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  • 05.06.2015 · IWW-Abrufnummer 177255

    Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 13.02.2015 – 18 SaGa 1/15

    1. Der erforderliche Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung, die auf Beschäftigung gerichtet ist, besteht nur dann, wenn der Verfügungskläger ein besonderes Beschäftigungsinteresse geltend machen kann. Der Untergang des Beschäftigungsanspruchs durch Zeitablauf genügt nicht.

    2. Das Erfordernis eines besonderen Beschäftigungsinteresses entfällt, falls die Rechtslage eindeutig ist und der Beschäftigungsanspruch unzweifelhaft besteht. Ist die Rechtslage schwierig und ungeklärt, sind die Anforderungen an den Verfügungsgrund nicht abzuschwächen.

    3. Eine AGB-Klausel, die ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers nach dem Ausspruch einer Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist vorsieht, ist jedenfalls dann nicht offensichtlich unwirksam, wenn es sich bei dem freigestellten Arbeitnehmer um einen Mitarbeiter in leitender herausgehobener Stellung handelt (hier: Chefarzt). In diesem Fall kann eine auf Beschäftigung gerichtete einstweilige Verfügung nur ergehen, sofern ein besonderes Beschäftigungsinteresse besteht.

    4. Die Freistellung darf nur nach billigem Ermessen ( §§ 106 Satz 1 GewO , 315 Abs. 1 BGB ) erfolgen. Die Freistellung setzt zudem voraus, dass eine zuvor ausgesprochene Kündigung des Arbeitgebers nicht offensichtlich unwirksam ist ( § 162 Abs. 2 BGB analog).


    Tenor:

    Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.01.2015 - 3 Ga 55/14 - abgeändert.

    Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgewiesen.

    Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über einen Anspruch der Verfügungsklägerin auf tatsächliche Weiterbeschäftigung in einem bestehenden, aber gekündigten Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.



    Die Verfügungsbeklagte betreibt ein Krankenhaus in C. Bei der Verfügungsbeklagten besteht eine Mitarbeitervertretung nach dem MVG EKD. Die 1956 geborene Verfügungsklägerin ist auf der Grundlage des Dienstvertrages vom 10.03.2008 ab dem 01.01.2009 als Chefärztin der Klinik für Neurochirurgie tätig. Der Dienstvertrag enthält u. a. folgende Regelung:

    "§ 21 Vertragsdauer [...] (5) Für den Fall der Kündigung dieses Dienstvertrages ist der Dienstgeber berechtigt, den Arzt unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung etwaiger restlicher Urlaubsansprüche von der Arbeit freizustellen. Entsprechendes gilt bei einer einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses. [...]"



    Dem Dienstvertrag liegt ein Entwurf der Verfügungsbeklagten zu Grunde. Vor dem Abschluss des Vertrages fanden zwei Verhandlungsgespräche statt. Die Parteien trafen unter dem 10.03.2008 auch eine Vereinbarung über eine ambulante ärztliche Nebentätigkeit der Verfügungsklägerin; zudem wurde ein weiterer Vertrag zwischen der Verfügungsklägerin und der N GmbH abgeschlossen. Im Jahr 2013 erzielte die Verfügungsklägerin eine Jahresvergütung in Höhe von insgesamt ca. 465.000,00 €.



    Die Verfügungsbeklagte stellte zum 01.01.2014 einen neuen Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie ein. Seitdem gab es Unstimmigkeiten zwischen der Verfügungsklägerin und diesem Chefarzt bzw. zwischen den Ärzten dieser beiden Kliniken, insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit für Patienten, bei denen Wirbelsäulenoperationen durchzuführen waren.



    In diesem Zusammenhang wandten sich sowohl die Assistenzärzte als auch die Oberärzte der neurochirurgischen Klinik an die Geschäftsleitung und brachten ihre Besorgnis über eine Kompetenzbeschneidung ihrer Klinik zum Ausdruck. Die Geschäftsleitung forderte die Verfügungsklägerin dazu auf, zu den Schreiben der Assistenz- und Oberärzte Stellung zu nehmen, was diese zunächst verweigerte. Hierfür erhielt sie von der Verfügungsbeklagten eine Abmahnung. Danach richtete die Verfügungsklägerin unter dem 23.05.2013 ein 21seitiges Schreiben an die Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten.



    Im Sommer 2014 bemühte sich die Verfügungsbeklagte, eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Verfügungsklägerin zu erzielen. Diese Gespräche blieben ergebnislos.



    Am 10.11.2014 hörte die Verfügungsbeklagte sowohl die Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten Kündigung der Verfügungsklägerin an und führte auch ein Anhörungsgespräch mit dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten. Die Mitarbeitervertretung erklärte unter dem 18.11.2014, dass sie sich für die Verfügungsklägerin als leitende Angestellte nicht zuständig halte. Mit Schreiben vom 27.11.2014 sprach die Verfügungsbeklagte gegenüber der Verfügungsklägerin die ordentliche Kündigung zum 30.06.2015 aus. Unter Bezugnahme auf § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages stellte sie die Verfügungsklägerin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Die Verfügungsklägerin erhob binnen drei Wochen beim Arbeitsgericht Bielefeld Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 27.11.2014. Im Kündigungsschutzrechtsstreit ist Kammertermin auf den 24.06.2015 bestimmt worden.



    Mit einem am 03.12.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Verfügungsklägerin das vorliegende Verfahren anhängig gemacht. Sie begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Freistellung.



    Die Verfügungsklägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Freistellung seitens der Verfügungsbeklagten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist rechtswidrig sei und sie einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung habe. Bei der Regelung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages handele es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Diese Regelung sei schon gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Bestandteil des Vertrages geworden, da ein solches Suspendierungsrecht unter der Überschrift Vertragsdauer überraschend sei. Durch die formularmäßige Einräumung eines einseitigen Suspendierungsrechts werde sie jedenfalls gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die ausgesprochene Kündigung offensichtlich unwirksam sei. Das Mitbestimmungsverfahren sei nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden. Für die ordentliche Kündigung sei nach § 38 MVG EKD die Zustimmung der Mitarbeitervertretung notwendig. Die Zustimmungsfiktion des § 38 Abs. 1 S. 1 MVG EKD trete allein dann ein, wenn die Mitarbeitervertretung gänzlich untätig bleibe und keine Erörterung beantrage. Äußere sich jedoch die Mitarbeitervertretung wie im vorliegenden Fall, so sei die Verfügungsbeklagte verpflichtet, kirchenrechtlich die Zustimmung durch das Kirchengericht ersetzen zu lassen. Darüber hinaus sei nicht ansatzweise ein Kündigungsgrund erkennbar. - Es bestehe auch ein Verfügungsgrund. Die Verfügungsklägerin sei auf eine tatsächliche Tätigkeit in ihrem Fachgebiet angewiesen, da sie durch den Ausschluss von den Operationstätigkeiten über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten bei der Durchführung der äußerst sensiblen und komplizierten Eingriffe verliere. Ihr sei auch die Möglichkeit genommen, an der fachlichen Entwicklung in ihrem Fachgebiet teilzuhaben. Sie verliere den Kontakt zu den einweisenden Ärzten und Behörden. Weiterhin drohe ihr der Verlust des in den Jahren der Beschäftigung aufgebauten Patientenstammes. Ihre Reputation innerhalb des Krankenhauses und in der externen Fachwelt leide durch die langfristige Freistellung. Auch ihrer Verpflichtung, Doktoranden bei ihrer Dissertation zu betreuen, könne sie nicht weiter nachkommen. Schließlich gereiche ihre Freistellung auch der Verfügungsbeklagten zum Nachteil, da Oberärzte wegen ihrer Freistellung bereits das Anstellungsverhältnis gekündigt hätten bzw. beabsichtigten zu kündigen.



    Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

    die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, sie als Chefarzt in der Klinik für Neurochirurgie des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld zu unveränderten Bedingungen gemäß ihres Dienstvertrages vom 10.03.2008 bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2015 weiter zu beschäftigen.



    Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

    den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung abzuweisen.



    Die Verfügungsbeklagte hat die Auffassung vertreten, der Verfügungsklägerin stehe kein Verfügungsanspruch zu. Der Dienstvertrag enthalte keine allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern sei ein individuell ausgehandelter Vertrag. Dies ergebe sich aus den umfangreichen Vertragsgesprächen, in denen auf der Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme, die die Verfügungsklägerin habe anfertigen lassen, der Vertrag eingehend verhandelt worden sei. Selbst unter Zugrundelegung einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB sei die Vereinbarung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages wirksam und benachteilige die Verfügungsklägerin nicht unangemessen. Die Verfügungsbeklagte hat hierzu vorgetragen, sich nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Freistellung der Verfügungsklägerin in der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung entschlossen zu haben. Die Kooperationsbereitschaft der Verfügungsklägerin mit der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie sei ungenügend gewesen. Eine Kooperation zwischen dieser Klinik und der Klinik für Neurochirurgie sei aber wegen des im Hause etablierten überregionalen Traumazentrums zur optimalen Versorgung Schwerstverletzter unerlässlich. Die Verfügungsklägerin habe die Qualifikation des Chefarztes der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie infrage gestellt und sich dem Auftrag der Geschäftsführung verweigert, eine gemeinsame Verfahrensanweisung für beide Kliniken zu erstellen. Sie habe gegenüber dem kaufmännischen Direktor der Verfügungsbeklagten behauptet, eine externe Überprüfung der Arbeitszeitregelungen in der Klinik für Neurochirurgie habe von der Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten vorsätzlich angestoßen sein können, um ihr zu schaden. Zudem habe die Verfügungsklägerin geäußert, bei der Klärung der Zusammenarbeit zwischen beiden Kliniken habe die Geschäftsführung nicht mehr das Wohl der Patienten im Sinn. Einem ärztlichen Direktor der Klinik habe die Verfügungsklägerin vorgeworfen, wegen ökonomischer Gründe Patienten unnötig lange zu beatmen. Die ausgesprochene Kündigung sei auch nicht offensichtlich unwirksam. Sie beruhe darauf, dass die Verfügungsklägerin durch ihr Verhalten die Vertrauensgrundlage für die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses endgültig zerstört habe. Sie habe auf Chefarztebene eine "Brunnenvergiftung" begangen. Seit dem Amtsantritt des neuen Chefarztes der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie habe sich die Klägerin einer kooperativen interdisziplinären Zusammenarbeit verweigert. Die Geschäftsleitung sei daher genötigt gewesen, eine Verhaltensanweisung im Umgang mit Wirbelsäulenoperationen für die Kliniken der Orthopädie und Unfallchirurgie und der Neurochirurgie zu erteilen. Die Verfügungsklägerin habe überdies in der Vorplanung der Operationszahlen für das Jahr 2015 zu niedrige Zahlen angegeben, um ihre Meinung zu untermauern, dass durch die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie die Kompetenzen der neurochirurgischen Klinik beschnitten würden. Die kirchengerichtliche Zustimmungsersetzung der Mitarbeitervertretung sei nicht erforderlich gewesen. Durch den Ablauf der Zweiwochenfrist ohne Antrag auf Erörterung oder ausreichende Zustimmungsverweigerung nach § 41 Abs. 2 MVG EKD sei die Zustimmungsfiktion des § 38 Abs. 3 S. 1 MVG EKD eingetreten. - Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass der Verfügungsklägerin kein Verfügungsgrund zur Seite steht. Die Verfügungsklägerin trage nur formelhaft vor, dass sie aufgrund der sechsmonatigen Freistellung wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten verliere.



    Das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprochen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Verfügungsklägerin habe einen Verfügungsanspruch auf tatsächliche Beschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, da die Vereinbarung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam sei. Jedenfalls diese Klausel des Vertragswerks sei zwischen den Parteien nicht individuell ausgehandelt worden. Die Freistellungsklausel benachteilige die Verfügungsklägerin in unangemessener Weise, da die Klausel allein an den Ausspruch einer Kündigung anknüpfe und keinerlei weitere inhaltliche Einschränkungen aufweise. Ein Verfügungsgrund ergebe sich für die Verfügungsklägerin daraus, dass sie bei einer Nichtbeschäftigung über einen Zeitraum von insgesamt ca. sieben Monaten die alltägliche Routine bei der Vornahme der Operationen verliere. Darüber hinaus drohe der Verfügungsklägerin durch die Nichtbeschäftigung, die in ihrer Außenwirkung einer fristlosen Kündigung nahekomme, ein nicht unerheblicher Verlust an Reputation. Außerdem komme auch die private Behandlung von Patienten, die der Verfügungsklägerin aufgrund einer Nebentätigkeitsgenehmigung erlaubt sei, sinnvollerweise nur in den Räumlichkeiten der Verfügungsbeklagten in Betracht; das Beschäftigungsverbot führe auch zu der Gefahr, dass der insoweit von der Verfügungsklägerin aufgebaute Patientenstamm beeinträchtigt werde.



    Gegen das erstinstanzliche Urteil, das am 07.01.2015 verkündet und der Verfügungsbeklagten am 12.01.2015 zugestellt worden ist, hat die Verfügungsbeklagte mit einem Schriftsatz, der am 07.01.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung mit einem am 19.01.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.



    Nach Auffassung der Verfügungsbeklagten ist die Vereinbarung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages nicht unwirksam. Eine solche Freistellungsregelung sei bei 21 von 26 Chefarztverträgen Gegenstand des Vertragswerkes. Es handele sich nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Zwar sei diese konkrete Klausel nicht ausdrücklich Gegenstand der Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien gewesen. Konkrete Gespräche über eine Vertragsklausel seien jedoch nicht erforderlich, um sie als Individualvereinbarung zu qualifizieren. Denn es gebe in Vertragsentwürfen immer Regelungen, die für beide Parteien gar nicht verhandlungswert seien. Jedenfalls benachteilige die Freistellungsklausel die Verfügungsklägerin nicht unangemessen. Die Verfügungsklägerin gehöre einer Gruppe von Arbeitnehmern an, bei denen aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung davon ausgegangen werden dürfe, dass das Interesse des Arbeitgebers an einer Suspendierung nach dem Ausspruch einer Kündigung überwiege. Überdies stehe das Freistellungsrecht unter dem Vorbehalt der Ausübung nach billigem Ermessen. - Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass ein Verfügungsgrund für die Verfügungsklägerin bestehe. Hierzu trägt die Verfügungsbeklagte vor, die Freistellung der Klägerin sei in der Fachwelt allenfalls durch Äußerungen der Verfügungsklägerin oder durch die Veröffentlichung des Sitzungsergebnisses im erstinstanzlichen Verfahren bekannt geworden. Das Arbeitsgericht irre, wenn es davon ausgehe, der Klägerin drohe ein nicht unerheblicher Verlust an Reputation. Bei einer Operateurin wie der Verfügungsklägerin mit einer mehr als 25-jährigen Berufserfahrung sei es nicht vorstellbar, dass sie in sieben Monaten der Nichtbeschäftigung die alltägliche Routine verliere. Im Hinblick auf Forschungsvorhaben, Erkrankungen oder Schwangerschaften komme es in der Praxis auch bei neurochirurgisch tätigen Medizinern häufig vor, dass eine längere Pause in der beruflichen Tätigkeit eintritt, ohne dass dies zu einem Verlust an beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten führe. Die ihr genehmigte Nebentätigkeit könne die Verfügungsklägerin jetzt noch ausüben, auch in den Räumen des Krankenhauses. Sie gehe allerdings aufgrund ihrer eigenen Entscheidung ihren Nebentätigkeiten seit der Freistellung nicht mehr nach. Während der Freistellungszeit versäume die Verfügungsklägerin auch nicht technische Neuerungen, von denen es in den letzten sechs Jahren zwei in dem medizinisch-technischen Bereich gegeben habe, den die Verfügungsklägerin leitete. Die Verfügungsklägerin könne sich auch nicht darauf berufen, Kontakt zu den Krankenhausärzten und Behörden aufgrund der Freistellung zu verlieren. Die Verfügungsklägerin verfüge über einen so genannten KV-Sitz nicht. Ein Kontakt zu den Behörden sei für die Verfügungsklägerin nicht erforderlich. Im Übrigen könne sich die Verfügungsklägerin auch während ihrer Freistellung um solche Kontakte bemühen. Die Freistellung der Verfügungsklägerin sei auch ohne Einfluss auf etwaige Dissertationsvorhaben nachgeordneter Ärzte.



