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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Bremen: Urteil vom 01.02.2000 – 299283 K 2

    1. Die von der Stadtgemeinde Bremen auf der Grundlage des Ortsgesetzes (BremZwStG, BremGBl. 1995 S. 528) vom 12.12.1995 erhobene Zweitwohnungsteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer, für die dem Land Bremen die Gesetzgebungskompetenz zusteht, und als solche nicht verfassungswidrig, und zwar auch insoweit nicht, als das BremZwStG für die Beurteilung der Zweitwohnung formal auf die melderechtlichen Verhältnisse abstellt.

    2. Es ist Regelungsgegenstand des BremZwStG, die besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu besteuern, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass das Innehaben einer - neben einer Hauptwohnung - weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) in aller Regel die Aufwendung (erheblicher) finanzieller Mittel erfordert.

    3. Es ist eine Festsetzung der BremZwSt aufgrund sachlicher Unbilligkeit nach § 163 AO 1977 auf 0 DM geboten, wenn die Ehefrau aus beruflichen Gründen (zur Erlangung des passiven Wahlrechts) in einer anderen Stadt eine weitere Wohnung nehmen und als Hauptwohnsitz anmelden musste, so dass sie in der Familienwohnung in Bremen nur noch mit Zweitwohnsitz gemeldet ist, wenn ihr Ehemann nach wie vor mit Hauptwohnsitz in der Familienwohnung in Bremen gemeldet ist und der Ehefrau durch die Ummeldung des bisherigen Hauptwohnsitzes in Bremen zum Zweitwohnsitz hinsichtlich der Wohnung in Bremen kein zusätzlicher Aufwand entstanden ist, der dem Regelungsgegenstand des BremZwStG -Besteuerung einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit- entsprechen würde. Es wäre unbillig, die unveränderte und nicht mit größerem Aufwand verbundene Nutzung der Wohnung in Bremen durch die Ehefrau nur deshalb zu besteuern, weil es sich melderechtlich nunmehr um eine Zweitwohnung handelt.

    4. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die im BremZwStG vorgesehenen Ausnahmeregelegungen (u.a. für bestimmte Träger der Wohlfahrtspflege und der Jugendhilfe) ausreichen und ob das Fehlen weiterer Ausnahmeregelungen - u.a. für Studentenwohnungen oder „Erwerbswohnungen”- mit dem Rechtsstaatprinzip vereinbar ist.


    IM NAMEN DES VOLKES hat das Finanzgericht Bremen, 2. Senat, durch die Richter .... sowie die ehrenamtliche Richterin ... und den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2000 für Recht erkannt:

    Der Zweitwohnungsteuerbescheid vom 26. Februar 1998 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23. September 1998 und der Bescheid vom 25. März 1999 betr. Ablehnung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 1999 werden aufgehoben.

    Das Finanzamt wird verpflichtet, die Zweitwohnungsteuer für die Jahre 1996 bis 1999 auf 0 DM festzusetzen.

    Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.

    Tatbestand

    Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer aufgrund des folgenden Ortsgesetzes:

    Ortsgesetz über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Stadtgemeinde Bremen vom 12. Dezember 1995 (BremGBl. S. 528)

    Der Senat verkündet das nachstehende, von der Stadtbürgerschaft nach § 1 Abs. 1 des Bremischen Abgabengesetzes vom 15. Mai 1962 (SaBremR 60 – a – 1), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 2. Februar 1993 (BremGBl.S. 44) geändert worden ist, beschlossene Ortsgesetz:

    § 1 Steuertatbestand

    Die Stadtgemeinde Bremen erhebt eine Steuer auf das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet (Zweitwohnungsteuer).

    § 2 Begriffsbestimmungen

    (1) Wohnung im Sinne dieses Gesetzes ist jede Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen oder Schlafen bestimmt ist und zu der eine Küche oder Kochnische sowie eine Toilette gehört.

    (2) Zweitwohnung ist jede Wohnung im Sinne des Absatzes 1, die dem Eigentümer, Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten als Nebenwohnung im Sinne von § 16 des Meldegesetzes zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs dient.

    (3) Sind mehrere Personen gemeinschaftlich nutzungsberechtigt, so gilt als Zweitwohnung im Sinne dieses Gesetzes der auf die Personen entfallende Wohnungsanteil, denen die Wohnung als Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes dient. Für die Berechnung des Wohnungsanteils ist die Fläche der gemeinschaftlich genutzten Räume den an der Gemeinschaft beteiligten Personen zu gleichen Teilen zuzurechnen. Dem Anteil an der Fläche der gemeinschaftlich genutzten Räume ist die Fläche der von dem Nutzungsberechtigten allein genutzten Räume hinzuzurechnen.

    (4) Keine Zweitwohnungen im Sinne dieses Gesetzes sind Wohnungen, die von freien Trägern der Wohlfahrtspflege aus therapeutischen Gründen oder von Trägern der öffentlichen oder der freien Jugendhilfe zu Erziehungszwecken zur Verfügung gestellt werden.

    § 3 Steuerpflicht

    Steuerpflichtig ist der Inhaber der Wohnung, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken. Der Steuerpflicht unterliegen Personen, die mit Nebenwohnung gemeldet sind oder die sich nach dem Meldegesetz mit Nebenwohnung zu melden hätten.

    § 4 Besteuerungszeitraum

    Die Zweitwohnungsteuer ist eine Jahressteuer. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr oder der Teil des Kalenderjahres, in dem der Steuertatbestand nach § 1 in Verbindung mit § 7 erfüllt wird.

    § 5 Steuerbemessungsgrundlage

    (1) Die Steuer bemißt sich nach dem aufgrund des Nutzungsvertrages im Besteuerungszeitraum geschuldeten Entgelt ohne Betriebs- oder sonstige Nebenkosten, bei Mietverträgen nach der Nettokaltmiete.

    (2) Ist die Zweitwohnung eigengenutzt oder unterhalb des ortsüblichen Nutzungsentgelts überlassen, so ist Bemessungsgrundlage die ortsübliche Nettokaltmiete, die für Wohnungen oder Wohnungsanteile gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird; die maßgebliche Wohnfläche ist dabei nach der Zweiten Berechnungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Oktober 1990 (BGBl. 1 S. 2178), geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 13. Juli 1992 (BGBl. 1 S. 1250), in der jeweils geltenden Fassung zu ermitteln.

    § 6 Steuersatz

    Die Steuer beträgt 8 v.H. der Bemessungsgrundlage.

    § 7 Beginn und Ende der Steuerpflicht

    (1) Die Steuerpflicht beginnt mit der Inbesitznahme der Zweitwohnung. Erfolgt diese nach dem Monatsanfang, so beginnt die Steuerpflicht mit dem folgenden Kalendermonat.

    (2) Die Steuerpflicht endet mit Ablauf des Kalendermonats, in dem der Steuerschuldner die Wohnung aufgibt oder deren Eigenschaft als Zweitwohnung entfällt.

    § 8 Steuererklärung und Fälligkeit

    (1) Der Steuerpflichtige hat für jedes Kalenderjahr bis zum 1. März des Folgejahres eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, in der die Steuer selbst zu berechnen ist (Steueranmeldung nach § 150 der Abgabenordnung). Die Steuer ist auf volle Deutsche Mark abzurunden. Der Steuerpflichtige hat die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben. Eine Steuererklärung ist nicht abzugeben, wenn sich gegenüber der Vorjahreserklärung keine Abweichungen ergeben. Der Steuerpflichtige hat die Steuer bis zum 1. März des auf den Besteuerungszeitraum folgenden Jahres zu entrichten.

    (2) Die Angaben der Steuerpflichtigen sind auf Anforderung des Finanzamts durch geeignete Unterlagen, insbesondere durch Mietvertrag oder Mietänderungsvertrag, nachzuweisen.

    (3) Unabhängig von der Verpflichtung nach Absatz 1 kann das Finanzamt jeden zur Abgabe einer Steuererklärung auffordern, der in der Stadtgemeinde Bremen mit Nebenwohnung gemeldet ist oder – ohne mit Nebenwohnung gemeldet zu sein – eine meldepflichtige Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes innehat.

