02.11.2010
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 14.04.2010 – 1 K 4936/09
1. Die von einem Landwirt im Rahmen einer Pferdepension und Reitpferdvermietung erbrachten Leistungen unterliegen dem vollen Steuersatz und nicht der Besteuerung nach Durchschnittssätzen für landwirtschaftliche Betriebe.
2. Die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG erfasst nur die Lieferung der in Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG genannten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und landwirtschaftlichen Dienstleistungen. Andere Umsätze, die der Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs tätigt, unterliegen der allgemeinen umsatzsteuerlichen Regelung.
3. Bei dem Einstellen und Betreuen von Reitpferden, die von ihren Eigentümern zur Ausübung des Reitsports genutzt werden und damit der Freizeitgestaltung dienen, handelt es sich nicht um „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh” im Sinne von Anhang B, 4. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG. Dies setzt vielehr voraus, dass die beteffenden Tiere im Regelfall im Rahmen der landwirtschaftliche Produktion eingesetzt werden.
4. Dies gilt auch dann, wenn die im landwirtschaftlichen Betrieb angebauten Feldfrüchte als Futtermittel für die Reitpferde verwendet werden, da die Haltung der Pensionspferde insoweit keinen Beitrag zur Produktion und damit zur Herstellung der Erzeugnisse, sondern allenfalls zu deren Verwertung leisten.
5. Unerheblich ist insoweit auch, dass der bei der Pensionspferdehaltung anfallende Pferdemist als Düngemittel auf den landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht wird.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 14. April 2010 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger berechtigt ist, seine mit einem Pferdehof erzielten Umsätze mit den Durchschnittssätzen für landwirtschaftliche Betriebe gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu versteuern.
Der Kläger betreibt seit 1996 in der Nähe von X einen Pferdehof. Die hierfür verwendeten landwirtschaftlichen Flächen von etwa sieben bis acht Hektar Größe hatte er zuvor aus Teilen des elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes übernommen und auf dem Gelände später unter anderem eine Reithalle mit einer Grundfläche von etwa 20 Metern mal 60 Metern errichtet. Daneben verfügt der Pferdehof seither über einen Offenstall, in dem die vom Kläger gehaltenen Pferde in der Weise untergestellt werden, dass sie sich jederzeit ungehindert selbst bewegen können. Seit kurzem unterhält der Kläger für seinen Pferdehof unter der Domain „www…de” eine eigene Internetpräsenz, auf der er der interessierten Öffentlichkeit seinen Betrieb und dessen Besonderheiten im Einzelnen vorstellt.
In den Streitjahren (2005 und 2006) nahm der Kläger fortlaufend etwa acht Pferde fremder Eigentümer auf seinem Pferdehof in Pensionshaltung. Diese Pferde wurden von den jeweiligen Eigentümern in dem Offenstall untergestellt und von ihnen in der Folgezeit ausschließlich zu Freizeitzwecken selbst beritten; die Einnahmen des Klägers aus dieser Tätigkeit beliefen sich monatlich auf einen Betrag von etwa 230 EUR je Pferd. Daneben hielt der Kläger auf dem Pferdehof in den Streitjahren ständig durchschnittlich etwa 18 (2005) bzw. 23 (2006) eigene Pferde, die er stundenweise an interessierte Kinder und Jugendliche und – in geringerem Umfang – auch an Erwachsene zu Reitzwecken vermietete. Hierzu wies der Kläger die Reitinteressenten in die Besattelung und den Beritt des vermieteten Pferdes im Einzelnen ein. Der Darstellung auf seiner Internetpräsenz zufolge erteilte der Kläger in den Streitjahren zudem regelmäßig an Reitschüler Unterricht im kameradschaftlichen Umgang mit dem Pferd und im sicheren Reiten in Feld und Wald, wozu er auch ein von ihm aufgebautes und unter seiner Obhut tätig werdendes Team von Reitlehrern heranzog. Die Futtergrundlage für die untergestellten eigenen und fremden Pferde erwirtschaftete der Kläger – mit Ausnahme von Nahrungsergänzungsstoffen – fast ausschließlich auf den eigenen Flächen des Pferdehofs, auf denen er in den Streitjahren im Wesentlichen Gerste anbaute. Die in § 51 Abs. 1a des Bewertungsgesetzes (BewG) bezeichnete Grenze überstieg der Tierbestand des Klägers in den Streitjahren nicht.
