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  • 07.01.2025 · IWW-Abrufnummer 245768

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 19.09.2023 – 6 K 1522/21

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Köln, Urteil vom 14.09.2023, Az. 6 K 1522/21

    Tenor:
    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

     
    1
    Tatbestand

    2
    Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Jahr 2009 eine verdeckte Gewinnausschüttung der Z GmbH (GmbH) erhalten hat und ob der Beklagte diese verfahrensrechtlich noch im Jahr 2021 mit dem angefochtenen Änderungsbescheid bei der Einkommensteuer 2009 berücksichtigen durfte.

    3
    Der Kläger war jedenfalls seit 2000 alleiniger Gesellschafter der GmbH. Unter dem 00.00.2000 schloss der Kläger, Darlehensgeber genannt, mit der GmbH, Darlehensnehmer genannt, einen Kontokorrentvertrag, durch den der Kläger der GmbH nach Verrechnung diverser Forderungen und Verbindlichkeiten einen nicht näher bezifferten verbleibenden Betrag als Kontokorrent (§ 355 des Handelsgesetzbuchs ‒ HGB ‒) zur Verfügung stellte (Bl. 51-52 der eAkte zu 6 K .../18). Nach § 2 des Vertrages sollte der Kontokorrentkredit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter dienen. Der Darlehensgeber sollte jederzeit die ganze oder teilweise Rückzahlung des Kredits verlangen können. Nach § 3 des Vertrages sollte der Kredit mit 2,5% über dem Basiszinssatz gemäß Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz verzinst werden, wobei die Zinsen vierteljährlich ermittelt und dem Kontokorrent gutgeschrieben oder auf Wunsch dem Darlehensgeber ausgezahlt werden sollten. Sicherheiten sollten nach § 4 des Vertrages nicht gestellt werden. Zu diesem Vertrag wurde unter dem 00.00.2001 eine „Ergänzung“ vereinbart, wodurch der Vertrag dahingehend erweitert wurde, dass zukünftig nicht nur der Kläger der GmbH Geld in Form eines Kontokorrents zur Verfügung stelle bzw. stellen könne, sondern umgekehrt auch die GmbH dem Kläger (Bl. 53 der eAkte zu 6 K .../18). Für diesen Fall sollten die §§ 2 bis 5 des Kontokorrentvertrages entsprechend gelten.

    4
    Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen entwickelte sich der Darlehensstand auf den Verrechnungskonten des Klägers von 2005 bis 2012 wie folgt:

    5


    Auszahlungen

    Rückführungen

    Zinsen

    Darlehensstand

     

    01.01.2005




    ... €

    Jahr 2005

    ... €

    ... €

    ... €

    ... €

    Jahr 2006

    ... €

    ... €

    ... €

    ... €

    Jahr 2007

    ... €

    ... €

    ... €

    ... €

    Jahr 2008

    ... €

    ... €

    ... €

    ... €

    Jahr 2009

    ... €


    ... €

    ... €

    Jahr 2010

    ... €


    ... €

    ... €

    Jahr 2011

    ... €


    ... €

    ... €

    Jahr 2012

    ... €


    ... €

    ... €



    6
    Ein Gehalt für seine Geschäftsführertätigkeit erhielt der Kläger lediglich im Dezember 2013 (... €). Eine (offene) Gewinnausschüttung seitens der GmbH erhielt der Kläger zuletzt [Stand 2020] im Jahr 2008 (... €). Im Übrigen trug die GmbH die Jahresüberschüsse jeweils auf neue Rechnung vor; der Gewinnvortrag belief sich zum 31.12.2016 auf ... €.

    7
    Der Kläger gab seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 am 25.02.2011 beim damals zuständigen Finanzamt Y ab, in der er u.a. Einnahmen aus Kapitalvermögen i.H.v. ... € erklärte. In der Folge wurde aus hier nicht streitigen Gründen am 23.07.2013 ein geänderter Einkommensteuerbescheid 2009 erlassen.

    8
    Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 23.11.2015 führte das insoweit zuständige Finanzamt X ab November 2015 eine Betriebsprüfung sowohl bei der GmbH als auch beim Kläger für die Jahre 2007 bis 2012 durch, die bezüglich des Klägers durch Prüfungsbericht vom 14.09.2016, auf den Bezug genommen wird (Bl. 43-52 der eAkte), abgeschlossen wurde.