    § 9 Festsetzung der Steuer

    Gibt der Steuerpflichtige keine Anmeldung ab, obgleich er hierzu verpflichtet ist, oder hat er die Steuer nicht richtig berechnet, so setzt das Finanzamt die Steuer durch Bescheid fest. Steuermehrbeträge sind innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides zu entrichten.

    § 10 Inkrafttreten

    Dieses Ortsgesetz tritt am 1. Januar 1996 in Kraft.

    Der Senat

    Der im § 2 Abs. 1 in Bezug genommene § 16 des Meldegesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 1986 BremGBl. S. 1 lautet:

    § 16 Mehrere Wohnungen

    (1) Hat ein Einwohner mehrere Wohnungen im Geltungsbereich des Melderechtsrahmengesetzes, so ist eine dieser Wohnungen seine Hauptwohnung.

    (2) Hauptwohnung ist die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Hauptwohnung eines verheirateten Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie lebt, ist die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie. In Zweifelsfällen ist die vorwiegend benutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt.

    (3) Nebenwohnung ist jede weitere Wohnung des Einwohners.

    (4) Der Einwohner hat bei jeder An- oder Abmeldung mitzuteilen, welche weiteren Wohnungen er hat und welche Wohnung seine Hauptwohnung ist. Er hat der Meldebehörde der neuen Hauptwohnung jede Änderung der Hauptwohnung innerhalb einer Woche mitzuteilen.

    Die im Jahr 1934 geborene Klägerin war ursprünglich seit 1981 oder 1982 zusammen mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen, in den Jahren 1961 und 1964 geborenen Kindern in Bremen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Mindestens seit 1996 ist die Klägerin mit Hauptwohnung in Berlin und Nebenwohnung in Bremen gemeldet. Das jüngere Kind hat sich am 25. März 1997 aus der elterlichen Wohnung abgemeldet. Das ältere Kind war bis Anfang 1998 in Bremen mit Hauptwohnung gemeldet.

    Auf die Aufforderung des FA, für ihre Veranlagung zur Zweitwohnungsteuer eine Steuererklärung auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, teilte die Klägerin mit, daß sie das Ortsgesetz für verfassungswidrig halte. Daraufhin erging am 26. Februar 1998 im Wege der Schätzung nach § 162 AO ein Zweitwohnungsteuerbescheid „für 1996 und Folgejahre”, in dem die Zweitwohnungsteuer auf jährlich 333,– DM festgesetzt wurde. Hierbei ging das FA von einer Fläche von 95 qm der gemeinschaftlich genutzten Räume aus, teilte sie durch drei und berücksichtigte den Wohnungsanteil der Klägerin mit 31,6 qm.

    Mit ihrem hiergegen am 20. März 1998 eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend: Zum 1. März 1992 habe sie eine Vollzeit-Arbeitsstelle in Erfurt angenommen gehabt. Da sie in Thüringen, wie zuvor in Bremen, politisch aktiv gewesen sei, habe sie ihren Hauptwohnsitz zu Beginn des Jahres 1994 nach Erfurt verlegt. Den Grund hierfür hätten die Vorschriften gebildet, nach denen die Hauptwohnung Voraussetzung für die Wahlberechtigung sei. Hierbei sei es um das passive Wahlrecht gegangen, da sie für die Bundestagswahl 1994 auf der dortigen Landesliste einer Partei als Kandidatin nominiert worden sei. Im Herbst 1995 habe sie im Land Brandenburg einen neuen Arbeitsplatz als juristische Mitarbeiterin bei einer Landesbehörde gefunden. Die Anfahrt zu ihrem Arbeitsplatz von ihrer Wohnung in Berlin betrage 12 km. Auch in Berlin habe sie sich mit Hauptwohnung angemeldet, da sich ihre politischen Ambitionen und ihr politischer Hintergrund nicht geändert hätten. Auch ihre persönlichen Verhältnisse hätten sich durch die Tätigkeit außerhalb von Bremen nicht geändert. Sie sei verheiratet und lebe nicht dauernd getrennt. Ihr Ehemann lebe und arbeite weiterhin in Bremen. Sie würden beide in Bremen steuerlich zusammen veranlagt. Das Einkommen, das sie in Brandenburg erziele, werde bei der Einkommensteuerveranlagung in Bremen berücksichtigt. Die Familienwohnung in Bremen sei die deutlich größere Wohnung. Ihre Wohnung in Berlin sei eine Eineinhalbraumwohnung mit einer Wohnfläche von insgesamt rund 43 qm. Die berufliche Situation sei Anlaß und Zweck dafür, zwei Wohnungen halten zu müssen. Eine Entscheidung dahingehend, die Hauptwohnung entgegen der Lebenswirklichkeit nach Bremen zu verlegen, wäre nicht realitätsgerecht. Es sei auch nicht zumutbar, die Familienwohnung aufzugeben, nur weil sie und ihr Ehemann in zwei voneinander entfernten Orten lebten und arbeiteten. Es müßten zwei Wohnungen gehalten werden, weil von zwei weit auseinander liegenden Wohnungen aus Einkünfte aus abhängiger Vollerwerbstätigkeit erwirtschaftet würden. Eine volle Abmeldung würde zur Folge haben, daß sie die Möglichkeit verlöre, Familienheimfahrten nach Bremen steuerlich geltend machen zu können.

    Durch die Zweitwohnungsteuer solle die erhöhte finanzielle Leistungsfähigkeit besteuert werden. In der Begründung für dieses Gesetz werde damit argumentiert, daß der Aufwand für eine Zweitwohnung „typischerweise über die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse” hinausgehe, und hieraus werde sodann die Berechtigung abgeleitet, diese Zweitwohnung mit einer besonderen Steuer zu belegen. Diese typische Situation sei bei ihr nicht gegeben. Als Arbeitnehmerin habe sie Aufwendungen zu tätigen, die als Aufwand für doppelte Haushaltsführung steuerlich nicht mehr berücksichtigt würden, obwohl der doppelte Haushalt tatsächlich gegeben sei. Die „erhöhten Aufwendungen”, die die Stadt der Begründung zufolge auch für die von ihr gehaltene Wohnung in Bremen habe, würden durch die Zahlung der für die Wohnung anfallenden Grundbesitzabgaben beglichen, unabhängig davon, ob sie sich an ihrem Arbeitsplatz aufhalte oder in Bremen sei. Die Gebühren für Wasser, Abwasserbeseitigung, und Müllabfuhr seien an der tatsächlichen Nutzung bzw. am Verbrauch orientiert. Es sei nicht nachvollziehbar, daß das Gesetz keine Härteklausel aufweise, so daß Fallkonstellationen, die nicht auf der Hand lägen, bei konsequenter Anwendung keine Berücksichtigung finden könnten, es sei denn, die Finanzbehörden könnten von sich aus auf Fälle lebensnah und „richtig” reagieren, die bei der Gesetzgebung nicht gesehen worden seien.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 23. September 1998 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. In den Gründen heißt es: In der Begründung zum Gesetz seien Ausnahmen für die Benutzung der Zweitwohnung aus beruflichen Gründen nicht vorgesehen, weil die Motive für das Innehaben der Zweitwohnung grundsätzlich nicht berücksichtigt werden könnten. Deshalb müsse unberücksichtigt bleiben, daß die Klägerin ihren Hauptwohnsitz in Berlin wegen des passiven Wahlrechts gewählt habe. Das Gesetz verstoße nicht gegen die Art. 12, 6 und 11 GG. In der Vergangenheit hätten vorwiegend Fremdenverkehrsgemeinden eine Zweitwohnungsteuer erhoben. Ausgangspunkt der Überlegungen zur Besteuerung des Innehabens einer Zweitwohnung sei das Ziel gewesen, Zweitwohnungsinhaber, die weder kurtaxpflichtig noch, sofern sich die Hauptwohnung außerhalb der Gemeinde befunden habe, im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs berücksichtigungsfähig gewesen seien, in angemessenem Rahmen an der Finanzierung von Kur- und Erholungseinrichtungen zu beteiligen. Auch in Großstädten verursachten Zweitwohnungsinhaber zusätzliche Investitionen in der Infrastruktur, ohne zu deren Finanzierung adäquat beizutragen. Deshalb bestehe auch dort ein Bedürfnis, sie zur einer besonderen Abgabe heranzuziehen. Die angespannte Lage auf dem städtischen Wohnungsmarkt und die damit verbundenen finanziellen Anstrengungen der Stadtgemeinde, die Lage zu verbessern, ließen es als sozial gerechtfertigt erscheinen, Zweitwohnungsinhaber, deren Aufwand typischerweise über die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse hinausgehe, zu einer besonderen Steuer heranzuziehen.