    Die Verfügungsbeklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.01.2015 (Aktenzeichen: 3 Ga 55/14) abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.



    Die Verfügungsklägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Die Verfügungsklägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Freistellungsklausel in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages sei keine individuell ausgehandelte Klausel. Die Verfügungsbeklagte habe nicht angeboten, den Inhalt des § 21 Abs. 5 nach den Vorstellungen der Klägerin zu gestalten und auch keine hinreichende Bereitschaft zur Verhandlung der übrigen vorformulierten Klauseln gezeigt. Trotz der von der Verfügungsklägerin unterbreiteten 46 Änderungsvorschläge habe die Verfügungsbeklagte lediglich 4 Änderungen vorgenommen, die ausschließlich redaktioneller und nicht inhaltlicher Natur gewesen seien. Eine unangemessene Benachteiligung zu Lasten der Verfügungsklägerin ergebe sich aus der Freistellungsklausel, weil die Klausel auch im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung einen Freistellungsvorbehalt für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist vorsehe, der an keine weiteren inhaltlichen Voraussetzungen geknüpft sei. Durch die vorbehaltene und im Streitfall erklärte Freistellung der Verfügungsklägerin könne sie keine Liquidationseinnahmen aus wahlärztlichen Leistungen mehr erzielen; insofern reduzierten sich ihre Bezüge faktisch auf die Festvergütung. Die Freistellungsklausel sei unter der Überschrift "Vertragsdauer" überraschend und deshalb nicht Vertragsbestandteil geworden. - Es bestehe auch ein Verfügungsgrund, da der Verfügungsklägerin wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten nahezu unwiederbringlich verloren gingen. Die Anforderungen an einen Neurochirurgen bestünden in besonderem Maße auch in der Präzision, der Fingerfertigkeit und manuellen Geschicklichkeit sowie in der durch jeden operativen Eingriff wachsenden Erfahrung. Die Verfügungsklägerin befinde sich, anders als junge Ärzte, die aufgrund der Elternzeit pausierten, auf dem Zenit ihrer Fertigkeiten und Erfahrungen; daher sei ihr Verlust an Fertigkeiten höher und weniger schnell wiedergewinnbar. Der Ruf der Verfügungsklägerin leide unter der Freistellung. Ihrem Ehemann, der als Orthopäde niedergelassen sei, habe eine Patientin das Gerücht zugetragen, die Verfügungsklägerin sei aus der Klinik von Polizeibeamten "abgeführt" worden. Die isolierte Fortführung der Privatambulanz sei für die Verfügungsklägerin nicht möglich und besitze keinerlei Wert für sie; die Verfügungsbeklagte habe ihr jeglichen Kontakt zu den Mitarbeitern untersagt, falls sie ihre Nebentätigkeiten wieder aufnehme. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an den Verfügungsgrund in einem proportionalen Verhältnis zur Offenkundigkeit der Verletzung des vertraglichen Beschäftigungsanspruchs stünden. Wenn, wie im Streitfall, die Maßnahme des Arbeitgebers offensichtlich rechtswidrig sei, könne dies bereits den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen. Der Anspruch auf Beschäftigung gehe durch Zeitablauf unwiederbringlich verloren, und zwar für einen erheblichen Zeitraum von sieben Monaten, der die Dauer des Jahresurlaubs deutlich überschreite.



    Entscheidungsgründe



    I.



    Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig.



    Die Verfügungsbeklagte hat die Berufung insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründet.



    II.



    Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.



    Der Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt nicht in Betracht. Dabei lässt das Berufungsgericht offen, ob ein Verfügungsanspruch, also ein vertraglicher Anspruch der Verfügungsklägerin auf tatsächliche Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, besteht oder ob diesem Anspruch die auf § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages gestützte Freistellungserklärung der Verfügungsbeklagten entgegensteht. Es fehlt jedenfalls am erforderlichen Verfügungsgrund.



    1. Eine einstweilige Verfügung kann nur ergehen, wenn ein so genannter Verfügungsgrund besteht.



    a) Nach den Bestimmungen der §§ 935 ff. ZPO kommt der Erlass einer einstweiligen Verfügung nur in Betracht, wenn es sich um eine dringliche Angelegenheit handelt und die Entscheidung im Eilverfahren erforderlich ist. Bei einer Sicherungsverfügung gemäß § 935 ZPO muss die objektive Gefahr bestehen, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Eine Regelungsverfügung gemäß § 940 ZPO setzt voraus, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. In beiden Fällen sind an den Verfügungsgrund dann besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn die begehrte Eilentscheidung Ansprüche nicht nur sichern, sondern (teilweise) befriedigen soll, wenn also durch die einstweilige Verfügung die Hauptsache ganz oder zumindest teilweise vorweg genommen wird und insoweit endgültige Verhältnisse geschaffen werden (LAG Hamm, Urteil v. 29.10.2009 - 11 SaGa 28/09; LAG Nürnberg, Urteil v. 12.09.2007 - 4 Sa 586/07, ZTR 2008, 109; Vossen, in: GK-ArbGG, Stand: April 2012, § 62 Rdnr. 64; Germelmann, in: Germelmann/Matthes/Prütting, 8. Aufl. 2013, § 62 ArbGG Rdnr. 97, jew. m. w. N.). Eine solche Leistungs- oder Befriedigungsverfügung erstrebt die Verfügungsklägerin, da die begehrte tatsächliche Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht wieder rückabgewickelt werden kann.



    b) Zwar ist anerkannt, dass der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung auch im Wege einer Leistungsverfügung nach § 940 ZPO durchgesetzt werden kann (vgl. nur Vossen, in: GK-ArbGG, § 62 Rdnr. 69a). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ein besonderes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers besteht, das den Erlass einer Leistungsverfügung rechtfertigt (LAG Hamburg, Urteil v. 24.07.2013 - 5 SaGa 1/13; LAG Hessen, Urteil v. 20.03.2013 - 18 SaGa 75/13; Baur, in: Dunkl/Möller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Auflage 1998, S. 275 f).