    9
    Die Betriebsprüferin kam dabei zu der Ansicht, dass die GmbH (spätestens) im Jahr 2010 auf die Rückzahlung der bis dahin ausgereichten Darlehen inklusive Zinsen stillschweigend verzichtet habe. Ebenso habe sie auf die danach (ab 2010) ausgereichten Darlehen kurz nach deren Auszahlung verzichtet. Die Darlehen seien daher entsprechend gewinnwirksam auszubuchen. Der dadurch entstehende Aufwand sei als verdeckte Gewinnausschüttung bei der Ermittlung des Einkommens hinzuzurechnen; gleichzeitig liege beim Gesellschafter jeweils ein Zufluss im Sinne von § 20 EStG vor. Diese verdeckten Gewinnausschüttungen beliefen sich auf Beträge i. H. v. ... € (2010: Stand 31.12.2009 ... € zzgl. Auszahlungen 2010 ... €), ... € (2011) und ... € (2012).

    10
    Auf dieser Grundlage erließ das Finanzamt Y am 04.11.2016 geänderte Einkommensteuerbescheide u.a. für 2010 bis 2012 gegen den Kläger. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Klägers wies der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2018 als unbegründet zurück.

    11
    Der hiergegen gerichteten Klage des Klägers gab der Senat mit zum Aktenzeichen 6 K .../18 ergangenem, rechtskräftigen Urteil vom 30.04.2020, auf das Bezug genommen wird (Bl. 59-72 der eAkte bzw. besser lesbar Bl. 157-170 der eAkte zu 6 K .../18), hinsichtlich der Einkommensteuer 2010 insoweit statt, als dass der Beklagte darin den Bestand des fraglichen Verrechnungskontos auf den 31.12.2009 als eine dem Kläger im Jahr 2010 zugeflossene verdeckte Gewinnausschüttung versteuert hatte.

    12
    Zur Begründung führte der Senat insbesondere aus, im Streitfall lägen verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe der in den Streitjahren ausgezahlten Beträge vor, da der Kontokorrentvertrag vom 00.00.2000 in Verbindung mit der Ergänzung vom 00.00.2001 für steuerliche Zwecke keine Berücksichtigung finden könne. Soweit der Beklagte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2010 auch den Bestand des Kontokorrentkontos auf den 31.12.2009 als eine im Jahr 2010 zugeflossene verdeckte Gewinnausschüttung besteuert habe, sei dies rechtswidrig. Stelle nämlich der Kontokorrentvertrag keine steuerlich anzuerkennende Grundlage für die Auszahlungen dar, fließe die verdeckte Gewinnausschüttung dem Kläger jeweils im Auszahlungszeitpunkt zu. Insofern sei der Bestand des Kontokorrentkontos auf den 31.12.2009 dem Kläger bereits vor dem 01.01.2010 zugeflossen und könne in 2010 nicht zu Einkünften führen. Eines (konkludenten) Verzichts bedürfe es hierfür nicht.

    13
    In der Folge setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2009 mit Bescheid vom 08.02.2021 dahingehend gemäß § 174 AO geändert fest, dass er Einnahmen aus Kapitalvermögen i.H.v. ... € (erklärte ... € zzgl. ... € aus einer verdeckten Gewinnausschüttung der GmbH an den Kläger) nach Abzug des Sparer-Freibetrages dem Abgeltungssteuersatz des § 32d EStG unterwarf (Einkommensteuer ... €, Solidaritätszuschlag ... €, Zinsen zur Einkommensteuer ... €, insgesamt ... €, zu deren Zahlung der Kläger unter Abzug eines Euros Kapitalertragsteuer aufgefordert wurde).

    14
    Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 als unbegründet zurück. In einem während des Einspruchsverfahrens unter dem Aktenzeichen 6 V .../21 anhängigen Verfahren über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung u.a. des angefochtenen Bescheids einigten sich die Beteiligten auf eine Aussetzung der Vollziehung gegen eine betragsmäßig unterhalb der Steuerforderungen (einschließlich der hier nicht mehr streitigen Einkommensteuer 2007 nebst Nebenleistungen i.H.v. ... € insgesamt ... €) liegende Sicherheitsleistung zunächst bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Entscheidung über die Einsprüche.