    Am 22. Oktober 1998 hat die Klägerin Klage unter dem Az. 298296K 2 erhoben. In der Klageschrift hat sie ihr Vorbringen aus der Einspruchsbegründung wiederholt und ergänzend vorgetragen: Zwar sei die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer grundsätzlich zulässig. Unzulässig sei aber, daß es keine Ausnahmeregelung gebe. Wenn eine Person, wie dies bei ihr der Fall sei, in sehr weiter Entfernung von dem bisherigen Wohnort eine Arbeit aufgenommen habe, dann spreche schon dieser Anlaß dafür, daß es bei der Ursache für den Einzug in die andere Wohnung und für das Halten der bisherigen Wohnung nicht um Einkommensverwendung und nicht um eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Zweitwohnungsinhabers gehe. Das Innehaben einer weiteren Wohnung in Berlin habe vielmehr hohe Kosten zur Folge, die nur deshalb anfielen, weil an anderer Stelle kein auch nur annähernd adäquater Arbeitsplatz für sie zur Verfügung stehe. Die Zweitwohnung in Bremen werde von ihr nur deswegen „gehalten” weil bei einem starken Auseinanderfallen von Wohnort und Arbeitsort die steuerliche Berücksichtung dieser Situation im ESt-Recht die Anmeldung am Zweitwohnort erfordere. Regelmäßige Heimfahrten zur Familienwohnung wären kaum als solche zu begründen und nachzuweisen, wenn die Anmeldung am Ort der Familienwohnung entfiele. Eine Besteuerung gerade dieser Situation durch die Stadt Bremen sei dem Grundgedanken der besonderen Beachtung der Familie entgegengesetzt, wenn die zweite Wohnung nur aus familiären Gründen bewohnt werde; hierin drücke sich nicht eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus. Die Wohnung am Arbeitsort diene der Einkommenserzielung, nicht der Einkommensverwendung. Das passive Wahlrecht werde einem Bürger de facto verwehrt, wenn er seinen Hauptwohnsitz nicht am Arbeitsort nehmen könne. Der Familienwohnsitz bleibe bei einem der Ehepartner, der andere müsse – in einer Situation wie der vorliegenden – entweder auf ein verfassunggegebenes Recht verzichten oder unsachgemäß hohe Abgaben tragen, weil er das ihm verfassungsmäßig zustehende Recht wahrnehmen wolle.

    Das FA hat sich auf die Einspruchsentscheidung bezogen und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die Zweitwohnungsteuer auch bei Innehaben der Zweitwohnung ausschließlich zu Zwecken der Berufsausübung nicht nur erhoben werden könne, sondern auch müsse. Wenn wie hier die Erstwohnung in Berlin aus beruflichen Gründen gehalten werde, könne dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Umstand, daß die Klägerin ihr passives Wahlrecht in Berlin haben wolle, sei auch nur ein nicht zu berücksichtigendes Motiv dafür, daß sie in Bremen ihren Zweitwohnsitz habe. Bei der Erhebung der Zweitwohnungsteuer sei lediglich eine unterschiedliche Berücksichtigung der Gründe für das Innehaben der Zweitwohnung ein sachfremdes Kriterium.

    Mit Schreiben vom 11. Januar 1999 hat der Senatsvorsitzende angeregt, daß die Klägerin beim FA einen Antrag nach § 163 AO stelle. Selbst wenn man von der Vereinbarkeit des Gesetzes mit höherrangigem Recht ausgehe, stelle sich die Frage, ob im Verfahren nach § 163 AO eine abweichende Steuerfestsetzung auf 0 DM vorzunehmen sei. Da sich die gemeinsame Ehewohnung in Bremen befinde und der Ehemann in Bremen mit Hauptwohnsitz gemeldet sei, scheine es zweifelhaft, welcher zusätzliche die Klägerin betreffende Aufwand die Besteuerung rechtfertige.

    Daraufhin stellte die Klägerin unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen beim FA mit Schreiben vom 24. Januar 1999 einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO. Mit Zustimmung der Beteiligten brachte der Vorsitzende das Klageverfahren mit Beschluß vom 15. Februar 1999 zum Ruhen.

    Mit Bescheid vom 25. März 1999 lehnte das FA den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO ab. In der Begründung heißt es: Das Gesetz knüpfe die Steuerpflicht an die Tatsache der Meldung mit Nebenwohnung an. Der Gesetzgeber habe für Ehepaare keine Ausnahmeregelung zugelassen, so daß sachliche Erlaßgründe nicht vorlägen. Unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sehe das FA keinen Raum für eine abweichende Steuerfestsetzung auf 0 DM.

    Mit ihrem am 12. April 1999 eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend: Soweit das FA sich auf Art. 3 GG berufe, habe es diese Argumentation aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 65, 325 aus dem Jahr 1983 entnommen. Zu diesem Zeitpunkt habe der erhöhte Aufwand für eine Zweitwohnung, zu dem ein Arbeitnehmer aus Gründen auswärtiger Erwerbstätigkeiten gezwungen gewesen sei, steuerlich berücksichtigt werden können. Diese Korrekturmöglichkeit sei vom Jahr 1996 ab – abgesehen von einem kurzen Zeitraum von zwei Jahren – entfallen. Die Berufung darauf, daß eine zweite Wohnung nach Ablauf von zwei Jahren in Fällen auswärtiger Tätigkeit dann, wenn eine Zweitwohnungsteuer gefordert werde, immer als Ausdruck einer „besonderen Leistungsfähigkeit” und eines bestimmten „Konsumverhaltens” gedeutet werde, sei jedenfalls inzwischen nicht mehr richtig. Sofern eine zweite Wohnung nicht aus Gründen des Konsums, sondern „zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen” gehalten werde, also dem Grunde nach zu den Werbungskosten führe, sei die einfache Berufung auf Art. 3 GG nicht mehr adäquat. Die „zweite” Wohnung sei die einzige Wohnung ihres Ehemanns, und sie leiste sich nicht eine „größere” Wohnung in Bremen, sondern sie lebe, wenn sie in Bremen sei, in der Wohnung ihres Ehemanns. Das Argument von der „größeren” Wohnung würde entfallen, wenn sie in Bremen nicht bei ihrem Ehemann, sondern z. B. in einer eigenen kleinen Wohnung gemeldet wäre.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 1999 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. In den Gründen heißt es: Sachliche Billigkeitsgründe im Sinn des § 163 AO seien nur dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden könne, der Gesetzgeber hätte die im Billigkeitsweg begehrte Entscheidung – hätte er die Frage geregelt – im Sinne des Erlasses getroffen. Eine Billigkeitsmaßnahme dürfe nicht getroffen werden, um einen vom Gesetzgeber zulässigerweise gewolltes oder doch in Kauf genommenes Ereignis abzuwenden. Die Zweitwohnungsteuer orientiere sich am Aufwand für das Innehaben einer Zweitwohnung. Der zusätzliche, die Besteuerung rechtfertigende Aufwand sei durch die Größe des Hauses gegeben. Das Haus habe eine Wohnfläche von 95 qm und sei von drei Personen genutzt worden. Die ortsübliche Miete sei entsprechend dem RDM-Mietspiegel auf 11 DM/qm geschätzt worden, was eine monatliche Kaltmiete von 1.045 DM ausmache und wovon der Klägerin als Aufwand nur ein Drittel zugerechnet worden sei. Besteuert werde demnach die Differenz zwischen dem Aufwand einer Wohnfläche für zwei Personen und für drei Personen, wobei sich der Aufwand aus einer entsprechend der Wohnungsgröße höheren Miete oder Finanzierungskosten ausmachen lasse, denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung werde eine Wohnung umso größer gewählt, je mehr Personen in ihr lebten. Der Gesetzgeber habe sich ganz bewußt an den melderechtlichen Status gehalten. Die Meldung mit Nebenwohnung sei konstitutiv für die Beurteilung als Zweitwohnung. Ausnahmen für den vorliegenden Fall habe der Gesetzgeber nicht zu schaffen brauchen, denn der melderechtliche Status der Klägerin sei offensichtlich unzutreffend. Daß bei Mitgliedern einer zusammenlebenden Familie die Frage nach der Hauptwohnung einheitlich danach beantwortet werde, in welcher Wohnung dieses Zusammenleben überwiegend stattfinde und nicht für jedes Familienmitglied gesondert zu bestimmen sei, entspreche der natürlichen Betrachtungsweise sowie der Lebenserfahrung und trage dem Wesen der Ehe und Familie als einer Lebensgemeinschaft Rechnung. Eine hiervon abweichende Festlegung der Hauptwohnung würde zu dem nicht zu akzeptierenden Ergebnis führen, daß der in vielerlei Bereichen bedeutsame Ort der Hauptwohnung bei den Mitgliedern derselben Familie verschieden sein könne, so daß sich beispielsweise für jedes Familienmitglied unterschiedliche örtliche Behördenzuständigkeiten und ein jeweils verschiedener Ort, an dem das aktive und passive Wahlrecht auszuüben sei, ergeben würde. Nach dem Melderecht werde der Hauptwohnsitz bei Ehegatten dort fingiert, wo die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie sei (§ 12 Abs. 2 Satz 2 MRRG). Dies sei im vorliegenden Fall Bremen, da bis Anfang Juni 1998 auch der gemeinsame Sohn in der Familienwohnung gewohnt habe und dort auch gemeldet gewesen sei. Es könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, daß die bremische Zweitwohnungsteuer nach § 163 AO auf 0 DM festgesetzt werde, nur weil die Klägerin nicht bereit sei, ihre melderechtlichen Verhältnisse zu bereinigen und damit unter Umständen in Berlin Zweitwohnungsteuer zu zahlen.

