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  • · Nachricht · § 4 UStG i.V.m. der MwStSystRL

    Verbrauchsabhängige Betriebskosten zählen zu steuerpflichtigen Vermietungsumsätzen

    | Nach Angaben des Deutschen Mieterbundes e.V. zahlen Mieter in Deutschland im Durchschnitt 2,20 EUR/m 2 im Monat für Betriebskosten, maßgeblich verursacht durch Heiz- und Warmwasserkosten. Die sog zweite Miete wird damit - vor allem aufgrund steigender Energiepreise - zu einem immer größeren Kostenfaktor. Zudem ist die Nebenkostenabrechnung bekanntlich einer der häufigsten Streitpunkte zwischen Vermieter und Mieter. Da ist es von Vorteil, dass in diesem Bereich wenigstens die Umsatzsteuer bislang weitgehend außen vor geblieben ist. Nach der geltenden Rechtslage werden die über die Betriebskostenumlage abgerechneten Leistungen regelmäßig als unselbstständige Nebenleistungen zum steuerfreien Vermietungsumsatz von der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG mit umfasst. Nun dürfte hier allerdings das aktuelle EuGH-Urteil vom 16.4.2015 (C-42/14 ) Änderungen bringen und zumindest bei verbrauchsabhängig abgerechneten Betriebskosten grundsätzlich zu steuerpflichtigen Leistungen des Vermieters an den Mieter führen. |

     

    Sachverhalt

    Klägerin war eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die Staatsimmobilien vermietete. Im Rahmen dieser Tätigkeit verkaufte sie Nebenleistungen (Strom, Wärme und Wasser) weiter, indem sie den Mietern die Kosten weitergab, die sie für den Erwerb dieser Leistungen bei dritten Lieferanten zu tragen hatte. Für die Versorgungsleistungen stellte die Klägerin den Mietern Vorauszahlungen in Rechnung, deren Betrag im Mietvertrag festgelegt war, wobei sie den für jede dieser Versorgungsleistungen geltenden Steuersatz anwandte. Sobald das Abrechnungsjahr abgelaufen war, nahm sie eine Abrechnung der Konten in Abhängigkeit des tatsächlichen Verbrauchs des Mieters an Elektrizität, Wärme und Wasser vor.

     

    Für das polnische Vorlagegericht stellte sich die Frage, wie die Refakturierung (Überwälzung auf die Mieter) nach der MwStSystRL zu behandeln ist, wenn sie rein faktisch lediglich zu einer Kostenerstattung zugunsten des Vermieters führt. Für den Fall, dass es sich um Leistungen des Vermieters an den Mieter handelt, wollte das Gericht weiter wissen, ob es sich um unselbstständige Nebenleistungen zur Gebäudevermietung handelt oder ob getrennt zu beurteilende Leistungen vorliegen.

     

    Entscheidung

    Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass die im Rahmen der Vermietung einer Immobilie von Dritten erbrachten Lieferungen von Elektrizität, Wärme und Wasser sowie die Abfallentsorgung zugunsten der Mieter als vom Vermieter erbracht anzusehen sind, wenn dieser die Verträge für die Lieferung dieser Leistungen abgeschlossen hat und lediglich deren Kosten an die Mieter weitergibt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass jedenfalls dann von der Vermietungsleistung zu trennende eigenständige (Haupt-) Leistungen vorliegen, wenn die entsprechenden Verträge über die „Zusatzleistungen“ mit den Dritten nicht vom Vermieter, sondern von den Mietern selbst abgeschlossen wurden.

     

    Zu dem Begriff der einheitlichen Leistung bei der Vermietung von Grundstücken und damit zusammenhängender Dienstleistungen hatte sich der EuGH bereits im Urteil vom 27.9.12 geäußert (Rs. C-392/11, Field Fisher Warehouse, HFR 12, 1210). Darin hatte er über die umsatzsteuerliche Behandlung von Nebenkosten eines Raummietvertrags nicht abschließend geurteilt, sondern darauf verwiesen, dass es für die Bestimmung des Umfangs einer Leistung aus mehrwertsteuerlicher Sicht keine Regel mit absoluter Geltung gibt und daher stets die Gesamtumstände zu berücksichtigen seien.