Seine Einnahmen und Ausgaben sowie seine Umsätze aus dem Betrieb des Pferdehofs und den Umfang der eigenen Reitnutzung der Pferde durch ihn selbst, seine beiden Kinder und seine Ehefrau zeichnete der Kläger in den Streitjahren – wie bereits in den vorangegangenen Jahren seit Gründung des Unternehmens – nicht im Einzelnen auf. Eine Umsatzsteuererklärung für die Streitjahre gab der Kläger gegenüber dem beklagten Finanzamt (dem Beklagten) zunächst nicht ab.
Mit Schreiben vom 19. März 2008 wies der Beklagte den Kläger über deren steuerliche Berater darauf hin, dass das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Januar 2004 V R 41/02 (BFHE 204, 371, BStBl II 2004, 757) nach Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 9. August 2004 IV B 7 – S 7233 – 29/04, IV B 7 – S 7410 – 25/04, BStBl I 2004, 851) zur Folge habe, dass Umsätze aus Pferdepensionshaltung und aus der Vermietung von Reitpferden als Dienstleistungen an Nichtlandwirte ab dem 1. Januar 2005 in die Regelbesteuerung fielen. Aus diesem Grunde forderte der Beklagte den Kläger zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung und zu Angaben über den Eigenverbrauch für das Jahr 2005 auf.
Am 30. Mai 2008 reichte der Kläger über seine steuerlichen Berater für beide Streitjahre Umsatzsteuererklärungen beim Beklagten ein. Angaben zu den getätigten Umsätzen machte der Kläger darin nicht. Bei der Umsatzsteuer und bei der zu entrichtenden Abschlusszahlung hatte der Kläger jeweils einen Betrag von Null EUR eingetragen. In Anlagen zu den Steuererklärungen ließ der Kläger darlegen, der landwirtschaftliche Betrieb sei ein Tierhaltungsbetrieb i. S. des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG. Zu den Tierhaltungsumsätzen gehörten auch Umsätze aus der Pensionstierhaltung und aus der Nutzungsüberlassung von Pferden für Reitzwecke, da es sich dabei um originäre Umsätze der Erzeugertätigkeit handele, auf die die Pauschalbesteuerung anzuwenden sei. Hierzu habe das BFH-Urteil in BFHE 204, 371, BStBl II 2004, 757 keine Aussage getroffen, da es keinen landwirtschaftlich betriebenen Reitstall, sondern einen gewerblichen Unternehmer betroffen habe. Die in Anspruch genommene Pauschalbesteuerung sei auch sachgerecht. Durch die einheitliche Haltung eigener und fremder Pferde müssten anderenfalls schwierige und umfangreiche Vorsteuerzuordnungen und -berichtigungen vorgenommen werden, durch die indessen – auch im Schätzungswege – eine zutreffende Besteuerung nicht zu erreichen sei.
Mit Schreiben vom 18. August 2008 gab der Beklagte dem Kläger zu erkennen, dass er dieser Auffassung nicht zu folgen gedenke und die Umsätze aus der Pferdepension bei geschätzten Einnahmen von xx.xxx EUR mit xx.xxx EUR zu 16%, die Umsätze aus der Pferdevermietung bei geschätzten Einnahmen von xx.xxx EUR mit xx.xxx EUR zu 7% und den Eigenverbrauch für vier Pferde bei einem geschätzten Wert von x.xxx EUR zu 16% im Schätzungswege in Ansatz bringen werde. Zugleich forderte der Beklagte den Kläger auf, ihm die gegebenenfalls noch zu berücksichtigenden Vorsteuerbeträge mitzuteilen.
Nachdem der weitere Schriftwechsel ohne Ergebnis blieb, setzte der Beklagte mit Bescheiden vom 26. November 2008 – jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2005 auf x.xxx EUR und die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2006 auf x.xxx EUR fest. Dabei schätzte er für das Jahr 2006 die Umsätze aus der Pferdevermietung bei geschätzten Einnahmen von xx.xxx EUR auf xx.xxx EUR und folgte im Übrigen seinen Schätzungsankündigungen im Schreiben vom 18. August 2008.