    Am 1. November 1999 hat die Klägerin Klage unter dem Az. 299283K 2 erhoben. Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen, das sie wie folgt ergänzt: Es gebe keinen Grundsatz, daß nach Auszug einzelner oder aller anderen Familienmitglieder die zurückbleibende Person eine kleinere Wohnung zu beziehen habe, weil der Aufwand, die bisher bewohnte Wohnung zu halten, für eine Person zu groß sei. Wirtschaftlich betrachtet sei das Beibehalten der bisherigen Wohnung bei weitem günstiger. Diese sei in der Regel abgeschrieben, und es brauche keine neue Bleibe gesucht und erworben zu werden. Aus der Tatsache, daß eine Wohnung weiterhin gehalten werde, könne gerade nicht der Schluß gezogen werden, daß ein erhöhter wirtschaftlicher Aufwand verursacht werde. Dies gelte jedenfalls dann, wenn, wie in dem hier vorliegenden Fall, der in der Wohnung bleibende Part berufstätig sei. Ihr melderechtlicher Status sei nicht „offensichtlich unzutreffend”. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei anerkannt, daß im Einzelfall die jeweilige Wohnung des Ehegatten dessen alleinige oder Hauptwohnung sein könne.

    Das beklagte FA bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung und sein bisheriges Vorbringen im Besteuerungsverfahren. Ergänzend trägt es vor: Auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne die Klägerin sich nicht berufen, weil sie 1996 nicht kinderlos gewesen sei. Da ein Kind der nicht dauernd getrennt lebenden Eheleute 1996 in der streitbefangenen Wohnung gemeldet gewesen sei, hätte die Klägerin dort auch mit Hauptwohnsitz gemeldet sein müssen. Rechtsfolgen, die durch rein persönliche Motive eingetreten seien, könnten nicht durch Billigkeitsmaßnahmen ausgeglichen werden. Das Wohngrundstück der Klägerin und ihres Ehemanns sei 1982 zu je 1/2 für insgesamt 335.000,– DM erworben worden. Nach den Indexzahlen der Kaufkraftentwicklung habe der Wert des Grundstücks 1996 mindestens 370.500,– DM betragen. Da in dem Haus 1996 drei Personen gemeldet gewesen seien, entfalle ein Drittel der Wohnfläche und mithin ein Drittel des dafür eingesetzten Kapitals auf die Klägerin. Soweit das Haus 1996 noch nicht abbezahlt gewesen sei, bestehe der Aufwand in einem Drittel der an die Darlehnsgeber zu zahlenden Zinsen; soweit das Haus abbezahlt gewesen sei, bestehe der Aufwand darin, daß rund 123.500,– DM (ein Drittel des Werts des Hauses) nicht als Kapitalanlage habe genutzt werden können. Der Aufwand im Sinne des Konsums sei typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne daß es darauf ankomme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert werde und zu welchen Zwecken er des Näheren diene. In diesem Fall bestehe der Aufwand im anteiligen Unterhalt eines Hauses.

    Mit Beschluß vom 19. November 1999 hat das Gericht das zum Ruhen gebrachte Besteuerungsverfahren wieder aufgenommen und mit dem Verfahren nach § 163 AO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

    Die Klägerin ergänzt ihr bisheriges Vorbringen wie folgt: Das Bundesverfassungsgericht habe zwar den Zweck des Innehabens der Zweitwohnung als nichttaugliches Abgrenzungskriterium für die grundsätzliche Unterwerfung unter die betreffende Besteuerungsart wegen des darin liegenden Verstosses gegen das Gleichheitsgebot verworfen. Es habe aber nicht entschieden, daß solche Gründe überhaupt nicht zu berücksichtigen seien. Nach dem bremischen Meldegesetz sei die Hauptwohnung die vorwiegend genutzte Wohnung der Familie; in Zweifelsfällen sei die vorwiegend genutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liege. In ihrem Fall gebe es keinen gemeinsamen Schwerpunkt der Lebensbeziehungen und deshalb auch keinen gemeinsamen Hauptwohnsitz. Der Begriff „Lebensbeziehungen” umfasse weit mehr als die Tatsache, verheiratet zu sein und nicht dauernd getrennt zu leben. Jedenfalls nach achtjähriger Tätigkeit außerhalb von Bremen sei nach aller Lebenserfahrung der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen für einen Menschen da, wo er sich ganz überwiegend aufhalte, das heiße für sie dort, wo sie sich beruflich betätige. Das FA sei nicht befugt, den Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen festzulegen. Die Tatsache, daß ihr volljähriger Sohn bis zum Jahr 1998 mit Hauptwohnsitz in der Familienwohnung gemeldet gewesen sei, sei für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Im übrigen habe ihre berufliche Tätigkeit Ende Juli 1999 aus Altersgründen geendet. Sie nehme aber verschiedene Lehrtätigkeiten in Brandenburg wahr, um ihre geringe Rente aufzubessern. Außerdem sei sie in Berlin in politischen Ämtern tätig. Soweit sie während ihrer Ehe überhaupt berufstätig gewesen sei, sei ihr Einkommen immer wesentlich geringer als das Einkommen ihres Ehemannes gewesen. Deshalb habe ihr Ehemann seit dem Bezug des Hauses die entstehenden Aufwendungen aus seinem Einkommen beglichen. Das FA sei bei seinen Berechnungen von einer zutreffenden Wohnfläche ausgegangen. Allerdings sei im Dachgeschoß ein Zimmer ausgebaut worden, das eine Grundfläche von höchstens 20 qm habe.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Aufhebung des Zweitwohnungsteuerbescheides vom 26. Februar 1998 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23. September 1998 sowie des Ablehnungsbescheides betr. den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO vom 25. März 1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 1999 die Zweitwohnungsteuer auf 0 DM festzusetzen.

    Das beklagte FA beantragt,

    die Klagen abzuweisen.

