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  • 13.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141900

    Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 11.10.2013 – 12 Sa 15/13

    Die außerordentliche Eigenkündigung eines leitenden Krankenhausarztes kann begründet sein, wenn ihm der Krankenhausträger entgegen seinen vertraglichen Verpflichtungen trotz Abmahnung kein ausreichendes nichtärztliches Personal zur Verfügung stellt.


    In der Rechtssache
    hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 12. Kammer (Kammern Mannheim) durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Müller,
    die ehrenamtliche Richterin Funke und die ehrenamtliche Richterin Karcher
    auf die mündliche Verhandlung vom 11.10.2013
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    1.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 18.01.2013 (1 Ca 138/11) abgeändert:

    Die Klage wird abgewiesen.

    2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

    3.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte (Arbeitnehmer) das gemeinsame Arbeitsverhältnis mit den Schreiben vom 28., 29 und 31.03.2011 wirksam außerordentlich mit Ablauf des 04.04.2011 gekündigt hat.

    Der Beklagte wurde am 10.12.1967 geboren. Die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin stellte ihn mit Wirkung ab dem 01.11.2005 als Facharzt für Plastische Chirurgie im (vom Krankenhaus räumlich getrennten) Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) ein. Gem. § 2 des Arbeitsvertrags vom 20.10.2005 (Anlage 1 zur Klagschrift, Prozessakte des Arbeitsgerichts (im Folgenden: Arb), Bl. 7 ff.) leitete der Beklagte als Chefarzt die plastisch-chirurgische Abteilung des MVZ. Ärztliches Personal war ihm nicht unterstellt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthielt u.a. folgende Bestimmungen:

    - § 3 Abs. 5:

    "Für die Erledigung der Verwaltungsgeschäfte und der wirtschaftlichen Angelegenheiten des MVZ ist der Träger zuständig. Dieser bewirtschaftet die Haushaltsmittel, gibt Bestellungen auf, tätigt Beschaffungen und erledigt sämtliche weiteren administrativen Aufgaben. Die ordnungsgemäße Patientenversorgung darf durch Beschaffungen oder Unterlassungen derselben nicht gefährdet werden."

    - § 14 Abs. 1:

    "Dem Arzt wird hiermit eine Erlaubnis zur Behandlung von selbst zahlenden Patienten, d.h. solchen, deren Behandlung nicht im Rahmen des Sachleistungsprinzips und nicht auf der Grundlage einer Kostenerstattung nach § 13 SGB V erfolgt, erteilt. ..."

    - § 16 Abs. 2:

    "Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Vertrag ist mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende kündbar. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. ..."

    - § 16 Abs. 6:

    "Die Parteien stimmen überein, dass jede der Parteien an einer dauerhaften Zusammenarbeit interessiert ist und sich bei Vertragsabschluss langfristig hierauf eingerichtet hat. Der Arzt verzichtet zu Gunsten des MVZ auf seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Darüber hinaus überträgt der Arzt dem MVZ seine Zulassung zum ambulanten Operieren, seine Zulassung zur stationären belegärztlichen Tätigkeit und seine Genehmigung zur Behandlung des Diabetischen Fußes; das MVZ investiert in Praxisräumlichkeiten, erwirbt das materielle und immaterielle Vermögen einer Praxis und schließt darüber hinaus weitere Arbeitsverträge mit ärztlichem und nicht-ärztlichem Personal zum Betrieb des MVZ. ...."

    - Anlage 2 (Vereinbarung über Zusatzentgelte), Ziff. 1:

    Der Arzt erhält einen variablen Gehaltsbestandteil in Höhe von 40% seines im Kalenderjahr erwirtschafteten Erlöses, soweit dieser einen Kostendeckungsbeitrag in Höhe von 140.000 EUR übersteigt."

    - Anlage 5 (Nebentätigkeitserlaubnis), § 2 Abs. 1:

    "Der Träger des MVZ stellt Herrn R. für dessen Nebentätigkeitsbereich ausreichend Personal, Räume, Einrichtungen und Material im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten und Erfordernisse zur Verfügung. ..."

    - Anlage 5, § 2 Abs. 3:

    "Eine Pflicht des Trägers des MVZ zur Überlassung ärztlicher Mitarbeiter besteht nicht. Die Verpflichtung des Trägers des MVZ, dem Arzt für seine Nebentätigkeit sonstiges Personal zur Verfügung zu stellen, ruht im Fall der Arbeitsunfähigkeit des Arztes ..."

    - Anlage 6 (Zulassungsrechtliche Erklärung), Abs. 1 und 2:

    "Herr R. verpflichtet sich, innerhalb von drei Tagen nach Aufforderung durch die P.-Kliniken D. GmbH, vertreten durch den Verwaltungsdirektor T. Sch., gegenüber dem zuständigen Zulassungsausschuss für Ärzte zu erklären, er verzichtet auf seine Zulassung, wobei diese durch das MVZ übernommen werde und er seine (bisherige) vertragsärztliche Tätigkeit als angestellter Arzt in dem MVZ weiterführen werde (Erklärung nach § 103a Abs. 4 Satz 1 SGB V).

