· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Coronavirus, Grippe & Co. ‒ wann muss der Arbeitgeber zahlen?
| Die Viren ‒ insbesondere das Coronavirus ‒ sind in aller Munde. Die Auswirkungen der Viren machen, unabhängig, ob tatsächlich eine Infektion ausgebrochen ist oder nur ein entsprechender Verdacht besteht, vor der Arbeitswelt nicht Halt. Welche arbeitsentgeltlichen Folgen entstehen können, haben wir für Sie zusammengefasst. |
Arbeitnehmer ist möglicherweise infiziert
Unabhängig von der Frage, ob aktuell die Gefahr einer Epidemie mit dem Coronavirus oder sonstigen Viren (z. B. Grippeviren) gegeben ist und sich der Arbeitnehmer tatsächlich infiziert hat und damit arbeitsunfähig ist, gilt, dass solche Arbeitnehmer (nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG) für die Dauer von bis zu 6 Wochen Anspruch auf Fortzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts gegen den Arbeitgeber haben. Voraussetzung dieses Anspruchs ist nämlich in erster Linie, dass eine „unverschuldete Krankheit“ vorliegt, die die alleinige Ursache für den Ausfall des Arbeitnehmers bildet.
Als Krankheit in diesem Sinne definiert das BAG jeden regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand, unabhängig davon, auf welcher Ursache dieser beruht (BAG 7.12.05, 5 AZR 228/05). Dies bedeutet, dass ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsunfähigkeit durch ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung festgestellt ist, für 6 Wochen seinen Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber nicht verliert. Egal, ob diese Erkrankung nun auf dem Corona- oder einem sonstigen Virus beruht oder nicht.
In einem solchen Fall gelten für den Arbeitnehmer wie bei jeder Krankheit weiterhin die gesetzlichen (oder individualvertraglich modifizierten) Anzeige- und Nachweispflichten (nach § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 EFZG).
Danach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen, also möglichst schon vor Arbeits- oder Schichtbeginn. Bei länger als drei Werktage dauernder Arbeitsunfähigkeit muss dem Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorgelegt werden.
Anders sieht die Rechtslage hingegen aus, wenn der oder die Arbeitnehmer von der Anordnung einer Quarantäne i. S. d. § 30 IfSG betroffen sind. Dieser lautet:
|
…
… |
Quarantäne-Anordnung ist keine Krankheit
In einem solchen Fall richtet sich ‒ zumindest was die nicht infizierten Arbeitnehmer, die von der Quarantäne betroffen sind, angeht ‒ die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber nicht nach den Normen des EFZG, weil die gesundheitsbehördliche Anordnung einer Quarantäne per se keine Krankheit nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG darstellt und dieser auch nicht gleichzusetzen ist.
Vielmehr hilft den betroffenen Arbeitnehmern hier die Regelung des § 616 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 30 IfSG weiter. Danach verliert der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber nicht dadurch, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert wird. Eine solche Verhinderung und damit ein Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber ist bei einem Tätigkeitsverbot aufgrund behördlicher Maßnahmen nach dem IfSG gegeben (grundlegend: BGH 30.11.78, III ZR 43/77).
Können auch Freiberufler und Selbstständige Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls haben?
Bei Quarantänemaßnahmen oder Infektionen, die Selbstständige als Ansteckungs- oder Krankheitsverdächtige oder Träger von Krankheitserregern betreffen, richten sich etwaige Erstattungsansprüche auf Verdienstausfall schon begrifflich nicht nach dem EFZG. Diesem Personenkreis fehlt die Arbeitnehmereigenschaft. Zudem ist kein Arbeitgeber als Anspruchsgegner vorhanden. In einem engen Anwendungsbereich kann aber diesen Betroffenen § 56 IfSG weiterhelfen.
Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist aber dem Grunde nach, dass der oder die Selbstständige von der Anordnung eines gesundheitsbehördlichen Beschäftigungsverbots (z. B. wegen Verdachts auf Infektion mit dem Coronavirus) zunächst betroffen ist und innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Anordnung des Beschäftigungsverbots einen Antrag auf Entschädigung bei der anordnenden Gesundheitsbehörde stellt.
|
|
|
Der Betrieb schließt seine Pforten ‒ was nun?
