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  • 28.10.2009

    Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89


    Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt für das Steuerrecht, daß die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden - Der Gesetzgeber muß die Steuerehrlichkeit durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen - Ist dem Gesetzgeber zuzurechnen, daß eine Erhebungsregelung dem Besteuerungsanspruch entgegenläuft, führt die dadurch bewirkte Gleichheitswidrigkeit zur Verfassungswidrigkeit auch der materiellen Steuernorm - Verfassungsrechtliche Beurteilung des sog. Bankenerlasses



    Leitsatz

    1. Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht, daß die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Die Besteuerungsgleichheit hat mithin als ihre Komponenten die Gleichheit der normativen Steuerpflicht ebenso wie die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Daraus folgt, daß das materielle Steuergesetz) in ein normatives Umfeld eingebettet sein muß, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet.

    2. Hängt die Festsetzung einer Steuer von der Erklärung des Steuerschuldners ab, werden erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen gestellt. Der Gesetzgeber muß die Steuerehrlichkeit deshalb durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen. Im Veranlagungsverfahren bedarf das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip.

    3. Gesamtwirtschaftliche Gründe können einen Verzicht des Gesetzgebers auf eine hinreichende Kontrolle der im Veranlagungsverfahren abgegebenen Erklärungen des Steuerpflichtigen verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen.

    4. Wirkt sich eine Erhebungsregelung gegenüber einem Besteuerungstatbestand in der Weise strukturell gegenläufig aus, daß der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann, und liegen die Voraussetzungen dafür vor, daß dieses Ergebnis dem Gesetzgeber zuzurechnen ist, so führt die dadurch bewirkte Gleichheitswidrigkeit zur Verfassungswidrigkeit auch der materiellen Steuernorm.

    Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1

    Instanzenzug:

    FG Nürnberg



    Gründe:

    A.

    Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob ein Steuerpflichtiger aus seinem Grundrecht nach Art. 3 Abs. 1 GG steuerliche Belastungen aufgrund von Regelungen abwehren kann, die Einkünfte aus Kapitalvermögen zwar der Einkommensteuer unterwerfen, wegen der Vorschriften über die Steuererhebung aber zu einer unvollständigen und ungleichmäßigen Besteuerung dieser Einkünfte führen.

    I.

    1. a) Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen seit jeher der Einkommensteuer. Frühe Einkommensdefinitionen zu Beginn des 19. Jahrhunderts nannten als Einkommensquellen Grund und Boden, Arbeit und Kapital oder die gesammelten Güter und Vorräte. Als Einkommen galt der Kapitalzins (vgl. v. Jakob, Die Staatsfinanzwissenschaft, 2. Aufl., 1837, S. 199 f.; Murhard, Theorie und Politik der Besteuerung, 1834, S. 337).

    Das erste deutsche Einkommensteuergesetz, das „Reglement, das Kriegs-Schulden-Wesen der Provinz Ostpreußen und Litthauen und der Stadt Königsberg insbesondere betreffend” vom 23. Februar 1808 (Preußische Gesetzessammlung 1808, S. 193) besteuerte bereits das Einkommen aus Kapitalvermögen. Gemäß § 22 in Verbindung mit §§ 27 ff. dieses Gesetzes wurden das Einkommen „von zinsbar ausgeliehenen Kapitalien” und die Dividenden der Aktien besteuert. Das Preußische Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891 (Preußische Gesetzessammlung 1891, S. 175) belastete als eine der vier Einkommensquellen das Kapitalvermögen (§ 7 Nr. 1 PrEStG 1891). Als Einkommen aus Kapitalvermögen galten gemäß § 12 PrEStG 1891 „Zinsen, Renten und geldwerthe Vortheile aus Kapitalforderungen jeder Art, soweit solche Bezüge nicht bei Landwirthschaft-, Handel- und Gewerbetreibenden behufs Ausmittelung des steuerpflichtigen Einkommens aus Grundvermögen, Pachtungen, Handel oder Gewerbe (§§ 13, 14) als Theile des Geschäftsertrages in Rechnung zu bringen sind”.

    Der heutige § 20 EStG beruht im Kern auf § 8 REStG 1920. Das erste Reichseinkommensteuergesetz vom 29. März 1920 (RGBl S. 359) regelte in § 8 bereits sieben Arten von Kapitalerträgen. Neben Dividenden, Zinsen, Ausbeuten, Einkommen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Teilhaber und Zinsen aus öffentlichen Anleihen, gehörten zum Einkommen gemäß § 8 Nr. 4 REStG 1920 „Zinsen aus Kapitalforderungen jeder Art einschließlich der Zinsen aus Einlagen und Guthaben bei Sparkassen, Banken und anderen Kreditanstalten”. § 37 REStG 1925 vom 10. August 1925 (RGBl I S. 189) entsprach in seinen Grundzügen der gesetzlichen Regelung des § 8 REStG 1920.

    Der unmittelbare Vorläufer des heutigen Einkommensteuergesetzes, das Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1005 ff.), unterwarf in § 2 Abs. 3 Nr. 5 EStG 1934 Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer. Zu diesen Einkünften zählten insbesondere Gewinnanteile und Zinsen aus bestimmten Kapitalforderungen (§ 20 Abs. 1 EStG 1934).

    Das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 ( BGBl 1974 I S. 1769) änderte die Vorschriften über die Einkünfte aus Kapitalvermögen in § 20 EStG. Es führte die Steuerpflicht bestimmter Zinsen aus Sparanteilen in Lebensversicherungsbeiträgen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) und den Sparer-Freibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) ein. Durch das Körperschaftsteuerreformgesetz vom 31. August 1976 ( BGBl 1976 I S. 2597) wurde § 20 EStG insbesondere im Hinblick auf das Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren neu gefaßt.

    b) Im Veranlagungszeitraum 1981 galt § 20 EStG 1979 in der Fassung des „Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze” vom 20. August 1980 ( BGBl 1980 I S. 1545). Gemäß § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 EStG 1979 gehörten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Gewinnanteile und ähnliche Kapitalerträge von Anteilseignern. Hierzu zählten insbesondere Dividenden, Bezüge aus Aktien, Genußrechte u.a. (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1979), Bezüge aufgrund einer Kapitalherabsetzung (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1979) oder die anrechenbare oder zu vergütende Körperschaftsteuer (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1979); weiterhin Einnahmen eines stillen Gesellschafters an einem Handelsgewerbe oder aus partiarischen Darlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1979), Zinsen aus Hypotheken und Grundschulden und Renten aus Rentenschulden (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1979), bestimmte Zinsen aus Sparanteilen einer Lebensversicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1979), Zinszahlungen im Sinne von § 57 Abs. 3 AktG (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1979) oder Diskontbeträge von Wechseln und Anweisungen einschließlich der Schatzwechsel (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1979). Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 wurden schließlich „Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, z.B. aus Einlagen und Guthaben bei Kreditinstituten, aus Darlehen und Anleihen”, in die Besteuerung der Kapitalerträge einbezogen.

    Neben den in § 20 Abs. 1 EStG 1979 aufgeführten Einnahmen sind gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1979 auch besondere Entgelte und Vorteile (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG 1979), Einnahmen aus der Veräußerung von Dividenden- und Zinsscheinen (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1979), Stückzinsen (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 und 2EStG 1979) und Einnahmen aus Sammelurkunden und Schuldbuchforderungen (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 EStG 1979) als Kapitalerträge steuerbar.

    Die in § 20 Abs. 1 und 2EStG 1979 aufgeführten Einnahmen gehören nach Abs. 3 der Vorschrift nur dann zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn sie nicht zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gehören. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist nach § 20 Abs. 4 EStG 1979 nach Abzug der Werbungskosten ein besonderer Freibetrag in Höhe von 300 DM abzuziehen. Ehegatten, die gemäß § 26b EStG 1979 zusammenveranlagt werden, erhalten einen gemeinsamen Sparer-Freibetrag in Höhe von 600 DM.

    c) Nach dieser Regelung unterliegen Kapitalerträge gemäß § 20 EStG grundsätzlich, jedoch nicht insgesamt der Einkommensteuer. Zinsen aus Sparanteilen einer Lebensversicherung werden gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG nur zum Teil besteuert. Danach sind Zinsen aus Versicherungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b), die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrages nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsschluß ausgezahlt werden, steuerfrei. Damit werden alle Zinsen aus Risikoversicherungen, Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht und sonstigen Versicherungen bei mindestens zwölfjähriger Laufzeit von der Einkommensteuer ausgenommen.