    Ein Verfügungsgrund folgt nicht bereits daraus, dass der Beschäftigungsanspruch der Verfügungsklägerin durch Zeitablauf unmöglich wird. Allein die nicht rechtzeitige Durchführbarkeit des Hauptsacheverfahrens und der daraus folgende Untergang des Beschäftigungsanspruchs für die jeweiligen Arbeitstage kann nicht den Verfügungsgrund ersetzen (LAG Hamburg, Urteil v. 24.07.2013 - 5 SaGa 1/13; LAG Köln, Urteil v. 13.05.2005 - 4 Sa 400/05; Schrader, BB 2012, 445, 446 f.; Vossen, in: GK-ArbGG, § 62 Rdnr. 69a, jeweils m. w. N.). Dem stehen die besonderen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 940 ZPO entgegen. Zwar trifft es zu, dass die nicht termingerechte Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs für die Verfügungsklägerin einen endgültigen Rechtsverlust bedeutet. Jedoch ist andererseits zu berücksichtigen, dass die Verfügungsbeklagte bei Erlass der begehrten Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung wegen des späteren Zeitablaufs nicht die Möglichkeit hat, im Hauptsacheverfahren die vollzogene einstweilige Verfügung rückgängig zu machen.



    2. An einem solchen besonderen Beschäftigungsinteresse der Verfügungsklägerin fehlt es.



    a) Das Erfordernis eines besonderen Beschäftigungsinteresses entfällt nicht aufgrund der Überlegung, dass die Rechtslage eindeutig ist und der Beschäftigungsanspruch der Verfügungsklägerin unzweifelhaft besteht.



    Wenn der Verfügungsanspruch keinen rechtlichen Bedenken begegnet, sind keine besonderen Anforderungen an den Verfügungsgrund zugunsten des die Weiterbeschäftigung begehrenden Arbeitnehmers zu stellen, denn ein berechtigtes Interesse des Arbeitsgebers an der Aufrechterhaltung eines offenkundig rechtswidrigen Zustandes ist nicht anzuerkennen (LAG Hessen, Urteil v. 28.06.2010 - 16 SaGa 811/10; LAG Hamm, Urteil v. 08.11.2004 - 8 Sa 1798/04; LAG Köln, Urteil v. 14.06.1997 - 4 Sa 177/96; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2. Auflage 2007, Rdnr. 94 m. w. N.). Es ist aber nicht offensichtlich, dass ein Beschäftigungsanspruch der Verfügungsklägerin besteht. Zwar trifft den Arbeitgeber im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht nur die Pflicht, den Arbeitnehmer zu vergüten, sondern auch die Pflicht zur tatsächlichen Beschäftigung (vgl. nur Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, § 611 BGB, Rdnr. 563 ff. m. w. N.). Im Streitfall gibt es indes eine vertragliche Regelung zur Suspendierung der Beschäftigungspflicht. Die Verfügungsbeklagte stellte die Verfügungsklägerin unter Berufung auf die Regelung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages frei. Dass diese Regelung der Verfügungsbeklagten keine Freistellungsbefugnis gewährt, ist jedenfalls nicht offenkundig. Dies gilt für die Wirksamkeit der Klausel an sich (dazu nachfolgend unter aa) und auch für die Ausübung des Freistellungsrechts (dazu nachfolgend unter bb).



    aa) Die Freistellungsklausel in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages ist nicht aufgrund der §§ 305 ff. BGB evident unwirksam.



    (1) Es spricht bereits einiges dafür, dass die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB über die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen auf den Dienstvertrag, der zwischen den Parteien abgeschlossen wurde, nicht anwendbar sind.



    Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB findet eine AGB-Kontrolle jedenfalls dann nicht statt, wenn der Vertragsgegner auf den Inhalt vorformulierter Vertragsbedingungen Einfluss nehmen konnte. Als individuelle Vertragsabrede wäre die Bestimmung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages keinen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Individualvereinbarungen über Freistellungsbefugnisse des Arbeitgebers nach dem Ausspruch einer Kündigung sind zulässig (vgl. nur Mues, ArbRB 2009, 214).



    Die Möglichkeit der Einflussnahme setzt voraus, dass der Verwender den gesetzesfremden Kerngehalt seiner AGB bzw. vorformulierten Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt; das Merkmal des Einflussnehmens in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB entspricht dem "Aushandeln" in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB (dazu und zum Folgenden: BAG, Urteil v. 12.12.2013 - 8 AZR 829/12, Urteil v. 19.05.2010 - 5 AZR 253/09). Die Möglichkeit der Einflussnahme ist nicht bereits dann auszuschließen, wenn der vorformulierte Text bestehen bleibt. In aller Regel schlägt sich eine Bereitschaft zum Aushandeln zwar in Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Bleibt es nach Erörterung bei dem vorformulierten Text, weil der Betroffene nunmehr mit diesem einverstanden ist, so kann der Vertrag gleichfalls als das Ergebnis eines Aushandelns betrachtet werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu eventuell gewünschten Abänderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dass dies dem anderen Teil bei Abschluss des Vertrags bewusst war. Die Möglichkeit der Einflussnahme muss sich dabei auf die konkrete Klausel beziehen, deren Anwendbarkeit oder Auslegung im Streit steht. Vorformulierte Bedingungen in einem Vertragswerk, die nicht ausgehandelt wurden, sind weiterhin am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu messen. Dies folgt aus der Verwendung des Wortes "soweit" in § 305 Abs. 1 Satz 3 und § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Ist die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, muss der Verwender - nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast - den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er Klauseln zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die Klauseln freiwillig akzeptiert.



    In der Praxis kommt es vor dem Abschluss von Chefarztverträgen regelmäßig zu Vertragsverhandlungen (dazu Münzel, NZA 2011, 886, 887 ff.). Auch im vorliegenden Fall fanden - unstreitig - Vertragsverhandlungen vor Abschluss des Dienstvertrages vom 10.03.2008 statt. Die Verfügungsklägerin hatte Gelegenheit, das Vertragswerk durch einen Rechtsberater überprüfen zu lassen; sie hatte auch zahlreiche Änderungsvorschläge in die Vertragsverhandlungen eingebracht. Dass diese Änderungsvorschläge nur zu einem geringen Teil durchsetzbar waren, ändert an der Möglichkeit der Einflussnahme nichts. Auch der Umstand, dass die Parteien keine Verhandlungen über den Inhalt der Regelung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages führten, steht einer Einflussnahmemöglichkeit der Verfügungsklägerin nicht entgegen.



    Ob die Verfügungsbeklagte nähere Umstände der Vertragsverhandlungen, zur Möglichkeit eines Aushandelns und zur Bereitschaft, bestimmte im Vertragsentwurf vorgesehene Klauseln zur Disposition zu stellen, hätte vortragen müssen, mag offen bleiben. Es wäre jedenfalls eine bloße Förmelei, die Verfügungsbeklagte als Verwenderin eines Vertragsmusters zu verpflichten, die Verfügungsklägerin im Hinblick auf jedwede Vertragsbestimmung zu befragen, ob eine Änderung gewünscht sei. Weil die Verfügungsklägerin sich auf die Vertragsverhandlungen durch eine rechtsgutachterliche Stellungnahme vorbereitet hatte, die den Vertragsverhandlungen zugrunde lag, neigt das Berufungsgericht der Auffassung zu, dass die Verfügungsbeklagte sich darauf verlassen durfte, die Verfügungsklägerin werde die Punkte ansprechen, die sie für verhandelnswert erachtet.



