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  • · Nachricht · § 25a UStG

    Differenzbesteuerung beim „Ausschlachten“ von Gebrauchtfahrzeugen

    | Die Differenzbesteuerung ist auch dann anwendbar, wenn ein Unternehmer Gegenstände liefert, die er gewonnen hat, indem er zuvor von ihm erworbene Gebrauchtfahrzeuge zerlegt hat. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger kaufte in den Streitjahren in der Regel fahruntüchtige Gebrauchtfahrzeuge von Privatpersonen im ganzen Bundesgebiet an, zerlegte sie in ihre Einzelteile und verkaufte diese Einzelteile insbesondere über eine Internet-Auktionsplattform. Der Kläger wendete auf die Umsätze die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG an. Das FA dagegen unterwarf die Umsätze der Regelbesteuerung. Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg.

     

    Entscheidung

    In der Revision hat der BFH zunächst das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in dem Verfahren „Sjelle Autogenbrug“ beschlossen. Nach der Entscheidung des EuGH im Januar 2017 hat er dann den Beteiligten die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

     

    Der Kläger sieht sich durch die Entscheidung des EuGH in seiner Rechtsauffassung bestätigt.

     

    Das Finanzamt dagegen beantragt, die Revision zurückzuweisen. Die Verwaltung hält unter Hinweis auf den Umsatzsteuer-Anwendungserlass an der Auffassung fest, dass bei der Lieferung einzelner Teile eines Gebrauchtgegenstands ‒ etwa beim Ausschlachten eines Pkw ‒ diese Lieferung nicht der Differenzbesteuerung unterläge. Zudem hält das Finanzamt es für schwierig, die Gesamtkaufpreise für die von Kläger erworbenen Fahrzeuge, wie für die Differenzbesteuerung erforderlich, auf die gelieferten Einzelteile aufzuteilen. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen ergebe sich diese Aufteilung jedenfalls nicht. Die Unterlagen ermöglichten auch keine jahresbezogene Bildung einer Gesamtdifferenz.

     

    Der BFH hebt das Urteil des FG auf und weist die Sache an das FG zurück. Der Kläger sei im Grundsatz zur Anwendung von § 25a UStG berechtigt. Es seien aber weitere Feststellungen zur Bildung der Differenz zu treffen.

     

    Differenzbesteuerung grundsätzlich anwendbar

    Die vom Kläger ausgeführten Lieferungen unterliegen der Differenzbesteuerung (§ 25a UStG). Der BFH verweist insoweit vollinhaltlich auf die EuGH-Entscheidung „Sjelle Autogenbrug“. Nach Auffassung des BFH bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, wie es sich auswirkt, dass das nationale Recht in Einzelheiten vom Unionsrecht abweicht, da die Unterschiede im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis führen.

     

    Ermittlung der Differenz ungeklärt

    Nach Auffassung des BFH ist die Sache gleichwohl nicht spruchreif. Das FG hat ‒ von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent ‒ keine Feststellungen zu den Einkaufs- und Verkaufspreisen der vom Kläger gelieferten Gegenstände und damit zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage getroffen. Diese Feststellungen sind nunmehr nachzuholen.

     

    Dabei gilt Folgendes:

    • Grundsätzlich ist der Umsatz für jeden vom Wiederkäufer gelieferten Gegenstand einzeln zu bestimmen (Einzeldifferenz). Dies erfordert Aufzeichnungen, die es ermöglichen zu überprüfen, ob sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung dieser Regelung erfüllt sind.