    Ein Teil der Zinseinkünfte bleibt aufgrund des sogenannten „Sparer-Freibetrages” (§ 20 Abs. 4 EStG) steuerfrei. Für den Veranlagungszeitraum 1981 betrug der Freibetrag für Ledige 300 DM und bei zusammenveranlagten Ehegatten 600 DM. Hinzu tritt gemäß § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG ein Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von 100 DM für Ledige und von 200 DM für zusammenveranlagte Ehegatten.

    Außerdem gestattet § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG, daß Kapitaleinkünfte in bestimmten Fällen - nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrages und des Sparer-Freibetrages - bis zu einer Höhe von 800 DM nicht zur Einkommensteuer veranlagt werden und deshalb im Ergebnis steuerfrei bleiben. Schließlich befreien § 3 Nr. 21, Nr. 45, Nr. 53, Nr. 54 und § 3a EStG bestimmte Kapitaleinkünfte von der Einkommensteuer; diese Sondertatbestände betreffen vor allem Zinsen aus Wertpapieren der fünfziger Jahre.

    Wie eine teilweise Freistellung von Kapitalerträgen wirkt außerdem die Besteuerung von Sozialversicherungsrenten, die gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG nur mit einem - fiktiven - Ertragsanteil versteuert werden. Zwar ist der Gesetzgeber seit über zehn Jahren verpflichtet, die Besteuerung der Altersbezüge neu zu regeln (BVerfGE 54, 11 [39] 1) ); gegenwärtig können jedoch Kapitalerträge bei Beziehern von Sozialversicherungsrenten steuerfrei bleiben, wenn die steuerbaren Rentenbezüge deutlich unter dem Grundfreibetrag sowie den übrigen Freibeträgen und Pauschbeträgen liegen.

    2. a) Für die weitaus überwiegende Mehrzahl der Einkommensteuerpflichtigen wird die Einkommensteuer in Form der Quellensteuer erhoben; das gilt für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Lohnsteuer, §§ 38 ff. EStG), für bestimmte inländische Kapitalerträge (Kapitalertragsteuer, §§ 43 ff. EStG) und für bestimmte Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger (§ 50 EStG).

    Die Kapitalertragsteuer wurde ursprünglich durch das Kapitalertragsteuergesetz vom 29. März 1920 (RGBl S. 345) in Form einer Vorausbelastung von 10 v.H. als zusätzliche Abgabe auf Dividenden, Aktien, GmbH- und Genossenschaftsausschüttungen, Wertpapierzinsen und bestimmte andere Erträge eingeführt. Diese Vorausbelastung des Einkommens aus Kapitalvermögen sah keine Anrechnung auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer vor. Das auf Vermögensbesitz beruhende Einkommen, das sogenannte fundierte Einkommen, sollte stärker belastet werden als das unfundierte Einkommen, das den Zufälligkeiten des Fortbestandes unterworfen und von der Dauer der Arbeitskraft und der Arbeitsgelegenheit abhängig sei (Begründung zum Kapitalertragsteuergesetz 1920, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 340, Anl. Nr. 1625, S. 7; vgl. auch Trzaskalik, in: Friauf [Hrsg.], Steuerrecht und Verfassungsrecht, DStjG Bd. 12 [1989], S. 157 [167]).

    Erst 1925 wurde die Kapitalertragsteuer in Form einer anrechenbaren Quellensteuer in das Einkommensteuergesetzübernommen (§§ 83 bis 88 REStG). Das Einkommensteuergesetz 1934 gab der Kapitalertragsteuer ihren heutigen Inhalt. Sie wirkt in der Regel wie eine Vorauszahlung, die vom Schuldner der Kapitalerträge für Rechnung des Gläubigers auf dessen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer entrichtet wird.

    b) Die Erhebungsform des Quellenabzugs gilt nur für wenige Kapitalerträge, im wesentlichen für Dividenden und ähnliche Gewinnausschüttungen. Diese Beschränkung wird vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesminister der Finanzen als unbefriedigend angesehen. In seinem Gutachten zur Reform der direkten Steuern vom 11.Februar 1967 schlägt der Wissenschaftliche Beirat eine Ausdehnung des Quellenabzugsverfahrens insbesondere im Rahmen der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen vor. Zinsen aus Schuldverschreibungen und ähnlichen Wertpapieren sowie die Zinsen aus Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden sollten nicht anders behandelt werden als die Dividenden und ähnliche Gewinnausschüttungen sowie die Gewinnanteile der stillen Gesellschaften. Außerdem sei zu vermuten, daß die Nichtanwendung des Quellenabzugsverfahrens erheblich zur Steuerhinterziehung anrege. Deshalb erscheine es angezeigt, die Zinserträge aus Wertpapieren, Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden sowie aus dem Kontensparen bei Kreditinstituten grundsätzlich dem Kapitalertragsabzug zu unterwerfen (Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 9, 1967, S. 44).

    Das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 ( BGBl 1988 I S. 1093) führte für Kapitalerträge, die bisher nicht der Kapitalertragsteuer unterlagen, die sogenannte „kleine Kapitalertragsteuer” als zehnprozentige Quellensteuer ein. Diese Regelung wurde jedoch nach nur sechsmonatiger Geltungsdauer wieder ersatzlos aufgehoben (vgl. Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten vom 30. Juni 1989, BGBl I S. 1267).

    3. Die Steuererhebung bei den Erträgen aus Kapitalvermögen, die nicht dem Quellenabzug unterliegen, wurde durch die Vorschriften der Abgabenordnungüber die vollständige und gleichmäßige Steuerfestsetzung bis zur Einführung des § 30a AO grundsätzlich gewährleistet. Indessen wurden diese Vorschriften bei der Erhebung der Einkommensteuer auf Kapitaleinkünfte teilweise nicht angewandt.

    a) Vor dem Ersten Weltkrieg gab es für die Steuerbehörden keine gesetzliche Grundlage, im Veranlagungsverfahren Auskünfte bei Kreditinstituten einzuholen. Die Gesetzgebung der Nachkriegszeit enthielt jedoch zahlreiche Bestimmungen, die den Banken Offenbarungspflichten auferlegten, um Steuerhinterziehungen entgegenzuwirken. Die wichtigste Regelung, die den Banken eine Auskunftspflicht auferlegte, enthielt § 189 der Reichsabgabenordnung vom 13. Dezember 1919 (RGBl S. 1993). Aufgrund dieser Vorschrift waren Kreditinstitute verpflichtet, dem örtlich zuständigen Finanzamt ein Verzeichnis ihrer Kunden mitzuteilen und monatliche Bestandsveränderungen anzuzeigen. Die Anzeigepflicht sollte dem Steuerpflichtigen die Sicherheit nehmen, durch Kapitalanlage bei einem Kreditinstitut Steuern hinterziehen zu können (Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 338, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Nr. 759, S. 592). In den Fällen des § 189 RAO konnte sich das Finanzamt sodann nach § 209 Abs. 2 RAO durch Stichproben überzeugen, ob die Angaben steuerpflichtiger Bankkunden zutrafen.

    Durch die Verordnung über Erleichterungen der Anzeigepflicht nach § 189 RAO vom 27. Januar 1920 (RGBl S. 126 f.) wurde die Auskunftspflicht der Banken modifiziert. Danach beschränkte sich das Verzeichnis auf solche Kunden, deren Guthaben am 30. Juni 1919 mehr als 3 000 Mark betrug. Die Zugangsverzeichnisse hatten alle Kunden zu erfassen, deren Guthaben oder Konto im letzten Geschäftsjahr einen Zinsertrag von mehr als 60 Mark aufwies. Depot- und Schließfachkunden waren dagegen vollzählig aufzunehmen.

    Ein Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 1. Juli 1920 (RStBl 1920 S. 377) schränkte die Ermittlungsbefugnisse der Finanzbehörden weiter ein. Danach war nur noch ein Auskunftsersuchen in bezug auf bestimmte Kunden zulässig. Die Auskunftspflicht sollte hingegen nicht mehr zur Aufdeckung unbekannter Steuerfälle benutzt werden. Insbesondere sollten nicht Auskünfte darüber verlangt werden, ob eine bestimmte Klasse von Personen, die nicht namentlich bezeichnet war, bestimmte Rechtsgeschäfte abgeschlossen habe. Ebenso sollte nicht nach Einlagen von Angehörigen eines bestimmten Gewerbezweiges in einem bestimmten Zeitraum oder nach Personen, die zu bestimmten Zeitpunkten Wertpapiere erworben hätten, gefragt werden.