    Es bezieht sich auf sein bisheriges Vorbringen und weist darauf hin, daß die Zweitwohnungsteuer nur auf der Grundlage eines Drittels der ursprünglichen Wohnfläche errechnet worden sei, obwohl seit Anfang 1998 nur noch der Ehemann mit Hauptwohnsitz gemeldet sei.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze mit Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

    Die einschlägigen Vorgänge des FA waren insoweit Gegenstand der mündlichen Verhandlung, als sie in diesem Urteil verwertet worden sind.

    Gründe

    Für den Rechtsstreit ist der Finanzrechtsweg gegeben (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO i. V. m. Art. 6 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der FGO vom 23. Dezember 1965 BremGBl. S. 156, geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 28. Juni 1983 BremGBl. S. 403).

    Die auch im übrigen zulässigen Klagen sind begründet.

    I.

    1. Nach § 1 Abs. 1 des Bremischen Abgabengesetzes vom 15. Mai 1962 (BremGBl. S. 139), das bis Ende 1995 zuletzt durch Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes vom 2. Februar 1993 (BremGBl. S. 44) geändert worden war, können die Gemeinden örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern einschließlich der abgabenrechtlichen Nebenleistungen erheben. Die Zweitwohnungsteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer, für die den Ländern nach Art. 105 Abs. 2 a GG die Gesetzgebungskompetenz zusteht (BVerfG, Beschluß vom 6. Dezember 1983 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 343 ff.). Sie wird auf Grund des von der Stadtgemeinde Bremen erlassenen Ortsgesetzes vom 12. Dezember 1995, BremGBl. S. 528 – BremZwStG – erhoben.

    2. Steuern im Sinn des Grundgesetzes sind einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen (dies ist das Merkmal einer Gebühr) und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (so das BVerfG in ständiger Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 65, 344; vgl. auch § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO). Die im Ortsgesetz normierte Abgabe wird von einem steuererhebungsberechtigten Gemeinwesen, nämlich der Stadt Bremen, ohne unmittelbare Gegenleistung erhoben.

    3. Abweichend von anderen kommunalen Zweitwohnungsteuersatzungen enthält das BremZwStG keine gesetzliche Bestimmung des Verwendungszwecks der Steuer. Der Entscheidung BVerfGE 65, 325, 344 ist nicht zu entnehmen, daß die Zweckbestimmung im Ortsgesetz hätte formuliert werden müssen. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes, Bremische Bürgerschaft, Stadtbürgerschaft, Drucksache 14/50 S, S. 3 soll mit der Steuer erreicht werden,

    „daß der Inhaber einer Zweitwohnung in Bremen einen Ausgleich dafür erbringt, daß er zwar die Infrastruktur der Gemeinde durch seinen Zweitwohnsitz nutzt, jedoch keinen dieser Nutzung entsprechenden Anteil an den Kosten der Gemeinde leistet.”

    Der in dieser amtlichen Begründung zum Ortsgesetz enthaltene Gedanke, daß die Zweitwohnungsinhaber der Stadt größere unausgeglichene Kosten verursachen als Hauptwohnungsinhaber, ist im Hinblick auf die Finanzverfassung des Grundgesetzes ein vertretbarer Anknüpfungspunkt. Verschiedene Verfassungsregelungen knüpfen für die Steuerertragsaufteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und für den Finanzausgleich unter den Ländern an den Begriff der „Einwohner” an. Gemeinden haben auf Grund des Art. 106 Abs. 5 GG Anspruch auf einen Anteil am Einkommensteueraufkommen, der sich auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner errechnet. Auch die Umsatzsteuer wird grundsätzlich nach Maßgabe der Einwohnerzahl zugeteilt (Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG; vgl. dazu BVerfG-Urteil vom 11. November 1999 2 BvF 2/98 u. a., DÖV 2000, 113, 116).

    Im Finanzausgleichsgesetz vom 23. Juni 1993 BGBl. I S. 944, 977 – FAG – sind nähere Bestimmungen für den angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder (Art. 107 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG) sowie über Ergänzungszuweisungen des Bundes (Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG) getroffen worden. Nach § 4 FAG werden zur Durchführung des Finanzausgleichs Beiträge von den ausgleichspflichtigen an die ausgleichsberechtigten Länder geleistet. Ob ein Bundesland ausgleichspflichtig oder -berechtigt ist, wird danach ermittelt, ob die im Landesdurchschnitt je Einwohner errechneten Steuereinnahmen die im Bundesdurchschnitt je Einwohner erreichten Steuereinnahmen übersteigen oder sie nicht erreichen (§§ 5 und 6 FAG). § 9 FAG sieht u. a. für das Land Bremen eine unterschiedliche Gewichtung des einzelnen Einwohners vor (dazu BVerfG, Urteil vom 24. Juni 1986 2 BvF 1, 5, 6/83 u. a., BVerfGE 72, 330, 415; Urteil vom 27. Mai 1992 2 BvF 1, 2/88 u. a., BVerfGE 86, 148, 239 und neuestens Urteil DÖV 2000, 113, 119).

    Diese Verfassungsbestimmungen und einfachgesetzlichen Regelungen beziehen sich offenkundig auf Einwohner mit Hauptwohnung, weil nur diese Anknüpfung Doppelzählungen – auch in derselben Gemeinde und demselben Bundesland – vermeidet (vgl. dazu auch Bayer, StuW 1972, 289, 290, nach dem die Inhaber von Zweitwohnungen für die badenwürttembergischen Gemeinden bei der Bemessung der Schlüsselzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs schon damals außer Ansatz blieben).

    Berücksichtigt man schließlich, daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen (BVerfGE 86, 148, 225) und auch keine entsprechenden gesetzlichen Regelungen getroffen worden sind, wird deutlich, daß die Zweitwohnungsteuer der Stadt einen gewissen Ausgleich dafür schaffen soll, daß auch den Zweitwohnungsinhabern die von ihr hergestellten und unterhaltenen öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung stehen, aber nur die Inhaber von Hauptwohnungen in der Stadt Bremen bei dem Aufkommen aus Einkommen- und Umsatzsteuern und im Finanzausgleich berücksichtigt werden.

    4. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 65, 346 ff.) sind Aufwandsteuern Steuern auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Maßgebend für den Charakter einer Steuer als Aufwandsteuer ist es also, daß die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getroffen werden soll. Es wäre nicht praktikabel, wenn in jedem Fall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen festgestellt werden müßte. Ausschlaggebendes Merkmal ist der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinn von Komsum ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne daß es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird und welchen Zwecken er im Einzelfall des Näheren dient. Im Konsum äußert sich in der Regel die Leistungsfähigkeit.

    Das Innehaben einer – neben der Hauptwohnung – weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) erfordert in aller Regel die Aufwendung (erheblicher) finanzieller Mittel und bringt damit zugleich eine (besondere) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck. Diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu besteuern, ist Regelungsgegenstand des BremZwStG (so ausdrücklich Drucksache 14/50 S, S. 3). Danach unterliegt das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet von Bremen der Steuer (§ 1 BremZwStG). Eine Zweitwohnung ist nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes jede Wohnung, die dem Eigentümer, Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten als Nebenwohnung i. S. von § 16 des Meldegesetzes zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs dient. Hiernach werden Zweitwohnungen, die als reine Kapitalanlagen dienen und für die aus diesem Grund vom Inhaber kein Aufwand für die persönliche Lebensführung erbracht wird, im Einklang mit Art. 105 Abs. 2 a GG von der Steuerpflicht ausgenommen (Drucksache 14/50 S, zu § 2, S. 4).

    Daß es sich um eine örtliche Aufwandsteuer handelt, ergibt sich aus § 1 BremZwStG, denn der die Steuerpflicht auslösende Tatbestand ist das Innehaben der Zweitwohnung im Stadtgebiet von Bremen. Hierin liegt die Anknüpfung an eine örtliche Gegebenheit, nämlich an eine im Stadtgebiet belegene Sache (vgl. BVerfGE 65, 349 f.). Daß die kommunale Zweitwohnungsteuer bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist, hat das BVerfG in Bezug auf die Einkommensteuer und die Grundsteuer entschieden (a. a. O. S. 350 ff.). Ebensowenig ist sie der Umsatzsteuer und der Vermögensteuer gleichartig (BFH-Urteil vom 5. März 1997 II R 28/95, BFHE 182, 243, BStBl. II 1997, 469; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Kammerbeschluß vom 21. August 1997 1 BvR 1091/97, StEd 1997, 608). Nichts anderes gilt für die Zweitwohnungsteuer im Vergleich zur Gewerbesteuer (vgl. OVG Münster, Urteil vom 23. April 1993 22 A 3850/92, NVwZ-RR 1994, 43, BB 1993, 2367, KStZ 1994, 12).