    15
    Ob die streitige Einkommensteuer 2009 auch aktuell noch ausgesetzt ist, ist dem Gericht nicht bekannt.

    16
    Mit seiner hiergegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 08.02.2021.

    17
    Er trägt vor, der Beklagte habe den Änderungsbescheid vom 08.02.2021 nach Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen. Die reguläre Frist für die Festsetzungsverjährung sei aufgrund der Erklärungsabgabe im Jahr 2011 am 31.12.2015 abgelaufen (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 AO). Zwar habe die bei ihm durchgeführte Außenprüfung gemäß Prüfungsanordnung vom 23.11.2015 auch den Veranlagungszeitraum 2009 umfasst, sie habe jedoch für diesen Veranlagungszeitraum zu keinen Änderungen geführt. Im Prüfungsbericht vom 14.9.2016 sei angegeben, dass „sich Feststellungen nur für die Jahre 2010 bis 2012 ergeben haben" (vgl. S. 4 des Prüfungsberichts). Für den Veranlagungszeitraum 2009 sei dies als Mitteilung i.S.v. § 202 Abs. 1 Satz 3 AO zu werten. Die (vom Ablauf durch die Außenprüfung gehemmte) Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum 2009 sei damit drei Monate nach Bekanntgabe jener Mitteilung mit Bekanntgabe des Prüfungsberichts am 22.09.2016, mithin spätestens im Dezember 2016 abgelaufen (vgl. § 171 Abs. 4 Satz 1 a.E. AO).

    18
    Für die Vorjahre und so auch das Streitjahr 2009 habe die Betriebsprüfung selbst erläutert, eine Änderung der Jahre 2007 bis 2009 sei mangels neuer Tatsachen nicht mehr möglich; die Bescheide seien endgültig veranlagt (vgl. S. 8 des Prüfungsberichts).

    19
    Auch seien die Voraussetzungen nach § 174 Abs. 4 AO für eine die Bestandskraft durchbrechende Änderung des ursprünglichen Bescheids vom 23.07.2013 nicht gegeben. Anders als von § 174 AO verlangt handele es sich hier um zwei verschiedene Sachverhalte, die zunächst dem Einkommensteuerbescheid 2010 und nun dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009 zugrunde gelegt werden sollten. Der Beklagte habe zunächst für den Veranlagungszeitraum 2010 einen konkludenten Darlehensverzicht unterstellt, den der Senat in dem Verfahren 6 K .../18 verneint und stattdessen mangels Fremdüblichkeit einen Zufluss stets bereits mit Auszahlung angenommen habe. Die Erklärung eines vermeintlich konkludenten Darlehensverzichts und Umstände, die die steuerliche Anerkennung einer Darlehensvereinbarung in Frage stellen, sind unterschiedliche, sich gegenseitig ausschließende Sachverhalte. Der vom Beklagten der Besteuerung zugrunde gelegte Sachverhalt, d.h. der Verzicht auf eine Darlehensforderung, sei mithin nicht fehlerhaft beurteilt, sondern sei schlichtweg nicht gegeben gewesen. Der nicht gegebene Sachverhalt eines Darlehensverzichts wäre daher bei richtiger Erkenntnis und korrekter zeitlicher Zuordnung auch nicht in dem anderen, bereits erlassenen Steuerbescheid 2009 zu berücksichtigen gewesen. Den Sachverhalt, der die steuerliche Anerkennung der Darlehensvereinbarung hier in Frage stelle und der zur Besteuerung geführt habe, habe der Beklagte bei Erlass des Einkommensteuerbescheids 2010 gar nicht gesehen. Die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO setzte aber voraus, dass das Finanzamt den Sachverhalt überhaupt zur Kenntnis genommen habe (FG Berlin-Brandenburg vom 14.5.1997 3 V 1652/96 F, EFG 1998, 49 Rz. 24).

    20
    Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte die Steuerfestsetzung im Streitjahr nicht unterlassen habe, weil er den Sachverhalt falsch beurteilt habe, sondern weil er zu Recht davon ausgegangen sei, dass zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung hinsichtlich der Jahre bis einschließlich 2009 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei (vgl. dazu auch den Hinweis auf S. 8 des Prüfungsberichts). Es entstehe insofern der Eindruck, dass der Beklagte einen Verzicht der gesamten bis 2010 aufgelaufenen Darlehensforderungen als verdeckte Gewinnausschüttung in 2010 „konstruiert" habe, damit dieser Betrag überhaupt noch habe der Besteuerung unterworfen werden können. Es gebe keinerlei tatsächliche Anhaltpunkte für einen (konkludenten) Darlehensverzicht im Jahre 2010. Diese Auffassung habe auch das FG Köln im Verfahren Az.: 6 K .../18 vertreten. Der Hinweis der Betriebsprüfung, sie gehe nur „zugunsten des Steuerpflichtigen" (vgl. S. 7 des Prüfungsberichts) von einem konkludenten Darlehensverzicht in 2010 aus, sei insofern äußerst irreführend. Das Finanzamt habe vielmehr „zuungunsten des Steuerpflichtigen" einen Verzicht auf die bis dahin aufgelaufenen Darlehensforderungen in 2010 unterstellt, um zu einer Besteuerung des gesamten Darlehensbetrages auch für die Jahre bis einschließlich 2009 zu kommen. Dies, obgleich es keinerlei Anhaltspunkte für einen solchen Verzicht im Jahre 2010 gegeben habe.