    Durch Art. VII des „Gesetzes über die Berücksichtigung der Geldentwertung in den Steuergesetzen” vom 20. März 1923 (RGBl I S. 198) wurden § 189 (Einreichung von Kundenverzeichnissen) und § 209 Abs. 2 RAO (Stichproben in den Fällen des § 189) gestrichen. Die Begründung dieses Gesetzes hob hervor, zwar sei die Aufhebung dieses nicht unwirksamen Mittels zur steuerlichen Erfassung von Kapitaleinkünften wenig wünschenswert, doch dürfe wegen der immer größer werdenden Zahlungsmittelnot nichts unversucht bleiben, das nicht produktiv genutzte Kapital der Wirtschaft zuzuführen (Verhandlungen des Reichstags, I. Wp. 1920, Bd. 376, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Nr. 5490, S. 17 f.).

    Nach der Abgabenordnung hatten die Finanzbehörden jedoch weiterhin die Befugnis, gemäß § 177 in Verbindung mit § 209 Abs. 1 RAO Auskünfte von Dritten einzuholen, die für die Feststellung von Steueransprüchen von Bedeutung waren. Außerdem berechtigte eine allgemeine Steueraufsicht (§ 201 RAO) zu Auskunftsersuchen an Kreditinstitute. Der Reichsminister der Finanzen berücksichtigte jedoch Einwände, die gegen die als zu weitreichend empfundene Ermittlungstätigkeit der Finanzbehörden von seiten der Kreditinstitute erhoben wurden, und schränkte diese Ermittlungstätigkeit ein (vgl. Erlasse vom 9. Juli 1932, RStBl 1932 S. 657, vom 13. Januar 1936 und vom 26. Juli 1937).

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Beschränkungen der Ermittlungstätigkeit durch den Erlaß des Direktors der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets an die Oberfinanzpräsidenten, Landesfinanzämter und Finanzämter (vom 2. August 1949, sog. Bankenerlaß, abgedr. in: DStZ/B 1949, S. 242) geregelt. Danach war das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und ihren Kunden besonders zu berücksichtigen. Die Finanzämter durften von Kreditinstituten keine einmaligen oder periodischen Mitteilungen von Konten bestimmter Art und Höhe verlangen. Die stichprobenweise Feststellung von Guthabenkonten oder Depots und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen wurde untersagt. Die Angabe von Bankkonten und Sparkassenguthaben sollte von Steuerpflichtigen nicht verlangt werden.

    Der 1963 vom Bundesminister der Finanzen gebildete Arbeitskreis für die Reform der Reichsabgabenordnung und ihrer Nebengesetze befaßte sich eingehend mit der Frage, ob die Grundsätze des Bankenerlasses 1949 in die Abgabenordnungübernommen werden sollten. Der Arbeitskreis lehnte dies jedoch ausdrücklich ab. Es wurde darauf hingewiesen, daß der Erlaß unter den besonderen Verhältnissen kurz nach der Währungsreform zustande gekommen sei, eine Sonderregelung für Banken bei der Erfüllung der Auskunftspflichten nicht überzeuge und daß es in der Öffentlichkeit Stimmen gebe, die im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine Aufhebung des Bankenerlasses forderten (Schriftenreihe des BMF, Heft 13, 1970, S. 31 f.).

    Auch bei der Beratung der Abgabenordnung 1977 wurde erörtert, ob der Bankenerlaß in die Abgabenordnung aufzunehmen sei. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es hierzu:

    „Im Rahmen der geltenden Reichsabgabenordnung haben die Kreditinstitute im Besteuerungsverfahren den Finanzbehörden gegenüber kein Auskunftsverweigerungsrecht. Es gilt danach für die Kreditinstitute nichts anderes wie sonst für Dritte, die als Auskunftspersonen in Betracht kommen. Durch den sogenannten Bankenerlaß vom 2. August 1949 sind lediglich gewisse Richtlinien aufgestellt worden, die dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Kreditinstitut und Kunden dienen, die Einzelauskunftspflicht der Kreditinstitute nach §§175, 201, 209 AO jedoch unberührt lassen. Es hat sich in der Vergangenheit keine Notwendigkeit gezeigt, hieran etwas zu ändern. Der Entwurf sieht deshalb davon ab, für die Kreditinstitute abweichende Bestimmungen über ihre Auskunftspflicht in die neue AO aufzunehmen. Insbesondere besteht angesichts der zufriedenstellenden Praktizierung des Bankenerlasses keine Notwendigkeit, seine Regelungen in das Gesetz zu überführen.” (BTDrucks VI/1982, S. 95)

    b) Nach Inkrafttreten der Abgabenordnung 1977 wurde der Bankenerlaß neu gefaßt. In einem Schreiben vom 31. August 1979 an die Finanzminister (Finanzsenatoren) der Länder gab der Bundesminister der Finanzen die neuen Richtlinien für finanzbehördliche „Ermittlungen bei Kreditinstituten” bekannt ( BStBl 1979 I S. 590). Dieser Erlaß lautete:

    „Betr.: Ermittlungen bei Kreditinstituten Bezug: Sitzung mit den Abteilungsleitern (Steuer) der Finanzminister (Finanzsenatoren) der Länder am 18./19.6.1979, zu TOP 10

    Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für Ermittlungen der Finanzbehörden bei Kreditinstituten folgendes:

    1. Bei der Anwendung der im Einführungserlaß zur AO 1977 ( BStBl 1976 I S. 576) unter Nr. 1 und 2 zu § 88 niedergelegten Grundsätze ist auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und ihren Kunden besonders Rücksicht zu nehmen. Danach kann für den Regelfall davon ausgegangen werden, daß die Angaben in der Steuererklärung vollständig und richtig sind.

    2. Die Finanzämter dürfen von den Kreditinstituten zum Zwecke der allgemeinen Überwachung die einmalige oder periodische Mitteilung von Konten bestimmter Art oder bestimmter Höhe nicht verlangen.

    3. Die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, dürfen anläßlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsmäßigen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden. Die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen soll insoweit unterbleiben.

    4. In Vordrucken für Steuererklärungen soll die Angabe der Nummern von Konten oder Depots, die der Steuerpflichtige unterhält, nicht verlangt werden, soweit nicht steuermindernde Ausgaben oder Vergünstigungen geltend gemacht werden oder die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit dem Finanzamt dies bedingt.

    5. Einzelauskunftsersuchen an Kreditinstitute sind zulässig. Für das Verfahren gelten die Vorschriften der §§ 93 ff. AO. Ist die Person des Steuerpflichtigen bekannt, so soll das Kreditinstitut erst um Auskunft gebeten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch den Steuerpflichtigen nicht zum Ziele geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, daß die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und daß die Auskunft für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird.

    6. Für die Steuerfahndung gilt § 208 AO. Ist die Person des Steuerpflichtigen bekannt und gegen ihn kein Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit eingeleitet, so soll auch im Verfahren nach § 208 Abs. 1 Satz 1 AO das Kreditinstitut erst um Auskunft und Vorlage von Urkunden gebeten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch den Steuerpflichtigen nicht zum Ziele geführt hat oder keinen Erfolg verspricht.

    Dieses Schreiben tritt an die Stelle des Erlasses der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 2. August 1949 - III S 1171 - 23/49 - und der hierzu ergangenen Verwaltungsanweisungen der Länder. Es wird in die AO-Kartei aufgenommen.”

    Der Erlaß galt auch im Veranlagungszeitraum 1981, auf den sich die Verfassungsbeschwerden beziehen. Er ist durch Art. 15 Nr. 1 des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I S. 1093 [1127]) als § 30a weitgehend in die Abgabenordnungübernommen worden.

    c) Gleichwohl ist nach § 33 ErbStG derjenige, der sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befaßt, verpflichtet, das bei ihm vorhandene Vermögen eines Erblassers dem für die Verwaltung zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Die Anzeigepflicht des § 33 ErbStG besteht insbesondere für Banken, sonstige Kreditinstitute, Postscheckämter und Bausparkassen (Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 3. Aufl., Stand: 1. April 1989, § 33 Rdnr. 2; Kapp, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 10. Aufl., Stand: Mai 1990, § 33 Anm. 3.1). Sie erstreckt sich auf Konten des Erblassers, gleichgültig, ob es sich um Sparkonten, Kontokorrentkonten oder sonstige Geschäftskonten handelt. Darüber hinaus ist auch ein vom Erblasser geführtes Wertpapierdepot oder das Vorhandensein eines vom Erblasser belegten Schließfaches anzugeben (Troll, Zur Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG für Banken und ähnliche Institutionen, in: RIW, Lfg. 1188, 1989, SG 14.1, S. 115 [121]). Nach Nr. 12 des Erbschaftsteuererlasses 1976 (gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. Zweifelsfragen bei Anwendung des neuen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom 20. Dezember 1974/10. März 1976; BStBl 1976 I S. 145) kann die Anzeige unterbleiben, wenn das bei dem einzelnen Geldinstitut verwahrte Vermögen insgesamt nicht mehr als 2 000 DM beträgt. Zuwiderhandlungen gegen die Anzeigepflicht können als Steuerordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden (§ 33 Abs. 4 ErbStG).

