Der durch den Zentralversand des Rechenzentrums verschickte Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 10.03.2020 ist dem Kläger durch die Post übermittelt worden. Er gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, also am 13.03.2020 (Freitag) als bekanntgegeben. Die einmonatige Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) lief gemäß § 108 Abs. 3 AO nicht am 13.04.2020, sondern einen Tag später am 14.04.2020 (Dienstag nach Ostern) ab. Der vom Steuerberater des Klägers auf den 07.04.2020 datierte Einspruch ist jedoch erst am Donnerstag, 16.04.2020, also zwei Tage nach Ablauf der Einspruchsfrist beim FA eingegangen.
65
b) Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht erfüllt.
66
aa) Gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Antrag ist nach § 110 Abs. 2 Satz 1 AO innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Handlung nachgeholt worden, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 110 Abs. 2 Satz 4 AO).
67
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags innerhalb der Antragsfrist anzugeben, nur die Glaubhaftmachung kann in einem späteren Verfahren nachgeholt werden (BFH-Urteil vom 31.01.2017 IX R 19/16, BFH/NV 2017, 885, unter II.2.a; BFH-Beschluss vom 06.12.2011 XI B 3/11, BFH/NV 2012, 707, unter II.2.c). Dies gilt auch bei einer Wiedereinsetzung ohne Antrag nach § 110 Abs. 2 Satz 4 AO (BFH-Beschluss vom 04.11.2004 VI B 104/04, BFH/NV 2005, 326), denn durch die Nachholung der versäumten Handlung wird nur der Wiedereinsetzungsantrag ersetzt (BFH-Urteil vom 17.09.1987 III R 259/84, BFH/NV 1988, 681, unter 2.a). Es müssen mithin innerhalb der Antragsfrist von einem Monat diejenigen Umstände dargelegt werden, aus denen sich ergibt, dass kein Verschulden hinsichtlich der Versäumung der Rechtsbehelfsfrist vorliegt (BFH-Beschluss vom 14.12.2021 VIII 6/21, BFH/NV 2022, 332, unter II.2.a).
68
bb) Der Kläger ist diesem Wiedereinsetzungserfordernis nicht nachgekommen. Er hat zwar bereits zwei Tage nach Ablauf der Einspruchsfrist Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 10.03.2020 eingelegt und damit die ‒ zunächst ‒ versäumte Handlung nachgeholt. Allerdings hat er innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses keine Tatsachen vorgetragen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten.
69
Die einmonatige Frist des § 110 Abs. 2 AO beginnt mit „Wegfall des Hindernisses“. Das ist der Tag, an dem der Beteiligte oder sein Bevollmächtigter erkannt hat oder bei gebotener Sorgfalt hätte erkennen können, dass er die Frist versäumt hat (BFH-Urteil vom 01.10.1992 IV R 34/90, BStBl II 1993, 259, unter 1.; Rätke in Klein, AO, 17. Auflage, § 110 Rz. 101). Vorliegend war dies am 23.12.2022 der Fall, als das Gericht durch Schreiben des Berichterstatters darauf hingewiesen hatte, dass der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 10.03.2020 per Brief erst am 16.04.2020 beim FA eingegangen sei und deshalb um Mitteilung gebeten werde, ob das Einspruchsschreiben bereits zuvor per Telefax oder auf andere Art und Weise an das FA übermittelt worden sei. Spätestens auf Grund dieses Gerichtsschreibens hätten der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können, dass die Einspruchsfrist, die am 14.04.2020 abgelaufen war, nicht eingehalten wurde. Gleichwohl hat der Kläger erst mit Schriftsatz vom 01.02.2024 die Frage des Gerichts nach einem früheren Eingang des Einspruchsschreibens auf andere Art und Weise als per Brief konkludent verneint und erklärt, das Einspruchsschreiben vom 07.04.2020 sei von seinem damaligen Vertreter, Steuerberater H, ordnungsgemäß am 07.04.2020 zur Post gegeben worden. Vor dem Hintergrund dieser deutlich verspäteten Mitteilung eines möglichen Wiedereinsetzungsgrundes bedarf es keiner Entscheidung, ob die Schilderung des Klägers im Schriftsatz vom 01.02.2024, sein damaliger Steuerberater habe das Einspruchsschreiben am 07.04.2020 ordnungsgemäß zur Post gegeben, was sich aus dem Ausdruck einer Seite des Postausgangsbuchs ergebe, für die Darlegung einer schuldlosen Verhinderung der rechtzeitigen Einspruchseinlegung ausreichen würde.
70
3. Die Auferlegung der Errechnung der festzusetzenden Einkommensteuer für 2016 beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da die Ermittlung des festzusetzenden Betrags in Folge des zu berücksichtigen Progressionsvorbehalts für bestimmte Einkünfte einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert.
71
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
72
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 7 Abs. 4