    21
    Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Regelung des § 174 Abs. 4 AO um eine besondere gesetzliche Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben handele, durch die vermieden werden solle, dass Steuerfestsetzungen bestehen blieben, die inhaltlich zueinander in Widerspruch stünden (vgl. BFH X R 31/14 vom 25.10.2016, BStBI. Il 2017,287, m.w.N.). Sinn und Zweck der Regelung sei es aber nicht, der Finanzverwaltung zu ermöglichen, durch bewusst unrichtige Steuerfestsetzung die Festsetzungsverjährung zu durchbrechen. Die Nichterfassung der über den in 2010 ausgezahlten Betrag hinausgehenden Beträge als (angebliche) verdeckte Gewinnausschüttung in 2010 stehe nicht im „Widerspruch" zur Nichterfassung dieser Beträge in den Vorjahren, weil diese Beträge bei Zugrundelegung des ‒ nach Auffassung des FG Köln im Verfahren Az.: 6 K .../18 ‒ „richtigen" Sachverhalts im Rahmen der Betriebsprüfung aufgrund der Festsetzungsverjährung nicht hätte erhoben werden können.

    22
    Abgesehen davon habe aber auch gar keine verdeckte Gewinnausschüttung vorgelegen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG setze voraus, dass eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil im Sinne einer bei ihr eintretenden verhinderten Vermögensmehrung zuwende, die sich auf die Höhe des Einkommens der Gesellschaft gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG ausgewirkt und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis habe. Gewähre eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen, so sei eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ebenso wie eine solche nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG begrifflich ausgeschlossen. Auf Ebene der GmbH werde die Vermögensminderung in Form des Geldabflusses durch Aktivierung der Darlehensforderung kompensiert, auf Ebene des Gesellschafters stehe dem Vermögensvorteil durch den Geldzufluss die Vermögensminderung durch die Darlehensverbindlichkeit gegenüber (vgl. BFH vom 14.7.2004 I R 16/03, BStBI. 2004, 1010). Die Darlehensvereinbarung in Form der Kontokorrentabrede sei zwischen ihm, dem Kläger, und der GmbH ernsthaft geschlossen und auch vereinbarungsgemäß durchgeführt worden. Dafür spreche insbesondere auch, dass er bis zum Streitjahr Darlehenstilgungen in erheblicher Höhe vorgenommen habe.

    23
    Der Kläger beantragt,

    24
    den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 08.02.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 dahingehend abzuändern, dass im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen keine verdeckten Gewinnausschüttungen angesetzt werden,

    25
    hilfsweise

    26
    die Revision zuzulassen.

    27
    Der Beklagte beantragt,

    28
    die Klage abzuweisen.

    29
    Er trägt vor, er habe den Bescheid aufgrund der Ablaufhemmung des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO noch erlassen dürfen, da er die Änderung des Bescheides zur Einkommensteuer 2010 zugunsten des Klägers am 01.09.2020 und die Folgeänderung zur Einkommensteuer 2009 innerhalb der Jahresfrist vorgenommen habe. Im Übrigen nehme er zu den Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung auf die Ausführungen des Gerichts im Urteil vom 30.04.2020 (6 K .../18) sowie zur verfahrensrechtlichen Zulässigkeit der Änderung nach § 174 AO auf seine Ausführungen im Aussetzungsverfahren (Aktenzeichen 6 V .../21) vollinhaltlich Bezug.

    30
    Der Senat hat die Prozessakten der Verfahren 6 K .../18 sowie 6 V .../21 beigezogen. Im Verfahren 6 V .../21 hat der Beklagte vorgetragen, eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO sei verfahrensrechtlich zulässig, da aus demselben, unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten Sachverhalt die steuerlichen Folgerungen gezogen würden.

    31
    Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2023 wird verwiesen.

    32
    Entscheidungsgründe

    33
    Die Klage ist unbegründet.

    34
    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2009 vom 08.02.2021 sowie die Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO).

    35
    Der Beklagte durfte den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 23.07.2013 mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009 vom 08.02.2021 noch ändern. Denn der Bescheid vom 23.07.2013 war hinsichtlich der nicht berücksichtigten verdeckten Gewinnausschüttung materiell fehlerhaft und die Änderung war formell gemäß § 174 Abs. 4 AO noch möglich.

