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  • · Fachbeitrag · Bewertung/Erbschaftsteuer

    Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Einschränkungen bei der Einheitsbewertung von Grundstücken

    | Bei der Bewertung eines Grundstücks ist die übliche Miete für Flächen anzusetzen, die tatsächlich für Wohnzwecke genutzt werden können. Der BFH musste nunmehr darüber entscheiden, ob hierbei maßgebend ist, ob diese Flächen bauordnungsrechtlich allen Anforderungen an Wohn- oder Aufenthaltsräume genügen. Entscheidend war, in welchem Umfang bei der Bewertung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks ein zu Wohnzwecken ausgebauter Dachboden zu berücksichtigen ist, der den Vorschriften des Bauordnungsrechts nicht vollständig entspricht. |

     

    Sachverhalt

    Auf dem Grundstück der Kläger in X war im Jahr 1956 eine Doppelhaushälfte (Einfamilienhaus) errichtet worden. Das Grundstück stand zunächst im Eigentum des Bundes. Mit Einheitswertbescheid aus 1970 wurde für das Grundstück zum 1.1.1964 erklärungsgemäß ein Grundstückswert von 22.300 DM festgestellt. Dem Wert lagen eine geschätzte Jahresrohmiete von 2.344 DM und ein ‒ rechnerischer ‒ Mietansatz von monatlich 2,22 DM/qm bei einer Wohnfläche von 88 qm zugrunde. Nach den Feststellungen des FG in erster Instanz wies der Mietspiegel für die Wertverhältnisse zum 1.1.1964 für Einfamilienhäuser (einschließlich Doppelhäuser) mit einer Nutzfläche von 60 qm bis 200 qm des Baujahrs 1956 bei mittlerer baulicher Ausstattung einen Mietansatz von 2,55 DM/qm aus. Nach Wegfall der Steuerermäßigung für das in X gelegene Grundstück schrieb das FA durch Bescheid vom 4.2.1994 den Einheitswert auf den 1.1.1994 mit 27.800 DM fort. Im Juni 2009 erwarben die Kläger das Grundstück. Das FA erließ im Jahre 2009 einen Bescheid über den Einheitswert auf den 1.1.2010 (mit unverändertem Wert) und wies die Kläger als Eigentümer zu je ½ aus.

     

    Die Kläger bauten im zweiten Halbjahr 2009 das Dachgeschoss in zwei Räume aus. Diese waren mit dem 1. OG durch eine Treppe verbunden. Eine lichte Raumhöhe von 2,30 m über die Hälfte der (Netto-)Grundfläche wurde in keinem Raum des Dachgeschosses erreicht. Nach der einschlägigen Bauordnung für X wäre diese lichte Raumhöhe erforderlich gewesen, um die Zimmer bauordnungsrechtlich als Aufenthaltsräume qualifizieren zu können. Der größere Raum im Dachgeschoss wurde als Spiel- und Kinderzimmer, der kleinere Raum als Abstellraum und bei Bedarf behelfsweise zur Übernachtung genutzt. Nach den Feststellungen des FG wies das Gebäude vor dem Ausbau bereits eine „gute“ bauliche Ausstattung auf, welche sich in Bezug auf das Dachgeschoss fortsetzte.

     

    Das FA erließ am 11.12.2013 einen Wertfortschreibungsbescheid auf den 1.1.2010, in dem der Einheitswert auf 31.291 EUR (61.200 DM) erhöht wurde. Bei der Berechnung setzte das FA die übliche Miete ‒ unter Hinweis auf den Mietspiegel ‒ für den Bauteil 01, bestehend aus den vorhandenen Geschossen und dem Keller, mit 3,20 DM/qm für eine Wohnfläche von 85 qm und für den Bauteil 02 (Dachgeschoss) mit 4,90 DM/qm für eine Wohnfläche von 32 qm an.

     

    Der Einheitswert wurde im Einspruchsverfahren mit 24.848 EUR (48.600 DM) festgestellt. Der Einspruch blieb im Übrigen ohne Erfolg.

     

    Im Klageverfahren trugen die Kläger vor, eine Fortschreibung wegen des Wegfalls der Mietbeschränkung habe nur im Wege einer Fehlerbeseitigung mit Wirkung für die Zukunft zum 1.1.2013 erfolgen dürfen. Bauteil 02 müsse wegen Geringfügigkeit mit dem gleichen Mietansatz wie Bauteil 01 angesetzt werden. Einem schriftlichen Vorschlag des Berichterstatters zur Antragstellung haben die Kläger zugestimmt, so dass das FG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, den Wertfortschreibungsbescheid auf den 1.1.2010 dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung der Jahresrohmiete eine monatliche Miete für Bauteil 01 statt von 3,20 DM/qm nur von 2,37 DM/qm und für Bauteil 02 statt von 4,90 DM/qm nur von 3,20 DM/qm zugrunde gelegt wird.