    Soweit KV-rechtlich zulässig, überträgt der Arzt dem MVZ seine Zulassung zum ambulanten Operieren, seine Zulassung zur stationären belegärztlichen Tätigkeit und seine Genehmigung zur Behandlung des Diabetischen Fußes."

    Das monatliche Einkommen des Beklagten setzte sich in etwa wie folgt zusammen:

    -Grundgehalt4.525,-- Euro brutto
    -Zusatzentgelte (Durchschnitt 2006 - 2010)6.000,-- Euro brutto
    10.525,-- Euro brutto
    -Einkünfte aus Nebentätigkeiten (Durchschnitt 2007 - 2010)7.945,-- Euro.

    (Zwischen den Parteien ist vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe ein weiterer Rechtsstreit anhängig (1 Ca 233/11), in dem die Klägerin vom Beklagten Erlöse aus der Behandlung von Privatpatienten in Höhe von 134.046,63 Euro fordert.)

    Der Beklagte führte dienstags und donnerstags im MVZ ambulante Operationen durch. Als Anästhesist stand ihm Dr. G. L. zur Verfügung, der sein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.03.2011 kündigte. Jeden zweiten Montag überließ die Klägerin dem Beklagten einen von drei Operationssälen des Krankenhauses für stationäre Operationen. Von dieser Möglichkeit machte der Beklagte nicht immer Gebrauch.

    Mit Schreiben vom 28.06.2006 teilte der Chefanästhesist und OP-Koordinator Dr. W. M. dem Kläger mit, es sei unabdingbar, alle Eingriffe, die sich im MVZ gestalteten, über sein Büro voranzumelden und terminlich abzustimmen. Der Beklagte meldete die geplanten stationären Operationen im Büro der Anästhesie an. Die geplanten ambulanten Operationen im MVZ wurden bei der Leitung des nichtärztlichen OP-Dienstes angemeldet. Diese Vorgehensweise wurde von der Klägerin nicht beanstandet.

    Ungefähr einmal im Monat führt der zypriotische Urologe Dr. K. im Krankenhaus der Klägerin eine Woche lang stationäre Operationen durch. Hierzu wurde der Beklagte im April 2008 wie folgt informiert (Anlage 21 zum Schriftsatz der Klägerin vom 11.11.2011, Arb Bl. 251):

    "im Zuge der "K.-Woche" werden auch dienstags Eingriffe im OP 4. Stock vorgenommen. An diesen Tagen können wir leider keine OP-Kraft für das MVZ abstellen, da diese für die Eingriffe von Dr. K. benötigt wird. Bitte berücksichtigen Sie dies bei Ihren Planungen."

    Im Oktober 2010 führte die Klägerin mit dem Vermieter der Räumlichkeiten des MVZ ein Gespräch, in dem es um eine eventuelle Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2010 oder zum 31.03.2011 ging. Der Beklagte erfuhr nachträglich von dem Gespräch und mahnte die Klägerin mit Schreiben vom 22.10. ab, weil sie ihn entgegen § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags nicht informiert und angehört habe (im Einzelnen s. Anlage B 9 zum Schriftsatz des Beklagten vom 10.06.2011, Arb Bl. 100 f.).

    Mit einem weiteren Schreiben vom 16.11.2010 mahnte der Beklagte die Klägerin erneut ab. Die einzige Arzthelferin des MVZ war seit dem 12.11. arbeitsunfähig. Die Klägerin hatte weder für den 12. noch für den 15.11. eine Vertretungskraft bereitgestellt. Am 16.11. stand dem MZV von 8.00 bis 11.30 Uhr eine Vertreterin zur Verfügung. Der Beklagte wies auf § 2 Abs. 3 der Anlage 5 zum Arbeitsvertrag hin und forderte die Klägerin auf, ihm bei zukünftigen Erkrankungen des nichtärztlichen Personals unverzüglich Ersatzkräfte zur Verfügung zu stellen (im Einzelnen s. Anlage B 6 zum Schriftsatz des Beklagten vom 10.06.2011, Arb Bl. 95 f.). Ab Dezember 2010 arbeitete die Leiharbeitnehmerin K. R. als Arzthelferin im MVZ.

    Am 03.12. besprachen die Parteien die Zukunft des MVZ. Die Klägerin eröffnete dem Beklagten, dass sie beabsichtige, die plastische Chirurgie bereits zum 31.12.2010 aufzugeben und ihn ab dem 01.01.2011 freizustellen. Der Beklagte wies darauf hin, dass eine derart schnelle Schließung schon wegen der Patientenversorgung nicht möglich sei. Die Parteien erörterten, wie man das MVZ abwickeln könne.