     

    • Alternativ kann der Wiederverkäufer die gesamten innerhalb eines Besteuerungszeitraums ausgeführten Umsätze nach dem Gesamtbetrag bemessen, um den die Summe der Verkaufspreise die Summe der Einkaufspreise dieses Zeitraums übersteigt (Gesamtdifferenz). Die Besteuerung nach der Gesamtdifferenz ist nur bei solchen Gegenständen zulässig, deren Einkaufspreis 500 EUR nicht übersteigt.
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    Bisher sind weder Einkaufs- und Verkaufspreise für die einzelnen vom Kläger gelieferten Gegenstände ermittelt noch ist erkennbar, dass der Kläger die von ihm ausgeführten Lieferungen zutreffend der Besteuerung nach der Gesamtdifferenz unterworfen hätte:

     

    • Der Besteuerung nach der Gesamtdifferenz steht nicht schon entgegen, dass die Einkaufspreise für die vom Kläger erworbenen Fahrzeuge 500 EUR überstiegen. Werden mehrere Gegenstände für einen Gesamteinkaufspreis erworben und anschließend einzeln verkauft, ist für Zwecke der Differenzbesteuerung der Gesamteinkaufspreis grundsätzlich im Wege sachgerechter Schätzung auf die einzelnen Gegenstände aufzuteilen (ebenso Abschn. 25a.1 Abs. 12 Satz 6 UStAE). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob mehrere Gegenstände als Gesamtheit erworben werden oder ein Gegenstand erworben und dann in mehrere Gegenstände zerlegt wird. Überschreitet der Kaufpreis für einen einzelnen Gegenstand nach der Aufteilung weiterhin 500 EUR, kann dieser Gegenstand nicht mehr der Besteuerung nach der Gesamtdifferenz unterworfen werden.

     

    • Der Kläger hat die Gesamtdifferenz aber nicht durch Gegenüberstellung der Summe der Einkaufspreise und der Summe der Verkaufspreise aller innerhalb eines bestimmten Bemessungszeitraums gelieferten Gegenstände ermittelt. Er hat stattdessen über mehrere Besteuerungszeiträume den Einkaufspreis des Fahrzeugs und die Verkaufspreise der Einzelteile gegenübergestellt und die Verkäufe als nicht steuerbar behandelt, bis die Summe der Verkaufspreise dem Einkaufspreis entsprach, darüber hinaus hat er sie als nach allgemeinen Grundsätzen steuerpflichtig behandelt. Darf der Kläger alle aus einem Fahrzeug gewonnenen Einzelteile der Besteuerung nach der Gesamtdifferenz unterwerfen und verkauft er sie innerhalb des gleichen Besteuerungszeitraums, mag dieser Ansatz zum gleichen Ergebnis wie die gesetzlich vorgeschriebene Berechnungsmethode führen. Ziehen sich die Verkäufe von Einzelteilen aus dem gleichen Fahrzeug über mehr als einen Besteuerungszeitraum hin, führt er jedenfalls zu abweichenden Ergebnissen und ist daher nicht zulässig.

     

    Daher ist im zweiten Rechtsgang zunächst zu prüfen, ob der Kläger Aufzeichnungen vorlegen kann, aus denen sich nicht nur die Verkaufs-, sondern auch die Einkaufspreise der von ihm gelieferten Einzelteile ergeben. Anhand dieser Aufzeichnungen ist weiterhin zu entscheiden, welche Lieferungen nach der Einzeldifferenz zu besteuern sind und welche Lieferungen der Kläger der Besteuerung nach der Gesamtdifferenz unterwerfen kann:

     

    • Soweit der Kläger die Besteuerung nach der Gesamtdifferenz anwenden kann, ist die Gesamtdifferenz sodann bezogen auf einzelne Besteuerungszeiträume und die in diesen Besteuerungszeiträumen verkauften Einzelteile zu ermitteln, nicht bezogen auf einzelne Fahrzeuge.

     

    • Soweit der Kläger die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach der Gesamtdifferenz nicht nachweisen kann, sind die Lieferungen einzeln zu besteuern.

     

    PRAXISTIPP | Ein gänzlicher Ausschluss von der Differenzbesteuerung ist hingegen auch bei Nachweisschwierigkeiten nicht möglich (EuGH-Urteil „Sjelle Autogenbrug“).

     

    Anmerkung

    Mit Schreiben vom 17.7.2019 übernimmt das BMF die Rechtauffassung von EuGH und BFH und lässt im Umsatzsteuer-Anwendungserlass nunmehr ausdrücklich die Schätzung der Einkaufspreise zu.

     

    Fundstellen

    Quelle: ID 46262431