Am 17. Dezember 2008 ließ der Kläger gegen beide Bescheide jeweils Einspruch einlegen. Zur Begründung ließ er vortragen, der vom Beklagten angenommene Eigenverbrauch scheide aus tatsächlichen Gründen aus. Zudem habe der Beklagte zu Unrecht keine Vorsteuerbeträge in Abzug gebracht, obwohl diese zutreffend in Höhe von 10,7% der Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Umsätze geschätzt werden könnten. Vor allem aber sei die Steuerfestsetzung rechtswidrig, weil – wie bereits in den Anlagen zu den Umsatzsteuererklärungen dargelegt – auf den Betrieb die Durchschnittssatzbesteuerung anwendbar sei.
Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 6. November 2009 als unbegründet zurück. Dazu führte er aus, die Voraussetzungen des § 24 UStG lägen bezüglich der Umsätze aus der Pensionspferdehaltung und der Vermietung von eigenen Pferden nicht vor. Die Vorschrift gelte nur für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze und damit nur für die Lieferung bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse und für bestimmte landwirtschaftliche Dienstleistungen. Hierzu zählten die vom Kläger erbrachten Leistungen indessen nicht, da sie nicht – wie dies jedoch erforderlich sei – normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitrügen und auch nicht gegenüber anderen landwirtschaftlichen Erzeugern ausgeführt würden. Auch der Höhe nach seien die Umsätze zutreffend geschätzt worden. So habe der Kläger nicht in Abrede gestellt, dass er selbst und seine beiden Kinder die eigenen Pferde auch selbst geritten hätten, was nach der Landwirtschaftskartei der Oberfinanzdirektion (OFD) Y mit 600 EUR je Pferd und Jahr in Ansatz zu bringen sei. Die vom Kläger gerügten fehlenden Vorsteuerbeträge seien nicht zu berücksichtigen gewesen, weil der Kläger hierüber keine Rechnungen und auch keine andersartigen Belege vorgelegt und die Mängel im Nachweis selbst zu vertreten habe. Eine nochmalige Überprüfung der Schätzung lasse erkennen, dass die Einnahmen des Klägers aus der Vermietung eigener Pferde bislang zu niedrig angesetzt worden seien, da sie nach der Landwirtschaftskartei der OFD Y mit durchschnittlich 3.350 EUR je Pferd und damit in beiden Jahren mit wenigstens 60.300 EUR veranschlagt werden müssten. Von der damit verbundenen höheren Festsetzung der strittigen Steuern sei indessen mit Blick auf den Umstand der fehlenden Vorsteuerberücksichtigung Abstand genommen worden.
Mit seiner fristgerecht eingereichten Klage verfolgt der Kläger seine Rechtsauffassung weiter. Er ist der Meinung, die Handhabung des Beklagten widerspreche dem Vereinfachungszweck der Pauschalbesteuerung und sei weder vom deutschen Umsatzsteuerrecht gedeckt noch vom europäischen Recht gefordert. Darauf, ob seine Vertragspartner andere Landwirte, gewerbliche Unternehmer oder – wie in seinem Falle – Privatpersonen gewesen seien, komme es nicht an, weil ungeachtet dessen in jedem Falle landwirtschaftliche Dienstleistungen vorlägen. Hierzu gehöre auch das Hüten, die Zucht und das Füttern von Vieh und damit die Betreuung von Pensionspferden, da die Lohnhaltung von Pferden nicht anders behandelt werden könne als die Haltung von Nutzvieh wie etwa von Hühnern, Schweinen oder Kälbern. Daneben unterfalle auch die stundenweise Vermietung von Reitpferden dem Begriff des Haltens von Vieh, da sie in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung zur Erzeugung der Futtergrundlage für die Pferde erfolgt sei und sein – des Klägers – Betrieb die Tierbestandsgrenze des § 51 Abs. 1a BewG nicht überschritten habe.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Bescheid für 2005 über Umsatzsteuer vom 26. November 2008 sowie den Bescheid für 2006 über Umsatzsteuer, ebenfalls vom 26. November 2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. November 2009, dahin zu ändern, dass eine Umsatzsteuer von null EUR festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.
