Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Nachricht · DSGVO und deren Wirkung auf die Rechtsprechung

    Anonymisierung von EuGH-Entscheidungen

    | Der EuGH anonymisiert seit dem 1.7.2018 Vorabentscheidungssachen, an denen natürliche Personen beteiligt sind. |

     

    Nachdem die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) seit kurzem gilt und demnächst auch die Datenschutzverordnung für die Organe der Europäischen Union in Kraft treten wird, hat der EuGH beschlossen, den Schutz der Daten natürlicher Personen bei Veröffentlichungen zu Vorabent-scheidungssachen zu verbessern.

     

    • Hintergrund

    Bislang veröffentlichte der EuGH ‒ abgesehen von Strafsachen ‒ jede Entscheidung unter Benennung der Kläger und aller entscheidungserheblichen Details zum Sachverhalt. Die Anonymität war also nicht gewahrt; einen dem deutschen Steuergeheimnis entsprechenden Schutz gab es nicht.

     

    Oft wirkte sich für den Kläger eine vermeintlich positive Entscheidung letztlich doch negativ aus, weil sein (geschäftliches) Umfeld durch die Entscheidung u. U. erstmals auf Verfehlungen aufmerksam wurde.

     

    Damit folgt der EuGH einer innerhalb der Mitgliedstaaten beobachteten Tendenz zur Verbesserung des Schutzes personenbezogener Daten im Kontext immer vielfältigerer Such- und Verbreitungsinstrumente.

     

    In der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zeigt sich diese Tendenz im Übrigen in einer wachsenden Anzahl von Urteilen auf diesem Gebiet, die zu Fragen wie

    • dem Recht auf Entfernung von Links aus Ergebnislisten in Suchmaschinen,
    • der Gültigkeit der Entscheidung der Kommission, in der festgestellt wurde, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ein angemessenes Schutzniveau übermittelter personenbezogener Daten gewährleisten würden,

     

    • der Gültigkeit des Abkommens über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Record data ‒ PNR) zwischen der Europäischen Union und Kanada,

     

    • der Verantwortlichkeit der Betreiber von Facebook-Fanpages oder auch

     

    • der Rechtmäßigkeit der Speicherung personenbezogener Daten durch Betreiber von elektronischen Kommunikationsdiensten

     

    ergangen sind.

     

    Damit sowohl der Schutz der Daten von an Vorabentscheidungssachen beteiligten natürlichen Personen als auch die Information der Bürger und die Öffentlichkeit der Justiz gewährleistet werden, hat der Gerichtshof daher für alle ab 1.7.2018 anhängig gemachten Vorabentscheidungssachen entschieden, in allen seinen veröffentlichten Dokumenten

    • den Namen der an der Rechtssache beteiligten natürlichen Personen
    • durch Anfangsbuchstaben

     

    zu ersetzen. Ebenso werden alle ergänzenden Details, anhand derer die Betroffenen identifiziert werden können, weggelassen.

     

    Diese neuen Leitlinien werden für alle Veröffentlichungen im Rahmen der Bearbeitung der Rechtssache von ihrer Einreichung bis zu ihrem Abschluss (Mitteilungen im Amtsblatt, Schlussanträge, Urteile, …) sowie für die Rechtssachenbezeichnung gelten.

     

    PRAXISTIPP | Der neue Schutz gilt nicht für juristische Personen! Insbesondere deutsche GmbHs und AGs müssen also weiterhin damit rechnen, dass durch ein EuGH-Verfahren missliebige Fakten publik werden. Der EuGH behält diesen aber auf ausdrücklichen Antrag einer Partei oder sofern die besonderen Umstände der Rechtssache es rechtfertigen die Möglichkeit einer Ausnahme vor.

     

    Um die Zitierung und die Identifizierung der anonymisierten Rechtssachen zu erleichtern, wird jeder Rechtssache durch den Gerichtshof eine übliche Bezeichnung nach den folgenden Modalitäten zugeteilt:

     

    • Wird die Rechtssache ausschließlich zwischen natürlichen Personen geführt, so wird die Rechtssachenbezeichnung aus 2 Anfangsbuchstaben bestehen, die für den Vor- und Nachnamen der Klägerpartei stehen, jedoch nicht mit dem tatsächlichen Vor- und Nachnamen dieser Partei übereinstimmen.

     

    • Zur Verhinderung der Häufung von Rechtssachen mit den gleichen Anfangsbuchstaben (und da die Zahl der möglichen Buchstabenkombinationen nicht unbegrenzt ist) wird der Gerichtshof diesen beiden Anfangsbuchstaben in Klammern ein Unterscheidungsmerkmal hinzufügen. Dieses zusätzliche Element kann sich auf den Namen einer juristischen Person, die, ohne im Rechtsstreit Partei zu sein, genannt wird oder von der Rechtssache betroffen ist, oder auch auf den Gegenstand oder die Problematik des Rechtsstreits beziehen.

     

    • Zählen in der Rechtssache natürliche und juristische Personen zu den Parteien, so wird die Rechtssache den Namen einer der juristischen Personen als Bezeichnung führen. Handelt es sich jedoch um eine Behörde, die regelmäßig Parteistellung vor dem Gerichtshof hat (z. B. Finanzminister), wird der Rechtssachenbezeichnung ebenfalls ein Unterscheidungsmerkmal beigefügt werden.

     

    Zuletzt ist noch darauf hinzuweisen, dass die oben dargestellten Maßnahmen einen angemessenen Schutz personenbezogener Daten im Rahmen der Veröffentlichungen des EuGH gewährleisten sollen. Sie betreffen weder die Art und Weise der Bearbeitung der Rechtssachen durch den EuGH noch den üblichen Verfahrensablauf und insbesondere nicht die mündlichen Verhandlungen, die weiterhin nach den derzeitigen Modalitäten ablaufen werden.

     

    Fundstelle

    • EuGH, Pressemitteilung 96/18 vom 29.6.18
    Quelle: ID 45417089