    Die Anzeigepflicht der Kreditinstitute gemäß § 33 ErbStG wird von der Finanzverwaltung insbesondere für die Einkommen- und Vermögensbesteuerung des Erblassers genutzt. Die der Erbschaftsteuerstelle gemäß § 33 Abs. 1 ErbStG bekanntgewordenen Besteuerungsgrundlagen werden in Kontrollmitteilungen an das für die Einkommen- und Vermögensteuerveranlagung zuständige Finanzamt weitergeleitet. In Fällen, in denen die Kapitaleinkünfte nicht ordnungsgemäß versteuert worden sind, können Steuern für einen Zeitraum von vier bis zehn Jahren nacherhoben werden (vgl. Carl/Klos, INF 1989, S. 78 [82]; Troll, a.a.O.).

    Ausgelöst durch die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Jahres 1985 (BTDrucks 10/4367, S. 89 ff.), in denen der Bundesrechnungshof anhand von Stichproben bei Erbschaftsteuerstellen festgestellt hatte, daß nur etwa 25 v.H. der Zinseinkünfte ordnungsgemäß versteuert worden seien, wurde das Kontrollmitteilungsverfahren im Rahmen des § 33 ErbStG intensiviert. Der gleichlautende Erlaß der obersten Finanzbehörden der Länderbetr. Kontrollmitteilungen für die Steuerakten des Erblassers und des Erwerbers vom 17. Februar 1986 ( BStBl 1986 I S. 82) bestimmt, daß das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt dem für die Besteuerung des Erblassers nach dem Einkommen und Vermögen zuständigen Finanzamt den ermittelten Nachlaß mitzuteilen hat, wenn der Reinwert mehr als 250 000 DM oder das zum Nachlaß gehörende Kapitalvermögen mehr als 50 000 DM beträgt. Außerdem hat das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt dem für die Besteuerung des Erwerbers nach dem Einkommen und Vermögen zuständigen Finanzamt den Erwerb mitzuteilen, wenn dessen erbschaftsteuerlicher Wert mehr als 50 000 DM beträgt. Entsprechendes gilt für Schenkungen von Kapitalvermögen.

    d) Gemäß § 18 GrEStG haben Gerichte, Behörden und Notare dem zuständigen Finanzamt Rechtsvorgänge anzuzeigen, die ein Grundstück betreffen. Die Anzeigen gemäß § 18 GrEStG werden von den Finanzämtern auch zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Versteuerung der Kapitaleinkünfte verwendet. Beim Erwerber eines Grundstücks wird nachgefragt, mit welchen Mitteln er den Kauf finanziert habe. Dadurch sollen bislang geheimgehaltene Einkünfte oder Vermögenswerte (Schwarzgelder) aufgedeckt und nachträglich der Einkommensteuer und auch der Vermögensteuer unterworfen werden. Beim Veräußerer eines Grundstücks wird nach der Verwendung des Verkaufserlöses geforscht.

    4. Im internationalen Vergleich ist die Freistellung der Kapitalerträge aus Einlagen bei Banken sowohl von der Quellenbesteuerung als auch von der Erfassung durch Kontrollmitteilungen die Ausnahme.

    a) Die Besteuerung der Kapitalerträge ist in den Industriestaaten sehr unterschiedlich geregelt. In verschiedenen Ländern existieren Kapitalertragsteuern; zum Teil bestehen mehr oder weniger stark ausgeprägte Kontrollmitteilungssysteme oder Meldepflichten der Banken (vgl. BTDrucks 11/2599, S. 14; Bundesministerium der Finanzen, Informationsdienst zur Finanzpolitik des Auslands, Nr. 1/1989, S. 9, Übersicht 5).

    Sofern die ausländischen Rechtsordnungen eine Kapitalertragsteuer kennen, wird sie im Quellenabzug von den auszahlenden Stellen erhoben. Zumeist müssen die Kapitalerträge sodann unabhängig davon, ob und in welcher Höhe sie dem Quellenabzug unterlegen haben, vom Empfänger erklärt und in seine Steuerveranlagung einbezogen werden; die Kapitalertragsteuer wird auf die Steuerschuld angerechnet. Teilweise gelten die Quellensteuern (Kapitalertragsteuern) aber auch endgültig die Steuerschuld ab und werden nicht in die Einkommen- oder Körperschaftsteuerveranlagung einbezogen.

    Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten der Kreditinstitute gegenüber der Finanzverwaltung sind unterschiedlich geregelt. Ein verhältnismäßig lückenloses Kontrollsystem für alle Kapitalerträge kennen die Vereinigten Staaten, die Niederlande und Kanada. In anderen Staaten (z.B. Dänemark, Frankreich, Großbritannien) bestehen zum Teil neben den Kapitalertragsteuern Melde- und Auskunftspflichten der Kreditinstitute über die bei ihnen geführten Konten (vgl. BTDrucks 11/2599, 5.5; ausführlich: Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, Bankgeheimnis und Bankauskunft, 3. Aufl., 1984, S. 449 ff.).

    Bei Steuerausländern verzichten lediglich Irland und Großbritannien auf eine Quellensteuer; bei Steuerinländern außerdem Frankreich, Kanada und die USA, die dafür aber Kontrollmitteilungen kennen. Bei festverzinslichen Wertpapieren wird bei zehn von siebzehn Ländern eine Quellensteuer zwischen 10 v.H. (Österreich) und 35 v.H. (Irland, Schweiz) erhoben. In Belgien, Griechenland, Portugal, Spanien und Großbritannien beträgt die Kapitalertragsteuer in diesen Fällen 25 v.H. Für Zinsen aus Einlagen bei Kreditinstituten erheben Belgien (25 v.H.), Italien (30 v.H.), Portugal (20 v.H.), Spanien (25 v.H.), Großbritannien (21,75 v.H.), Japan (20 v.H.), Österreich (10 v.H.) und die Schweiz (35 v.H.) eine Quellensteuer. Dänemark, Frankreich, die Niederlande, Kanada und die Vereinigten Staaten erfassen diese Kapitalerträge durch Kontrollmitteilungen. Lediglich Griechenland, Irland, Luxemburg und die Bundesrepublik Deutschland verzichten bei Kapitalerträgen aus Einlagen bei Banken sowohl auf eine Quellenbesteuerung als auch auf Kontrollmitteilungen (Bundesministerium der Finanzen, Informationsdienst zur Finanzpolitik des Auslands, Nr. 1/1989, S. 9, Übersicht 5).

    b) Die Europäische Gemeinschaft hat sich nachdrücklich um eine zutreffende und vollständige Erfassung der Zinseinkünfte bemüht.

    Nach Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie des Rates vom 24. Juni 1988 zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs (ABl EG Nr. L 178 vom 8. Juli 1988) war die Kommission verpflichtet, dem Rat bis zum 31. Dezember 1988 Vorschläge zu unterbreiten, die darauf abzielen, „Gefahren von Steuerumgehungen, Steuerflucht und Steuerhinterziehung infolge der Unterschiede in den nationalen Regelungen zur Besteuerung von Sparerträgen und in der Kontrolle der Anwendung dieser Regelungen zu beseitigen oder zu vermindern”. Die Entscheidungen über die Vorschläge mußten im Rat der Europäischen Gemeinschaften einstimmig gefaßt werden.

    Aufgrund dieser Regelung schlug die Kommission die Einführung einer Kapitalertragsteuer auf Zinsen (Quellensteuer) in Höhe von mindestens 15 v.H. sowie eine Erweiterung der Auskunftsmöglichkeiten der EG-Mitgliedstaaten untereinander bei Verdacht der Steuerhinterziehung vor (vgl. im einzelnen BTDrucks II/5533, S. 4 ff.).

    Der Vorschlag der Kommission blieb erfolglos, nachdem Luxemburg, Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland sich gegen die Einführung einer Quellensteuer auf EG-Ebene wandten (vgl. von Hippel, BB 1990, S. 1951 [1954]; Carl/Klos, EuZW 1990, S. 214 [216]). Ein weiterer Versuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, der Verheimlichung von Zinseinkünften durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Steuerverwaltungen der einzelnen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken, ist ebenfalls gescheitert (vgl. Carl/Klos, EuZW 1990, S. 214 [216 f.]).

    II.