Der Berichterstatter des erkennenden Senats hat die Sach- und Rechtslage am 4. März 2010 mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung erörtert. Auf die Niederschrift über diesen Termin vom 9. März 2010 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –), ist unbegründet.
Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die vom Kläger aus dem Betrieb seines Pferdehofs erzielten Umsätze sind umsatzsteuerpflichtig und unterliegen nicht der Besteuerung nach Durchschnittssätzen für landwirtschaftliche Betriebe. Die in Ermangelung hinreichender Aufzeichnungen des Klägers vorgenommene Schätzung der Umsätze ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
1. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze – soweit sie, wie hier, nicht als Lieferungen bestimmter Erzeugnisse unter Nrn. 1 und 2 der Vorschrift fallen – auf 9% der Bemessungsgrundlage (Nr. 3 der Vorschrift in der in den Streitjahren geltenden Fassung; jetzt: 10,7% der Bemessungsgrundlage) festgesetzt. § 34 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. UStG bestimmt, dass die Vorsteuerbeträge in diesen Fällen gleichfalls auf 9% der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt werden. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt (§ 24 Abs. 1 Satz 4 UStG). Die Regelung bewirkt, dass sich Steuer und Vorsteuerbeträge der Höhe nach ausgleichen, so dass für die von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG erfassten Umsätze eine Umsatzsteuerzahllast im Ergebnis nicht entstehen kann.
2. Der Kläger kann die damit verbundene Null-Besteuerung für die von ihm erzielten Umsätze aus Pensionspferdehaltung und Reitpferdevermietung jedoch nicht in Anspruch nehmen, weil diese Umsätze nicht – wie von § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG vorausgesetzt – „im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes” ausgeführt worden sind.
a) Zwar gelten als land- und forstwirtschaftliche Betriebe – worauf der Kläger zutreffend hinweist – gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG auch die Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51, 51a BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören und damit insbesondere – wie im Falle des Klägers – die in § 51 Abs. 1a BewG bezeichnete Tierbestandsgrenze nicht übersteigen. Indessen ist bei der Anwendung dieser Vorschriften zu beachten, dass § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG der Umsetzung des Art. 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in das nationale Recht zu dienen bestimmt ist (BTDrucks 8/1779, S. 49) und deshalb richtlinienkonform ausgelegt werden muss (BFH-Urteile vom 25. November 2004 V R 8/01, BFHE 208, 73, BStBl II 2005, 896, unter II. 2., und vom 22. September 2005 V R 28/03, BFHE 211, 566, BStBl II 2006, 280, unter II. 3.). Mit dieser Bestimmung und mit gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen in Einklang steht daher nur ein restriktives Normverständnis, demzufolge § 24 UStG nur die Lieferung der in Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG genannten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen i.S. des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG umfasst (BFH-Urteile vom 31. Mai 2007 V R 5/05, BFHE 217, 290, BFH/NV 2007, 2202, unter II. 2., und vom 13. August 2008 XI R 8/08, BFHE 221, 569, BStBl II 2009, 216, unter II. 1.). Nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG finden die in dieser Bestimmung vorgesehenen Pauschalausgleichprozentsätze lediglich auf den Preis der dort näher bezeichneten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und landwirtschaftlichen Dienstleistungen Anwendung; die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger gemäß Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG gilt deshalb nur für die dort genannten Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und für die dort aufgeführten landwirtschaftlichen Dienstleistungen. Andere Umsätze, die der Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs tätigt, unterliegen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hingegen der allgemeinen Regelung (vgl. EuGH-Urteile vom 15. Juli 2004 Rs. C-321/02, Harbs, Slg. 2004, I-7101, BFH/NV Beilage 2004, 371, unter Rdnr. 31, und vom 26. Mai 2005 Rs. C-43/04, Stadt Sundern, Slg. 2005, I-4491, BFH/NV Beilage 2005, 320, unter Rdnr. 20). Ohne Bedeutung ist deshalb, wie nach den nationalen einkommensteuerrechtlichen Regelungen die betreffenden Leistungen bzw. die Einkünfte hieraus beurteilt werden (BFH-Urteil in BFHE 217, 290, BFH/NV 2007, 2202, unter II. 2.).