     

    Über diese Grundsätze hinaus hat er im vorliegenden Verfahren neue Kriterien zum Begriff der Einheitlichkeit der Leistung bei der Vermietung von Grundstücken aufgestellt:

     

    • Zum einen können Preisbildungs- und Rechnungsmodalitäten eine Rolle spielen (Frage: Wurde das Entgelt vorrangig für die Überlassung der Räume und/oder auch für die Nebenleistungen vereinbart?).

     

    • Bei einem „Wahlrecht“ des Mieters hinsichtlich der Lieferanten und/oder der Nutzungsmodalitäten der Liefergegenstände oder Dienstleistungen soll grundsätzlich von getrennten Leistungen auszugehen sein.

     

    • Demgegenüber soll eine einheitliche Leistung vorliegen, wenn das vermietete Gebäude in wirtschaftlicher Hinsicht mit den begleitenden Leistungen eine objektive Gesamtheit bildet, was z.B. bei einsatzbereiten Büroräumen oder bei kurzfristigen Vermietungen der Fall sein kann (sog. „All-inclusive-Vermietungen“).

     

    PRAXISHINWEISE |  

    • 1. Hinsichtlich der Lieferung von Wasser, Strom und Wärme ist zum einen von eigenständigen Hauptleistungen auszugehen, wenn es dem Mieter möglich ist, den Lieferanten frei zu wählen. Zum anderen stellen diese Versorgungsleistungen dann eigenständige Lieferungen dar, wenn der Mieter die Nutzungsmodalitäten (mit)bestimmen kann. Hiervon ist nach der Entscheidung des EuGH auszugehen, wenn die entsprechenden Leistungsbezüge verbrauchsabhängig mit individuellen Zählern abgerechnet werden und der Mieter somit durch sein Nutzungsverhalten zumindest über die Verbrauchsmenge beim Bezug von Wasser, Strom und Wärme selbst entscheiden kann.

     

    • 2. Vermieter müssen nun prüfen, ob sie im Zusammenhang mit der Vermietung steuerpflichtige Umsätze erbringen und mit diesen noch unter die Kleinunternehmerregelung fallen bzw. inwieweit sie nunmehr zur Abgabe von Voranmeldungen verpflichtet sind. Der Nebenkostenabrechnung kommt, wenn darin über steuerpflichtige Leistungen abgerechnet wird, die Eigenschaft einer Rechnung i.S.d. § 14 UStG zu. Sie muss die hierfür geltenden Pflichtangaben beinhalten. Ebenso gilt zu beachten, dass falsche Nebenkostenabrechnungen die Gefahr eines zu hohen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 UStG bergen. Die in die steuerpflichtigen Leistungen des Vermieters eingehenden Leistungsbezüge sind zu ermitteln und der Vorsteuerabzug entsprechend geltend zu machen. Mieter, die ihre Wohnung teilweise unternehmerisch nutzen, sollten prüfen, ob sie für steuerpflichtige Leistungsbezüge vom Vermieter einen Vorsteuerabzug geltend machen können.
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    • 3. Die Bestimmungen in Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 und 6 UStAE sind mit dem o.g. EuGH-Urteil nicht ohne Weiteres vereinbar. Insgesamt dürfte nach dem vorliegenden Urteil in weitaus weniger Fällen eine einheitliche Leistung anzunehmen sein, als es in Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 UStAE zum Ausdruck kommt. In aller Regel stellen diese Leistungen auch keine einheitliche Leistung (zusammen mit der Vermietung) dar, sondern sind grundsätzlich als mehrere unterschiedliche und unabhängige Leistungen anzusehen, die unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten getrennt zu beurteilen sind.
     

    Fundstelle

    • EuGH 16.4.15, Rs. C-42/14, Wojskowa Agencja Mieszkaniowa, DStR 15, 888, astw.iww.de, Abruf-Nr. 144863
    Quelle: ID 43501474