Stellt der Betrieb des Arbeitgebers die Tätigkeit ein, sind folgende Fallkonstellationen in Hinblick auf den Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers zu unterscheiden:
- Schließt der Arbeitgeber den Betrieb aus eigenem Antrieb, beispielsweise um seine Belegschaft zu schützen, so trägt er nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre das Vergütungsrisiko. Dies gilt (nach dem Rechtsgedanken des § 615 S. 3 BGB entnommenen Grundsätzen) auch dann, wenn die Störung ‒ wie im Fall des Coronavirus ‒ nicht aus einer vom Arbeitgeber beeinflussbaren Gefahrensphäre stammt (vgl. BAG 9.7.08, 5 AZR 810/07).
- Anders sieht es aus, wenn die zuständige Gesundheitsbehörde und nicht der Arbeitgeber selbst die Schließung des Betriebs anordnet. In solchen Fällen verbleibt es bei der gesetzlichen Risikoverteilung (nach den §§ 275, 326 Abs. 1 BGB), sodass der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung zwar frei wird, aber auch seinen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber verliert. Hier hilft dem Arbeitnehmer unter Umständen aber, wie bereits aufgezeigt, § 616 S. 1 BGB in Verbindung mit den Maßnahmen auf der Grundlage des IfSG weiter.
Ordnet ein Arbeitgeber für seinen Betrieb z. B. an, dass bestimmte Arbeitnehmer, die aus einer von einer aktuellen Epidemie besonders betroffenen Region kommen, dem Betrieb generell fernzubleiben haben, tut er dies (was die Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung angeht, nach den dargestellten Grundsätzen der Betriebsrisikolehre) auf eigene Kosten. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber das Betriebs- oder Unternehmerrisiko zu tragen hat. Sollte einer der von einer solchen Anordnung betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt und infolge dieser Erkrankung arbeitsunfähig sein, steht ihm selbstverständlich ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG gegen den Arbeitgeber nach den bereits aufgezeigten Prämissen zu. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Erkrankung auf dem Virus, das die Aufregung verursacht hat, beruht oder nicht.
Das Kind wird krank oder ist infiziert
Bei einer Erkrankung des eigenen Kindes ‒ im Fall einer Virusinfektion gelten hier keine Besonderheiten ‒ haben Arbeitnehmer (nach § 45 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 SGB V) einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung. Dieser Anspruch kann nicht arbeitsvertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Hierbei beträgt (nach § 45 Abs. 2 S. 1 SGB V) die Anspruchsdauer je Kind bis zu 10 Arbeitstage im Kalenderjahr und erhöht sich für Alleinerziehende auf bis zu 20 Arbeitstage. Dieser Anspruch ist aber (nach § 45 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 SGB V) ausgeschlossen, wenn eine andere im Haushalt lebende Person das Kind beaufsichtigen kann.
Noch nicht geklärt ist damit die Vergütungsfrage dieser Freistellungszeiten. Hier greift ebenfalls die Regelung des § 616 Abs. 1 BGB ein, sodass nach überwiegend vertretener Auffassung für fünf Arbeitstage ein Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Pflege des erkrankten Kindes nach den oben dargestellten Grundsätzen besteht und nach diesem Zeitraum gegebenenfalls die Krankenkasse Krankengeld zu gewähren hat.
Was ist, wenn die Kita schließt?
Auch wenn die Kindertagesstätte bei einer Epidemiewarnung schließt und eine anderweitige Betreuung des Kindes im Einzelfall nicht möglich ist, kann unter Umständen für einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum (Richtschnur: 5 Arbeitstage) ein Anspruch gegen den Arbeitgeber (aus § 616 Abs. 1 BGB) bestehen. Im eigenen Interesse ist hier aber dem Arbeitnehmer anzuraten, so frühzeitig wie möglich das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen, um eine einverständliche, für beide Seiten angemessene Regelung herbeizuführen.
Die Situation bei Warnungen aufgrund von Virusepidemien ist generell für Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einfach.
Für den Arbeitnehmer bleibt festzuhalten, dass er weder bei vom Arbeitgeber noch bei von den zuständigen Gesundheitsbehörden angeordneten Betriebsschließungen um seinen Entgeltanspruch bangen muss.
Anders sieht die Situation nur aus, wenn er sich selbst entschließt, beispielsweise aus Sorge um die eigene Gesundheit, ohne entsprechende Anordnungen der Behörde oder des Arbeitgebers der Arbeit fernzubleiben. Ohne einverständlichen Einsatz von Erholungsurlaub tut er dies dann auf eigenes Risiko.