b) Im Sinne des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG gilt gemäß Art. 25 Abs. 2 1. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG als landwirtschaftlicher Erzeuger ein Steuerpflichtiger, der seine Tätigkeit im Rahmen eines nachstehenden Betriebes ausübt. Als „landwirtschaftliche Dienstleistungen” – hier allein einschlägig – gelten nach Art. 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG die in ihrem Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Anhang B zur Richtlinie 77/388/EWG umfasst eine „Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen”. Nach ihr gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen diejenigen „Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere:
Arbeiten des Anbaus, der Ernte, des Dreschens, des Pressens, des Lesens und Einsammelns, einschließlich des Säens und Pflanzens
Verpackung und Zubereitung, wie beispielsweise Trocknung, Reinigung, Zerkleinerung, Desinfektion und Einsilierung landwirtschaftlicher Erzeugnisse
Lagerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse
Hüten, Zucht und Mästen von Vieh
Vermietung von normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken
technische Hilfe
Vernichtung schädlicher Pflanzen und Tiere, Behandlung von Pflanzen und Böden durch Besprühen
Betrieb von Be- und Entwässerungsanlagen
Beschneiden und Fällen von Bäumen und andere forstwirtschaftliche Dienstleistungen”.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei dem Einstellen und Betreuen von Reitpferden, die von ihren Eigentümern zur Ausübung des Reitsports genutzt werden, nicht um „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh” i. S. von Anhang B, 4. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG. Dabei kann dahingestellt bleiben, wie der Begriff „Hüten” zu verstehen ist und ob Reitpferde als „Vieh” i. S. dieser Regelung verstanden werden können. Denn zu den landwirtschaftlichen Dienstleistungen i. S. des Art. 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG zählen die in Anhang B beschriebenen Dienstleistungen nur dann, wenn sie – wie sich aus dem Einleitungssatz zu Anhang B ergibt – „normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen” (vgl. BFH-Urteile in BFHE 217, 290, BFH/NV 2007, 2202, unter II. 2. c., und in BFHE 204, 371, BStBl II 2004, 757, unter II. 1. b. am Ende). Ein der Pauschalregelung unterfallendes „Hüten von Vieh” setzt deshalb voraus, dass die betreffenden Tiere im Regelfall im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion eingesetzt werden. Dies kommt – bezogen auf Pferde – etwa bei Zuchtpferden oder bei land- oder forstwirtschaftlichen Arbeitspferden in Betracht, nicht aber bei Pferden, die – wie im Streitfall – ausschließlich zu Reitsportzwecken gehalten werden und damit der Freizeitgestaltung dienen (gleicher Ansicht: Urteile des Finanzgerichts – FG – Düsseldorf vom 13. Februar 2009 1 K 107/08 U, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2009, 877, und des FG Münster vom 18. August 2009 15 K 3176/05 U, EFG 2009, 1979, Az. des BFH: XI R 26/09; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, § 24 Rz. 86; Leonard in Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 9. Aufl., § 24 Rz. 46; anderer Auffassung: Urteil des Niedersächsischen FG vom 5. November 2009 16 K 10340/07, nicht veröffentlicht, Az. des BFH: V R 65/09; Herden, Die Information für Steuer und Wirtschaft – INF – 2005, 463).
