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  • · Fachbeitrag · § 15a UStG

    Objekte einer Vorsteuerberichtigung bei Gebäudeerrichtung nach Baufortschritt

    | „Wirtschaftsgut“ i. S. d. § 15a UStG und damit Berichtigungsobjekt ist bei einem in Abschnitten errichteten Gebäude der Teil, der entsprechend dem Baufortschritt in Verwendung genommen worden ist. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger und Revisionsbeklagte (K) hat einen Weinbau-Betrieb, einen Gewerbebetrieb „Weinkommission“ und erbringt landwirtschaftliche Dienstleistungen. Seine landwirtschaftlichen Umsätze versteuerte der Kläger gemäß § 24 UStG, die übrigen gemäß § 20 UStG.

     

    Im Jahr 2006 erweiterte K sein Betriebsgebäude und errichtete ein gemischt genutztes Wohnhaus. Nach den Plänen befinden sich im Keller eine abgeschlossene Wohnung für Erntehelfer sowie Labor, Büro, Archiv und Räume für die „Weinkommission“. Im Erdgeschoss befindet sich neben privaten Wohnräumen ein Empfangsraum. Im Obergeschoss sind neben weiteren privaten Wohnräumen zwei Ferienwohnungen untergebracht. Im Dezember 2008 waren Unter- und Erdgeschoss sowie die Wohnräume im Obergeschoss fertiggestellt, nicht aber die Ferienwohnungen.

     

    K ordnete das gesamte Gebäude seinem Unternehmen zu und beantragte in den Jahren des Leistungsbezugs den Vorsteuerabzug aus den Baukosten (für die selbst genutzte Wohnung unter Berufung auf die sog. Seeling-Rechtsprechung). Dem Weinbau-Betrieb ordnete er nach dem Flächenschlüssel einen nicht abzugsfähigen Vorsteueranteil von 11,51 % zu.

     

    In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2009 bis 2012 machte K keine Angaben zu Vorsteuerbeträgen, die nach § 15a UStG zu berichtigen wären. Diese Umsatzsteuerklärungen galten als Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

     

    Im Rahmen einer landwirtschaftlichen Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass als Vermietungseinkünfte erklärte Mieteinnahmen die Wohnung für die Erntehelfer betrafen. Hinsichtlich der tatsächlichen Nutzung des Kellergeschosses wurde Einigung darüber erzielt, dass dieses hälftig dem landwirtschaftlichen Betrieb und dem Gewerbebetrieb zuzuordnen sei; dies führte zur Neuberechnung der Flächenanteile. Die beiden Ferienwohnungen seien 2015 noch im Rohbau gewesen. Der Prüfer meinte, dass Vorsteuer nach § 15a UStG zu berichtigen sei.

     

    Das FA änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre entsprechend den Prüfungsfeststellungen und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Hiergegen gerichtete Einsprüche blieben ohne Erfolg.

     

    Das FG gab der Klage statt. Es vertrat die Ansicht, dass für die Vorsteuerberichtigung auf das (gesamte) „Wirtschaftsgut“ und seine „erstmalige Verwendung“ abzustellen sei. Eine Aufteilung für Berichtigungszwecke in Teile dieses Wirtschaftsgutes sei nicht vorzunehmen. Aufgrund der sog. Seeling-Rechtsprechung sei das Zuordnungsobjekt im Streitfall das gesamte Gebäude gewesen.

     

    Mit der Revision rügt das FA im Kern, dass dem Schluss des FG, dass das gesamte Haus im Hinblick auf die sog. Seeling-Rechtsprechung ein einheitliches unteilbares Wirtschaftsgut sei, nicht gefolgt werden könne. Zwar sei zivilrechtlich das gesamte Haus wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei die nationale zivilrechtliche Rechtslage aber nicht maßgeblich für die Frage, ob ein Teil des Grundstücks ein selbstständiger Gegenstand im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein könne. Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

     

    Entscheidung

    Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat bei seiner Beurteilung

    • zu Unrecht auf das Gesamtgebäude als Berichtigungsobjekt abgestellt,
    • obwohl es nur teilweise erstmalig verwendet worden ist.