    Mit Schreiben vom 13.12.2010 beantragte der Beklagte seine Zulassung als Vertragsarzt. Der Antrag ging am 22.12. bei der zuständigen Stelle ein. Der Beklagte wurde am 23.03.2011 als Vertragsarzt zugelassen. Zugleich endete die Genehmigung für die Klägerin, den Beklagten als angestellten Arzt zu beschäftigen, zum 30.04.2011. Der Zulassungsausschuss für Ärzte räumte der Klägerin eine 6-monatige Frist zur Nachbesetzung ein.

    Es folgten im Februar und Anfang März weitere Gespräche der Parteien über eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dabei wurden insbesondere Abrechnungsfragen erörtert. Zuletzt stellte die Klägerin mit Schreiben vom 23.03.2011 (Anlage 5 zur Klagschrift, Arb Bl. 40 ff.) fest, dass darüber, wer von wem welche Geldzahlungen zu erhalten habe, keine Einigung zu erzielen sei.

    Im März 2011 stellte sich die Personalsituation im nichtärztlichen OP-Dienst wie folgt dar: Vom 01. bis 14. betrug die Sollbesetzung 8,75 Pflegekräfte zuzüglich einer 0,6-Arbeitskraft für die Sterilisation. Im Zeitraum 15 bis 31. erhöhte sich die Sollbesetzung auf 9,75 + 0,6. Es traten folgende Fehlzeiten auf:

    - 2 Pflegekräfte waren im gesamten Monat arbeitsunfähig.

    - 5 weitere Pflegekräfte waren zeitweise arbeitsunfähig.

    - 1 Pflegekraft nahm an 5 Tagen Freizeitausgleich in Anspruch.

    - Die Pflegekräfte Sch. und Sch. nahmen zeitweise Resturlaub in Anspruch, weil ihre Arbeitsverhältnisse auf Grund von Eigenkündigungen am 31.03.2011 endeten.

    - T. K. befand sich vom 07. bis 18.03.2011 in einer Fortbildung. Diese erfolgte, weil er die Leitung des nichtärztlichen OP-Dienstes übernehmen sollte.

    - 1 weiterer Mitarbeiter des nichtärztlichen OP-Dienstes befand sich zeitweise in einer Fortbildung zum Thema Sterilisation.

    Der Klägerin lag seit April 2010 die Bewerbung der Arzthelferin M. B. vor. Sie wurde Mitte 2011 eingestellt.

    In der K. Klinik der Klägerin wird in drei Operationssälen operiert. Eine stationäre Operation setzt folgende Besetzung voraus:

    - 1 Operateur, 1 Anästhesist

    - 1 Anästhesiepfleger(in), 1 instrumentierende Pflegekraft (steril) und 1 Springer.

    Eine ambulante Operation im MVZ erforderte einen Operateur, einen Anästhesisten und eine nichtärztliche Assistenz.

    Die Personalsituation der Klägerin wirkte sich im März 2011 auf das MVZ wie folgt aus:

    Donnerstag, 03.03.

    Der 03.03.2011 lag in einer K.-Woche Vier Beschäftigte des nichtärztlichen OP-Dienstes waren arbeitsunfähig. Um 07.52 Uhr wurde K. R. von der Klägerin aus dem MVZ ohne Vorankündigung abgezogen. T. K. richtete das OP-Besteck. Dem Beklagten stand für die ambulanten Operationen dieses Tages keine Assistenz zur Verfügung.

    Dienstag, 08.03.

    Zwei OP-Pflegekräfte waren arbeitsunfähig. T. K. befand sich in der Fortbildung. Der Beklagte hatte für den Vormittag zwei Eingriffe geplant. Mit E-Mail vom Vortag teilte die Pflegedienstleiterin N. S. mit, sie könne ihm erst ab 13.00 Uhr jemanden zur Verfügung stellen. Der Beklagte nahm am Nachmittag keine Eingriffe vor. Die Patienten seien mit der kurzfristigen Verlegung ihrer OP-Termine auf den Nachmittag nicht einverstanden gewesen.

    Der Beklagte mahnte die Klägerin deswegen ab und weil sie mit E-Mail vom 05.03. bereits angekündigt hatte, für den 14.03. ebenfalls keine OP-Kräfte zur Verfügung stellen zu können. Er wies sie in der Abmahnung vom 09.03. auf ihr arbeitsvertragliche Beschäftigungspflicht und die damit verbundene Verpflichtung hin, ihm das erforderliche OP-Personal zur Verfügung zu stellen. Für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkomme, drohte der Beklagte der Klägerin arbeitsrechtliche Maßnahme bis hin zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses an (s. im Einzelnen Anlage B 8 zum Schriftsatz des Beklagten vom 10.06.2011, Arb Bl. 98 f.).

    Donnerstag, 10.03.

    Dem Beklagten standen die Pflegekräfte O. S. und A. H. zur Verfügung. Beide hatten keine Einweisung für das MVZ und die dortigen Gegebenheiten (Besteckaufbewahrung etc.) erhalten. A. H. war neu eingestellt.