    (2) Aber auch dann, wenn man zugunsten der Verfügungsklägerin davon ausgeht, dass die Bestimmung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages als Allgemeine Geschäftsbedingung einer besonderen Rechtskontrolle unterliegt, ist es nicht offenkundig, dass diese Klausel der Verfügungsbeklagten kein Freistellungsrecht verleiht und ein Beschäftigungsanspruch besteht.



    (a) Die Verfügungsklägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Klausel als überraschende Bestimmung im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil wurde.



    Eine überraschende Klausel (dazu Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, §§ 305 - 310 BGB Rdnr. 29 m. w. N.) liegt vor, wenn die vertragliche Bestimmung objektiv ungewöhnlich ist und der andere Teil mit der Klausel nicht zu rechnen braucht. Die Regelung muss von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweichen, ihr muss ein "Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt" innewohnen.



    Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf die im Streitfall vertraglich vereinbarte Freistellungsklausel nicht vor. Freistellungsklauseln im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung entsprechen einer weit verbreiteten Übung in der arbeitsvertraglichen Praxis. Die Bestimmung ist im Dienstvertrag auch nicht an einer Stelle "versteckt", an der sie ein vernünftiger Vertragspartner nicht erwarten würde. Es besteht ein systematischer Regelungszusammenhang zwischen der Vertragsdauer (Überschrift des § 21), der Kündigungsmöglichkeit (§ 21 Abs. 2 und 3) und der Vereinbarung des Freistellungsrechts nach Ausspruch einer Kündigung (§ 21 Abs. 5). Außerhalb der Regelung des § 21 enthält der Dienstvertrag keine Bestimmungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.



    (b) Die Freistellungsklausel in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages ist nicht gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.



    Es handelt sich nicht um eine Vereinbarung, durch die der Arbeitgeber als Klauselverwender das Recht erhält, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen. Die Freistellung ist nicht als Modifikation der arbeitgeberseitigen Leistungspflicht anzusehen, sondern als ein Verzicht des Arbeitgebers auf die Annahme der Gegenleistung (Mengel, in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 2. Auflage 2011, § 1 Rdnr. 1732).



    (c) Die Freistellungsklausel ist nach § 307 Abs. 1 BGB jedenfalls nicht offenkundig unwirksam.



    (aa) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet an, dass Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Ob Freistellungsklauseln eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen, ist umstritten.



    Nur vereinzelt begegnet man der Ansicht, Freistellungsklauseln seien generell unzulässig (Fischer, NZA 2004, 233). Häufiger wird die Auffassung vertreten, die vertraglich vereinbarte Freistellungsmöglichkeit nach dem Ausspruch einer Kündigung sei grundsätzlich rechtswirksam (LAG Hamburg, Urteil v. 22.10.2008 - 5 SaGa 5/08; LAG Köln, Urteil v. 20.02.2006 - 14 (10) Sa 1394/05; LAG Hamm, Urteil v. 03.02.2004 - 19 Sa 120/04; LAG München, Urteil v. 14.03.2003 - 6 Sa 184/03, Urteil v. 07.05.2003 - 5 Sa 297/03 [für Freistellung außertariflicher Mitarbeiter]; Bauer, NZA 2007, 409, 412 [er ist der Ansicht, die Kündigung bilde einen sachlichen Grund für die Freistellung]; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Kreitner, in: Personalhandbuch 2012, Stichwort "Freistellung von der Arbeit" Rn. 16; Mengel, in: Hümmerich/Reufels, 2. A. 2011, § 1 Rn. 1751, 1757, 1732). Andere meinen, vorformulierte Freistellungsklauseln seien nur wirksam, falls - über den Ausspruch der Kündigung hinausgehend - ein besonderes Freistellungsinteresse des Arbeitgebers vorliege und in der Klauselformulierung wiedergegeben sei (LAG Hamburg, Urteil v. 24.07.2013 - 5 SaGa 1/13; LAG Hessen, Urteil v. 14.03.2011 - 16 Sa 1677/10, Urteil v. 20.03.2013 - 18 SaGa 75/13; Krause, NZA Beil. 1/2005, 62 f. [der aber für einen großzügigen Maßstab bei leitenden Angestellten eintritt]; Ohlendorf/Salomon, NZA 2008, 851, 859 f.; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 611 BGB Rn. 570 m. w. N.)



    Das Berufungsgericht lässt es offen, welcher Ansicht zu folgen ist. Es spricht freilich einiges dafür, dass ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers nach dem Ausspruch einer Kündigung jedenfalls dann auch formularmäßig vereinbart werden kann, wenn es sich beim Arbeitnehmer um einen Mitarbeiter in leitender herausgehobener Stellung handelt (so auch LAG München, Urteil v. 07.05.2003 - 5 Sa 297/03; LAG Köln, Urteil v. 13.05.2005 - 4 Sa 400/05; ähnlich LAG Hamburg, Urteil v. 24.07.2013 - 5 SaGa 1/13). Zwar wird das Recht des Arbeitnehmers, seinen Beschäftigungsanspruch geltend zu machen, durch einen formularmäßigen Vorausverzicht eingeschränkt. Für ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers nach dem Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem Mitarbeiter, der - wie die Verfügungsklägerin als Chefärztin - in leitender und herausgehobener Stellung tätig ist, spricht jedoch, dass durch die Freistellung mögliche Loyalitätsprobleme und Interessenkollisionen verhindert werden (LAG Hamm, Urteil v. 03.02.2004 - 19 Sa 120/04). Die praktische Erfahrung zeigt, dass ein Arbeitsverhältnis nach dem Ausspruch einer Kündigung häufig belastet ist (vgl. Schrader, BB 2012, 445: "Motivation niedrig, Fehlzeitenquote hoch"). Die Tatsache des Kündigungsausspruchs an sich führt beiderseitig in der Regel zu einer Vertrauenseinbuße und zu Spannungen (LAG Hessen, Urteil v. 27.07.2013 - 18 SaGa 75/13). Dieser Umstand vermag jedenfalls das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters in herausgehobener und leitender Position, das in besonderem Maße auf eine belastbare Vertrauensgrundlage angewiesen ist, nachhaltig zu stören, und zwar unabhängig davon, ob die Kündigung aus verhaltens-, betriebs- oder personenbedingten Gründen erklärt wurde.



    Ist die Freistellung - wie im Streitfall - ausdrücklich unter Vergütungsfortzahlung vorgesehen, tritt eine Gefährdung des Vertragszwecks gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht ein (Mengel, in: Hümmerich/Reufels, § 1 Rdnr. 1732). Denn der Hauptvertragszweck, die Sicherung der Existenzgrundlage durch die Vergütungszahlung, wird durch die Freistellung nicht tangiert.



    Angesichts des uneinheitlichen Meinungsbildes in Rechtsprechung und Literatur kann die Rechtslage keinesfalls so bewertet werden, dass die vereinbarte Freistellungsklausel offenkundig unwirksam ist; vielmehr muss die Rechtslage als zweifelhaft gelten. Bei einer schwierigen und ungeklärten Rechtslage sind die Anforderungen an den Verfügungsgrund jedoch nicht abzuschwächen (LAG Köln, Urteil v. 13.05.2005 - 4 Sa 400/05, Urteil v. 14.06.1996 - 4 Sa 177/96; Dunkl in Dunkl/Möller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 129 f.). Eine Entscheidung im Eilverfahren der einstweiligen Verfügung ist nicht geeignet, schwierige und grundsätzliche Rechtsfragen zu klären. Die Entscheidung im Eilverfahren dient nur der vorläufigen Sicherung von Rechten, ist auf eine summarische Prüfung beschränkt und unterliegt nicht der Revision (§ 72 Abs. 4 ArbGG).