     

    Die Voraussetzungen der Vorsteuerberichtigung zulasten des K sind erfüllt. Die Bagatellgrenzen sind in Bezug auf das verwendete Berichtigungsobjekt möglicherweise überschritten. Zur Frage, ob bzw. in welchem Umfang diese Grenzen in den Streitjahren tatsächlich überschritten wurden, hat das FG weitere Feststellungen zu treffen.

     

    Zwar lässt eine Auslegung nach dem Wortlaut gemäß § 15a Abs. 1 UStG zu, das gesamte Gebäude als Bezugsobjekt der Prüfung heranzuziehen. Nach dem Zweck der Vorsteuerberichtigung ist normspezifisch jedoch auf das verwendete Berichtigungsobjekt abzustellen.

     

    Das einzelne Wirtschaftsgut als Berichtigungsobjekt

    Die in § 15a Abs. 1 UStG verwendeten Begriffe „Wirtschaftsgut“ und „Grundstücke einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile“ sind historisch bedingt ertragsteuerrechtlich bzw. zivilrechtlich geprägt. Nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs dann vorzunehmen, wenn sich die Verhältnisse „bei einem Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird“, ändern. Die Gesetzesfassung beruht auf einem Gesetz, mit dem Art. 20 der damaligen 6. EG-Richtlinie umgesetzt werden sollte. Insbesondere sollte mit der Änderung auch der Begriff „Investitionsgut“ nationalrechtlich festgelegt werden. Objekt für eine Berichtigung nach § 15a UStG ist somit das einzelne Wirtschaftsgut.

     

    Neben der Verkehrsfähigkeit des Berichtigungsobjekts …

    Für Gebäude und Grundstücke gilt der verlängerte Berichtigungszeitraum nach § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG. Der Wortlaut der Vorschrift stellt auf „Grundstücke einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile“ ab und nimmt daher im Rahmen des verlängerten Berichtigungszeitraums Bezug auf die zivilrechtliche Beurteilung eines Grundstücks, sodass in Übereinstimmung mit dem Wirtschaftsgutbegriff auch hier nach dem Wortlaut die Verkehrsfähigkeit des Berichtigungsobjekts maßgeblich ist.

     

    … ist dessen Verwendung entscheidend

    Allerdings verlangt eine Vorsteuerberichtung auch, dass das Wirtschaftsgut bereits verwendet wird. „Wirtschaftsgut“ und damit Berichtigungsobjekt ist daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz nur das Gebäude, soweit es entsprechend dem Baufortschritt in Verwendung genommen wurde. Der noch nicht verwendete Teil des Gebäudes ist noch nicht Gegenstand der Vorsteuerberichtigung. Für ihn beginnt der Berichtigungszeitraum erst mit seiner erstmaligen Verwendung.

     

    Dies gebietet der Zweck der Vorschrift. Denn Grundgedanke der Vorschrift ist es ‒ da Vorsteuerbeträge gemäß § 15 UStG in voller Höhe sofort abgezogen werden können ‒, den Umfang des Vorsteuerabzugs weitgehend nach der Verwendung im Laufe der wirtschaftlichen Lebensdauer des Wirtschaftsguts zu bestimmen. Dabei sind die aus Vereinfachungsgründen getroffenen Regelungen in § 44 UStDV im Lichte dieses Grundgedankens auszulegen. Auch sie beziehen sich auf das bereits verwendete Objekt. Sind Gebäudeteile noch nicht Gegenstand der Vorsteuerberichtigung, bleiben sie auch insoweit außer Betracht.

     

    Es ist somit im Streitfall normspezifisch als Berichtigungsobjekt der Teil des in Abschnitten errichteten Gebäudes zugrunde zu legen, der bereits in den Streitjahren verwendet wurde. Die Aufteilung in verschiedene Berichtigungsobjekte bei Gebäudeerrichtung nach Baufortschritt entspricht auch der Ansicht der Verwaltung und ihr folgend der Literatur.

     

    PRAXISTIPP | Zweck der Vorsteuerberichtigung ist es, den Umfang des Vorsteuerabzugs weitgehend nach der Verwendung im Laufe der wirtschaftlichen Lebensdauer des Wirtschaftsguts zu bestimmen. Daher kann ein noch nicht verwendeter Gebäudeteil auch noch nicht Gegenstand einer Vorsteuerberichtigung werden. Für den Gebäudeteil beginnt der Berichtigungszeitraum damit erst mit seiner erstmaligen Verwendung.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 47054173