    Montag, 14.03.

    Wie bereit mit E-Mai vom 07.03. angekündigt, war der Operationssaal 1, in dem der Beklagte seine stationären Operationen durchführte, geschlossen. Der Klägerin standen für das gesamte Operationsprogramm an diesem Tag bei drei Krankheitsfällen und einer Fortbildung vier Beschäftigte des nichtärztlichen OP-Dienstes zur Verfügung.

    Dienstag, 15.03.

    Es assistierte O. S..

    Auf Anfrage teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass die nächsten Termine für stationäre Operationen der plastischen Chirurgie der 11.04, der 09.05. und der 06.06.2011 seien (Anlage B 14 zum Schriftsatz des Beklagten vom 10.06.2011, Arb Bl. 109).

    Donnerstag, 17.03.

    O. S. assistierte bis 10.00 Uhr. Der Beklagte operierte bis 13.00 Uhr.

    Dienstag, 22.03.

    O. S. assistierte dem Beklagten.

    Montag, 28.03.

    Wie die Klägerin bereits mit Schreiben vom 25.11.2010 mitgeteilt hatte, stand dem Beklagten wegen der "K.-Woche" kein Operationssaal zur Verfügung.

    Dienstag, 29.03, Donnerstag, 31.03.

    Auf Grund der Personalsituation (s. im Einzelnen Schriftsatz der Klägerin vom 11.11.2011, S. 13, 15, Arb Bl. 239, 241) und aus Sicht der Klägerin vorrangiger Operationen an diesem Tag stand dem Beklagten kein nichtärztliches OP-Personal zur Verfügung. Am 29.03. sollte die erste ambulante Operation am 08.00 Uhr beginnen. Der Beklagte wurde um 08.10 Uhr von T. K. telefonisch unterrichtet, dass er ihm niemanden ins MVZ schicken könne.

    Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 28., 29. und 31.03.2011 jeweils außerordentlich zum 04.04.2011. Mit E-Mail vom 04.04.2011 (Anlage 6 zur Klagschrift, Arb Bl. 43) wies er allgemein darauf hin, dass er seine Privatpraxis ausgebaut habe und sie gemeinsam mit Dr. G. L. an einem neuen Standort weiterbetreibe.

    Die Klage ging am 11.04.2011 beim Arbeitsgericht Karlsruhe ein und wurde der Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 18.04.2011 zugestellt. Im Juni kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31.12.2011.

    Die Klägerin hat vorgetragen,

    die außerordentlichen Kündigungen des Beklagten seien nicht aus wichtigem Grund ausgesprochen und deshalb unwirksam. Der Beklagte habe zum einen den Personalbedarf für die stationären ambulanten Operationen nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig angemeldet. Zum anderen sei ihm - soweit möglich - OP-Personal zur Verfügung gestellt worden. Der Beklagte habe ohnehin keinen Anspruch auf eine bestimmte Personalausstattung. Gem. § 2 Abs. 1 der Anlage 5 zum Arbeitsvertrag sei sie nur "im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten und Erfordernisse" verpflichtet, dem Kläger für seine Nebentätigkeiten Personal zur Verfügung zu stellen. Im März 2011 sei auf Grund unvorhersehbarer Ereignisse (unverhältnismäßig viele Arbeitsunfähigkeitszeiten, langfristig geplante Fortbildungsmaßnahmen und Urlaubnahme von Arbeitnehmern auf Grund von Eigenkündigungen im Bereich des nichtärztlichen OP-Personals) ein Engpass eingetreten. Hierüber sei der Beklagte jeweils informiert worden. Versuche, kurzfristig externe OP-Pflegekräfte anzuwerben, seien gescheitert. Bezogen auf die Bewerbung von M. B.: Es sei ihre (der Klägerin) Entscheidung, welches Personal geeignet sei und wann es ihr möglich sei, Einstellungen vorzunehmen.

    Nachdem der Beklagte von T. K. darüber informiert worden sei, dass er für den 29. und 31.03. kein OP-Personal stellen könne, habe der Beklagte T. K. beschwichtigt, dass sei in Ordnung. Er regle das selbst. Der Beklagte habe sich also damit einverstanden erklärt, dass ihm an diesen Tage keine Assistenz zur Verfügung gestanden habe.

    Die Klägerin hat beantragt,

    1.

    es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 28.03.2011 mit Auslauffrist zum 04.04.2011 nicht beendet worden ist.

    2.

    es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 29.03.2011 mit Auslauffrist zum 04.04.2011 nicht beendet worden ist.

    3.

    es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 31.03.2011 mit Auslauffrist zum 04.04.2011 nicht beendet worden ist.

    4.

    der Auflösungsantrag des Beklagten wird abgewiesen.

    Der Beklagte hat beantragt,

    1.

    die Klage abzuweisen.

    hilfsweise:

    2.

    das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 04.04.2011 aufzulösen.

