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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 10.02.2003 – VI 119/2001

    Versorgungsbezüge einer in den Ruhestand versetzten Lehrerin sind nachträgliches Entgelt für die vor der Ruhestandsversetzung geleisteten Dienste. Aufwendungen für die berufliche Fortbildung sind in diesem Fall regelmäßig nicht auf die Erzielung von Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit gerichtet.

    Auch für den Fall der Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit und der damit abstrakt bestehenden Möglichkeit der Reaktivierung können Aufwendungen für die berufliche Fortbildung nur dann zu vorweggenommenen Werbungskosten führen, wenn mit einer Reaktivierung nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten zu rechnen ist.

    Die in § 4 Abs. 5 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG normierten Ausnahmen vom Abzugsverbot der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer und damit die Berücksichtigung als Werbungskosten setzen in der Regel wohl ein aktives Beschäftigungsverhältnis voraus, weil die angestrebte berufliche Tätigkeit nicht durch die berufliche Weiterbildung während des (vorübergehenden) Ruhestands ersetzt wird bzw. bei Berücksichtigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 5 EStG eine Berufsausbildung oder Weiterbildung voraus. Nur dann können die Ausnahmetatbestände vorliegen.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob Aufwendungen für ein Arbeitszimmer auch bei einer wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Lehrerin als Werbungskosten anzuerkennen sind.

    Die Klägerin wurde im Wege des Zwangspensionierungsverfahrens nach Art. 58 BayBG in den Ruhestand versetzt. Seit 01.09.1996 bezieht sie Versorgungsbezüge. Am xx.xx.1999 verstarb ihr Ehemann. In der Einkommensteuererklärung 1999, in der sie die Zusammenveranlagung wählte, machte sie Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 3.698 DM geltend. Mit Bescheid vom 08.11.2000 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 1999 auf 2.194 DM fest. Der Bescheid erging nach § 165 Abs. 2 AO teilweise vorläufig. Aus den Erläuterungen dazu ergibt sich folgendes:

    „Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einschließlich dessen Ausstattung sowie die sonstigen Werbungskosten konnten nicht mehr berücksichtigt werden, weil eine aktive berufliche Tätigkeit nicht mehr vorliegt. Die Werbungskosten der Ehefrau sind durch den Arbeitnehmerpauschbetrag abgegolten.”

    Der eingelegte Einspruch, mit dem die Klägerin u.a. die Anerkennung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beantragte, hatte nur insoweit Erfolg, als in der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2001 die Einkommensteuer 1999 auf 2.108 DM herabgesetzt wurde. Die Herabsetzung beruhte auf der Anerkennung von 390 DM Steuerberatungskosten.

    Mit ihrer Klage beantragt sie, den Bescheid vom 08.11.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2001 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer 1999 auf 1.286 DM herabgesetzt wird.

    Zur Begründung trägt sie hierzu vor, sie sei wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden und könne grundsätzlich bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wieder in ihr früheres aktives Beamtenverhältnis berufen werden. Auch nach ihrer Ruhestandsversetzung nutze sie das vorhandene Arbeitszimmer fast ausschließlich für berufliche Zwecke, z. B. Studium der umfangreichen pädagogischen Fachliteratur einschl. der Lehrerfortbildung. Sie nutze das Arbeitszimmer, um ihr Wissen im bisher ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu halten und sich auf einen beruflichen Wiedereinstieg als Lehrerin, der bei Wiedererlangung der Dienstfähigkeit möglich sei, vorzubereiten.

    Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2001. Darin hat es ausgeführt, dass eine ausschließlich oder nahezu ausschließlich berufliche Nutzung des Arbeitszimmers im Streitfall nicht erkennbar sei. Die Klägerin, die sich im einstweiligen Ruhestand befinde, sei im Streitjahr mit laufenden, zeitintensiven Tätigkeiten, die üblicherweise von Lehrern im Arbeitszimmer verrichtet werden, nicht befasst gewesen. Auch der Hinweis, dass das Arbeitszimmer für die berufliche Weiterbildung genutzt werde, sei nicht geeignet, die ausschließliche oder nahezu ausschließlich berufliche Nutzung des Arbeitszimmers nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Bei einer nur geringen beruflichen Nutzung falle auch eine daneben bestehende geringe private Nutzung in einem Maß ins Gewicht, dass eine private Nutzung nicht mehr als untergeordnet angesehen werden könne und somit der Abzug der Aufwendungen ausgeschlossen sei.

    Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch den zum Berichterstatter bestellten Richter anstelle des Senats und mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, §§ 79a Abs. 3 und 4, 90 Abs. 2 FGO.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Das Finanzamt hat zu Recht die Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt. Die Anerkennung der strittigen Aufwendungen, die allenfalls im Rahmen von vorweggenommenen Werbungskosten Berücksichtigung finden könnten, scheitert letztlich daran, dass im Streitjahr die Grundvoraussetzungen für die Anerkennung als häusliches Arbeitszimmer, konkret die ausschließlich berufliche Nutzung durch die Klägerin, nicht vorgelegen haben.

    Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Damit können grundsätzlich auch Aufwendungen für einen beruflich genutzten Raum Werbungskosten sein. Gehört der Raum zur Wohnung eines Steuerpflichtigen und wird er ausschließlich oder nahezu ausschließlich zu beruflichen Zwecken genutzt, so liegt nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 07.12.1988 X R 15/87, BStBl. II 1989, 421) ein häusliches Arbeitszimmer vor. Nach der mit dem Jahressteuergesetz 1996 (Bundesgesetzblatt 1, Seite 1250) eingeführten Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG, der gem. § 9 Abs. 5 EStG auch für den Bereich der Werbungskosten Anwendung findet, unterliegen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ab 01.01.1996 einem Abzugsverbot. Ein -ggf. auf 2.400 DM begrenzter- Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist demnach nur noch unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG möglich. D.h. nur dann, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet oder zumindest die betriebliche oder berufliche Nutzung mehr als 50 v. H. der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit umfasst oder für die betriebliche und berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist ein Abzug der Aufwendungen dem Grunde nach möglich.

    Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die strittigen Raumkosten in keinem sachlichen Zusammenhang mit den erzielten Ruhestandsbezügen stehen, sie dienen insbesondere nicht deren Erwerb, Sicherung und Erhaltung. Die Klägerin bezieht seit 01.09.1996 Ruhestandsbezüge. Diese Versorgungsbezüge sind nachträgliches Entgelt für die vor der Versetzung in den Ruhestand geleisteten Dienste. Nach Versetzung in den Ruhestand ausgeübte Tätigkeiten, sei es Weiterbildung, sei es Wissensauffrischung, sind regelmäßig nicht auf die Erzielung von Einnahmen, wie Ruhestandsbezügen, gerichtet.

    Für die Klägerin kommt auch für den Fall der von ihr hypothetisch in den Raum gestellten Wiedererlangung der Dienstfähigkeit und Reaktivierung eine Berücksichtigung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer als vorweggenommene Werbungskosten nicht in Betracht.

    Zwar können auch vor dem Bezug von Einnahmen aus einem aktiven Lehramtsverhältnis entstandene Werbungskosten als sog. vorweggenommene Werbungskosten abziehbar sein (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 18.04.1996 VI R 75/97, BStBl. II 1996, 529). Jedoch unterliegen vorweggenommene Werbungskosten denselben Abziehbeschränkungen, die für „laufende” Werbungskosten zu beachten sind.

    Das bedeutet, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer - auch für die Dauer der Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit - grundsätzlich dem Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 1 EStG unterliegen.

    So stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die in § 4 Abs. 5 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG normierten Ausnahmen vom Abzugsverbot der Aufwendungen für häusliche Arbeitszimmer, § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 1 EStG, nicht voraussetzen, dass ein aktives Beschäftigungsverhältnis besteht, weil nur dann die Ausnahmevoraussetzungen geprüft werden können. Das Gericht kann diese Frage aber letztlich offen lassen.

    Auch wenn man die weiter gehende Auffassung teilt, dass zur Beurteilung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als vorweggenommene Werbungskosten die berufliche Tätigkeit maßgebend ist, die vom Steuerpflichtigen dauerhaft ausgeübt bzw. angestrebt wird, führt dies im vorliegenden Fall nicht zu einer anderen Beurteilung, weil die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass konkret mit einer Reaktivierung zu rechnen ist bzw. dieser Fall nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten eintreten wird und darüber hinaus aufgrund der Feststellungen des Finanzamts wegen der nicht nur untergeordneten privaten Mitbenutzung des Arbeitszimmers während des Ruhestands die Grundvoraussetzungen für die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen nicht vorliegen.

    Im konkreten Fall setzt die Anerkennung von vorweggenommenen Werbungskosten voraus, dass die Klägerin überhaupt mit einer Reaktivierung rechnen musste. Hierzu hat sie keinerlei Sachvortrag gemacht. Auch aus den Akten ergeben sich hierzu keine Anhaltspunkte, die gegebenenfalls eine Prognose nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten ermöglichen würde. Dass die Reaktivierung rechtlich möglich wäre, wenn die Dienstfähigkeit wiederhergestellt sein würde, genügt hierfür nicht. Angesichts der Zwangspensionierung der Klägerin im Jahr 1996 bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass der Dienstherr überhaupt eine Reaktivierung anstrebt.

    Auch für den Fall, dass eine Reaktivierung absehbar wäre, bzw. nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten in Betracht käme, wird die angestrebte berufliche Tätigkeit der Klägerin als Lehrerin nicht durch die berufliche Weiterbildung ersetzt. Die berufliche Tätigkeit der Klägerin, die sie im Falle der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit anstrebt, ist die Arbeit als Lehrerin, die sie seit Oktober 1996 nicht mehr ausgeübt hat.

    Unstreitig erfüllt ein Lehrer die Ausnahmeregelung in § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 2 EStG, als für seine berufliche Tätigkeit von seinem Arbeitgeber kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird. Ein Lehrer hat für seine Unterrichtsvorbereitung in der Schule keinen Schreibtisch. Das jeweilige Klassenzimmer oder das Lehrerzimmer stellt keinen Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung dar (so bereits Ziffer VI des BMF Schreibens vom 16.06.1998 - IV B 2 - S-2145 .59/98, BStBl I S. 863 und auch BFH-Urteil vom 21.11.1997 VI R 4/97, BStBl. II 1998, 351).

    Im konkreten Fall scheitert die Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen aber bereits an den Grundvoraussetzungen. Das Arbeitszimmer wurde von der Klägerin im Streitjahr nicht nur geringfügig privat mitbenutzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht auf die Ausführungen des Finanzamts in Ziffer II der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2001 bezug, die es für zutreffend hält, § 105 abs. 5 FGO.

    Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 13.06.1996 VI R 89/95, BFH/NV 1997, 98) können die strittigen Aufwendungen für die Zeit des Ruhestands wegen Dienstunfähigkeit auch nicht in beschränktem Umfang als Sonderausgaben i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1, 2. Alternative EStG berücksichtigt werden. Zudem ist auch im Rahmen dieser Vorschrift ab dem Veranlagungszeitraum 1997 das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 1 EStG zu beachten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 5 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997).

    Danach hat die Klage keinen Erfolg.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b, EStG § 9 Abs. 5