    Die Klägerin bewohnt auch eine Zweitwohnung im Sinn des BremZwStG. Nach § 3 des Gesetzes ist nämlich der Inhaber der Wohnung steuerpflichtig, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken. Der Steuerpflicht unterliegen Personen, die mit Nebenwohnung gemeldet sind oder die sich nach dem Meldegesetz mit Nebenwohnung zu melden hätten. Hieraus ergibt sich die Anknüpfung der Zweitwohnungsteuerpflicht an die Meldung als solche. Gegen das formale Abstellen auf die Meldung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, selbst wenn dadurch im Einzelfall Wohnungsinhaber zur Zweitwohnungsteuer herangezogen werden, die mit einer Wohnung als Nebenwohnung gemeldet sind, die in Wirklichkeit ihre Hauptwohnung ist. Dabei handelt es sich um zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallende Ausnahmen, die der Gesetzgeber bei der notwendigen Typisierung im Interesse der Praktikabilität sowie angesichts der Tatsache, daß die Betroffenen ihre Meldung jederzeit richtig stellen können, vernachlässigen durfte (so auch BFH-Urteil vom 5. März 1997 II R 41/95, BFHE 182, 249, 252, f., DStRE 1997, 611 zu den entsprechenden Regelungen des Hamburgischen Zweitwohnungsteuergesetzes vom 23. Dezember 1992, Hamburgisches GVBl. S. 330, in dem ebenfalls formal auf die Meldung abgestellt wird).

    Deshalb folgt der Senat nicht dem noch nicht rechtskräftigen Urteil des OVG Lüneburg vom 21. April 1999 13 L 5282/98, NordÖR 1999, 293, DVBl. 1999, 1656, NVwZ-RR 1999, 790, wonach die melderechtlichen Vorschriften auch bei einer Verweisung in Steuersatzungen stets nur dann entsprechend angewandt werden könnten, soweit ein besteuerbarer „Aufwand” vorliege. Jedenfalls nach dem Wortlaut des hier zu beurteilenden Ortsgesetzes handelt es sich um eine zwingende Verweisung auf die melderechtlichen Vorschriften, für die auch Gründe der Praktikabilität sprechen. Im Regelfall entsteht nämlich bei Begründung einer Nebenwohnung zusätzlicher zu besteuernder Aufwand. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, muß auf Grund eines dann vorliegenden Ausnahmetatbestandes die Besteuerung ausgeschlossen sein, ohne daß die melderechtliche Anknüpfung der Zweitwohnungsteuer in Frage gestellt werden müßte.

    5. Die Steuerpflicht der Klägerin ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie die Wohnung zusammen mit ihrem Ehemann, der mit Hauptwohnsitz in Bremen gemeldet ist, nutzt. Nach § 2 Abs. 3 BremZwStG gilt bei der gemeinschaftlichen Nutzungsberechtigung mehrerer Personen als Zweitwohnung der auf die Personen entfallende Wohnungsanteil, denen die Wohnung als Nebenwohnung im Sinne des Gesetzes dient. Für die Berechnung des Wohnungsanteils ist nach Satz 2 die Fläche der gemeinschaftlich genutzten Räume den an der Gemeinschaft beteiligten Personen zu gleichen Teilen zuzurechnen. Insoweit unterscheidet sich die bremische Regelung von anderen Zweitwohnungsteuer-Satzungen, die die Gesamtschuldnerschaft von Personen festlegen, die gemeinschaftlich eine Zweitwohnung innehaben (dazu das den Beteiligten bekannte Urteil des OVG Schleswig vom 14. Dezember 1992 2 L 17/92, Bl. 46 f. der Akte 299283K 2).

    Hinsichtlich der Klägerin gilt die Familienwohnung mithin als Zweitwohnung, so daß eine anteilige Zurechnung vorzunehmen ist. Dem steht nicht entgegen, daß die Familienwohnung jetzt von den Eheleuten allein bewohnt wird, nachdem zunächst noch ihr Sohn mit Hauptwohnung dort gemeldet war. In der amtlichen Begründung zu § 2 BremZwStG wird als Beispiel für die gemeinschaftliche Nutzungsberechtigung mehrerer Personen die Nutzung durch Ehepaare hervorgehoben: In diesen Fällen gelte als Zweitwohnung nur der Wohnungsanteil des Miteigentümers oder Mitmieters, für den die Wohnung eine Nebenwohnung in melderechtlichen Sinn sei (Drucksache 14/50 S., zu § 2, S. 5). Da es hiernach offenbar als möglich angesehen wurde, daß Eheleute unterschiedliche Hauptwohnsitze haben können, ist es schwer verständlich, daß das FA – allerdings im Zusammenhang mit der Ablehnung des Antrages der Klägerin nach § 163 AO – als selbstverständlich davon ausgeht, daß Eheleute nur einen gemeinsamen Hauptwohnsitz begründen könnten und die Anmeldung der Klägerin als Zweitwohnung nach den Meldevorschriften rechtswidrig sei. Insoweit geht auch die Berufung des FA auf das BVerwG-Urteil vom 4. Mai 1999 1 C 25/98, NJW 1999, 2688, DVBl. 1999, 1749 fehl. Wenn das BVerwG auch grundsätzlich als Hauptwohnung eines verheirateten Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seinem Ehegatten lebt, nach § 12 Abs. 2 Satz 2 MRRG auch dann die vorwiegend benutzte gemeinsame Wohnung ansieht, wenn das Ehepaar keine minderjährigen Kinder hat, dann beruht diese Aussage auf der Sachverhaltsfeststellung, daß die dortigen Eheleute eine gemeinsame Wohnung hatten, die sie vorwiegend nutzten. Das BVerwG hat aber ausdrücklich anerkannt, daß kinderlose, nicht dauernd getrennt lebende Eheleute z. B. aus beruflichen Gründen je eine Hauptwohnung unterhalten können, die von ihnen vorwiegend benutzt wird und wenn es keinen gemeinsamen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse gibt. Es ist also melderechtlich nicht ausgeschlossen, daß Eheleute getrennte Hauptwohnungen haben. Hiervon geht im übrigen auch das OVG Schleswig im Urteil vom 14. Dezember 1992 aus.

    Unter diesen Umständen bestehen keine Zweifel daran, daß auch im Fall der Klägerin die Anknüpfung an die Eintragung im Melderegister geboten ist. Sie hat nachvollziehbar vorgetragen, daß und aus welchen Gründen es für sie und ihren Ehemann keinen gemeinsamen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse in Bremen gibt. Da die beiden Kinder volljährig und in der elterlichen Wohnung nicht mehr gemeldet sind, können die Klägerin und ihr Ehemann melderechtlich nicht anders eingeordnet werden als kinderlose Ehepaare. Dies gilt jedenfalls ab dem Zeitpunkt, zu dem sich ihr Sohn abgemeldet hat. Aber auch für die Zeit zuvor hat der Senat keine Bedenken, von einer rechtmäßigen Meldung der Klägerin mit Zweitwohnung in Bremen auszugehen. Die Anknüpfung der Steuerpflicht an die Meldung als Zweitwohnung soll gerade verhindern, daß sich die Finanzbehörde und ggf. das Finanzgericht mit der Rechtmäßigkeit der melderechtlichen Voraussetzungen für die Anmeldung einer Zweitwohnung befassen müssen. Es ist allein Sache der zuständigen Meldebehörden, melderechtlich einwandfreie Verhältnisse herzustellen. Dies gilt umsomehr deshalb, weil die Gründe für die Anmeldung einer Haupt- und Zweitwohnung regelmäßig im privaten Bereich liegen und es nicht Sache der Finanzbehörden und des Finanzgerichts sein kann, solche privaten Überlegungen und Motive aufzudecken und von den Betroffenen nähere Aufklärung über die Umstände der Anmeldung einer Zweitwohnung allein zum Zweck der Erhebung der Zweitwohnungsteuer zu verlangen.