    Er hat vorgetragen,

    es sei ihm nicht zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 31.12.2011 aufrechtzuerhalten, nachdem ihm die Klägerin trotz Abmahnung nicht mit ausreichendem nichtärztlichem Personal versorgt habe. O. S. sei mangels Einarbeitung nicht in der Lage gewesen, ihm die notwendige Assistenz zu leisten. Am 29.03. habe er mangels OP-Assistenz sechs Operationen kurzfristig absagen müssen. Am 31.03. habe er eine von zwei geplanten Operationen nicht durchführen können.

    Das Arbeitsgericht hat K. R., H. R. (Sekretariat Anästhesie), N. S., T. K. und Dr. W. M. vernommen. Wegen der Beweisthemen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Verhandlungsprotokolle vom 22.06.2012 (Arb Bl. 519 ff.) und 18.01.2013 (Arb Bl. 569 ff.) verwiesen.

    Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 18.01.2013 stattgegeben. Den Auflösungsantrag des Beklagten hat es als unzulässig abgewiesen. Die außerordentlichen Kündigungen des Beklagten hätten das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 04.04.2011 aufgelöst. Es habe keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gegeben. Die Klägerin habe ihre Vertragspflichten gegenüber dem Beklagten nicht schuldhaft verletzt. Im März 2011 habe ein nicht vorhersehbarer Personalengpass bestanden. Es könne daher nicht beanstandet werden, wenn die Klägerin dem Beklagten unerfahrenes bzw. kein Personal zur Verfügung gestellt habe. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der Beklagte sein OP- Programm kurzfristig mit einer Vorlaufzeit von einigen Tagen gemeldet habe.

    Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 01.03.2013 zugestellt. Die Berufung ging am 27.03., die Berufungsbegründung innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 29.05. beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründung wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 06.06. zugestellt. Die Berufungserwiderung erreichte am 05.08.2013 innerhalb der verlängerten Berufungserwiderungsfrist das Landesarbeitsgericht.

    Der Beklagte trägt vor,

    entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe die Klägerin ihre arbeitsvertragliche Verpflichtung, ihm das zur Durchführung von Operationen erforderliche nichtärztliche und ärztliche Personal zur Verfügung zu stellen, schuldhaft verletzt. Der Personalengpass im März beruhe auf einer unzureichenden Personalplanung. Sowohl die Fortbildungen als auch die Beendigung zweier Arbeitsverhältnisse auf Grund von Eigenkündigungen seien absehbar gewesen. Zudem habe die Klägerin den Personalengpass dadurch verschärft, dass sie im März Freizeitausgleich gewährt habe. Am 15.03. hätten 5 OP-Pflegekräfte eingesetzt werden können. Dennoch habe die Klägerin ihm die nicht eingearbeitete O. S. zugewiesen.

    Mangels ausreichender personeller Ausstattung habe er nicht uneingeschränkt operieren können. Das habe sein Einkommen erheblich gemindert. Schon deshalb sei für ihn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2011 unzumutbar gewesen.

    Der Beklagte beantragt,

    1.

    auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 18.01.2013, AZ: 1 Ca 138/11, aufgehoben.

    2.

    die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

    Sie trägt vor,

    es gebe keine Vertragspflicht, dies sie gegenüber dem Beklagten schuldhaft verletzt habe. Auch niedergelassene Ärzte, mit denen der Kläger vergleichbar gewesen sei, führten ambulante Operationen ohne OP-Pflegekräfte durch. Ihnen assistierten Arzthelferinnen.

    Die erstinstanzliche Beweisaufnahme habe bestätigt, dass im März 2011 ein außergewöhnlicher Personalengpass bestanden habe. Die Pflegedienstleitung habe alles versucht, zusätzliches Personal zur Überwindung des Engpasses zu gewinnen.

    Im Übrigen habe sich der Beklagte für den 29. und 31.03. damit einverstanden erklärt, dass ihm kein Personal zur Verfügung gestellt werde. Er habe T. K. gesagt, das gehe in Ordnung und ihn lediglich gebeten, die notwendigen Instrumente bereitzustellen. Das sei auch geschehen.

    Entscheidungsgründe

    I.
    Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 18.01.2013 (1 Ca 138/11) hat Erfolg. Das stattgebende Urteil ist abzuändern. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 29.03.2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 04.04.2011 beendet.

    Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 29.03.2011 ist wirksam. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten wiederholt ihre arbeitsvertragliche Pflicht, dem Beklagten das für seine Arbeit erforderliche nichtärztliche Personal zur Verfügung zu stellen, schuldhaft verletzt (1). Es bestand gem. § 626 Abs. 1 BGB ein wichtiger Grund, das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich aufzulösen (2).