    36
    1. Der vorherige Einkommensteuerbescheid vom 23.07.2013 war materiell fehlerhaft. Denn in ihm war die vom Kläger im Streitjahr bezogene verdeckte Gewinnausschüttung nicht berücksichtigt.

    37
    Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Kapitaleinkünften auch verdeckte Gewinnausschüttungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil im Sinne einer bei ihr eintretenden Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zuwendet, diese Zuwendung ihren Anlass oder zumindest ihre Mitveranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. nur BFH, Urteile vom 19.06.2007 ‒ VIII R 54/05 ‒, BStBl. II 2007, 830 und vom 21.08.2007 ‒ I R 29/07 ‒, BFH/NV 2008, 2133).

    38
    Das ist in der Regel der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (BFH, Urteile vom 24.01.1989 ‒ VIII R 74/84 ‒, BFHE 156, 126, BStBl II 1989, 419; vom 19.03.1991 ‒ VIII R 2/85 ‒, BFH/NV 1992, 19; vom 13.09.2000 ‒ I R 10/00 ‒, BFH/NV 2001, 584; vom 14.12.2004 ‒ VIII R 59/02 ‒, BFH/NV 2005, 1090).

    39
    Der bei der Kapitalgesellschaft eintretende Vermögensnachteil muss danach „eine Vermögensminderung im Sinne einer Verminderung des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG“ sein (siehe auch BFH, Urteil vom 22.10.2003 ‒ I R 37/02 ‒, BFHE 204, 96, BStBl II 2004, 121). Demgegenüber liegt ein Vermögensvorteil beim Gesellschafter immer dann vor, wenn dieser über ein bestimmtes, messbares Gut in Geld oder Geldeswert verfügen kann (§ 8 Abs. 1 EStG; ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH, Urteil vom 21.10.2014 ‒ VIII R 32/12 ‒, HFR 2015, 928 m.w.N.).

    40
    Für die Feststellung einer verdeckten Gewinnausschüttung unerheblich ist dagegen, ob die Kapitalgesellschaft, handelnd durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer, erkannt hat, dass sie durch ihre Handhabung verdeckte Gewinnausschüttungen bewirkt hat. Denn weder die Absicht der Kapitalgesellschaft, den Gewinn verdeckt zu verteilen, noch eine Einigung darüber, dass der Vorteil aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zugewendet wird, gehören zu den Voraussetzungen der verdeckten Gewinnausschüttung (BFH-Urteile vom 03.12.1969 ‒ I R 107/69 ‒, BFHE 97, 524, BStBl II 1970, 229; vom 09.10.1985 ‒ I R 271/82 ‒, BFH/NV 1986, 429).

    41
    Ist der begünstigte Gesellschafter ‒ wie im Streitfall der Kläger ‒ ein beherrschender, kann die Vermögensminderung schon dann ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben, wenn der Leistung an den Gesellschafter oder eine diesem nahestehende Person keine klare und von vornherein abgeschlossene Vereinbarung zugrunde liegt (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 24.01.1990 ‒ I R 157/86 ‒, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645; vom 09.07.2003 ‒ I R 100/02 ‒, BFHE 203, 77; vom 05.10.2004 ‒ VIII R 9/03 ‒, BFH/NV 2005, 526; vom 09.03.2010 ‒ VIII R 32/07 ‒, BFHE 229, 129). Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die verdeckte Gewinnausschüttung in diesen Fällen beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt (vgl. BFH, Beschluss vom 14.07.1998 ‒ VIII B 38/98 ‒, BFHE 186, 379, m.w.N.).

    42
    Ob Leistungen einer Kapitalgesellschaft an Gesellschafter oder dessen Angehörige als Aufwendungen im Rahmen eines zwischen Gesellschaft und Angehörigen bestehenden Vertragsverhältnisses oder als verdeckte Gewinnausschüttung zugunsten dieses Gesellschafters zu erfassen sind, ist nach der Rechtsprechung zur Vermeidung steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere danach zu beurteilen, ob der jeweilige Vertrag sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner tatsächlichen Durchführung dem entspricht, was zwischen Fremden üblich ist (BFH, Beschluss vom 11.05.2005 ‒ IV B 140/03 ‒, unter Bezugnahme auf das BFH Urteil vom 21.01.1999 ‒ IV R 15/98 ‒, BFH/NV 1999, 919; BFH, Beschluss vom 17.05.2001 ‒ IV B 71/00 ‒, BFH/NV 2001, 1390).

