· Fachbeitrag · Verzinsung von Steuernachzahlungen
Teure Nachzahlungszinsen lassen sich durch freiwillige Leistungen vermeiden
| Wer aufgrund der späten Abgabe einer Steuererklärung neben Steuernachzahlungen auch Nachzahlungszinsen an das Finanzamt fürchtet, kann freiwillige Steuerzahlungen leisten. Dasselbe gilt, wenn eine Betriebsprüfung wegen Corona unterbrochen wird, die Steuernachzahlungen für ein Prüfungsjahr aber bereits heute schon feststehen. Auch hier kann eine freiwillige Sonderzahlung helfen, die lästigen und immer noch zu hohen Nachzahlungszinsen zu vermeiden. |
Grundsätze zu Nachzahlungszinsen nach § 233a AO
Bei Steuernachzahlungen beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO). Die Zinsen betragen derzeit 0,5 % pro Monat. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen. Angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO).
Werden freiwillige Steuerzahlungen geleistet, um Nachzahlungszinsen zu vermeiden bzw. zu reduzieren, werden im Steuerbescheid im Rahmen der Zinsfestsetzung zunächst die Nachzahlungszinsen nach § 233a AO in voller Höhe berechnet und festgesetzt. Erst in einem zweiten Schritt prüft das Finanzamt auf Antrag aufgrund der freiwilligen Steuerzahlungen den Erlass der Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO.
Freiwillige Sonderzahlungen: Kein Ermessensspielraum bei Erlass
Festgesetzte Nachzahlungszinsen sind aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 227 AO zu erlassen, soweit der Steuerpflichtige bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Zahlungen auf die sich aus der Steuerfestsetzung ergebende Steuernachforderung erbracht hat. Voraussetzung ist dabei, dass das Finanzamt diese Leistungen angenommen und behalten hat.
Verweigert ein Sachbearbeiter im Finanzamt den Erlass von Nachzahlungszinsen bei freiwilligen Steuerzahlungen aus sachlichen Billigkeitsgründen, weisen Sie ihn dezent darauf hin, dass diese Möglichkeit zur Vermeidung bzw. zur Reduzierung von Nachzahlungszinsen sehr wohl zulässig ist (Tz. 70.1.1 AEAO zu § 233a AO). Noch wichtiger: Durch diese Verwaltungsanweisung ist die Ermessensausübung, ob ein Erlass der Nachzahlungszinsen auszusprechen ist, auf Null reduziert, sodass dem Grunde nach ein Erlass vorgenommen werden muss.
Höhe der zu erlassenden Nachzahlungszinsen
Nachzahlungszinsen sind nur für die Zeiträume bis zum Eingang der freiwilligen Leistung zu erheben. Wurde die freiwillige Leistung erst nach Beginn des Zinslaufs erbracht oder war sie geringer als der zu verzinsende Unterschiedsbetrag, sind die Nachzahlungszinsen aus Vereinfachungsgründen insoweit zu erlassen, wie die auf volle fünfzig EUR abgerundete freiwillige Leistung für jeweils volle Monate vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung erbracht worden ist (sog. fiktive Erstattungszinsen; Tz 70.1.2 AEAO zu § 233a AO).
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Ein Mandant erwartet für die Steuererklärung 2018, die er erst im November 2020 ans Finanzamt übermittelt hat, eine Einkommensteuernachzahlung von 100.000 EUR. Bereits am 2.12.2020 hat er eine freiwillige Zahlung von 100.000 EUR für 2018 an das Finanzamt geleistet. Der Steuerbescheid 2018 wird ihm am 5.3.2021 bekannt gegeben.
Folge: Im Steuerbescheid 2018 werden Nachzahlungszinsen i. H. v. 5.500 EUR ausgewiesen. Die Berechnung sieht folgendermaßen aus: Beginn des Zinslaufs 1.4.2020, Ende des Zinslaufs 5.3.2021. Somit ergeben sich Zinsen für 11 volle Monate × 0,5 % = 5,5 % Zinsen.