    6. Bereits im Besteuerungsverfahren hat die Klägerin sich darauf berufen, daß bei ihrer Anmeldung der Zweitwohnung besondere Verhältnisse vorgelegen hätten, die eine Ausnahme von den gesetzlichen Bestimmungen rechtfertigen müßten. Daraus resultiert die Frage, ob es nicht Aufgabe des Ortsgesetzgebers hätte sein müssen, bestimmte Ausnahmetatbestände in das BremZwStG aufzunehmen.

    In der Entscheidung BVerfGE 65, 325, 354 ff. hat das BVerfG einzelne Vorschriften der entsprechenden Satzung der Stadt Überlingen wegen Verstosses gegen Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig erklärt, weil sie ohne hinreichenden, sachlichen Grund nur auswärtige Zweitwohnungsinhaber, soweit sie nicht aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildungszwecken in der Stadt wohnten, besteuerten. Das Wesen der Aufwandsteuer schließe es aus, für die Steuerpflichtigen von vornherein auf eine wertende Berücksichtigung der Absichten und verfolgten ferneren Zwecke, die dem Aufwand zugrunde lägen, abzustellen. Maßgeblich dürfe allein der isolierte Vorgang des Konsums als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein. Die unterschiedliche Berücksichtung der Gründe für den Aufenthalt zum Zweck der Abgrenzung des Kreises der Steuerpflichtigen sei damit im Rahmen der Aufwandsteuer ein sachfremdes Kriterium. Gleichzeitig hat das BVerfG aber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es dem Satzungsgeber unbenommen bleibe, unter Beachtung des Gleichheitssatzes Ermäßigungstatbestände oder Befreiungstatbestände vorzusehen (a. a. O. S. 357).

    Hier hat der Ortsgesetzgeber sich nur veranlaßt gesehen, solche Wohnungen nicht als Zweitwohnungen anzusehen, „die von freien Trägern der Wohlfahrtspflege aus therapeutischen Gründen oder von Trägern der öffentlichen oder der freien Jugendhilfe zu Erziehungszwecken zur Verfügung gestellt werden” (§ 2 Abs. 4 BremZwStG). In der amtlichen Begründung heißt es in diesem Zusammenhang (Drucksache 14/50 S, Abschnitt I Nr. 3, S. 3 f.):

    „Weitere Ausnahmen – insbesondere für Studenten und Auszubildende oder bei Nutzung der Zweitwohnung aus beruflichen Gründen – sind nicht vorgesehen, weil die Motive für das Innehaben der Zweitwohnung grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können. Im Einzelfall kommen jedoch unter den Voraussetzungen der Abgabenordnung Billigkeitsmaßnahmen in Betracht.”

    Daraus ergibt sich, daß der Ortsgesetzgeber durchaus erkannt hat, daß Billigkeitsmaßnahmen in Betracht kommen können, er hat jedoch bewußt im Gesetz selbst keine weiteren Ausnahmen vorgesehen.

    Ob das Absehen von weiteren Ausnahmeregelungen durch den Ortsgesetzgeber mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist, erscheint dem Senat zweifelhaft. Immerhin dürfte z. B. aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG zwingend abzuleiten sein, daß Studenten, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten, von der Zahlung der Zweitwohnungsteuer generell befreit sein müssten. Die vom OVG Lüneburg (NordÖR 1999, 293, DVBl. 1999, 1656, NVwZ-RR 1999, 790) mit beachtlichen Argumenten in Auseinandersetzung mit der Entscheidung BVerfGE 65, 325 problematisierte Erhebung einer Zweitwohnungsteuer für „Erwerbswohnungen” kann ebenfalls Anlaß für Überlegungen sein, ob es für den Ortsgesetzgeber nicht geboten wäre, für „Erwerbswohnungen” und Studentenwohnungen Ausnahmetatbestände zu formulieren, soweit der Begründung solcher Zweitwohnungen kein steuerbarer zusätzlicher Aufwand zugrundeliegt.

    Die Frage, ob der Ortsgesetzgeber selbst Ausnahmetatbestände hätte festlegen müssen oder ob es ausreicht, daß nur die Finanzbehörden nach den Billigkeitsregelungen der AO über Ausnahmen zu entscheiden haben, ist hier nicht entscheidungserheblich und kann deshalb offen bleiben. Die Gründe für die Anmeldung der Zweitwohnung durch die Klägerin sind nämlich individuell bestimmt und keiner allgemeinen gesetzlichen Ausnahmeregelung zugänglich. Selbst wenn wegen des Fehlens von – weiteren – Befreiungs- oder Ermäßigungstatbeständen im BremZwStG verfassungsrechtliche Bedenken bestehen sollten, würden sie die Zweitwohnungsteuerpflicht aller übrigen Betroffenen, die sich auf keinen generellen Ausnahmetatbestand berufen könnten, unberührt lassen. Das gleiche gilt für Betroffene wie die Klägerin, die nur individuelle und nicht in einer Vielzahl von Fällen auftretende Gründe für die Befreiung von der Zweitwohnungsteuer geltend machen können.

    II.

    Sind somit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erhebung der Zweitwohnungsteuer in der Person der Klägerin auch erfüllt, durfte sie doch nicht zur Zweitwohnungsteuer veranlagt werden, denn die Erhebung der Steuer ist unbillig (§ 163 Abs. 1 Satz 1 AO).

    Nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig erscheint. Die Unbilligkeit einer Steuerfestsetzung kann sich aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben. Als persönliche Billigkeitsgründe werden von der Rechtsprechung nur die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen angesehen (BFH-Urteil vom 29. April 1981 IV R 23/78, BFHE 133, 489, BStBl. II 1981, 726). Der beim FA gestellte Antrag der Klägerin war danach auf Billigkeitsmaßnahmen aus sachlichen Gründen gerichtet, obwohl er auf persönliche Umstände gestützt war.

    Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall aber derart zuwiderläuft, daß ihre Erhebung als unbillig erscheint. Ob die Voraussetzungen für eine derartige Billigkeitsmaßnahme vorliegen, entscheidet die Finanzbehörde nach ihrem Ermessen. Derartige Ermessensentscheidungen kann das Gericht grundsätzlich nach § 102 FGO nur darauf überprüfen, ob die Behörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie im Rahmen des ihr zustehenden Ermessenspielraums tätig geworden ist, dabei Billigkeit und Zweckmäßigkeit beachtet und von ihrem Ermessen in rechtlich vertretbarer Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 77/84, BFH/NV 1987, 768). Ausgenommen ist der Fall, daß nur eine Entscheidung möglich ist, nämlich die Gewährung des begehrten Billigkeitserweises. In diesem Fall darf auch das FG bei Ablehnung eines Billigkeitserweises durch die Verwaltung im Sinn einer Billigkeitsmaßnahme entscheiden (BFH-Urteil vom 4. Juli 1972 VII R 103/69, BFHE 106, 268, BStBl. II 1972, 806). Hier sind nicht nur die Ermessenserwägungen des FA fehlerhaft (1), sondern die Klägerin hat auch einen Rechtsanspruch auf Gewährung des begehrten Billigkeitserweises (2).

    1. Für die gerichtliche Überprüfung einer behördlichen Ermessensentscheidung sind die Ermessenserwägungen in der Einspruchsentscheidung maßgebend (BFH-Urteil vom 26. März 1991 VII R 66/90, BFHE 164, 7, BStBl. II 1991, 545).

    Das FA ist in der Einspruchsentscheidung von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen, indem es zur Grundlage seiner Ermessensentscheidung die Überlegung gemacht hat, daß die Anmeldung mit Nebenwohnung rechtswidrig sei und es deshalb keiner Billigkeitsmaßnahme bedürfe, weil die Klägerin sich richtig hätte in Bremen mit Hauptwohnung und in Berlin mit Nebenwohnung anmelden müssen. Daß diese Erwägungen fehlerhaft sind, ist bereits oben ausgeführt worden. Ausgehend von diesem rechtlich unzutreffenden Ausgangspunkt hat das FA es unterlassen, die von der Klägerin vorgebrachten Argumente für die melderechtliche Begründung der Zweitwohnung in Bremen in seine Ermessenserwägungen einzustellen.