     

    Das FG erkannte zugunsten der Kläger, dass der Wegfall der Mietbeschränkung als fehlerbeseitigende Wertfortschreibung erst zum 1.1.2013 habe erfolgen dürfen. Dagegen sei die erstmalige Bewertung des Bauteils 02 grundsätzlich zutreffend. Nicht gerechtfertigt sei insoweit die Kürzung der zu berücksichtigenden Fläche im Dachgeschoss. Die Klage wurde zum überwiegenden Teil abgewiesen.

     

    Hiergegen richtete sich die Revision der Kläger. Sie bestritten eine „Saldierungsbefugnis“ des FG mit der Begründung, dem Klagebegehren habe im Hinblick auf die Wertfortschreibung wegen der Mietbeschränkung durch eine teilweise Aufhebung der angefochtenen Bescheide stattgegeben werden müssen; eine Berichtigung der im Bescheid enthaltenen Fehler wäre nicht möglich gewesen.

     

    Entscheidung

    Bei der Bewertung eines Grundstücks ist die übliche Miete für Flächen anzusetzen, die tatsächlich für Wohnzwecke genutzt werden können. Nicht entscheidend sei, so der BFH, ob diese Flächen bauordnungsrechtlich allen Anforderungen an Wohn- oder Aufenthaltsräume genügen. Allgemeine Regeln für die Berücksichtigung von bauordnungsrechtswidrigen Aufenthaltsräumen ließen sich nicht aufstellen. Es sei unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob und inwieweit nicht dem Bauordnungsrecht genügende Flächen bei der Ermittlung der üblichen Miete zu berücksichtigen seien. Maßgeblich sei, welche Flächen vom Markt als Wohnflächen akzeptiert werden und somit entscheidend für die Wertermittlung sind. Bei der Schätzung der üblichen Miete komme es darauf an, welchen Einfluss der Ausbau von Zubehörräumen zu Wohnzwecken auf die am Wohnungsmarkt erzielbare Miete hat. Hier spiele auch eine Rolle, dass etwaige öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen von Räumen im Dachgeschoss den Mieter zivilrechtlich nicht zur Minderung der Miete berechtigen, wenn die Nutzbarkeit dieser Räume mangels Einschreitens der zuständigen Behörden nicht eingeschränkt sei, wie auch der BGH entschieden habe (vgl. BGH 16.9.09, VIII ZR 275/08).

     

    Erläuterungen

    Bisher war umstritten, wie die Bewertung von Räumen, die zwar tatsächlich zum Aufenthalt von Menschen geeignet sind, bei denen dieser Aufenthalt aber bauordnungsrechtlich nicht zulässig ist, vorzunehmen ist. Es wurde vertreten, dass Räume, die voll nutzbar sind, bei der Berechnung der Wohnfläche zur Ermittlung der üblichen Miete auch voll berücksichtigt werden sollen (vgl. Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7.8.1967, S 3201-2-V 1, Bew-Kartei NW § 79 BewG C 6). Demgegenüber soll das Mehr an Mietwert durch eine entsprechende Erhöhung des qm-Preises der Wohnfläche zu berücksichtigen sein.

     

    In der Literatur (Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 79 Rz 68) wird ebenfalls die Auffassung vertreten, Räume in Dachgeschossen, die baurechtlich nicht als Aufenthaltsräume anzusehen sind, tatsächlich aber als solche genutzt werden, müssten bei der Schätzung der üblichen Miete noch zusätzlich erfasst werden. Daneben wird vorgeschlagen (vgl. Mannek in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 79 BewG Rz 102.1), diese Räume zwar nicht zur Wohnfläche zu rechnen, die Mietwerterhöhung jedoch z. B. durch einen Zuschlag zur Spiegelmiete zu berücksichtigen.

     

    Nach Ansicht des BFH ist die Entscheidung, nach welcher Methode (Vergrößerung der Wohnfläche, Veränderung des Mietansatzes oder Zuschlag) bauordnungsrechtswidrige Dachausbauten bei der Ermittlung der üblichen Miete zu berücksichtigen sind, grundsätzlich unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. Allgemein gültige Regeln für die Berücksichtigung von bauordnungsrechtswidrigen Aufenthaltsräumen dem Grunde und vor allem der Höhe nach lassen sich danach nicht aufstellen. Letztlich kommt es auf die übliche Miete für sämtliche Flächen an, die tatsächlich für Wohnzwecke genutzt werden können. Nicht entscheidend ist dementsprechend, ob diese Flächen bauordnungsrechtlich allen Anforderungen an Wohn- oder Aufenthaltsräume genügen. Daher dürfte die o. g. Ausgangsfrage nunmehr abschließend geklärt worden sein.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 46346281