    (bb) Durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit der Freistellungsklausel ergeben sich nicht aus dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.



    Die vertragliche Regelung ist in sich klar und verständlich. Das Freistellungsrecht gemäß § 21 des Dienstvertrages besteht nur, falls zuvor eine Kündigung ausgesprochen wird. Andere Freistellungsgründe kommen nicht in Betracht. Ob es zulässig ist, die Freistellung allein vom Ausspruch einer Kündigung abhängig zu machen, ist kein Problem der Transparenz, sondern hängt von der (umstrittenen) Frage einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ab.



    bb) Gegen die wirksame Ausübung des Freistellungsrechts durch die Verfügungsbeklagte bestehen bei summarischer Prüfung keine Bedenken.



    (1) Die Verfügungsbeklagte hat die für eine Freistellung der Verfügungsklägerin erforderliche Kündigung mit dem Schreiben vom 27.11.2014 erklärt. Diese Kündigung ist nicht offensichtlich rechtsunwirksam.



    Nach § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages besteht das Freistellungsrecht für (jeden) Fall der Kündigung. Der Ausspruch einer offensichtlich unwirksamen Kündigung vermag jedoch ein Freistellungsrecht nicht zu begründen (so auch LAG München, Urteil v. 07.05.2003 - 5 Sa 297/13; LAG Hamm, Urteil v. 03.02.2004 - 19 Sa 120/04). Das ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB.



    Offensichtlich unwirksam ist eine Kündigung nur dann, wenn sich aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der sich aus dem Parteivortrag ergibt, die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss (BAG GS, Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84), wenn etwa der Kündigende sie auf Umstände stützen will, die schon auf den ersten Blick nicht geeignet sind, einen Kündigungsgrund darzustellen. So verhält es sich im Streitfall nicht. Die Verfügungsbeklagte stützt die Kündigung auf Gründe im Verhalten der Verfügungsklägerin. Sie hat im Schreiben vom 10.11.2014, das nebst Anlagen dem Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 05.01.2015 beigefügt war, die Mitarbeitervertretung über verschiedene Verhaltensweisen der Verfügungsklägerin informiert, die nach Auffassung der Verfügungsbeklagten Vertragspflichtverletzungen darstellen und das Vertrauensverhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und der Geschäftsführung nachhaltig zerstörten. Ob diese rechtliche Wertung zutreffend ist und ob die Kündigung den Anforderungen nach § 21 Abs. 3 des Dienstvertrages genügt, muss im vorliegenden Eilverfahren nicht geklärt werden. Die Wertung der Verfügungsbeklagten ist jedenfalls nicht evident unzutreffend, zumal die Verfügungsklägerin mit dem Schreiben vom 19.05.2014 abgemahnt wurde und die Kündigung auch auf zeitlich später liegende Vorkommnisse gestützt werden soll.



    Die Kündigung ist auch nicht wegen offensichtlich fehlerhafter Beteiligung der Mitarbeitervertretung unwirksam. Das Berufungsgericht schließt sich insoweit der rechtlichen Bewertung durch das Arbeitsgericht an. Der Mitarbeitervertretung steht zwar im Hinblick auf die Kündigung ein (eingeschränktes) Mitbestimmungsrecht gemäß §§ 42 Buchst. b, 41 Abs. 3 MVG zu. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung gilt im Streitfall jedoch nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG als erteilt. Die Verfügungsbeklagte hatte die Mitarbeitervertretung mit dem Schreiben vom 10.11.2014 über die Kündigungsgründe informiert und um Zustimmung zur Kündigung gebeten. Die Mitarbeitervertretung widersprach der Kündigung nicht und verlangte auch keine weitere Erörterung, sondern teilte unter dem 18.11.2014 mit, sie halte sich nicht für zuständig. Die Kündigung vom 27.11.2014 wurde erst nach Ablauf der Zweiwochenfrist des § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG erklärt.



    (2) Die Freistellung der Verfügungsklägerin verletzt nicht die Grenzen des billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB).



    Der Arbeitgeber darf von einem vertraglich vereinbarten Freistellungsrecht nur nach billigem Ermessen Gebrauch machen (LAG Köln, Urteil v. 13.05.2005 - 4 Sa 400/05; LAG Hamm, Urteil v. 03.02.2004 - 19 Sa 120/04; LAG München, Urteil v. 07.05.2003 - 5 Sa 297/03; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Thüsing, in: Henssler/Willemsen/Kalb, 5. Auflage 2012, § 611 BGB Rdnr. 176). Die Ausübung billigen Ermessens setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden (vgl. Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 106 GewO Rn. 6 m. w. N.). Im Streitfall ergibt sich aus der erforderlichen Abwägung, dass die Interessen der Verfügungsbeklagten an der Freistellung der Verfügungsklägerin überwiegen.



    (a) Die Verfügungsbeklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, die Verfügungsklägerin während der Kündigungsfrist nicht zu beschäftigen.



    Die Verfügungsbeklagte nahm zu Recht an, dass während der Kündigungsfrist die Kooperation zwischen der Verfügungsklägerin und der Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten sowie anderen in leitender Funktion tätigen Ärzten nicht in der Art und Weise möglich sein würde, wie es für einen ordnungsgemäßen Ablauf des Krankenhausbetriebes erforderlich ist. Es bestanden bei Ausspruch der Kündigung erhebliche Spannungen, die jedenfalls auch auf das Verhalten der Verfügungsklägerin zurückzuführen waren.



    Diese Spannungen ergeben sich recht deutlich aus der E-Mail-Korrespondenz, die zwischen der Verfügungsklägerin und dem Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie im Juni 2014 hinsichtlich der Zusammenarbeit der Kliniken bei der Neuaufnahme von "Wirbelsäulen-Patienten" geführt wurde (Anlagen 14 ff. zum Anhörungsschreiben an die Mitarbeitervertretung vom 10.11.2014). Die Verfügungsklägerin sah offenbar den Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie als Konkurrenten an, zu dem ein kollegiales Verhältnis aufzubauen ihr schwer fiel. So heißt es in dem Schreiben vom 23.05.2013, das die Verfügungsklägerin an die Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten richtete (Anlage 13 zum Anhörungsschreiben an die Mitarbeitervertretung vom 10.11.2013), dass die Mitteilung der Geschäftsführung, für die gesamte Wirbelsäulenchirurgie sei die unfallchirurgische Klinik federführend, "wie eine Bombe" eingeschlagen habe (Seite 3 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013). Vorab hatte sich die Verfügungsklägerin darüber beschwert, sie werde seit "ca. 1 Jahr systematisch nicht mehr ausreichend einbezogen in die Gespräche und strategischen Planungen der Zukunft der neurochirurgischen Klinik", sie sei auch im Hinblick auf die Besetzung der Chefarztstelle für die unfallchirurgische Klinik "in die Abfassung des Ausschreibungstextes [...] nicht einbezogen und über den Inhalt dessen nicht informiert" worden (Seite 1 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013). Ihr sei "klar geworden, dass hier bewusst [...] eine Verschiebung der Erlöse der Wirbelsäulenchirurgie von der Neurochirurgie in die Unfallchirurgie [...] vorlag". Dazu passt es, dass eine gemeinsame Verfahrensanweisung zur Zusammenarbeit beider Kliniken nicht einvernehmlich zustande kam, sondern durch die Geschäftsführung der Beklagten erstellt werden musste. Aus Sicht der Verfügungsklägerin handelte es sich bei den Gesprächen, die zuvor zwischen Mitarbeitern beider Kliniken stattfanden, um ein "formelles Pseudo-Mitrederecht" (Seite 4 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Verfügungsklägerin mit der E-Mail vom 05.09.2014 einen Leistungszahlenplan für das Jahr 2015 übermittelte, aus dem sich eine drastische Leistungsverminderung ergibt. Zur Begründung führte die Verfügungsklägerin aus, die Minderung ergebe sich "aus den zunehmenden Verschiebungen der Wirbelsäulenoperation in die Unfallchirurgie" (Anlage 17 zum Anhörungsschreiben an die MAV vom 10.11.2013). Nachdem die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin mit dem Schreiben vom 20.10.2014 eine andere Einschätzung im Hinblick auf die Fallzahlen nahelegte und darauf hinwies, es bestünde keine Veranlassung, von einer Leistungsminderung auszugehen, nahm die Verfügungsklägerin mit dem Schreiben vom 28.10.2014 ihre vorherige Einschätzung zurück. Aus Sicht des Berufungsgerichts ist es naheliegend, die E-Mail der Verfügungsklägerin vom 05.09.2014, die sich über eine Leistungsminderung verhält, als Trotzreaktion auf eine so empfundene Degradierung und Bevorzugung der unfallchirurgischen Klinik anzusehen. Wie die Verfügungsklägerin zu der sich aus der E-Mail vom 05.09.2014 ergebenden Einschätzung hinsichtlich der Fallzahlen kam, ist anderweitig nicht erläutert worden.