    Seine ablehnende Ermessensentscheidung hat das FA in der Einspruchsentscheidung weiter darauf gestützt, daß auch im Fall der Klägerin ein zusätzlicher Aufwand infolge der Begründung der Nebenwohnung gegeben sei. Der Aufwand bestehe aus einer entsprechend der Wohnungsgröße für mehrere Personen höheren Miete oder Finanzierungskosten, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine Wohnung umso größer gewählt werde, je mehr Personen in ihr lebten. Mit diesen Erwägungen hat das FA von seinem Ermessen in einer rechtlich nicht vertretbaren Weise Gebrauch gemacht. Es hat nämlich schematisch einen möglicherweise sonst zutreffenden Erfahrungssatz, daß die Wohnungsgröße sich nach der Zahl der Bewohner richtet, unbesehen auf den Fall der Klägerin übertragen. Hierbei hat das FA nicht berücksichtigt, daß die Zweitwohnung der Klägerin mit ihrer Familienwohnung identisch ist, die sie seit 1981 oder 1982 zusammen mit ihrem Ehemann und lange Zeit hindurch mit den gemeinsamen beiden Kindern – sämtlich mit Hauptwohnung – bewohnt hat. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß Eltern nicht allein deswegen eine andere Wohnung beziehen, wenn ihre Kinder ausgezogen sind. Ebenso entspricht es der Lebenserfahrung, daß nicht deshalb ein höherer Aufwand aufgrund (doppelter) Wohnungsgröße entsteht, weil die Ehefrau aufgrund Berufstätigkeit eine Hauptwohnung in einer anderen Stadt begründet und ihre bisherige Hauptwohnung in Bremen zur Nebenwohnung wird. Gerade diese Besonderheit der Situation der Klägerin hätte in die Ermessenserwägungen einfließen und beim FA zu der Überlegung führen müssen, ob tatsächlich durch die Umwandlung der bisherigen Hauptwohnung der Klägerin in die Nebenwohnung ein erkennbarer zusätzlicher Aufwand für ihr Innehaben der Wohnung in Bremen entsteht.

    Diese Ermessensfehler machen die angefochtene Einspruchsentscheidung und damit auch die zugrundeliegende Ablehnungsentscheidung des FA betr. Gewährung eines Billigkeitserweises rechtswidrig.

    2. Die rechtswidrige Ablehnung des Billigkeitserweises nach § 163 AO führt hier nicht nur zur Verpflichtung zur Neubescheidung der Klägerin durch das FA nach § 101 Satz 2 FGO, sondern das Gericht muß nach § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung des FA aussprechen, die von der Klägerin begehrte Billigkeitsentscheidung zu treffen, denn die Sache ist spruchreif. Nur die Steuerfestsetzung auf 0 DM entspricht der Billigkeit.

    Entsprechend den Vorgaben des BVerfG hat der Ortsgesetzgeber das Innehaben einer Nebenwohnung mit der Begründung besteuern wollen, daß hierdurch „in aller Regel” die Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel erforderlich sei und dadurch eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck komme (Drucksache 14/50 S, Abschnitt I Nr. 1, S. 3). Hier hat die Begründung der Zweitwohnung durch die Klägerin nicht die Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel erfordert, so daß eine Ausnahme von dem vom Gesetzgeber angenommenen Regelfall vorliegt. Die Aufwendung der erheblichen finanziellen Mittel mag zwar für die Begründung der Hauptwohnung der Klägerin in Berlin zu bejahen sein. Grundlage der Besteuerung ist hier aber nicht das Innehaben ihrer Hauptwohnung in Berlin. Demgegenüber ist durch die Begründung der Zweitwohnung in der bisherigen Familienwohnung kein zusätzlicher Aufwand entstanden. Das Innehaben der Familienwohnung allein durch den Ehemann der Klägerin in Form der Hauptwohnung in melderechtlicher Hinsicht ändert nichts daran, daß die Klägerin als Miteigentümerin des Grundstücks zu 1/2 ebenso wie ihr Ehemann grundsätzlich verpflichtet ist, die grundstücksbezogenen Abgaben zu erbringen; etwaige dingliche Belastungen dieses Grundstücks treffen auch sie in ihrer Eigenschaft als Miteigentümerin. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, daß andere Kommunalabgaben sich nach dem Verbrauch und der Häufigkeit der Benutzung richten; jedenfalls ist das Entstehen dieser Aufwendungen nicht von der Qualifizierung des Wohnens der Klägerin in der Familienwohnung als Haupt- oder Nebenwohnung abhängig. Es ist somit nicht erkennbar, daß infolge der Begründung der Nebenwohnung durch die Klägerin irgendwelche zusätzlichen Aufwendungen entstanden sind; vielmehr sind die bisherigen Aufwendungen unverändert geblieben oder sie haben sich verringert.

    Es kann keine Rede davon sein, daß in einem Fall wie dem vorliegenden dem Gesetzgeber unterstellt werden kann, daß er die Erhebung der Zweitwohnungsteuer von der Klägerin als geboten angesehen hätte. Dies ergibt sich schon daraus, daß nach der amtlichen Begründung das Innehaben einer weiteren Wohnung nur im Regelfall als mit der Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel verknüpft anzusehen ist, so daß eine Ausnahme vorliegt, wenn keine zusätzlichen Aufwendungen entstehen. Außerdem ist in der amtlichen Begründung auf die Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung verwiesen worden, und zu diesen gehört § 163 AO.

    Dem steht nicht entgegen, daß nach der Entscheidung BVerfGE 65, 325, 349 der Begriff der Aufwandsteuer es zuläßt, sowohl für den, der eine Wohnung unentgeltlich überläßt, wie für den, dem sie überlassen wird, eine Steuerpflicht zu begründen: Auch derjenige, dem die Wohnung unentgeltlich überlassen werde, könne zu versteuernden Aufwand betreiben.

    Die Klägerin trägt nach ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung infolge der unterschiedlichen finanziellen Leistungskraft der Eheleute praktisch nicht zum finanziellen Aufwand für die Familienwohnung bei. Deshalb betreibt der Ehemann einen zusätzlichen finanziellen Aufwand für seine Ehefrau; der Aufwand des Ehemanns als Hauptwohnsitzinhaber ist aber nicht steuerbar. Selbst wenn man jedoch die bloße Wohnungsnutzung durch die Klägerin – unabhängig von ihrer persönlichen finanziellen Leistungsfähigkeit –, als grundsätzlich der Besteuerung unterliegenden Aufwand qualifizieren wollte, wäre die Erhebung der Zweitwohnungsteuer hier unbillig. Ihr Aufwand hat sich nämlich im Vergleich zu dem Zeitraum, in dem sie mit Hauptwohnung für die Familienwohnung gemeldet war, jedenfalls nicht vergrößert. Die melderechtliche Qualifizierung der früheren Hauptwohnung als Nebenwohnung hat in ihrer Person zu keinem zusätzlichen Aufwand gegenüber der vorangegangenen Zeit geführt, so daß es unbillig wäre, ihre unveränderte Nutzung der Familienwohnung nur deshalb zu besteuern, weil es sich melderechtlich um eine Nebenwohnung handelt.

    III.

    Aus alledem folgt, daß das FA zu verpflichten ist, die Zweitwohnungsteuer auf 0 DM festzusetzen, wobei nicht nur der Ablehnungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung, sondern auch der Steuerfestsetzungbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung aufzuheben ist (§ 101 Satz 1 und § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Verpflichtung zur Nullfestsetzung erstreckt der Senat auf die Jahre 1996 bis 1999. Die Zweitwohnungsteuer ist „für 1996 und Folgejahre” festgesetzt worden, und die den Antrag nach § 163 AO betreffende Einspruchsentscheidung ist im 4. Quartal 1999 ergangen. Außerdem steht auf Grund der mündlichen Verhandlung fest, daß sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt s

    VorschriftenGG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 20 Abs. 3, AO 1977 § 163 Abs. 1, GG Art. 105 Abs. 2a