· Fachbeitrag · Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG)
EBay & Co. zum „Anschwärzen“ verpflichtet: Jetzt werden Online-Geschäfte für das Finanzamt transparent
von Dipl.-Finw. (FH) Rüdiger Weimann, Dortmund
Am 1.1.2023 ist das Plattformen-Steuertransparenzgesetz ‒ kurz PStTG ‒ in Kraft getreten. Das neue Gesetz verpflichtet die Betreiber von Plattformen wie Amazon, eBay oder Airbnb ihre User (Verkäufer) ab dem Erreichen bestimmter jährlicher Aufgriffsgrenzen der Finanzverwaltung zu melden. Der Gesetzgeber stellt der Verwaltung damit ein probates Mittel zur Verfügung, um ohne großen eigenen Aufwand derartige Einnahmen nachzuvollziehen. |
Hintergrund
Die digitale Plattformökonomie wuchs in den vergangenen Jahren rapide. Infolge dieser Entwicklung nehmen die Einkünfte zu, die Personen und Unternehmen auf digitalen Plattformen erzielen. Die gleichmäßige und gesetzmäßige Besteuerung dieser Einkünfte stellt eine Herausforderung für die Finanzbehörden dar, da die Möglichkeiten der Finanzbehörden zur Ermittlung der steuerlichen Grundlagen an ihre Grenzen stoßen.
Vor allem von Plattformbetreibern, die aus dem Ausland operieren, können Informationen zum Zweck der gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung nicht zuverlässig erlangt werden. Dies ist besonders deshalb problematisch, weil die digitalen Geschäftsmodelle es den Betreibern solcher Plattformen erlauben, ihre Dienste mit geringem Aufwand grenzüberschreitend anzubieten.
In den zurückliegenden Jahren wurden diverse Möglichkeiten zur Zusammenarbeit der Steuerbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschaffen, vor allem durch neue Formen des steuerlichen Informationsaustausches. Durch die zwischenstaatliche Verwaltungszusammenarbeit werden die Steuerbehörden bei ihren Anstrengungen zur Unterbindung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung unterstützt. Die Bewertung der Verwaltungszusammenarbeit hat jedoch Ineffizienzen und andere Schwachstellen aufgezeigt.
In Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie wird daher u. a. eine Pflicht für Betreiber digitaler Plattformen eingeführt, den Finanzbehörden Informationen über Einkünfte zu melden, die von Anbietern auf diesen Plattformen erzielt wurden. Die Meldepflicht wird um einen automatischen Austausch von Informationen zu Anbietern ergänzt, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union steuerlich ansässig sind (BT-Drs. 20/4376 vom 9.11.22).
Wer muss melden (§§ 3, 13 PStTG)?
Die Meldepflicht besteht für alle Plattformbetreiber. Die bekanntesten Anbieter dürften derzeit sein:
Übersicht / | ||
|
|
|
Wer wird gemeldet (§ 4 PStTG)?
Gemeldet werden Anbieter, die auf den Plattformen
- relevante Tätigkeiten ausführen und
- mit diesen Tätigkeiten die gesetzlich definierten Aufgriffsgrenzen überschreiten.
Relevante Tätigkeiten und Vergütungen (§ 5 PStTG)
Eine relevante Tätigkeit ist jede der folgenden Tätigkeiten, wenn sie gegen eine Vergütung erbracht wird (§ 5 Abs. 1 PStTG):
Übersicht / | |
Tätigkeit | Beispiel |
| Vermietung eines Ferienhauses über Airbnb |
| Facility-Leistungen, Güter- und Personenbeförderungen, Handwerkerarbeiten, Influencer |
| Selbst hergestellte Lebensmittel oder Kunstgegenstände, antiquarische Bücher, gebrauchte Kleidung, Möbel oder Kfz |
| Vermietung von Fahrzeuganhängern oder Wohnwagen |
Beachten Sie | Eine relevante Tätigkeit ist nicht die Tätigkeit eines Anbieters, der als nichtselbstständig Beschäftigter des Plattformbetreibers oder eines mit dem Plattformbetreiber verbundenen Rechtsträgers handelt.
Vergütung ist jegliche Form von Entgelt, die einem Anbieter im Zusammenhang mit einer relevanten Tätigkeit gezahlt oder gutgeschrieben wird, abzüglich aller vom Plattformbetreiber einbehaltenen oder erhobenen Gebühren, Provisionen oder Steuern (§ 5 Abs. 2 PStTG).
Aufgriffsgrenzen (§ 4 Abs. 4 Nr. 4 PStTG)
Freigestellte Anbieter muss der Plattformbetreiber nicht melden. Freigestellt ist u. a. jeder Anbieter, der im Kalenderjahr (§ 6 Abs. 6 PStTG) unter Inanspruchnahme derselben Plattform
- in weniger als 30 Fällen relevante Tätigkeiten erbracht und
- dadurch insgesamt weniger als 2.000 EUR als Vergütung gezahlt oder gutgeschrieben bekommen hat.
Beide Tatbestandsvoraussetzungen sind kumulativ („und“); nur wenn beide Grenzen nicht überschritten sind, wird der Verkäufer nicht gemeldet.
PRAXISTIPP | Die zweite Aufgriffsgrenze stellt auf die Vergütung ab ‒ also auf die Entgelte und nicht auf etwaige Überschüsse. Mit dem Verkauf nur eines Gebrauchtfahrzeugs wird die Grenze daher in der Regel bereits überschritten sein. |
Was wird gemeldet (§ 14 Abs. 2 PStTG)?