    1. a) Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 20.10.2005 begründet ausdrücklich die Pflicht der Klägerin, dem Beklagten das für seine Tätigkeit notwendige nichtärztliche Perso- nal zur Verfügung zu stellen:

    - § 16 Abs. 6 des Arbeitsvertrags bestimmt, dass sich die Klägerin sozusagen als Gegenleistung für den Verzicht des Beklagten auf seine Zulassung als Vertragsarzt um die wirtschaftlichen Voraussetzungen des MVZ kümmert. Da- zu gehört ausdrücklich auch der Abschluss von Arbeitsverträgen mit nichtärzt- lichen Personen. Maßstab für den Umfang dieser Verpflichtung ist die ord- nungsgemäße Patientenversorgung (s. § 3 Abs. 5 des Arbeitsvertrags, der sich ebenfalls mit der Verpflichtung der Klägerin befasst, für die wirtschaftli- chen Voraussetzungen des MVZ Sorge zu tragen).

    Schließt man sich dem Vergleich der Klägerin mit der Situation eines niedergelassenen Arztes an, so verpflichtete sich die Klägerin in § 16 Abs. 6 des Arbeitsvertrags, den Beklagten so mit Personal auszustatten, wie es ein niedergelassener Arzt in Eigenregie tun würde, um seinen Praxisbetrieb einschließlich der ambulanten Operationen sicherzustellen.

    - In § 2 Abs. 1 der Anlage 5 zum Arbeitsvertrag verpflichtete sich die Klägerin, den Beklagten für den Bereich der Nebentätigkeit ausreichend Personal etc. im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten und Erfordernisse zur Verfügung zu stellen. § 2 Abs. 3 der Anlage 5 bestätigt nochmals die Verpflichtung des Trägers des MVZ, dem Beklagten für seine Nebentätigkeit nichtärztliches Personal bereitzustellen.

    Schon die ausdrücklichen Regelungen des Arbeitsvertrags der Parteien begründeten somit sowohl im Rahmen der arbeitsvertraglichen Aufgaben des Beklagten als auch für die Nebentätigkeit die Verpflichtung der Klägerin, dem Beklagten das zu seiner Arbeit erforderliche nichtärztliche Personal zu überlassen. Dieselbe Verpflichtung, bezogen auf die arbeitsvertraglichen Aufgaben des Beklagten, folgt darüber hinaus aus der arbeitsvertraglichen Beschäftigungspflicht der Klägerin (§§ 611, 613 i.V. mit § 241 Abs. 2 BGB). Die Klägerin konnte den Beklagten nur bei entsprechender Personalausstattung vertragsgemäß als leitenden Arzt der plastisch-chirurgischen Abteilung (§§ 2, 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrags) beschäftigen. Hierzu bedurfte es sowohl einer Organisations- und Sprechstundenassistenz (Arzthelferin) als auch einer Operationsassistenz (bei stationären Operationen mindestens drei Assistenzkräfte).

    b) Die Klägerin hat ihre arbeitsvertragliche Verpflichtung zur ausreichenden Personalausstattung des MVZ gegenüber dem Beklagten wiederholt verletzt:

    - Am 12. und 15.11.2010 stand dem MVZ keine Arzthelferin zur Verfügung; am 16.11.2010 konnte die Arzthelferin für das MVZ nur zeitweise tätig werden.

    - Am 03.03.2011 wurden dem Beklagten weder eine Arzthelferin noch eine Operationsassistenz überlassen.

    - Am Vormittag des 08.03. stand keine Operationsassistenz zur Verfügung.

    - Die beiden Pflegekräfte, die die Klägerin am 10.03. zur Operationsassistenz im MVZ einsetzte, O. S. und A. H., konnten dem Beklagten allenfalls ein- geschränkt assistieren, weil sie nicht in die Gegebenheiten vor Ort eingewie- sen waren. Die Klägerin hat jedenfalls keine konkrete Einweisung dargelegt. T. K. bestätigte im Rahmen seiner Zeugenaussage, dass es zur OP-Assistenz im MVZ notwendig gewesen sei, gewisse Kenntnisse zu haben, weil man sonst dort habe rumsuchen müssen.

    - Am 14.03. stand dem Beklagten weder ein Operationssaal noch das erforder- liche OP-Personal zur Verfügung.

    - Der 28.03. wurde wegen der K.-Woche für stationäre Operationen des MVZ gestrichen. Es war der zweite Tag im März 2011, der regulär für stationäre Operationen des MVZ vorgesehen gewesen wäre.

    - Weder am 29. noch am 31.03. wies die Klägerin dem Beklagten OP-Personal zu. Auch wenn der Beklagte gegenüber T. K. in diesem Zusammenhang äus- serte, das sei in Ordnung, er regle das selbst, verzichtete er damit nicht auf das ihm vertraglich zugesagte Personal. Der Beklagte nahm lediglich eine Si- tuation hin, die er weder am 29. noch am 31.03. ändern konnte. T. K. war nicht sein Ansprechpartner in Vertragsangelegenheiten. Er hatte auch keinen Ein- fluss auf die Personalstärke des nichtärztlichen OP-Dienstes. Es ging lediglich darum, T. K. gegenüber zum Ausdruck zu bringen, dass er sich um das Weite- re nicht zu kümmern brauche.