Zu Unrecht hält der Kläger dem entgegen, dass dieses Normverständnis dem mit § 24 Abs. 1 UStG und Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG verfolgten Vereinfachungszweck der Durchschnittssatzbesteuerung zuwiderlaufe. Zum einen handelt es sich bei der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG um einen Sondertatbestand, der eine Ausnahme von den allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen der Richtlinie 77/388/EWG darstellt und als solcher nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist (vgl. EuGH-Urteile Harbs in Slg. 2004, I-7101, BFH/NV Beilage 2004, 371, unter Rdnr. 27, und Stadt Sundern in Slg. 2005, I-4491, BFH/NV Beilage 2005, 320, unter Rdnr. 27). Daneben ist – entgegen der Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts in dessen Urteil vom 5. November 2009 16 K 10340/07 – nicht ansatzweise zu erkennen, in welcher Weise die erbrachte Dienstleistung des Hütens von ausschließlich dem Reitsport dienenden Pensionspferden zur eigenen landwirtschaftlichen Produktion des Pferdehofs beizutragen vermag. Der dafür herangezogene Umstand, dass die im Betrieb angebauten Feldfrüchte – wie auch im Streitfall – dem landwirtschaftlichen Kreislauf in Form von Futtermitteln wieder in vollem Umfang zugeführt werden, kann einen solchen Schluss nicht rechtfertigen, weil die Haltung der Pensionspferde insoweit eben keinen Beitrag zur Produktion und damit zur Herstellung jener Erzeugnisse, sondern allenfalls zu deren Verwertung leisten kann. Von völlig untergeordneter Bedeutung und damit nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der bei der Pensionspferdehaltung anfallende Pferdemist auf landwirtschaftlichen Flächen wieder ausgebracht und dort als Düngemittel eingesetzt werden kann. Vor allem aber würde die vom Kläger befürwortete Auslegung – auch dies übersieht das Niedersächsische FG in seiner Entscheidung vom 5. November 2009 16 K 10430/07 – zu einer unterschiedlichen Besteuerung von Pferdepensionsbetrieben in Abhängigkeit davon führen, ob die Pferdepensionsleistungen von einem landwirtschaftlichen Erzeuger oder von einem anderen Unternehmer erbracht werden, und als Folge dessen erhebliche Wettbewerbsverzerrungen bewirken (vgl. Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2009, 877). Eine derartige steuerliche Privilegierung landwirtschaftlicher Erzeuger auch für solche Dienstleistungen, die „normalerweise” gerade nicht zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, entspräche nach Auffassung des Senats weder dem Sinn noch der Zielsetzung der Pauschalregelung in Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG und in § 24 Abs. 1 UStG.
d) Noch weniger kann der Senat der Ansicht des Klägers beitreten, dass die von ihm praktizierte stundenweise Vermietung von Reitpferden an Kinder, Jugendliche und Erwachsene einschließlich des im Zusammenhang damit erteilten Reitunterrichts als Teil eines „Tierhaltungsbetriebs” i. S. des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG der Besteuerung nach Durchschnittssätzen unterliege.
Bei derartigen Leistungen kann es sich bereits dem Wortsinn nach unter keinem denkbaren Gesichtspunkt um „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh” oder um eine andere der in Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG explizit aufgeführten Dienstleistungen landwirtschaftlicher Erzeuger handeln. Fernliegend ist auch die Argumentation des Klägers, es handele sich schon deswegen um Tierhaltung, weil nur vom Vermieter gehaltene Tiere anschließend zu Reitsportzwecken vermietet werden könnten. Denn tatsächlich besteht die vom Kläger am Markt erbrachte und von seinen Kunden vergütete Dienstleistung gerade nicht im Vorhalten, sondern allein in dem Zur-Verfügung-Stellen der jeweils angemieteten Pferde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger die vermieteten Pferde im Wesentlichen auf eigener, selbsterzeugter Futtergrundlage gehalten hat. Zutreffend ist der Beklagte daher davon ausgegangen, dass die Vermietung von Pferden zu Reitzwecken kein Anwendungsfall des § 24 Abs. 1 UStG ist (so auch Abschn. 264 Abs. 4 Satz 8 der Umsatzsteuer-Richtlinien – UStR –; gleicher Ansicht: Leonard in Bunjes/Geist, a. a. O., § 24 Rz. 46).
3. Da der Kläger über die von ihm ausgeführten Leistungen und die dafür vereinbarten Entgelte sowie über die Verwendung der dem Unternehmen zugeordneten Pferde für seinen privaten Bedarf entgegen seiner Verpflichtung aus § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nrn. 1 und 3 UStG keine Aufzeichnungen zur Feststellung der Steuer gemacht hat, war der Beklagte nach § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) gehalten, die steuerpflichtigen Umsätze unter Berücksichtigung aller hierfür bedeutsamer Umstände zu schätzen.