Die Plattformbetreiber haben für jeden meldepflichtigen Anbieter, der eine natürliche Person ist, im Wesentlichen die folgenden Informationen zu melden:
- Vor- und Nachnamen
- Anschrift des Wohnsitzes
- Steueridentifikationsnummer und den jeweiligen Mitgliedstaat der Europäischen Union, der sie erteilt hat, oder, sofern keine Steueridentifikationsnummer vorhanden ist, den Geburtsort
- sofern vorhanden, die Identifikationsnummer für Umsatzsteuerzwecke
- Geburtsdatum
- sofern vorhanden, die Kennung des Finanzkontos (also die IBAN)
- jegliche Gebühren, Provisionen oder Steuern, die in jedem Quartal des Meldezeitraums von dem Plattformbetreiber einbehalten oder berechnet wurden
- die in jedem Quartal des Meldezeitraums insgesamt gezahlte oder gutgeschriebene Vergütung
- sowie die Zahl der relevanten Tätigkeiten, für die in jedem Quartal des Meldezeitraums eine Vergütung gezahlt oder gutgeschrieben wurde
Besondere Meldepflichten entstehen bei Rechtsträgern (§ 14 Abs. 3 i. V. m. § 6 Abs. 1 PStTG) und der Überlassung von Immobilien (§ 14 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PStTG).
Wer erhält die Informationen (§ 9 PStTG)?
Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) nimmt zunächst die Informationen entgegen, die ihm von meldenden Plattformbetreibern übermittelt werden, und speichert diese Informationen.
Das BZSt übermittelt entgegengenommene Informationen sodann zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Besteuerung weiter an:
- die zuständigen (deutschen) Landesfinanzbehörden (Finanzämter) und
- ggf. die zuständigen (Finanz-)Behörden anderer EU-Mitgliedstaaten.
Welche Folgen ergeben sich für den Verkäufer?
Die Finanzbehörden prüfen, ob die Transaktionen bzw. die Verkaufserlöse vom Anbieter steuerlich erklärt wurden. Dabei werden sie sich im Hinblick auf ein mögliches Mehrergebnis auf die „großen Fälle“ konzentrieren.
Gelegentliche Verkäufe
Nur gelegentliche Verkäufe von gebrauchten Gegenständen waren bislang und werden auch weiterhin steuerlich ohne Bedeutung sein. Der Mandant muss daher nichts befürchten, wenn er sich von Spielzeug, Kleidung oder Möbelstücken trennen möchte.
PRAXISTIPP | Dennoch sollte dem Mandanten empfohlen werden, etwaige Verkäufe festzuhalten und Ein- oder Verkaufsbelege aufzubewahren. |
Spekulationsgeschäfte
Unter den Voraussetzungen des § 23 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte unverändert steuerpflichtig. Die Geschäfte bleiben auch weiterhin steuerfrei, wenn der aus den privaten Veräußerungsgeschäften erzielte Gesamtgewinn ‒ also aus allen privaten Veräußerungsgeschäften zusammen ‒ im Kalenderjahr weniger als 600 EUR betragen hat.
Beachten Sie | Hierbei handelt es sich um eine Freigrenze:
- Gewinne bleiben steuerfrei, wenn sie weniger als 600 EUR betragen.
- Wird der Betrag von 600 EUR erreicht oder überschritten, ist er in vollem Umfang steuerpflichtig, also nicht nur mit dem 600 EUR übersteigenden Teil.
- Bei einer Zusammenveranlagung steht die Freigrenze jedem der beiden Ehegatten zu ‒ entsprechende Gewinne vorausgesetzt. Die nicht ausgeschöpfte Freigrenze eines Ehegatten lässt sich allerdings nicht auf den anderen Ehegatten übertragen.
Gewerbliche Tätigkeit
Nicht auszuschließen ist natürlich, dass durch das neue Meldeverfahren eine gewerbliche Tätigkeit des Mandanten aufgedeckt wird. Materiellrechtlich gelten die hinlänglich bekannten ‒ und gefürchteten ‒ Abgrenzungskriterien. Entscheidend ist jeweils das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall. Maßgebend ist kein einzelnes Charakteristikum; es ist vielmehr erforderlich, die für oder gegen die Gewerblichkeit sprechenden Merkmale gegeneinander abzuwägen.
Aufgrund der u. U. gravierenden Auswirkungen von Fehleinschätzungen ist es zu empfehlen, die eigene Einschätzung durch eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung (§ 89 AO) abzusichern. Da die Betätigungen in der Regel mit zeitlichem Vorlauf geplant und langfristig angelegt sind, sollte insoweit der Zeitfaktor (Bearbeitungsdauer des Finanzamts) keine Rolle spielen.
|
In folgenden Fällen hat die Rechtsprechung auf Gewerblichkeit erkannt:
Der Mandant … … hat ererbte Gegenstände in zahlreichen Einzelgeschäften veräußert; … kauft Dinge in der Absicht ein, diese weiterzuverkaufen; … treibt Handel nur gelegentlich, aber mit sehr werthaltigen Gegenständen; … produziert in Verkaufsabsicht. |
Praxistipp | Ein aktuelles BMF-Schreiben unterstützt bei der sachgerechten Umsetzung des PStTG und adressiert praxisrelevante Themen (BMF, Schreiben [koordinierter Ländererlass] IV B 6 - S-1316/21/10019 :025 vom 2.2.23).
Fundstelle
- Gesetz über die Meldepflicht und den automatischen Austausch von Informationen meldender Plattformbetreiber in Steuersachen (Plattformen-Steuertransparenzgesetz ‒ PStTG), www.iww.de/s7514
- BT-Drs. 20/4376 vom 9.11.22, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.21 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts, www.iww.de/s7513
- BMF 2.2.23, IV B 6 - S 1316/21/10019 :025, iww.de/astw, Abruf-Nr. 233628