    Die Klägerin hat somit wiederholt gegen die vertraglich übernommene Verpflichtung verstoßen, dem Beklagten das für seine Arbeit als ärztlicher Leiter der Abteilung plastische Chirurgie erforderliche nichtärztliche Personal zur Verfügung zu stellen. Dass dies auf einer verspäteten OP-Anmeldung des Beklagten beruhte, ist in keinem Fall ersichtlich.

    c) Diese Pflichtverletzungen hat die Klägerin zu vertreten. Sie hat sich nicht mit der gebotenen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) in die Lage versetzt, die gegenüber dem Beklagten übernommene Verpflichtung zur Personalausstattung erfüllen zu können. Eine Regelbesetzung mit 8,75 bzw. 9,75 Pflegekräften im OP-Dienst muss bei drei Operationssälen und mindestens einer Ambulanz (MVZ) in Krankheitsfällen oder bei Urlaub unweigerlich zu Personalengpässen führen. Der Beklagte rügt insoweit zu Recht eine - gemessen an den arbeitsvertraglichen Pflichten der Klägerin - unzureichende Personalplanung. Darüber hinaus unternahm die Klägerin im März nichts, um die auftretenden Fehlzeiten im OP-Dienst zu verringern. Die geplanten Fortbildungsmaßnahmen wurden nicht storniert und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Es wurde Freizeitausgleich und Urlaub gewährt. (Auch der Resturlaub in einem gekündigten Arbeitsverhältnis kann gem. § 7 Abs. 1 BurlG verweigert werden, wenn dringende betriebliche Belange entgegenstehen.)

    Schließlich verletzte die Klägerin bewusst ihre Vertragspflichten gegenüber dem Beklagten, indem sie die Operationen des Urologen K. generell priorisierte. Der Arbeitsvertrag des Beklagten sah nicht vor, dass die Patientenversorgung des MVZ und damit auch die personelle Ausstattung des MVZ regelmäßig hinter anderen Aktivitäten der Klägerin zurückzutreten habe.

    Die Klägerin hat ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Personalüberlassung wiederholt schuldhaft verletzt.

    2. Angesichts dieser Pflichtverletzungen bestand für den Beklagten gem. § 626 Abs. 1 BGB ein wichtiger Grund, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich zu kündigen. Es gelten dieselben Grundsätze wie bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers (vgl. BAG, Urteil vom 12.03.2009, 2 AZR 894/07, NZA 2009, 840, Rn. 14).

    a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer es dem Kündigenden bei Berücksichtigung aller Umstände und der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aufrechtzuerhalten. Die Kündigungsvoraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Schritten zu prüfen. Zunächst ist festzustellen, ob der Kündigungssachverhalt ohne seine Besonderheiten "an sich" d.h. typischer Weise geeignet ist, als wichtiger Grund die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zu begründen. Kann dies bejaht werden, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob - hier - dem Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227, Rn. 16; Urteil vom 25.10.2012, 2 AZR 495/11, NZA 2013, 319, Rn. 14).

    b) Das wiederholte vertragswidrige Vorenthalten von Personal kann in einem Arbeitsverhältnis wie dem Vorliegenden grundsätzlich dessen außerordentliche Kündigung begründen, weil die Vertragsbeziehungen massiv gestört werden. Mit der unzureichenden Personalausstattung wird zunächst die vertragsgemäße Beschäftigung des Arztes in Frage gestellt. Das berührt ihn nicht nur in seiner Vertragsposition als Gläubiger des Beschäftigungsanspruchs. Es berührt ihn auch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, hier in Erscheinung des Rechts auf berufliche Entfaltung seiner Persönlichkeit (vgl. BAG GS, Beschluss vom 27.02.1985, GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht Bl. 7 f.). Zudem wirkt sich eine unzureichende Personalausstattung - hier - unmittelbar auf die Vergütung des Arztes aus. Der Operationsbetrieb muss eingeschränkt werden, sowohl die erlösabhängigen Zusatzentgelte als auch die Einkünfte aus der Nebentätigkeit mindern sich. Schließlich leidet der Ruf als zuverlässiger Arzt, wenn dieser gezwungen ist, bereits vereinbarte Operationstermine kurzfristig zu verlegen. Diese erheblichen Vertragsstörungen können an sich die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses begründen.

    c) Bei der Prüfung, ob es dem Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis trotz Vorliegens erheblicher Pflichtverletzungen ordentlich (hier zum 31.12.2011) zu kündigen, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitnehmers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitgebers an dessen fristgemäßer Beendigung abzuwägen. Der Einzelfall ist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu bewerten. Die außerordentliche Kündigung ist ausgeschlossen, wenn dem Arbeitnehmer eine andere zumutbare weniger einschneidende Handlungsmöglichkeit wie zum Beispiel eine Abmahnung zur Verfügung steht, um die eingetretene Vertragsstörung zu beseitigen (vgl. BAG, NZA 2010, 1227, [BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09] Rn. 34; NZA 2013, 319, [BAG 25.10.2012 - 2 AZR 495/11] Rn. 15).