    43
    Diese Anforderungen an die steuerliche Anerkennung von Verträgen nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs stellen allerdings keine besonderen ‒ ungeschriebenen ‒ Merkmale des steuergesetzlichen Tatbestandes, sondern Beweiswürdigungsregeln dar. Rechtsgrundlage des Fremdvergleichs sind die §§ 85 und 88 AO sowie § 76 Abs. 1 FGO. Der Fremdvergleich ermöglicht aufgrund einer Würdigung von Beweisanzeichen den Schluss, aus welchen Gründen ein Leistungsaustausch zwischen GmbH und Gesellschafter oder dessen Angehörigen stattgefunden hat. Erst das Ergebnis dieser der Tatsachenfeststellung zuzuordnenden Indizienwürdigung ermöglicht die nachfolgende rechtliche Subsumtion, ob es sich im Einzelfall um eine verdeckte Gewinnausschüttung handelt.

    44
    Diese zum Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG entwickelten Rechtsgrundsätze sind auch für die Auslegung des Begriffs der verdeckten Gewinnausschüttung in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG maßgeblich (BFH, Urteil vom 25.05.2004 ‒ VIII R 4/01 ‒, BFHE 207, 103).

    45
    Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegt im Streitfall eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der im Streitjahr 2009 von der GmbH an den Kläger ausgezahlten ... € vor. Dabei mag dahinstehen, ob der Kontokorrentvertrag zivilrechtlich wirksam ist und ein für die GmbH ‒ bzw. einen etwaigen Insolvenzverwalter ‒ durchsetzbarer Rückforderungsanspruch durch die Auszahlung begründet wurde. Ungeachtet dieses Umstandes ist aus steuerlicher Sicht der Zufluss eines Vermögensvorteils beim Kläger zu bejahen. Denn der Kontokorrentvertrag vom 00.00.2000 in Verbindung mit der Ergänzung vom 00.00.2001 kann für steuerliche Zwecke keine Berücksichtigung finden. Aufgrund aller Umstände des Einzelfalls ist nämlich davon auszugehen, dass die GmbH einen gleichlautenden Kontokorrentvertrag mit einem fremden Dritten nicht geschlossen, jedenfalls auf dieser Grundlage die fraglichen Zahlungen nicht geleistet hätte.

    46
    Gemäß § 2 des Vertrages sollte der Kontokorrentkredit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter dienen. Der Vertrag sollte also Grundlage für wechselseitige Zahlungen und deren Verrechnung und ‒ eher kurzfristigen ‒ Ausgleich sein. Dabei nimmt die Vereinbarung insbesondere § 355 HGB in Bezug. Die darin zum Ausdruck kommende Zielsetzung ist es, den aufgrund wechselseitig erfolgender Leistungserbringung und Fakturierung notwendigen Zahlungsfluss durch Verrechnung entbehrlich zu machen. Dieser Zweck wird in der Vereinbarung ergänzt um Zahlungen des Darlehensgebers an Dritte auf Rechnung des Darlehensnehmers. Indessen sollte der Vertrag nicht Grundlage von Zahlungen des Darlehensgebers an den Darlehensnehmer sein. Es ist nicht ersichtlich, dass in den Streitjahren wechselseitig Leistungen erbracht worden wären. Auch ist nicht dargelegt, dass die GmbH mit ihren Zahlungen Verbindlichkeiten des Klägers getilgt hätte. Vielmehr sind die Auszahlungen unmittelbar von der GmbH an den Kläger geflossen. Zudem ist nicht ersichtlich, dass ein wechselseitiger Zahlungsverkehr stattgefunden hätte. Beginnend ab dem Streitjahr 2009 wurden keine Buchungen zugunsten des Klägers auf den Kontokorrentkonten vorgenommen. Damit erfolgten die Zahlungen ‒ ungeachtet ihrer Verbuchung auf den Kontokorrentkonten ‒ jedenfalls ab dem Streitjahr nicht auf Grundlage der Kontokorrentvereinbarung.

    47
    Für diesen Befund spricht insbesondere auch, dass keine Tilgungsbestimmungen getroffen wurden, sondern dass einerseits der Darlehensgeber jederzeit die ganze oder teilweise Rückzahlung verlangen konnte und andererseits der Darlehensnehmer jederzeit zur vorzeitigen Rückzahlung berechtigt war. Keinesfalls war dieser Vertrag für eine langfristige Darlehensgewährung, schon gar nicht in einer solchen Höhe wie im Streitfall, gedacht. Hierfür fehlen die in einem Darlehensvertrag mit fremden Dritten üblichen Regelungen über Darlehenshöhe, Tilgungsmodalitäten, Zinszahlungen und Sicherheiten.