    Erhebliche Spannungen bestanden offenbar auch zwischen der Verfügungsklägerin und Herrn Prof. Dr. N1, dem ärztlichen Direktor und medizinischen Berater der Geschäftsführung. Im Schreiben vom 23.05.2013 wirft die Verfügungsklägerin ihm vor, und "üble Dinge" über ihre Person und die neurochirurgische Abteilung zu verbreiten; es sei bekannt, dass von Prof. Dr. N1 an ihrem "Stuhl gesägt werde" (Seite 9 des Schreibens). Auf Seite 10 des Schreibens vom 23.05.2013 führt die Verfügungsklägerin aus, die postoperative Betreuung der neurochirurgischen Patienten müsse heutzutage dank verbesserter mikrochirurgischer Operationstechniken und anästhesiologischer Fortschritte nicht mehr intensivmedizinisch mit Beatmungsmöglichkeit erfolgen; sie vermutet, diese Entwicklung sei Herrn Prof. Dr. N1 ein großer Dorn im Auge und "auch [...] aus ökonomischer Sicht nicht in seinem Sinne" gewesen. Selbst die Mitarbeiter der anästhesiologischen Abteilung hätten immer wieder mitgeteilt, dass sie unter der Voreingenommenheit von Herrn Prof. Dr. N1 gegenüber der Person der Verfügungsklägerin und insgesamt dieser negativen Einstellung gegenüber der neurochirurgischen Klinik litten und sein Verhalten nicht verstünden (Seite 11 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013). Die Verfügungsklägerin sieht "die Entwicklung der die neurochirurgische Klinik tangierenden Ereignisse im Jahr 2013 im Zusammenhang des offensichtliche, gewollten oder nicht gewollten Benachteiligung wegen der Herkunft und/oder des Geschlechts und der Rufschädigung [...] als Chefärztin der neurochirurgischen Klinik von Herrn Prof. Dr. N1 in seiner Funktion als medizinischer Berater der Geschäftsführung und ärztlicher Direktor" (Seite 13 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013). In einem an die Geschäftsführung gerichteten Scheiben derartige Vorwürfe gegenüber einem Kollegen zu erheben, ist geeignet, die Basis für eine kollegiale Zusammenarbeit nachhaltig zu stören, zumal, wenn Diskriminierungsvorwürfe ohne Tatsachensubstanz in den Raum gestellt werden. Auch aus der Sichtweise der Verfügungsklägerin scheint die Zusammenarbeit gestört zu sein: Sie spricht am Ende ihres Schreibens vom 23.05.2013 davon, "wieder" eine Atmosphäre in der Klinik zu schaffen, in der "wir in Ruhe unseren Pflichten dem EvKC und damit unseren Patienten gegenüber im diakonischen Sinne nachkommen können" (Seite 21 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013).



    Das Verhältnis zur Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten war ebenfalls belastet, wie die anwaltliche Korrespondenz im Vorfeld und im Zusammenhang mit der Abmahnung der Verfügungsklägerin belegt. Die Verfügungsklägerin brachte sogar in einem Telefonat vom 06.08.2014 zum Ausdruck, die anstehende Überprüfung der Arbeitszeiten des ärztlichen Dienstes der Klinik für Neurochirurgie und der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes könne eventuell auch von der Geschäftsführung angestoßen sein.



    Angesichts all dieser Umstände durfte die Verfügungsbeklagte berechtigterweise davon ausgehen, nach dem Ausspruch der Kündigung und der (weiteren) Belastung des Vertragsverhältnisses durch den Kündigungsschutzprozess sei eine konstruktive Zusammenarbeit kaum noch möglich. Jedenfalls dann, wenn es sich um einen Arbeitnehmer handelt, der - wie die Verfügungsklägerin - in einer herausgehobenen leitenden Position als Chefarzt beschäftigt wird, ergibt sich daraus ein anerkennenswertes Freistellungsinteresse des Arbeitgebers.



    (b) Demgegenüber fehlt es an Umständen, die das Beschäftigungsinteresse der Verfügungsklägerin in besonderer Weise stützen könnten.



    Anhaltspunkte dafür, dass die Verfügungsklägerin infolge der Freistellung berufliche Fähigkeiten und Fertigkeiten als Neurochirurgin verliert, liegen nicht vor. Die Verfügungsbeklagte hat insoweit überzeugend auf andere Ereignisse verwiesen, die - wie die Freistellung - ebenfalls dazu führen können, dass ein Arzt seiner chirurgischen Tätigkeit über eine längere Zeit hinweg nicht nachgehen kann (Erziehungsurlaub, Krankheit, Forschungsprojekte), ohne dass es insoweit zu einem Verlust von beruflichen Kompetenzen kommt. Im Hinblick auf die besonderen Anforderungen der neurochirurgischen Tätigkeit ist nicht ersichtlich, dass es dort zu einem eher und nachhaltiger stattfindenden Verlust von Kenntnissen und Fähigkeiten kommt. Die Verfügungsbeklagte hat zu dieser Frage durch Vorlage einer Stellungnahme von Prof. Dr. T Stellung genommen (Anlage 6 zum Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 05.02.2015). Die Verfügungsklägerin ist dem nicht hinreichend konkret entgegengetreten. Gerade dann, wenn sich die Verfügungsklägerin, wie sie es für sich in Anspruch nimmt, auf dem "Zenit ihrer Fertigkeiten" befindet, wird eine Unterbrechung der Tätigkeit für den Zeitraum von einem halben Jahr keine erheblichen Auswirkungen haben. Die Verfügungsbeklagte hat insoweit auch unwidersprochen vorgetragen, der Vorgänger der Verfügungsklägerin habe als Neurochirurg im Alter von 55 Jahren fast ein halbes Jahr pausieren müssen, habe jedoch im Anschluss daran problemlos wieder seine Tätigkeit als Operateur aufnehmen können. Das gleiche ergibt sich aus der Stellungnahme des Prof. Dr. M, die die Verfügungsbeklagte als Anlage 5 zur Berufungsbegründung zu den Akten gereicht hat. Dort ist von einer Neurochirurgin die Rede, die sich zwei Jahre zur Weiterbildung in Kanada aufhielt und im Anschluss daran zügig wieder als Oberärztin integriert worden ist. Auch hierzu hat die Verfügungsklägerin sich nicht konkret erklärt und Gegenteiliges nicht glaubhaft gemacht.