    1. a) Der Beschwerdeführer zu 2) war 1981 Leiter einer Straf- und Bußgeldsachenstelle bei einem Finanzamt. Die Beschwerdeführer sind Eheleute und wurden für den Veranlagungszeitraum 1981 gemäß § 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

    Die Beschwerdeführer bezogen im Streitjahr 1981 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Ehemannes auch Einkünfte aus Kapitalvermögen. Hierbei handelte es sich sowohl um Kapitalerträge mit Kapitalertragsteuerabzug als auch um Kapitalerträge, die nicht der inländischen Kapitalertragsteuer unterlegen haben (Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren sowie aus Sparguthaben). Die nicht von der Quellensteuer erfaßten Kapitaleinkünfte betrugen insgesamt 2 745 DM; von diesem Gesamtbetrag entfielen 1 229 DM auf die Beschwerdeführerin zu 1) und 1 516 DM auf den Beschwerdeführer zu 2). Diese Kapitaleinkünfte wurden in der erklärten Höhe der Besteuerung zugrunde gelegt.

    b) Die Beschwerdeführer vertreten den Standpunkt, die Praxis der Besteuerung von Kapitaleinkünften aus festverzinslichen Wertpapieren sowie aus Bauspar- und Sparguthaben verstoße gegen den Gleichheitssatz. Mit dieser Rüge beschritten sie erfolglos den Rechtsweg.

    aa) Das Finanzgericht Baden-Württemberg wies die Klage mit Urteil vom 5. Juni 1986 (EFG 1986, S. 451 ff.) ab. Zwar sei den Beschwerdeführern darin beizustimmen, daß die Ermittlungs- und Erhebungspraxis der Finanzverwaltung bei der Besteuerung von Zinserträgen aus Guthaben bei Kreditinstituten und aus festverzinslichen Wertpapieren im Ergebnis das Gleichgewicht in der steuerlichen Lastenverteilung in einem unerträglichen Maß störe. Dieses Vollzugsdefizit könne den Besteuerungsanspruch des § 20 EStG in seinem rechtlichen Bestand jedoch nicht in Frage stellen.

    Obgleich es recht schwierig sei, aus den vorliegenden Zahlen der Statistik der Deutschen Bundesbank die nicht erklärten steuerpflichtigen Kapitalerträge zu ermitteln, müsse nach den Berechnungen des Finanzgerichts die Fehlquote der erklärungs- und zugleich steuerpflichtigen Zinserträge mit etwa 40 v.H. veranschlagt werden. Eine derart hohe Fehlquote könne nicht hingenommen werden. Die Dunkelziffer von 40 v.H. sei ein Anzeichen dafür, daß die auf dem gesetzwidrigen Bankenerlaß vom 31. August 1979 beruhende Ermittlungspraxis gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verstoßen habe, wie er in den Vorschriften der §§85, 88, 93, 97 und 102 AO zum Ausdruck komme. Damit werde auch das Ziel verfehlt, über die im Gesetz verankerte Steuerpflicht eine gleiche Lastenverteilung zu gewährleisten.

    Trotz dieser aufgezeigten Mängel im Vollzug müsse der Senat davon absehen, der Klage stattzugeben. Die Gleichheit vor dem Gesetz lasse sich im konkreten Fall nicht dadurch herstellen, daß man die Belastung der Beschwerdeführer absenke. Das würde die gesetzliche Norm und den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf den Kopf stellen.

    bb) Mit Urteil vom 20. Juni 1989 (BStBl II S. 836 ff.) wies der Bundesfinanzhof die Revision der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg als unbegründet zurück.

    Zwar sei die Erfassung der Zinseinkünfte nach der im Streitjahr geltenden Rechtslage nicht ausreichend gewährleistet. Die zuständigen Verfassungsorgane seien schon im Hinblick auf die Feststellungen des Bundesrechnungshofes, daß ein erheblicher Anteil der steuerpflichtigen Zinserträge nicht ordnungsgemäß erklärt und versteuert werde, aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, geeignete Maßnahmen für eine bessere Erfassung dieser Kapitalerträge zu ergreifen. Auf welche Weise Regierung und Parlament ihrer Handlungspflicht nachkämen, sei aber grundsätzlich ihrer Entscheidung überlassen. Ein subjektiv einklagbares Recht der betroffenen Bürger auf eine bestimmte Abhilfe bestehe nicht.

    Das Finanzamt dürfe die Zinseinkünfte der Beschwerdeführer selbst dann zur Einkommensteuer heranziehen, wenn andere Steuerpflichtige ihre Zinseinkünfte nicht ordnungsgemäß erklärten und deshalb mit diesen Einkünften nicht zur Einkommensteuer herangezogen würden. Die Beschwerdeführer könnten im Rahmen ihres Steuerpflichtverhältnisses nicht deshalb einen Gleichheitsverstoß einwenden, weil die Finanzbehörden gleichartige Vorgänge bei anderen Steuerpflichtigen nicht besteuerten.

    Die Verpflichtung der Finanzbehörden und der Gerichte, Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 zur Einkommensteuer heranzuziehen, werde nicht dadurch beseitigt, daß die Finanzverwaltung das Recht nicht gleichmäßig anwende. Der Gleichheitssatz rechtfertige unter keinen Umständen eine Durchbrechung der durch Art. 20 Abs. 3 GG angeordneten Bindung der vollziehenden Gewalt und der Gerichte an das Gesetz; er fordere Gleichheit vor dem Gesetz, also Gleichheit im Recht. Eine Gleichheit im Gesetzesbruch könne es nicht geben. Verwaltung und Gerichte seien auch dann nicht befugt, ein Gesetz allgemein oder im Einzelfall zu suspendieren, wenn eine Norm in zahlreichen Fällen („massenhaft”) und über einen längeren Zeitraum hinweg nicht befolgt werde.

    2. Gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs legten die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerden ein. Sie rügen insbesondere eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und aus Art. 3 Abs. 1 GG.

    Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979, die Zinsen aus Kapitalforderungen jeder Art zu steuerbaren Einkünften erkläre, verstoße gegen das rechtsstaatliche Prinzip des Übermaßverbots. Sie sei nicht geeignet, die Zinsen aus Kapitalforderungen vollständig und gleichmäßig zu erfassen. § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 hätte das Ziel einer gleichmäßigen Besteuerung von Kapitaleinkünften nur erreichen können, wenn zu erwarten gewesen wäre, daß die Steuerschuldner ihre Zinseinkünfte bereitwillig erklärten, oder wenn auf andere Weise gesetzlich sichergestellt worden wäre, daß diese Einkünfte hinreichend erfaßt werden könnten. Der Gesetzgeber habe bei der Verabschiedung des § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 wissen müssen, daß Steuern auf Kapitalzinsen auch von im übrigen rechtstreuen Bürgern in erheblichem Umfang hinterzogen würden und es daher bestimmter Vorkehrungen zur gleichmäßigen Belastung der Zinseinkünfte bedurft hätte. Solche Vorkehrungen, etwa die Erfassung der Einkünfte an der Quelle oder die Verpflichtung der Banken zu Kontrollmitteilungen an die Finanzbehörden, habe der Gesetzgeber aber nicht getroffen. Soweit die Finanzämter versucht hätten, dem allein verfassungsgemäßen Zustand einer gleichmäßigen Besteuerung wenigstens in Ansätzen durch Auskunftsverlangen an Kreditinstitute gemäß § 93 AO näherzukommen, sei diesem Unterfangen durch den Bankenerlaß des Bundesministers der Finanzen alsbald nach Inkrafttreten des § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 Einhalt geboten worden.

    § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 verletze ferner das Grundrecht des steuerehrlichen Bürgers auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) und das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot materieller Gerechtigkeit. § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 habe zur Folge, daß ein Teil der Bezieher von Einkünften aus sonstigen Kapitalforderungen durch Einkommensteuerbescheid zur Besteuerung dieser Einkünfte herangezogen werde, ein anderer Teil derselben Personengruppe jedoch nicht. Hierin liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Zwar verliere ein Gesetz nicht deswegen seine Geltung, weil es verletzt werde. Eine beschränkte Geltung eines Gesetzes nur für einen Teil seiner Adressaten sei aber dann anzunehmen, wenn - wie vorliegend - zu erwarten sei, daß Gesetzesverletzungen besonders häufig und nachhaltig auftreten würden und die Exekutive dies hinnehmen werde, weil der Gesetzgeber ihr nicht die Möglichkeit gegeben habe, die Befolgung des Gesetzes durchzusetzen. Die hierdurch entstehende faktische Geltungsungleichheit sei dem Gesetzgeber dann zuzurechnen.