Auf Antrag muss das Finanzamt aus sachlichen Billigkeitsgründen 1.500 EUR Zinsen nach § 227 AO wegen der freiwilligen Steuerzahlung erlassen. Die zu erlassenden Zinsen (fiktive Erstattungszinsen) werden folgendermaßen ermittelt:
Beginn des fiktiven Zinslaufs ist der 2.12.2020. Ende des Zinslaufs ist der 5.3.2021. Es ergeben sich somit Zinsen für 3 Monate × 0,5 % = 1,5 % Zinsen. |
PRAXISTIPP | Bei Ermittlung der zu erlassenden Nachzahlungszinsen, kommt es häufig vor, dass das Finanzamt die Nachzahlungszinsen für einen Monat weniger als beantragt, erlässt. Das kann damit zusammenhängen, dass der Sachbearbeiter im Finanzamt die BFH-Rechtsprechung zum Beginn des Zinslaufs nicht kennt. Hier genügt ein dezenter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 31.5.2017 (I R 92/15). Danach ist der Tag der Zahlung mitzurechnen. |
Freiwillige Steuerzahlung für Steuernachzahlungen für 2019
Aufgrund der Coronakrise wurde die Abgabefrist für die Steuererklärungen 2019 bis Ende August 2021 verlängert, wenn die Erklärungen 2019 durch einen Steuerberater oder durch einen Lohnsteuerhilfeverein erstellt werden.
PRAXISTIPP | Sollte Ihr Mandant diese großzügige Fristverlängerung in Anspruch nehmen wollen, muss er bei zu erwartenden Steuernachzahlungen zur Vermeidung von Nachzahlungszinsen vor dem 1.4.2021 (= grundsätzlicher Beginn des Zinslaufs) noch keine freiwillige Steuerzahlung leisten. Denn im Gesetz ist festgelegt, dass der Zinslauf für Steuernachforderungen für das Steuerjahr 2019 ausnahmsweise erst ab 1.10.2021 beginnt. |
Freiwillige Steuerzahlungen aufgrund von Steuernachzahlungen im Rahmen einer Betriebsprüfung
Freiwillige Steuerzahlungen bieten sich vor allem auch bei laufenden Betriebsprüfungen an, wenn klar ist, dass es zu Steuernachforderungen kommen wird, aber ungewiss ist, in welchem zeitlichen Rahmen die Betriebsprüfung abgeschlossen werden wird. Wegen der Coronapandemie sind viele Betriebsprüfungen derzeit unterbrochen, was zu weiteren Zinsmonaten bis zum Abschluss der Prüfung führen kann. Deshalb bietet es sich an, bereits heute freiwillige Steuerzahlungen zu leisten.
PRAXISTIPP | Im Betriebsprüfungsbericht werden die Nachzahlungszinsen im Rahmen der Rückstellung dennoch in den betreffenden Jahren in voller Höhe ausgewiesen. Denn der Prüfer des Finanzamts ist für den Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht zuständig. Im Übrigen ist der Erlass antragsgebunden. Das FA wird also hier nicht von Amts wegen tätig. Der Antrag auf Erlass ist beim für die Veranlagung zuständigen Mitarbeiter oder beim Mitarbeiter der Finanzkasse zu stellen. |
Freiwillige Steuerzahlungen: Interessante Informationen
Einige Besonderheiten, die Mandanten bei freiwilligen Steuerzahlungen beachten müssen, um einen Erlass der Nachzahlungszinsen im sachlichen Billigkeitsweg zu erhalten, sind Folgende:
- Damit das Ziel der freiwilligen Steuerzahlungen, nämlich der Erlass von Nachzahlungszinsen, erreicht wird, muss bei Überweisung der Steuern plausibel aufgeschlüsselt und vermerkt werden, für welche Steuerart und für welches Jahr die Steuerzahlungen geleistet werden. Nur so kann der für den Erlass der Nachzahlungszinsen zuständige Mitarbeiter ausrechnen, in welcher Höhe tatsächlich Nachzahlungszinsen zu erlassen sind.
- Ist die freiwillige Sonderzahlung für ein Jahr höher als die letztendlich festgesetzte Steuer, gibt es für die freiwillig zu viel gezahlten Steuern keine Erstattungszinsen.
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