    Die Verfügungsklägerin kann auch nicht geltend machen, sie werde durch die Freistellung von Änderungen im Hinblick auf den Stand der Wissenschaft und die Medizintechnik ausgeschlossen. Nachdem die Verfügungsbeklagte vorgebracht hat, in den letzten sechs Jahren seien allenfalls zwei solche Neuerungen zu verzeichnen gewesen, hat die Verfügungsklägerin keinen näheren Vortrag hierzu mehr gehalten. Aus der Stellungnahme von Prof. Dr. T ergibt sich insoweit, dass Neuerungen auf Kongressen und in Fachzeitschriften vorgestellt werden und neue Operationstechniken keineswegs sofort in den Routine-Klinikbetrieb übernommen werden. Diesen nachvollziehbaren Ausführungen ist die Verfügungsklägerin nicht konkret entgegengetreten.



    Wenn die Verfügungsklägerin vorbringt, durch die Freistellung verliere sie den Kontakt zu Krankenhausärzten und Behörden, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass notwendige Kontakte zu anderen Ärzten auch gepflegt werden können, wenn sie nicht als Chefärztin tätig ist. Inwieweit Kontakte zu Behörden für die Verfügungsklägerin notwendig sind, hat sie von vornherein nicht dargelegt.



    Für das Berufungsgericht ist nicht ersichtlich, dass die Freistellung der Verfügungsklägerin zu einer Schädigung ihres beruflichen Ansehens geführt hat oder führen wird. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Verfügungsbeklagte über die Freistellung hinaus Äußerungen oder andere Handlungen unternahm, die geeignet gewesen wären, die berufliche Reputation der Verfügungsklägerin zu beeinträchtigen. Weil die Freistellung von Arbeitnehmern nach dem Ausspruch der Kündigung in der Arbeitswelt häufig zu beobachten ist, bedarf es besonderer Umstände, die die Feststellung begründen könnten, dass nicht durch den Ausspruch der Kündigung, sondern die sich anschließende Freistellung eine Schädigung des beruflichen Ansehens eintritt. Solche Umstände liegen im Streitfall nicht vor. Soweit die Verfügungsklägerin vorbringt, ihr Ehemann sei mit Mutmaßungen über die Umstände des Ausscheidens der Verfügungsklägerin konfrontiert worden, ist dem zu entgegnen, dass die Verfügungsbeklagte auf Entstehung und Verbreitung derartiger (hanebüchener) Gerüchte keinen Einfluss hat.



    Es kann offen bleiben, ob der Gesichtspunkt der Betreuung von Dissertationen überhaupt im Zusammenhang mit der Frage der Verpflichtung zur vertragsgemäßen Beschäftigung der Verfügungsklägerin zu berücksichtigen ist. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, inwieweit die Verfügungsklägerin darauf angewiesen ist, als Chefärztin tätig zu sein, um die Dissertationen betreuen zu können. Die Verfügungsklägerin hat hierzu keinen näheren Vortrag gehalten.



    Die Verfügungsklägerin hat vorgebracht, es sei zu befürchten, dass sie aufgrund der Freistellung ihren Patientenstamm verlieren und einen neuen Patientenstamm aufbauen müsse. Damit lässt sich ein besonderes Beschäftigungsinteresse für die Verfügungsklägerin allerdings nicht begründen. Sie hat schon nicht näher dargelegt, welche konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich bestimmte Patienten von ihr aufgrund der Freistellung abwenden. Zudem steht zwischen den Parteien außer Streit, dass es der Verfügungsklägerin nicht untersagt ist, ihre Nebentätigkeiten im medizinischen Versorgungszentrum und hinsichtlich der Behandlung ambulanter Wahlleistungspatienten weiter auszuüben. Die Verfügungsbeklagte machte für die Verfügungsklägerin die Ausübung der Nebentätigkeit nicht dadurch unmöglich, dass sie die Kontaktaufnahme zu den Mitarbeitern verbot. Mit der E-Mail des Personaldirektors vom 22.01.2015 wurde die Verfügungsklägerin lediglich aufgefordert, den geordneten Dienstbetrieb in der Klinik nicht zu gefährden (auch nicht durch die Kontaktaufnahme zu den Mitarbeitenden). Eine generelle "Kontaktsperre" sprach die Verfügungsbeklagte nicht aus. Die Verfügungsklägerin hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt, sie gehe zwischenzeitlich ihrer Nebentätigkeit wieder nach und halte ihre Sprechstunde in den Räumen der Verfügungsbeklagten ab.



    Soweit die Verfügungsklägerin schließlich vorträgt, ihre Freistellung gereiche auch der Verfügungsbeklagten zum Nachteil, da Oberärzte wegen ihrer Freistellung bereits das Anstellungsverhältnis gekündigt hätten bzw. beabsichtigten zu kündigen, ist dem entgegenzuhalten, dass es Sache der Verfügungsbeklagten ist, darüber zu entscheiden, ob sie derartige (zwischen den Parteien streitige) Nachteile in Kauf zu nehmen bereit ist.



    (c) Wägt man die Interessen beider Parteien gegeneinander ab, so erweist sich das Freistellungsinteresse der Verfügungsbeklagten als vorrangig.



    Zwar wird die Verfügungsklägerin für einen nicht unerheblichen Zeitraum von mehr als sechs Monaten von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung freigestellt. Der Freistellungszeitraum entspricht jedoch der vertraglich vereinbarten (zugunsten der Verfügungsklägerin verlängerten) Kündigungsfrist nach § 21 Abs. 3 des Dienstvertrages. Es kommt hinzu, dass die Verfügungsklägerin unter Anrechnung von Resturlaubsansprüchen aus dem Jahr 2014 und ihrer Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2015 freigestellt wurde. Dadurch verringert sich der Zeitraum, in dem die Nichtbeschäftigung der Klägerin auf einer Freistellung nach § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages beruht. Die Verfügungsbeklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, dass der Urlaub während des Laufs der Kündigungsfrist genommen wird. Entgegenstehende persönliche Gründe der Verfügungsklägerin sind nicht vorgebracht worden. Die Verfügungsklägerin ist auch nicht aus finanziellen Erwägungen darauf angewiesen, ihren Beschäftigungsanspruch durchzusetzen. Die Freistellung erfolgte nämlich ausweislich der Kündigungserklärung vom 27.11.2014 ausdrücklich unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung (Monatsdurchschnitt der Jahre 2013 und 2014).



    b) Umstände, die ein den Verfügungsgrund tragendes besonderes Beschäftigungsinteresse begründen könnten, liegen im Streitfall nicht vor. Insoweit kann auf die Ausführungen unter II 2 a bb (2) (b) verwiesen werden.



    III.



    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Verfahrenskosten fallen der Verfügungsklägerin als unterlegener Partei zur Last.



    Die Revision ist nicht zulässig (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

    Vorschriften§ 305c Abs. 1 BGB, § 307 Abs. 1 BGB, §§ 305 ff. BGB, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, §§ 935 ff. ZPO, § 935 ZPO, § 940 ZPO, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, § 305 Abs. 1 Satz 3, § 308 Nr. 4 BGB, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, § 72 Abs. 4 ArbGG, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 162 Abs. 2 BGB, § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB, § 91 Abs. 1 ZPO