    3. Zu den Verfassungsbeschwerden haben sich die Bundesregierung, einige Landesregierungen, die Deutsche Bundesbank, der Bundesrechnungshof und der Bundesverband deutscher Banken geäußert.

    a) Nach Auffassung der Bundesregierung sind die Verfassungsbeschwerden unzulässig. Ihnen fehle ein Rechtsschutzbedürfnis. Die Beschwerdeführer könnten nicht erreichen, daß das Bundesverfassungsgericht wegen des geltend gemachten Vollzugsdefizits die Zinsbesteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 für nichtig oder für verfassungswidrig erkläre. Beide Entscheidungsalternativen setzten voraus, daß die Zinsen von der Einkommensteuer freigestellt werden könnten. Dies sei nach Auffassung der Bundesregierung jedoch von Verfassungs wegen ausgeschlossen.

    Die Verfassungsbeschwerden seien darüber hinaus auch unbegründet. Ein unzureichender Gesetzesvollzug habe grundsätzlich keine Auswirkungen auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Steuerfestsetzungen auf der Grundlage einer verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage. Es entspreche allgemeiner Rechtsüberzeugung, daß sich kein Bürger, der nach Verfassung und Gesetz behandelt werde, mit Erfolg darauf berufen könne, andere Bürger würden nicht ebenso behandelt.

    Für die Ermittlung einkommensteuerpflichtiger Kapitalerträge seien grundsätzlich dieselben Regeln maßgebend wie für die Ermittlung anderer Einkommensarten. Der Bankenerlaß vom 31. August 1979 und die mit dem Bankenerlaß inhaltlich weitgehend übereinstimmende Regelung des § 30a AO stimmen die Ermittlungsmaßnahmen auf die besonderen Verhältnisse bei Bankkunden ab. Der Bankenerlaß und § 30a AO seien Ausdruck des verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Achtung vor der Eigenverantwortlichkeit des Menschen. In diesem Rahmen berücksichtigten beide Regelungen die Wirkungen, die nach der Lebenserfahrung jeder staatliche Eingriff in den Bankenapparat für den Kapitalmarkt habe. Sie sicherten das besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Bankkunden und der Bank, stärkten die Ersparnisbildung in der Bundesrepublik Deutschland, förderten die Anlagebereitschaft und wirkten dem Abfluß inländischen Sparkapitals in das Ausland entgegen.

    Im übrigen schließe weder der Bankenerlaß noch § 30a AO Nachforschungen der Steuerbehörden bei den Kreditinstituten über steuerlich erhebliche Verhältnisse ihrer Kunden aus. Vielmehr würden auch für die steuerliche Überwachung von Kapitalerträgen bei Kreditinstituten grundsätzlich die allgemeinen Ermittlungsregeln gelten.

    b) Die Länder Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz haben auf eigene weitere Stellungnahmen verzichtet, die Länder Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben ergänzende Ausführungen zu § 30a AO gemacht.

    Die Freie und Hansestadt Hamburg verweist darauf, daß die Erfassung einzelner Einkünfte von entsprechenden Kontrollen und der von diesen ausgehenden Präventivwirkung abhänge. Bei der Erfassung von Einkünften aus Kapitalvermögen veranlaßten die Angaben des Steuerpflichtigen eine Kontrolle nur, wenn sie in sich unschlüssig oder widersprüchlich seien. Gelinge es dem Steuerpflichtigen, seine steuerlichen Verhältnisse ohne innere Widersprüche dem Finanzamt darzulegen, könne er davon ausgehen, daß insoweit keine Kontrollen stattfänden. Würde die Kontrolle hingegen durch die Steuerverwaltung selbst, insbesondere durch Kontrollmitteilungen, veranlaßt, so sei der Präventiveffekt dieser für den Steuerpflichtigen nicht kalkulierbaren Kontrollen ungeachtet ihrer Häufigkeit hoch. § 30a AO unterbinde aber Kontrollmitteilungen im Rahmen einer Außenprüfung bei einer Bank und verhindere damit effektive Kontrollen. Eine Steuerhinterziehung durch Nichtangabe von Einkünften aus Kapitalvermögen werde so zu einem kalkulierbar geringen Risiko.

    Die Länder Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bestätigen, daß Kapitalerträge zu einem großen Teil einkommensteuerlich nicht erfaßt würden. Dies sei darauf zurückzuführen, daß die Finanzverwaltung nur sehr geringe Kontrollmöglichkeiten habe und selbst diese durch § 30a AO weitgehend aufgehoben würden. Da die fehlende Kontrollmöglichkeit bekannt sei, bestehe für die Steuerpflichtigen, die ihre Kapitaleinkünfte nicht erklären wollten, kein Anlaß zu ordnungsgemäßer Deklaration. Bereits auf bloße Nachfragen reagierten Steuerpflichtige mit Empörung und mit Beschwerdeschreiben.

    Das Land Schleswig-Holstein hebt hervor, daß durch die Einschränkung der Kontrollmaßnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eine im deutschen Steuerrecht einzigartige Rechtslage geschaffen werde. Nirgends sonst sei durch ausdrückliche gesetzliche Regelung die einzig wirksame Kontrollmöglichkeit ausgeschlossen worden. Ohne eine Besteuerung an der Quelle oder Kontrollmitteilungsverfahren aber könnten die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht ordnungsgemäß besteuert werden.

    Der Freistaat Bayern hält die Verfassungsbeschwerden für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Etwaige Verwaltungsdefizite könnten die gesetzlich festgelegte Steuerpflicht nicht in Frage stellen. Einen Anspruch auf Gleichheit im Gesetzesbruch gebe es nicht. Die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Entscheidungen könnten somit nicht auf einer Grundrechtsverletzung beruhen. Im übrigen sei die zur Besteuerung der Beschwerdeführer herangezogene Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 verfassungsgemäß.

    c) Die Deutsche Bundesbank weist darauf hin, daß die Frage nach der tatsächlichen Besteuerung der steuerpflichtigen Kapitalerträge nicht exakt und zeitnah beantwortet werden könne. Sie schätze die Höhe der privaten Geldvermögenserträge nach den jeweiligen Geldvermögensbeständen und anhand zusätzlicher Informationen über die durchschnittliche Verzinsung der privaten Anlagen. Im Jahre 1988 seien die Geldvermögenseinkünfte auf einen Gesamtumfang von 102 Milliarden DM geschätzt worden. Sie hätten sich damit gegenüber dem Jahr 1982 um 10 Milliarden DM erhöht. Lege man die Ergebnisse der nur im Abstand von drei Jahren erstellten Einkommensteuerstatistik zugrunde, so seien im Jahre 1983 insgesamt Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 19,5 Milliarden DM steuerlich deklariert worden. Gemessen an den gesamten privaten Geldvermögenserträgen (von seinerzeit rd. 87 Milliarden DM) seien dies rd. 22,5 v.H. gewesen. 1980 habe dieser Anteil bei 23,5 v.H., 1977 bei 17,5 v.H. gelegen.

    Aus diesem niedrigen Anteil der deklarierten privaten Kapitaleinkünfte könne freilich nicht geschlossen werden, daß der weit überwiegende Teil dieser Einkommensteuern hinterzogen werde. Ein beachtlicher, allerdings nur grob schätzbarer Teil der Zins- und Dividendeneinkünfte sei im Einklang mit dem Einkommensteuergesetz steuerbefreit.

    Nach den vorliegenden Anhaltspunkten dürften im Jahre 1983, für das die letzte detaillierte Einkommensteuerstatistik verfügbar sei, ungefähr vier Fünftel der gesamten Geldvermögenseinkommen privater Haushalte entweder im Einklang mit dem Einkommensteuergesetz steuerfrei geblieben oder ordnungsgemäß versteuert worden sein. Dieses Ergebnis stimme mit Feststellungen überein, die das Bundesministerium der Finanzen im Jahre 1986 in seinem Bericht für den Rechnungsprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages getroffen habe. Bezogen auf das Jahr 1982 könnte sich freilich der. Anteil hinterzogener Kapitaleinkünfte an den gesamten privaten Geldvermögenserträgen auch in der Größenordnung bewegt haben, die das Finanzgericht Baden-Württemberg in seiner - mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen - Urteilsbegründung veranschlagt habe. Verschiedene Anhaltspunkte sprächen jedoch dafür, daß sich die Hinterziehungsquote seitdem verringert habe.

    d) Der Bundesrechnungshof teilt mit, er habe sich seit dem Jahre 1984 näher mit der Frage befaßt, in welchem Umfang Einnahmen aus Kapitalvermögen nicht erklärt und damit der Besteuerung entzogen worden seien. Dabei sei er bald an die Grenzen seiner Erhebungsmöglichkeiten gestoßen, insbesondere weil die Finanzverwaltung sich zunächst durch Selbstbindung weitgehend der Möglichkeiten zu ermitteln begeben habe und die Beschränkungen nunmehr gesetzlich geregelt worden seien. Eine Finanzverwaltung könne mit einer gewissen Zuverlässigkeit die tatsächlichen Einkünfte bestimmter Steuerpflichtiger aus Kapitalvermögen nur ermitteln, wenn Banken und Versicherungen beim Tod eines Kunden dessen Bestände an Kapitalvermögen der zuständigen Erbschaftsteuerstelle mitteilten und wenn die Steuerfahndung Einkünfte Steuerpflichtiger aus Kapitalvermögen ermittele.

    aa) Der Bundesrechnungshof habe in den Jahren 1984 und 1985 die Anzeigen von Kreditinstituten über Guthabenkonten und Depots von Erblassern nach § 33 ErbStG einer Prüfung der Besteuerung privater, nicht vom Quellenabzug erfaßter Einkünfte aus Kapitalvermögen zugrunde gelegt. Er habe bei zehn Wohnsitzfinanzämtern von Erblassern in fünf Bundesländern untersucht, ob und inwieweit die nicht dem Quellensteuerabzug unterliegenden privaten Zinseinnahmen erklärt und besteuert worden seien (Bemerkungen 1985 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung vom 11. Oktober 1985, BTDrucks 10/4367, S. 89 ff.).