    48
    Fehlt es somit für die vorgenommenen Auszahlungen bereits an einer vertraglichen Grundlage, entspricht auch die tatsächliche Handhabung der vermeintlichen Darlehensgewährung in keiner Weise dem unter fremden Dritten Üblichen. So ist unter Fremden unvorstellbar, dass in den Jahren 2009 bis 2016 das Darlehen ohne irgendwelche Sicherheiten jährlich um Beträge zwischen ... € und .... €, insgesamt um ... €, erhöht worden ist, ohne dass dem irgendeine Rückzahlung gegenübergestanden hat, ohne dass auch nur 1 € an Zinsen gezahlt worden ist und ohne dass erkennbar ist, für welchen Zweck der Kläger diese Beträge verwandt haben könnte.

    49
    Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass es sich bei den im Streitjahr vorgenommenen Auszahlungen der GmbH an den Kläger um zurückzuzahlende Darlehensbeträge gehandelt hat. Denn da der Kläger jedenfalls in den Jahren seit 2006 bis auf Dezember 2013 kein Gehalt seitens der GmbH bezogen hat, die GmbH zumindest in diesen Jahren bis auf 2008 keine offene Gewinnausschüttung vorgenommen, sondern die Jahresüberschüsse (in den Jahren 2009 bis 2016 zwischen ... € und ... €, durchschnittlich... € p.a.) stets vorgetragen und so bis zum 31.12.2016 einen Gewinnvortrag in Höhe von ... € angesammelt hat, der Kläger auch im Übrigen über keine nennenswerten Einnahmequellen verfügt hat, ist vielmehr davon auszugehen, dass die Zahlungen der GmbH an den Kläger in den Streitjahren ungeachtet der Verbuchung auf einem Verrechnungskonto wie Gewinnausschüttungen bei diesem verbleiben und nicht zurückgezahlt werden sollten.

    50
    Damit stand auch weder der Vermögensmehrung beim Kläger eine gleichwertige Forderung der GmbH gegenüber noch handelte es sich auf Seiten der GmbH um einen aufgrund einer bestehenden Darlehensforderung unbeachtlichen Vermögensabfluss. Die Buchung einer Forderung in gleicher Höhe auf dem Kontokorrentkonto war aus den dargelegten Gründen steuerrechtlich unzulässig.

    51
    2. Die Änderung des Einkommensteuerbescheids 2009 vom 23.07.2013 war verfahrenstechnisch gemäß § 174 Abs. 4 AO auch noch möglich.

    52
    Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.

    53
    Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Der Gegenstand der irrigen Beurteilung muss ‒ anders als diese Beurteilung selbst ‒ ausschließlich der Seinswelt angehören, d.h. es muss sich um einen Zustand, einen Vorgang, eine Beziehung bzw. eine Eigenschaft materieller oder immaterieller Art handeln, die ihrerseits Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sind. Der Begriff ist dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex, wobei mehrere Sachverhaltselemente dann einen Sachverhaltskomplex bilden, wenn die Elemente einen inneren Zusammenhang aufweisen. Entscheidend ist, dass aus demselben ‒ unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten ‒ Sachverhalt andere steuerliche Folgerungen in einem anderen Steuerbescheid gegenüber dem Steuerpflichtigen zu ziehen sind, wobei der ursprünglich beurteilte und der tatsächlich verwirklichte Lebens- und Besteuerungssachverhalt nicht vollständig übereinstimmen müssen. Je nach den Erfordernissen des jeweiligen steuerlichen Tatbestandes kann eine teilweise Deckungsgleichheit genügen (BFH, Urteil vom 17. März 2022 ‒ XI R 5/19 ‒, BFHE 275, 516, BStBl II 2022, 607, mit weiteren Nachweisen). Eine irrige Beurteilung eines Sachverhalts i.S. des § 174 Abs. 4 AO liegt vor, wenn sich dessen Beurteilung nachträglich als unrichtig erweist; ob der dafür ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt, ist unerheblich (BFH, Urteil vom 17. März 2022 ‒ XI R 5/19 ‒, BFHE 275, 516, BStBl II 2022, 607). Hintergrund der Regelung ist, dass der Steuerpflichtige im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden soll, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist. Der Steuerpflichtige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (vgl. BFH, Urteil vom 14. November 2012 ‒ I R 53/11 ‒, juris, m.w.N.).

    54
    Ausgehend von diesen Grundsätzen durfte der Beklagte die Einkommensteuer 2009 mit dem angefochtenen Bescheid geändert festsetzen.