    d) Das Mittel der Abmahnung zur Vermeidung einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses hatte der Beklagte vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 29.03.2011 schon ausgeschöpft. Sowohl mit Schreiben vom 16.11.2010 als auch mit Schreiben vom 09.03.2011 hatte der Beklagte die Klägerin abgemahnt, weil sie ihm zuvor (am 12. und 15.11. bzw. am 03. und 08.03.) nicht das erforderliche nichtärztliche Personal zur Verfügung gestellt hatte bzw. weil sie dies auch in Bezug auf den Operationssaal für den 14.03. bereits angekündigt hatte. Der Beklagte hatte die Klägerin in beiden Schreiben auf ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Personalausstattung des MVZ hingewiesen und ihr für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Schritte bis hin zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht. Dennoch stand ihm am 29.03. erneut keine Operationsassistenz zur Verfügung. Die Klägerin zeigte sich von den Abmahnungen des Beklagten unbeeindruckt. Eine weitere Abmahnung war nicht erfolgversprechend.

    e) Vor diesem Hintergrund war es dem Beklagten nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis der Parteien weitere mehr als acht Monate bis zum 31.12.2011 aufrechtzuerhalten. Sein Interesse an der sofortigen Beendigung überwog das Interesse der Klägerin an der Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende. Der Beklagte musste damit rechnen, dass die Klägerin das MVZ weiterhin nur unzureichend mit nichtärztlichem Personal versorgen werde. Es konnte für die restlichen Monate nicht ausgeschlossen werden, dass sich im nichtärztlichen OP-Dienst erneut Krankheitsfälle häufen oder zu Urlaubszeiten Krankheitszeiten treten würden. Eine Personalaufstockung war nicht zu erwarten. Ebenso würde es bei der vorrangigen Ausstattung der K.-Operationen bleiben. Hinzukam, dass die Klägerin die für das MVZ verfügbaren stationären OP-Termine - wie am 15.03. mitgeteilt - für die kommenden drei Monate ohne Rücksprache (also auch ohne Nachfrage nach dem Bedarf) halbiert und eine vorzeitige Schließung des MVZ geplant hatte. Der Beklagte konnte sich nicht darauf verlassen, die Klägerin werde sich bis zum 31.12.2011 vertragsgemäß verhalten. Es war vielmehr zu erwarten, dass seine vertragsgemäße Beschäftigung weiter eingeschränkt werde. Der Beklagte hatte daher ein gewichtiges berechtigtes Interesse daran, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich zu kündigen.

    Dagegen ist das Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2011 nicht ohne Weiteres ersichtlich. Zwar zwang der plötzliche Weggang des Leiters der plastisch-chirurgischen Abteilung die Klägerin wohl zu einer schnellen Abwicklung des MVZ. Wäre es jedoch nach ihren Planungen gegangen, wäre das MVZ bereits am 31.12.2010 geschlossen worden. Es gab zum Kündigungszeitpunkt keine Anzeichen dafür, dass sich an dem Vorhaben, das MVZ vorzeitig, also vor dem 31.12.2011, zu schließen, etwas geändert hatte. Die Halbierung der Kapazitäten des MVZ für stationäre Operationen sprach eher für die gegenteilige Annahme. Ebenso wenig gab es zum Kündigungszeitpunkt Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin für das MVZ aktuell Aufwendungen wie zum Beispiel die Einstellung eines Nachfolgers für den Anästhesisten Dr. G. L. erbracht hatte, die sich durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten als überflüssig erwiesen. Wenn überhaupt war das Interesse der Klägerin an einer ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten am 31.12.2011 daher nur gering ausgeprägt.

    Somit überwog das Interesse des Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse der Klägerin an dessen fristgemäßer Beendigung. Dem Beklagten war es bei Berücksichtigung aller Umstände und der beiderseitigen Interessen im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist am 31.12.2011 aufrechtzuerhalten. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 29.03.2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 04.04.2011 aufgelöst. Das Urteil des Arbeitsgerichts war abzuändern. Die Klage war abzuweisen.

    II.
    1. Als unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

    2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen einer Revisionszulassung gem. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben sind.

    Müller

    Karcher

    Funke

    Verkündet am 11.10.2013

    Vorschriften§ 13 SGB V, § 103a Abs. 4 Satz 1 SGB V, § 626 Abs. 1 BGB, §§ 611, 613, § 241 Abs. 2 BGB, § 276 Abs. 2 BGB, § 626 Abs. 1 BGB, § 626 Abs. 1 BGB, § 626 Abs. 1 BGB