    Die Prüfung habe ergeben, daß die Oberfinanzdirektionen den Finanzämtern teilweise unzureichende und nicht einheitliche Weisungen für die Zusammenarbeit zwischen den Erbschaftsteuerstellen und den für die Einkommensbesteuerung zuständigen Finanzämtern erteilt hätten. Die Erträge aus verzinslich angelegtem Geldvermögen privater Haushalte seien nur bei einem Viertel des vorhandenen Vermögens als Einkünfte erklärt worden. Die Deklarierungsquote, aus der nicht ohne Einschränkung auf die Höhe der Steuerpflicht geschlossen werden könne, bewege sich bei den einzelnen Finanzämtern zwischen 3,7 v.H. und 47,7 v.H. Auch bei Berücksichtigung der Beträge, die durch Auswertung von Kontrollmitteilungen der Erbschaftsteuerstellen nachträglich erfaßt worden seien, rechtfertigten die Feststellungen des Bundesrechnungshofs die Annahme, daß die Erträge aus weit mehr als der Hälfte der privaten Geldvermögen (rd. 65 v.H.) nicht zur Einkommensteuer herangezogen worden seien.

    Sparer-Freibetrag, Werbungskostenpauschbetrag, der gesetzliche Härteausgleich für Nebeneinkünfte im Sinne des § 46 Abs. 3 und 5EStG wie auch die verminderte Besteuerung der Leibrenten lediglich mit dem Ertragsanteil könnten dieses Ergebnis nicht entscheidend verändern. In den Anzeigen der Kreditinstitute seien nämlich die Wertpapiere, die den Bankkunden beim Kauf ausgehändigt würden (sog. Tafelgeschäfte), nicht erfaßt. Auch Kapitalanlagen im Ausland entzögen sich zwangsläufig einer Kontrolle.

    Am 24. Juli 1989 habe der Bundesminister der Finanzen dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages einen Bericht über das Ergebnis von Maßnahmen, Kapitalerträge aus vererbten und geerbten Vermögen lückenlos der Besteuerung zuzuführen, vorgelegt. Diese Auswertung habe ergeben, daß im Bundesdurchschnitt im ersten Halbjahr 1987 in mehr als zwei Dritteln der ausgewerteten Fälle (68,85 v.H.) die Erblasser die Einkünfte zutreffend erklärt hätten. Hierbei bewege sich die Deklarierungsquote zwischen 47,15 v.H. (Berlin) und 76,14 v.H. (Schleswig-Holstein).

    Nach dem Ergebnis seiner Prüfung könne der Bundesrechnungshof die Aussage des Bundesministers der Finanzen zum Anteil der steuerehrlichen Erblasser nicht bestätigen. Die Aussage des Bundesministers der Finanzen sei insofern unrichtig, als ihr zum einen fehlerhafte statistische Daten der Finanzbehörden für das erste Halbjahr 1987 zugrunde lägen und zum anderen der Bundesminister bei der Auswertung der Daten den Anteil der steuerehrlichen Erblasser überhöht berechnet habe. Im übrigen seien die Erkenntnisse über die Versteuerung von Einkünften der Erblasser aus Kapitalvermögen nur begrenzt auf die übrigen Bezieher solcher Einkünfte übertragbar.

    bb) Anfang der achtziger Jahre sei nach Außenprüfungen von Scheideanstalten für Edelmetalle der Verdacht entstanden, daß Zahnärzte den An- und Verkauf von Gold genutzt hätten, um Einkommensteuer zu verkürzen. Im Rahmen der Außenprüfung seien daher in großem Umfang Kontrollmitteilungen gefertigt und teilweise auch Steuerfahndungsmaßnahmen durchgeführt worden. Der Bundesrechnungshof habe 58 dieser Fälle eingesehen und insbesondere die steuerliche Erfassung von Einkünften aus Kapitalvermögen überprüft.

    In den geprüften Fällen hätten 55 v.H. der Prüfungen des Finanzamtes mit einer Durchsuchung und 45 v.H. der Prüfungen mit einer Bankauskunft begonnen. Bei den Durchsuchungen hätte das Finanzamt in 94 v.H. und durch die Bankauskünfte in 81 v.H. der Fälle Mehreinkünfte aus Kapitalvermögen festgestellt. Die hohe Aufdeckungsquote mache deutlich, daß ohne die genutzten Ermittlungsmöglichkeiten die - bis dahin unversteuerten - Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht erfaßt worden seien.

    Bei den Durchsuchungsfällen habe das Finanzamt in 47 v.H. der Fälle Tafelgeschäfte oder ausländische Einkünfte aus Kapitalerträgen - jeweils mit Abwicklungen über ein sog. „Conto pro Diverse” (CpD) - festgestellt, bei den Auskunftsersuchen hingegen in nur 8 v.H. der Fälle. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß bei Auskunftsersuchen die Angaben der Kreditinstitute über Tafelgeschäfte, die in der Regel außerhalb der Kundenkonten abgewickelt würden, unvollständig seien.

    cc) Die Auskunft der Deutschen Bundesbank, nach ihrer Berechnung für das Jahr 1983 seien vier Fünftel der Einkommen privater Haushalte aus Geldvermögen ordnungsgemäß versteuert oder im Einklang mit dem Einkommensteuergesetz steuerfrei geblieben, werde der Sache nicht gerecht. Die Deutsche Bundesbank habe zum einen bei der Anteilsberechnung irreführende Bezugsgrößen verwendet und zum anderen Freibeträge, Freigrenzen und andere Vergünstigungen überhöht von den Einkommen aus Geldvermögen abgesetzt.

    Auch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1983 gebe Anhaltspunkte für die nicht erfaßten Kapitaleinkünfte. In der Bundesrepublik Deutschland hätten im Jahr 1983 rd. 23,2 Millionen Privathaushalte (ohne Haushalte von Ausländern, Haushalte in Anstalten und Haushalte mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von über 25 000 DM) bestanden. Davon hätten rd. 21,7 Millionen Haushalte über Einkommen aus Geldvermögen verfügt. Rd. 6,3 Millionen Haushalte hätten solche Einkommen von mehr als 1 200 DM jährlich bezogen. Diese rd. 30 v.H. der Haushalte mit Geldvermögen vereinigten auf sich mehr als rd. 80 v.H. der gesamten Einkommen des Geldvermögens. Für den weit überwiegenden Teil dieser rd. 6,3 Millionen Haushalte dürften für das Jahr 1983 und die Folgejahre Einkommensverhältnisse vorgelegen haben, die mindestens die Voraussetzungen für eine Veranlagung zur Einkommensteuer erfüllten: Nach den Geschäftsstatistiken der Finanzämter hätten die Fallzahlen für Veranlagung mit Kapitaleinkünften im Jahr 1983 jedoch nur rd. 2,3 Millionen betragen, und sie hätten auch in den Folgejahren wesentlich unter den Fallzahlen der 6,3 Millionen Haushalte mit Einkommen aus Geldvermögen von mehr als 1 200 DM jährlich gelegen. Eine ähnliche Schlußfolgerung dürfe sich für die Jahre nach 1983 ziehen lassen, da sich die Struktur der Einkommensverhältnisse nicht grundsätzlich verändert habe.

    e) Der Bundesverband deutscher Banken weist in seiner Stellungnahme darauf hin, daß seit der Steuerreform 1989/90 praktische Erfahrungen mit einer generellen Kapitalertragsteuer vorlägen. Trotz zahlreicher Modifizierungen während des Gesetzgebungsverfahrens habe diese Quellensteuer derart nachteilige Konsequenzen gehabt, daß sie ein halbes Jahr nach ihrer Einführung wieder abgeschafft worden sei. Der Grund liege vor allem in den verfahrensmäßigen Erschwernissen für in- und ausländische Anleger, den belastenden Anrechnungsund Erstattungsprozeduren und aus beidem resultierend den negativen kapitalmarktpolitischen Auswirkungen der Quellensteuer. Es müsse berücksichtigt werden, daß den zusätzlichen Steuereinnahmen eine Verteuerung der Kreditfinanzierung für die öffentliche Hand und für die Wirtschaft, die mit dem hohen Verwaltungsaufwand der Kreditinstitute verbundenen Steuermindereinnahmen sowie die eigenen Verwaltungsaufwendungen der Finanzverwaltung gegenüberstünden.