    55
    a. Der Beklagte hat den Sachverhalt zunächst irrig beurteilt. Die Betriebsprüferin hatte die Auszahlung der ... € von der GmbH an den Kläger im Jahr 2009 sowie die bei der GmbH insoweit buchtechnisch zugrunde gelegte Kontokorrentvereinbarung im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung wahrgenommen und dahingehend (rechtlich und tatsächlich) fehlerhaft gewürdigt, dass sie nicht bereits die Auszahlung an sich (insoweit rechtlich fehlerhaft), sondern nur unter zusätzlicher Annahme eines in Jahr 2010 erklärten Rückzahlungsverzichtes (insoweit tatsächlich fehlerhaft) als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt hat. Der Beklagte hat diese Fehler in seine Einspruchsentscheidung übernommen.

    56
    Der Kläger hat sich in dem Klageverfahren 6 K .../18 erfolgreich gegen die Berücksichtigung der im Jahr 2009 von der GmbH an ihn ausgezahlten ... € als verdeckte Gewinnausschüttung im Jahr 2010 gewehrt. Der Senat hat den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 04.11.2016 mit Urteil vom 30.04.2020 (6 K .../18) u.a. insoweit geändert, weil bereits in der Auszahlung eine verdeckte Gewinnausschüttung liege und diese unter Zugrundelegung des Zuflussprinzips bereits im Streitjahr 2009 zu berücksichtigen gewesen wäre.

    57
    Daraufhin hat der Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid erlassen und die im Jahr 2009 zugeflossenen ... € beim Kläger als verdeckte Gewinnausschüttung zutreffend mit dem besonderen Steuersatz der Abgeltungsteuer berücksichtigt.

    58
    Soweit der Kläger in seiner Klagebegründung (Schriftsatz vom 26.08.2021, Bl. 31-42, 36 der eAkte) hinsichtlich der Änderungsbefugnis nach § 174 Abs. 4 AO das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 09.12.2009, 1 K 1375/05 B anführt ist das unbeachtlich. Das Urteil ist aufgrund Klagerücknahme nach Zulassung der Revision durch den BFH auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten gegenstandslos.

    59
    b. Der Beklagte durfte den angefochtenen Bescheid auch noch im Februar 2021 erlassen.

    60
    Zwar war die reguläre, nach § 171 Abs. 4 AO vom Ablauf während der steuerlichen Außenprüfung gehemmte Festsetzungsfrist drei Monate nach Bekanntgabe des Prüfungsberichts vom 14.09.2016, mithin am 19.12.2016, abgelaufen. Denn die Prüferin hat unter A. 5. auf Seite 4 ihres Prüfungsberichts (Bl. 46 der eAkte) ausgeführt, dass sich Feststellungen nur für die Jahre 2010 bis 2012 ergeben haben, was als Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO zu werten ist (vgl. BFH, Urteil vom 19. Januar 2010 ‒ X R 30/09 ‒, juris). Da dies zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.

    61
    Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO aber unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. Nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 1, wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde.

    62
    Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid vom 08.02.2021 innerhalb eines Jahres nach Änderung des Einkommensteuerbescheids 2010 durch Senatsurteil vom 30.04.2020 erlassen. Die weitergehenden Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AO mussten nicht erfüllt sein, da die durch § 171 Abs. 4 AO vom Ablauf bis in den Dezember 2016 gehemmte Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2009 (s.o.) im Zeitpunkt des Erlasses des aufgrund der Klage des Klägers geänderten Einkommensteuerbescheids 2010 vom 04.11.2016 noch nicht abgelaufen war.

    63
    Dass die Prüferin in ihrem Bericht vom 14.09.2016 unter B.1.3 ausgeführt hat, eine Änderung der Jahre 2007 bis 2009 sei mangels neuer Tatsachen nicht mehr möglich, ist zum einen unbeachtlich, da das Gericht die Änderungsvoraussetzungen selbst zu prüfen hat und zum anderen aus dem Kontext gerissen. Denn die Prüferin hat diese Textziffer vor dem Hintergrund ihrer seinerzeitigen ‒ irrigen ‒ Rechtsauffassung geschrieben, dass die ... € nicht im Jahr 2009, sondern erst im Jahr 2010 zu erfassen seien. In Tz. B.1.3. hat sich die Prüferin mit einem anderen, hier nicht mehr relevanten Punkt beschäftigt (der fehlende Abfluss steuerlich geltend gemachter Zinsen aufgrund der ausschließlich buchmäßigen Erfassung), der mangels nachträglichem Bekanntwerden alleine nicht zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gereicht hätte. Bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Auszahlung der ... € hätte die Prüferin bzw. das seinerzeit zuständige Finanzamt Y aber sehr wohl eine Änderung aufgrund einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache im Streitjahr 2009 durchführen können.

    64
    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    65
    4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.