Konkrete und substantiierte Einwände gegen die vom Beklagten aus Anlass der Einspruchsentscheidung nochmals überprüfte Höhe der Schätzung hat der Kläger im Klageverfahren nicht vorgebracht. Der Senat erachtet die dort angewendeten Schätzungsmaßstäbe zudem für sachgerecht und verweist wegen der Begründung im Einzelnen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung (§ 105 Abs. 5 FGO). Dies gilt insbesondere für die Unsicherheiten, die mit dem Umfang der den Leistungen gegen Entgelt gleichgestellten Verwendung der Reitpferde des Pferdehofs für private Zwecke des Klägers außerhalb seines Unternehmens (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG) und mit der Höhe des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 UStG verbunden sind. Ihnen hat der Beklagte dadurch in hinreichendem Maße Rechnung getragen, dass er – mit gegenläufiger Wirkung – den ihm zur Verfügung stehenden Schätzungsrahmen für die Ermittlung der steuerpflichtigen Umsätze aus der Vermietung der eigenen Pferde zu Reitzwecken bei weitem nicht ausgeschöpft hat und anstelle der von der OFD Y angenommenen jährlichen Einnahmen von x.xxx EUR je Pferd nur von solchen in Höhe von x.xxx EUR ausgegangen ist. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass in dieser Schätzung zudem – zugunsten des Klägers – der Umstand völlig unberücksichtigt geblieben ist, dass in den Streitjahren auf dem Pferdehof – darauf lassen jedenfalls die eigenen Angaben des Klägers auf seiner Internetpräsenz schließen – in erheblichem Umfang Reitunterricht erteilt und von den Reitschülern in umsatzsteuerpflichtiger Weise vergütet worden ist.
4. Der mit Schriftsatz vom 24. März 2010 wieder zurückgenommenen Anregung des Klägers, in dem Klageverfahren zunächst nur über den Grund des Steueranspruchs verbindlich zu entscheiden (§ 99 Abs. 1 FGO), folgt der Senat nicht.
Eine solche Verfahrensweise wäre – worauf der Berichterstatter die Beteiligten bereits aus Anlass des Erörterungstermins am 4. März 2010 hingewiesen hat – nicht sachdienlich, weil aufgrund der eigenen Einlassung der Klägerseite bereits jetzt feststeht, dass der Kläger die für die Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung erforderlichen Aufzeichnungen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 UStG) nicht mehr vorlegen kann und eine andere Ermittlung der Höhe des geschuldeten Steuerbetrags als im Schätzungswege daher auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht wird vorgenommen werden können. Es ist nicht erkennbar, dass der Senat in der Lage sein wird, die für eine solche Schätzung bedeutsamen Umstände des Steuerfalles (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AO) nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den Steueranspruch dem Grunde nach mit einer größeren Sicherheit festzustellen, als dies nach derzeitigem Verfahrensstand bereits der Fall ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
6. Die Revision war zuzulassen, da der Frage nach der Anwendbarkeit der Besteuerung nach Durchschnittssätzen für den Betrieb einer Pferdepension wegen des gegen das Urteil des FG Münster in EFG 2009, 1979 anhängigen Revisionsverfahrens (Az. des BFH: XI R 26/09) grundsätzliche Bedeutung zukommt und aufgrund der Ausführungen im BFH-Urteil in BFHE 204, 371, BStBl II 2004, 757 (unter II. 1. a.) und des dort enthaltenen Hinweises auf das BFH-Urteil vom 16. Juli 1987 V R 22/78 (BFHE 151, 204, BStBl II 1988, 83) zudem zweifelhaft ist, ob eine von einem Landwirt betriebene Pferdepension der vorliegenden Art unter die Vorschrift des § 24 UStG fallen würde (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Außerdem weicht der Senat mit seiner Entscheidung von dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 5. November 2009 16 K 10340/07 ab, was nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO gleichfalls zur Zulassung der Revision führen muss.