    Ein System genereller Kontrollmitteilungen durch die Kreditinstitute hätte prinzipiell die gleiche Wirkung wie die Quellensteuer, so daß auch hier die negativen Auswirkungen wie Rückgang der Sparneigung, Kapitalflucht ins Ausland und Hinwendung zu steuerlich wesentlich bessergestellten Anlageformen zu erwarten sei.

    Der Bankenerlaß hingegen entspreche den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit finanzbehördlicher Ermittlungen. Er schafte kein dem Gesetz inadäquates Sonderrecht, sondern dokumentiere, daß die Eigenart des Kreditgeschäfts einen weiten Einblick in die Verhältnisse der Steuerpflichtigen eröffne. Kreditinstitute seien ohne ermessensleitende Anordnungen stets der Gefahr ausgesetzt, übermäßig in Anspruch genommen und zu einem Sonderopfer verpflichtet zu werden. Zudem könnte durch übermäßige Ermittlungen das Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunden zerrüttet werden.

    4. In der mündlichen Verhandlung am 19. März 1991 erschienen die Beteiligten und Äußerungsberechtigten, die bereits schriftlich Stellung genommen hatten. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken waren vertreten. Als Sachverständige wurden Prof. Dr. Littmann und Prof. Dr. Ehrlicher, als Auskunftspersonen zum Erhebungsverfahren die Leitenden Regierungsdirektoren Kleine und Teske in ihrer Eigenschaft als Leiter der „Erfassungsstellen” in Hannover und Frankfurt gehört.

    Die Schätzungen aller Beteiligten stimmen näherungsweise darin überein, daß bei einem Vergleich zwischen den deklarierten Kapitaleinkünften und den nicht deklarierten, aber steuerbaren Kapitaleinkünften jedenfalls etwa die Hälfte der Einkünfte nicht erfaßt wird. Zur wirtschaftspolitischen Bewertung einer verbesserten Erfassung von Kapitalerträgen wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß der Kapitalanleger auf jede Veränderung wie ein „scheues Reh” reagiere und zur Flucht neige.

    Die Bundesregierung erneuerte ihre Bedenken gegen die Zulässigkeit und Begründetheit der Verfassungsbeschwerden. Zwar würden die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht vollständig steuerlich erfaßt. Dies gelte aber auch für andere Einkünfte. Zudem habe die Bundesregierung anläßlich der Steuerreform 1990 ein Bündel von Maßnahmen ergriffen, um Kapitalerträge vollständiger zu erfassen. Die Banken würden auf die Steuerpflicht von Kapitaleinkünften hinweisen. Die Anlage KSO für die Erklärung der Kapitaleinkünfte sei mit der Einkommensteuererklärung abzugeben und gesondert zu unterschreiben. Die Kontrollverfahren nach § 33 ErbStG und § 18 GrEStG würden zuverlässiger vollzogen. Schließlich habe das Nacherklärungsgesetz dazu geführt, daß 758 913 Steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 2 407 209 900 DM nacherklärt und weitere Steuerpflichtige bezogene Kapitaleinkünfte erstmals offenbart hätten (Stand: 31. Dezember 1990). Einer weitergehenden Erfassung der Kapitaleinkünfte stünden Belange des Kapitalmarktes entgegen.

    Die Länder Nordrhein-Westfalen und Hamburg führten aus, daß bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ein erhebliches Vollzugsdefizit bestehe. Für das Erfassungsdefizit sei § 30a AO mitverantwortlich. Eine Aufhebung dieser Vorschrift würde zwar zu einer wirksameren Besteuerung der Kapitaleinkünfte führen; jedoch seien insbesondere vermehrte Anfragen bei Kreditinstituten erforderlich.

    Der Bundesrechnungshof wies auf die mangelnde Ordnungsmäßigkeit der Besteuerung hin. Seine Überprüfungen hätten ergeben, daß Kapitaleinkünfte in erheblichem Umfang nicht versteuert würden. Auch neuere Prüfungen belegten ein unvertretbares Vollzugsdefizit. Die Maßnahmen der Bundesregierung würden diese Mängel auf Dauer nicht beheben.

    Die Deutsche Bundesbank bestätigte ein Vollzugsdefizit bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, hob aber die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer stärkeren Kontrolle bei der Besteuerung der Kapitaleinkünfte hervor. Die zehnprozentige Kapitalertragsteuer Anfang 1989 habe den Kapitalmarkt in der Bundesrepublik Deutschland erheblich beeinträchtigt. Eine vermehrte staatliche Kontrolle der Kapitaleinkünfte sei volkswirtschaftlich höchst bedenklich. Im übrigen sei auch der erhöhte Kapitalbedarf zu berücksichtigen, der durch die Einheit Deutschlands verursacht werde.

    Die Sachverständigen Prof. Dr. Littmann und Prof. Dr. Ehrlicher stellten fest, daß Einkünfte aus Kapitalvermögen in beachtlichem Umfang nicht ordnungsgemäß versteuert würden. Prof. Dr. Littmann gab den Anteil der nicht erklärten Kapitaleinkünfte mit 19 Milliarden DM bis 23 Milliarden DM an, von denen 12 Milliarden DM bis 14 Milliarden DM steuerpflichtig seien. Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer verstärkt kontrollierten Besteuerung der Kapitaleinkünfte seien schwer vorherzusagen. Jedenfalls führe entgegen der Auffassung der Deutschen Bundesbank eine Quellensteuer nicht zu langfristigen negativen Auswirkungen für den Kapitalmarkt. Vielmehr werde nach einigen Irritationen ein neuer Gleichgewichtszustand auf den Kapitalmärkten entstehen. Prof. Dr. Ehrlicher wies darauf hin, daß der Kapitalzins als intertemporale Steuerungsgröße wirtschaftliche Entscheidungen bestimme. Mit jeder Besteuerung der Kapitaleinkünfte werde diese intertemporale Steuerungsgröße gestört. Die Auswirkungen einer intensiveren Kontrolle der Besteuerung ließen sich jedoch nicht präzise vorhersagen.

    B.

    Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig. Sie richten sich gegen Steuerbescheide und finanzgerichtliche Entscheidungen, die eine Zahlungspflicht der Beschwerdeführer begründen.

    Die Beschwerdeführer tragen vor, daß die für die Besteuerung ihrer Kapitaleinkünfte maßgebende Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 nur vordergründig eine gleiche einkommensteuerliche Belastung aller privaten Kapitaleinkünfte sicherstelle. In ihren praktischen Auswirkungen führe sie dagegen angesichts eines völlig unzulänglich geregelten Erhebungsverfahrens zu offenbaren Ungleichheiten, je nachdem, ob der Steuerpflichtige seine Kapitaleinkünfte ordnungsmäßig erklärt oder verschwiegen habe. Diesen „qualifiziert rechtswidrigen” Nichtvollzug des Gesetzes habe der Gesetzgeber bewußt hingenommen. Er müsse sich daher auch die damit verbundenen Belastungsunterschiede zurechnen lassen; das führe zu einer Unanwendbarkeit des Gesetzes insgesamt. Dieses Vorbringen betrifft den Gewährleistungsinhalt des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Garantie steuerlicher Belastungsgleichheit und reicht daher aus, um eine Grundrechtsverletzung der Beschwerdeführer als möglich erscheinen zu lassen.

    C.

    Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet. Zwar trat im Veranlagungszeitraum 1981 für private Kapitalerträge bei Steuerpflichtigen, die ihre Zinseinkünfte ordnungsgemäß erklärt haben, eine erheblich ungleiche Belastung gegenüber denjenigen ein, die diese Einkünfte verschwiegen haben und infolge mangelhafter Gestaltung des Erhebungsverfahrens nicht zur Steuer herangezogen wurden. Die Beschwerdeführer sind durch diese Ungleichheit jedoch gegenwärtig noch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

    I.

    1. Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht,