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  • 09.09.2021 · IWW-Abrufnummer 224590

    Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 23.07.2021 – 3 Sa 28/21

    Gehört die Leistung von Rufbereitschaftsdiensten zum Berufsbild des betroffenen Arbeitnehmers, so ist die Anordnung von Rufbereitschaftsdiensten grundsätzlich vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht im Sinne des § 106 GewO gedeckt.


    Tenor:
    1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 14.01.2021 - 2 Ca 971/20 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.


    2. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten um die Berechtigung der Beklagten, Zeiten der Rufbereitschaft inklusive "Zeitgutschrift" dem Jahresarbeitskonto der Klägerin zuzuführen, während die Klägerin für diese Zeiten ohne Erfassung im Arbeitszeitkonto gesondert Vergütung verlangt.



    Die Klägerin ist seit 1990 bei der nicht tarifgebundenen Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zuletzt als Anästhesieschwester auf der Grundlage des Änderungsvertrages vom 22.06.2000 (Bl. 49 - 52 d. A.) beschäftigt. Diesbezüglich beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit entgegen der Festlegung in § 2 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien 40 Stunden. Im Übrigen heißt es in dem Arbeitsvertrag vom 22.06.2000 - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:



    § 2 Arbeitszeit



    Ziffer 1



    ....



    Ziffer 2



    Der Mitarbeiter ist verpflichtet, Nacht-, Wechselschicht-/Sonntags-/Mehr-/und Überarbeit- zu leisten, soweit dies gesetzlich zulässig ist.



    § 3 Vergütung



    Ziffer 1



    Die Mitarbeiterin wird in die Vergütungsgruppe 08 Stufe 4 eingestuft.



    Ziffer 2



    Die Vergütung erfolgt entsprechend dem Tarifvertrag Ost über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes.



    § 4 Sonstige Regelungen



    Ziff. 1



    Sofern in diesem Änderungsvertrag nichts abweichendes geregelt ist, gelten für das Arbeitsverhältnis die Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-Arbeitsbedingungen) in ihrer jeweils gültigen Fassung.



    ...



    Zwischen den Parteien besteht - nach anderweitiger gerichtlicher Klärung - Einigkeit, dass nach Auslegung der Vertragsklauseln jedenfalls bzgl. der Vergütung kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der DRK-Reformtarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung findet. Die Klägerin ist danach gegenwärtig in der Entgeltgruppe P9 Stufe 6 DRK-Reformtarifvertrag eingruppiert. Bei den in § 4 des Änderungsvertrages genannten DRK-Arbeitsbedingungen handelt es sich um ein vom Bundesvorstand des DRK verabschiedetes Regelungswerk, welches zuletzt im Jahr 2002 geändert wurde.



    Die Klägerin arbeitet bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden regelmäßig in Tagesdiensten von Montag bis Freitag acht Stunden täglich. Sie hat aufgrund ihrer Schwerbehinderung die Beklagte gem. § 124 SGB IX gebeten, sie von jeglicher Form der Mehrarbeit freizustellen. Die Beklagte ist dem nachgekommen. Bei der Beklagten wird zur Aufrechterhaltung der Notbetreuung durch die Mitarbeiter/innen neben dem regelmäßigen Diensten - auch an Wochenenden - Rufbereitschaft geleistet, so auch durch die Klägerin. Diese Arbeitsorganisation wird in der Weise umgesetzt, dass die Beklagte der Klägerin an regelmäßig ein bis zwei Tagen in der Woche zum Ausgleich der Rufbereitschaftszeiten Freizeit gewährt. Neben ihren Tagesdiensten hat die Klägerin von Januar 2019 bis Juli 2020 Rufbereitschaft im Umfang von unstreitig 1.957,33 Stunden geleistet, an denen tatsächlich keine Arbeitsleistungen angefallen sind. Soweit in der Rufbereitschaft Arbeitsleistungen erbracht worden sind, sind diese als Vollarbeitszeit gewertet und in das Arbeitszeitkonto eingestellt worden. Diese Vollarbeitszeiten sind nicht Streitgegenstand dieser Klage. Die Parteien streiten hier vielmehr darum, dass die Beklagte die Rufbereitschaftszeiten im Umfang von 1.957,33 Stunden ohne Erbringung tatsächlicher Arbeitsleistung mit der tariflich vorgesehenen Faktorisierung dem Arbeitszeitkonto zugeführt hat, anstatt diese Zeiten - wie nach Auffassung der Klägerin rechtlich geboten - mit der entsprechenden Faktorisierung außerhalb und ohne Berücksichtigung des Jahresarbeitszeitkontos zu vergüten.



    Im Hinblick auf die vergütungstechnische Behandlung von Rufbereitschaftszeiten finden auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Bezugnahme in § 3 Abs. 2 des Änderungstarifvertrages vom 22.06.2000 folgende Regelungen des DRK-Reformtarifvertrages (künftig RTV) für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.07.2020 in der Fassung des 45. Änderungstarifvertrages vom 05.06.2018 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung:



    § 13 Sonderformen der Arbeit



    (4) Rufbereitschaft leistet der Mitarbeiter, der sich auf Anforderung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhält, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Rufbereitschaft wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Mitarbeiter vom Arbeitgeber mit einem Mobiltelefon oder einem vergleichbaren technischen Hilfsmittel ausgestattet wird.



    § 14 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit



    (2) Der Mitarbeiter erhält neben seinem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung bzw. deren Bewertung als Arbeitszeit gem. Abs. 10 und 11 Zeitzuschläge. Sie betragen:



    ...



    e) für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaftsdienst 25 von 100 des auf eine Stunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts der niedrigsten Stufe der jeweiligen Entgeltgruppe.



    ...



    (3) Für die Zeit des Bereitschaftsdienstes und der Rufbereitschaft einschließlich der geleisteten Arbeit werden Zeitzuschläge gem. Abs. 2 b, c bzw. d nicht geleistet.



    (11) Zum Zweck der Vergütungsberechnung wird die Zeit der Rufbereitschaft mit 12,5 % als Arbeitszeit gewertet und mit der Rufbereitschaftsdienstvergütung gem. Abs. 2 e vergütet. 12 Stunden geleistete Rufbereitschaft zählen als eine Rufbereitschaft im Sinne von S. 1. Abs. 10 S. 3 und S. 4 finden entsprechende Anwendung.



    (10) S. 3 und 4



    Diese Vergütung entfällt, soweit entsprechende Arbeitsbefreiung bis zum Ende des dritten Kalendermonats erteilt wird (Freizeitausgleich). Für den Freizeitausgleich ist eine angefangene halbe Stunde, die sich bei der Berechnung ergeben hat, auf eine halbe Stunde aufzurunden.



    ...



    Bei der Beklagten werden seit 2009 Arbeitszeitkonten für die Mitarbeiter - so auch für die Klägerin - geführt, welche zuletzt mit Betriebsvereinbarung vom 29.04.2015 inhaltlich ausgestaltet worden sind. In dieser Betriebsvereinbarung heißt es - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:



    Präambel



    Die nachstehende Betriebsvereinbarung dient der korrekten Erfassung flexibler Arbeitszeiten und ihrer zulässigen Ausgleichung unter Beachtung der Regelungen des Mindestlohngesetzes.



    Die Lage der Arbeitszeit und somit das Entstehen von Plus- oder Minusstunden bestimmt sich nach den mit den Mitarbeitern geschlossenen Arbeitsverträgen, den betrieblichen Dienstplänen, der unmittelbaren Anweisung von der Dienstvorgesetzten zur Erreichung von Überstunden in zulässiger Weise.



    ...



    Ziffer 2. Ausgleichszeitraum



    Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit wird ein Zeitraum von einem Jahr zur Grunde gelegt (§ 2 Abs. 2 S. 1 MiLoG) und läuft vom 01.01. bis zum 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres.



    3. Zeitguthaben/Zeitschuld



    (A) Für die in § 1 genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden Arbeitszeitkonten eingerichtet, mit denen Abweichungen der individuell geleisteten Arbeitszeit gegenüber der dienstvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit (Zeitdifferenzen) in einem Umfang bis zu einem höchstmöglichen Zeitguthaben von 50 % der vertraglich vereinbarten monatlichen Arbeitszeit (§ 2 Abs. 2 S. 3 MiLoG) festgehalten werden. Bei den auf dem Arbeitszeitkonto saldierten Arbeitszeiten handelt es sich um vertraglich vereinbarte Arbeitszeiten, nicht um Mehrarbeit oder Überstunden.



    (B) Die maximale Zeitschuld beträgt 50 Stunden.



    (D) Plusstunden, die dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden, sind bis zum erreichen der festgelegten max. Obergrenze keine zeitzuschlagspflichtigen Überstunden.



    (E) Minusstunden entstehen durch



    - unterschreiten der Dienstvertraglich vereinbarten Arbeitszeit



    - Wegfall von durch Dienstplan oder betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden



    - sonstige Entstehungsgründe



    4. Zeitausgleich



    (A) Plusstunden sollten möglichst in ganzen Arbeitstagen mit der üblichen Dienstplangestaltung reduziert werden.



    ...



    Die von der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2019 bis zum 31.07.2020 geleisteten 1.957,33 Rufbereitschaftsstunden ohne tatsächlichen Einsatz sind zunächst als ganze Stunden in das Zeitarbeitskonto eingepflegt und sodann mit dem Faktor 12,5 % multipliziert worden. Die Zeiten der innerhalb der Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten Dienste, welche hier nicht streitgegenständlich sind, sind als volle Stunden in das Arbeitszeitkonto eingetragen und sodann mit den faktorisierten Stunden der Rufbereitschaft monatsweise addiert worden.



    Am 01.01.2019 wies das Arbeitszeitkonto der Klägerin 58,59 Minusstunden auf. Trotz Zuordnung der mit 12,5 % faktorisierten 1.957,33 Rufbereitschaftsstunden ergab sich mit Wirkung vom 31.07.2021 - maßgeblich aufgrund der tatsächlich gewährten Freischichten - ein Bestand von 141,20 Minusstunden.



    Die Klägerin begehrt mit ihren am 13.07.2020 (Ansprüche aus 2019) und 03.09.2020 (Ansprüche aus 2020) bei Gericht eingegangenen und verbundenen Klagen - der Beklagten am 17.07.2020 bzw. am 04.09.2020 zugegangen - Auszahlung der geleisteten 1.957,33 Rufbereitschaftsstunden ohne tatsächlichen Arbeitsanfall. Die Klägerin hat die vorbenannte Stundenanzahl mit den Faktor 12,5 % umgerechnet und die sich ergebende Summe mit dem jeweiligen Stundensatz zzgl. eines Stundenzuschlages von 25 % - ausgehend vom jeweils gültigen Tabellenentgelt nach RTV - multipliziert. Daraus resultiert für das Jahr 2019 rechnerisch zutreffend ein Betrag in Höhe von 4.989,49 € und für das Jahr 2020 ein Betrag i. H. v. 1.522,17 €.



    Mit Urteil vom 14.01.2021 - berichtigt durch Beschluss vom 10.03.2021 - hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Vergütung der Rufbereitschaftszeiten, da diese in Freizeit ausgeglichen bzw. mit Minusstunden aus den Tagdiensten verrechnet worden seien. Zwischen den Betriebsparteien sei rechtswirksam eine Betriebsvereinbarung zur Einführung eines Jahresarbeitskontos abgeschlossen worden. Daran sei auch die Klägerin gebunden. Die arbeitsvertraglichen Regelungen der Parteien seien betriebsvereinbarungsoffen. Zwischen den Parteien seien keine ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Regelungen getroffen worden, die der Wirkung einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen würden. Eine gesonderte Berücksichtigung des Zuschlages von 25 % nach § 14 Abs. 2 RTV scheide bereits aufgrund der tatsächlichen Freizeitgewährung unmittelbar auf der Grundlage von § 14 Abs. 11 S. 3 i. V. m. Abs. 10 S. 3 RTV aus.



    Gegen diese am 09.02.2021 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 17.02.2021 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung der Klägerin nebst der - nach entsprechender gerichtlicher Fristverlängerung - am 13.04.2021 eingegangenen Berufungsbegründung.



    Die Klägerin behauptet, sie habe ihre Ansprüche für das Jahr 2019 mit Schreiben vom 29.06.2020 und für das Jahr 2020 mit Schreiben vom 19.08.2020 per Fax jeweils bei der Beklagten rechtzeitig geltend gemacht. Außerdem habe das Landesarbeitsgericht M-V anlässlich eines anderen Rechtsstreits zwischen den Parteien zum Az. 2 Sa 26/17 bereits rechtskräftig entschieden, dass tarifliche oder sonstige vertragliche Ausschlussfristen jedenfalls nicht rechtswirksam vereinbart seien. Dies mache sich die Klägerin zu eigen. Auch die rechtlichen Würdigungen des Arbeitsgerichts in der Sache selbst seien unzutreffend. Die von der Klägerin geleisteten Rufbereitschaftsstunden seien zu vergüten. Ein Freizeitausgleich sei nicht möglich, da die DRK-Arbeitsbedingungen grundsätzlich die Vergütungspflicht der Rufbereitschaft vorschreiben würden. Eine Verrechnung mit Minusstunden sei nicht zulässig. Ein Zeitarbeitskonto hätten die Parteien nicht wirksam vereinbart. Darüber hinaus sei der Arbeitsvertrag nicht betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Die DRK-Arbeitsbedingungen enthielten keine Regelungen zu Zeitarbeitskonten. Die Betriebsvereinbarung sei jedenfalls teilnichtig, da sie viele Regelungspunkte, die der DRK-Reformtarifvertrag vorschreibe, nicht regele. Zumindest sei das Arbeitszeitkonto nicht wirksam geführt worden, da es regelmäßig über 50 Minusstunden ausweise. Die Beklagte könne nicht berechtigt sein, der Klägerin so viele Minusstunden einzuplanen, dass sie diese regelmäßig durch Rufbereitschaft ausgleichen müsse. Jedenfalls habe das Arbeitsgericht unzutreffend die Klage insgesamt abgewiesen. Selbst wenn man der Urteilsbegründung folgen wolle, dass nach § 14 Abs. 11 i. V. m. Abs. 10 S. 3 und 4 RTV eine Vergütungspflicht für Rufbereitschaftsdienste entfallen sei, wenn bis zum Ende des dritten Kalendermonats ein Ausgleich durch Freizeit erfolgt sei, habe das Arbeitsgericht die Klagen nicht insgesamt abweisen dürfen. Dies folge aus § 14 Abs. 2 RTV, wonach der Mitarbeiter neben seinem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung den Zeitzuschlag von 25 % erhalte. Insgesamt habe das Arbeitsgericht übersehen, dass die Buchung von Arbeitsentgelt für Rufbereitschaften als Arbeitszeit unter dem Vorbehalt einer Betriebsvereinbarung stehe. Die vorliegende Betriebsvereinbarung verhalte sich dazu nicht. Außerdem habe die Klägerin keine Rufbereitschaft geleistet, sondern vielmehr Bereitschaftsdienste erbracht. Von einer Rufbereitschaft könne lediglich dann ausgegangen werden, wenn Arbeitsleistungen nur im Ausnahmefall zu erbringen seien. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt. So sei die Klägerin 2019 zu insgesamt 101 Rufbereitschaftsdiensten herangezogen worden und habe in dieser Zeit 85,28 Aktivstunden geleistet.



    Die Klägerin beantragt,



    das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 14.01.2021 zum Az. 2 Ca 971/20 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,



    a) 4.989,48 € zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2020 sowie



    b) Weitere 1.522,17 € zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.07.2020 an die Klägerin zu zahlen.



    Die Beklagte beantragt,



    die Berufung zurückzuweisen.



    Die Beklagte ist der Auffassung, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien



    verfallen, da sie die Ausschlussfrist nach § 41 Abs. 1 RTV und hilfsweise die Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 DRK-Arbeitsbedingungen nicht eingehalten habe. Jedenfalls seien die Rufbereitschaftsstunden rechtskonform durch Freizeitgewährung ausgeglichen worden. Daraus folge ebenfalls, dass ein weiterer Zeitzuschlag von 25 % nach § 14 Abs. 2 RTV durch die Beklagte nicht an die Klägerin zu leisten sei. Diese Rechtsfolge ergebe sich unmittelbar aus dem Wortlaut nach § 14 Abs. 11 S. 3 i. V. m. Abs. 10 S. 3 RTV.



    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    Die zulässige und insbesondere frist- und formgerechte eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht begründet.



    Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf der Grundlage von Ausschlussfristen nicht verfallen (I). Jedoch ist die von der Klägerin erhobenen Zahlungsklage insgesamt nicht begründet (II). Deshalb hat die Klägerin als unterlegende Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, wobei Revisionszulassungsgründe nicht gegeben sind (III).



    I



    Abweichend von der erstinstanzlichen Entscheidung ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass vorliegt auf das Arbeitsverhältnis Ausschlussfristen nicht zur Anwendung gelangen.



    1. Die tarifliche Ausschlussfrist nach § 41 RTV ist bereits deshalb nicht einschlägig, weil die Parteien in § 3 Abs. 2 des Änderungsvertrages vom 22.06.2000 lediglich die tariflichen Vergütungsregelungen in Bezug genommen haben. Das heißt, die tarifliche Ausschlussfrist nach § 41 RTV ist zwischen den Parteien vertraglich nicht vereinbart und mithin nicht anwendbar (zutreffend LAG M-V v. 05.09.2017 - 2 Sa 26/17 -, juris, RdNr. 64, 65).



    2. Die Beklagte kann sich rechtlich nicht mit Erfolg auf die Ausschlussfrist nach § 65 DRK-Arbeitsbedingungen i. V. m. § 4 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 22.06.2000 berufen. Die Ausschlussfrist nach § 65 DRK-Arbeitsbedingungen ist nach Maßgabe der § 305 ff BGB rechtsunwirksam, weil sie sich einschränkungslos auf sämtliche Ansprüche bezieht. Damit steht die Ausschlussfrist nach § 65 DRK-Arbeitsbedingungen im unauflösbaren Widerspruch zu den zwingenden Regelungen zur Unzulässigkeit von Vereinbarungen über Verjährungsfragen aus § 202 BGB. Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Die Vorschrift ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatz dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden darf. § 276 Abs. 3 BGB entfaltet erst durch § 202 Abs. 1 BGB seine volle Wirksamkeit. Das Gesetz bezweckt einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. Deshalb verbietet § 202 Abs. 1 BGB nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers beziehen (LAG M-V vom 05.09.2017, a. a. O., juris, RdNr. 60, m. w. N.).



    Dieser Umstand führt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unmittelbar zur Rechtsunwirksamkeit von § 65 DRK-Arbeitsbedingungen. Denn insoweit besteht keine tarifliche Regelung. Vielmehr handelt es sich bei den DRK-Arbeitsbedingungen um einseitig vom Arbeitgeber bzw. seinem Dachverband vorgegebene Arbeitsbedingungen. Mithin haben die Parteien in § 4 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 22.06.2000 keine tariflichen Regelungen in Bezug genommen. Vielmehr haben die Arbeitsvertragsparteien damit die einseitigen - arbeitgeberseitigen - DRK-Arbeitsbedingungen durch "Rechtsgeschäft" vereinbart i. S. d. § 202 Abs. 1 BGB. Verstößt eine vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist gegen § 202 Abs. 1 BGB, so ist sie insgesamt rechtsunwirksam. Die Grundsätze der personalen Teilunwirksamkeit finden keine Anwendung (BAG vom 25.02.2021 - 8 AZR 171/19 -, juris RdNr. 68 ff).



    II



    Die Zahlungsklage der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin für die in der Zeit vom 01.01.2019 bis zum 31.07.2020 absolvierten Rufbereitschaftsstunden keine weitergehenden Zahlungsansprüche gegen die Beklagte beanspruchen kann. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die grundsätzlich vorgegebene Faktorisierung mit 12,5 % nach § 14 Abs. 11 S. 1, 1. HS RTV, als auch bezüglich des weiteren "Zeitzuschlages" von 25 % nach § 14 Abs. 11 S. 1, 2. HS i. V. m. § 14 Abs. 2 S. 2 e RTV (1). Ein Anspruch der Klägerin auf eine gesonderte und isolierte Vergütung des Zeitzuschlages von 25 % gem. § 14 Abs. 2 S. 2 e RTV besteht ebenfalls nicht (2).



    1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf - nochmaliger - Vergütung mit einer Faktorisierung von 12,5 % inkl. des weiteren Zeitzuschlages von 25 % für die in der Zeit vom 01.01.2019 bis zum 31.07.2020 geleisteten Rufbereitschaftsstunden gem. § 611BGB i. V. m. § 3 Abs. 2 des Änderungsvertrages vom 22.06.2000 i. V. m. § 14 Abs. 11 S. 1, 1. HS und Abs. 2 S. 2 e RTV.



    Denn insoweit ist gem. § 362 Abs. 1 BGB Erfüllung eingetreten.



    Gem. § 611 BGB ist der Arbeitnehmer zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Dieser Zahlungsverpflichtung ist die Beklagten auch im Hinblick auf die geleisteten Rufbereitschaftsstunden nachgekommen. Die Beklagte hat die Rufbereitschaftsstunden mit Zahlung der jeweiligen monatlichen Gehälter basierend und berechnet jeweils auf der Grundlage des vereinbarten Vollzeitarbeitsverhältnisses vergütet. Dieser Umstand ist im Grunde nach zwischen den Parteien auch unstreitig. Dies gilt ebenso für den Sachverhalt, dass in der Zeit von Januar 2019 bis Juli 2020 auch bei isolierter monatlicher Betrachtung keine Arbeitsleistungen in Überschreitung der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden durch die Klägerin erbracht worden sind. Die Beklagte hat die Klägerin mithin monatlich in der Zeit vom Januar 2019 bis Juli 2020 ausnahmslos unter Zugrundelegung der arbeitsvertraglichen 40-Stunden-Woche vergütet. Darüber hinausgehende und ggf. ebenfalls vergütungspflichtige Arbeitsleistungen bzw. Arbeitszeiten hat die Klägerin unstreitig nicht erbracht.



    Soweit die Klägerin offenbar meint, Zeiten der Rufbereitschaft nach § 14 Abs. 11 S. 1, 1. HS RTV seien im Rahmen der vertraglich geschuldeten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nicht anrechenbar bzw. verrechenbar, so vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Unter Beachtung der hier vorliegenden arbeitsvertraglichen, betrieblichen, tarifvertraglichen und gesetzlichen Gegebenheiten ist es der Beklagten grundsätzlich nicht verwehrt, die wöchentlich geschuldete Arbeitszeit von 40 Stunden auch auf der Grundlage von Rufbereitschaftsdiensten auszugestalten.



    Denn wenn - wie vorliegend unstreitig - die Ableistung von Rufbereitschaften zum Berufsbild des betroffenen Arbeitnehmers gehört, so kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts nach § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 106 GewO grundsätzlich im Rahmen der vereinbarten arbeitsvertraglichen Arbeitszeit auch die Ableistung von Rufbereitschaften anordnen, auch wenn dies im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich geregelt ist (BAG vom 25.04.2007 - 6 AZR 799/06 - juris, RdNr 16; BAG vom 16.10.2013 - 10 AZR 9/13 - juris, RdNr 23, 24; jeweils m. w. N.).



    Dem widersprechende vertragliche oder kollektivrechtliche Regelungen sind vorliegend nicht gegeben.



    Der Änderungsvertrag vom 22.06.2000 enthält keinerlei Regelungen, die eine Anrechnungsmöglichkeit von Rufbereitschaftszeiten auf die wöchentlich geschuldete Arbeitszeit von 40 Stunden verbieten bzw. auf einen entsprechenden Willen der Parteien hindeuten könnten.



    Dies gilt ebenso für die "Betriebsvereinbarung Arbeitszeitkonto" vom 29.04.2015. Auch die Regelungen in §§ 13 bis 15 RTV lassen an keiner Stelle eine entsprechende Einschränkung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach § 106 GewO i. V. m. § 611 BGB erkennen. § 15 RTV lautet - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:



    § 15 Arbeitszeitkonto



    (1) Dem DRK steht es frei, für die Mitarbeiter eines Betriebes oder einzelner Betriebsteile Arbeitszeitkonten einzurichten. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, erfolgt die Ausgestaltung durch eine Betriebsvereinbarung, andernfalls durch Tarifvertrag auf der Ebene der Landestarifgemeinschaft/Landesbezirke. Soweit ein Arbeitszeitkorridor (§ 12 Abs. 10) oder eine Rahmenzeit (§ 12 Abs. 11) vereinbart wird, ist ein Arbeitszeitkonto einzurichten.



    (2) Auf das Arbeitszeitkonto können Zeiten, die bei Anwendung des nach § 12 Abs. 2 festgelegten Zeitraums als Zeitguthaben oder als Zeitschuld bestehen bleiben, nicht durch Freizeit ausgeglichene Zeiten nach § 14 Abs. 2 S. 6 und Abs. 6 sowie in Zeit umgewandelte Zuschläge nach § 14 Abs. 2 S. 5 gebucht werden. Weitere Kontingente (z. B. Rufbereitschafts-/Bereitschaftsdienst-Entgelt) können durch Betriebsvereinbarung zur Buchung freigegeben werden.



    (3) ....



    Mithin ergeben sich auch auf der Grundlage des § 15 RTV - die Anwendbarkeit auf das Arbeitsverhältnis unterstellt - keine Regelungsinhalte, die einer Berücksichtigung von Rufbereitschaftszeiten inkl. der in § 14 Abs. 2 S. 2 e RTV vorgesehenen Zeitzuschläge auf die wöchentlich geschuldete Arbeitszeit entgegenstehen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die tarifliche Regelung nach § 15 Abs. 2 S. 1 RTV. Denn der gesonderte Zeitzuschlag von 25 % nach § 14 Abs. 2 S. 2 e RTV wird von dieser Regelung nicht erfasst.



    Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist die von den Parteien aufgeworfene Frage zur Rechtswirksamkeit der "Betriebsvereinbarung Arbeitszeitkonto" vom 29.04.2015 nicht entscheidungserheblich und kann offen bleiben. Dies gilt ebenso für die von den Parteien diskutierte Frage, ob die Beklagte das Arbeitszeitkonto der Klägerin ordnungsgemäß führt bzw. der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag betriebsvereinbarungsoffen ist.



    Insgesamt ist abschließend zur Klarstellung festzuhalten, dass der von der klagenden Partei insbesondere nochmals auch in der mündlichen Verhandlung vom 23.07.2021 erhobene Vorwurf, die Beklagte weise der Klägerin ein zu geringes Arbeitsvolumen während der regulären Arbeitszeiten von Montag bis Freitag in der Anästhesie und ein zu großes Volumen an Rufbereitschaftszeiten jeweils im Vergleich zu den Kolleginnen und Kollegen zu, unter Berücksichtigung des hier gegebenen Sach- und Streitstandes keine Frage der geschuldeten Vergütung durch die Beklagte im Sinne des § 611 BGB darstellt. Vielmehr ergibt sich insoweit die Rechtsfrage, ob die Beklagte das ihr nach § 106 GewO zustehende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat, bzw. ausübte. Dies ist aber unter Beachtung der von der Klägerin gestellten Anträge und des diesbezüglichen Sachvortrages der Parteien nicht Gegenstand des vorliegenden (Zahlungs-) Rechtsstreits.



    2. Die Klägerin verfügt ebenfalls nicht über zusätzliche, isolierte Zahlungsansprüche gem. § 611 BGB i. V. m. § 3 Abs. 2 des Änderungsvertrages vom 22.06.2000 auf der Grundlage des in § 14 Abs. 2 S. 2 e RTV geregelten zusätzlichen "Zeitzuschlages" von 25 %.



    Das Arbeitsgericht hat unwidersprochen festgestellt, dass die jeweils durch die Klägerin geleisteten Rufbereitschaftszeiten in dem Zeitraum von Januar 2019 bis Juli 2020 ausnahmslos innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten durch Freizeit ausgeglichen worden sind. Daraus hat das Arbeitsgericht rechtsfehlerfrei geschlussfolgert, dass damit die Grundlage für eine gesonderte Vergütung gem. § 14 Abs. 11 S. 3 i. V. m. Abs. 10 S. 3 RTV entfallen ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dem der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 1 RTV nicht entgegen. Die dortige Formulierung "neben" bedeutet lediglich, dass die "Zeitzuschläge" nach § 14 Abs. 2 S. 2 RTV zusätzlich zum Arbeitsentgelt zu veranschlagen sind, aber nicht unabhängig davon. Dies wiederum folgt für den Bereich der Rufbereitschaftszeiten unmittelbar aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 11 S. 1 RTV. Danach wird die Zeit der Rufbereitschaft zum Zweck der Vergütungsberechnung mit 12,5 % als Arbeitszeit gewertet und (!) mit der Rufbereitschaftsdienstvergütung gem. Abs. 2 e vergütet. Das heißt, die Vorgaben nach § 14 Abs. 11 S. 3 i. V. m. Abs. 10 S. 3 RTV beziehen sich auf die gesamte "Rufbereitschaftsdienstvergütung" inklusive des "Zeitzuschlages" nach Abs. 2 S. 2 e und gerade nicht lediglich auf die Faktorisierung mit 12,5 % nach § 14 Abs. 11 S. 1, 1. HS RTV.



    Nach alle dem ist wie erkannt zu entscheiden.



    III



    Die Klägerin trägt als unterlegende Partei die Kosten des Berufungsverfahrens.



    Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.

    Vorschriften§ 124 SGB IX, § 2 Abs. 2 S. 1 MiLoG, § 2 Abs. 2 S. 3 MiLoG, § 14 Abs. 2 RTV, § 41 Abs. 1 RTV, § 41 RTV, § 305 ff BGB, § 202 BGB, § 202 Abs. 1 BGB, § 276 Abs. 3 BGB, § 14 Abs. 11 S. 1, 1. HS RTV, § 14 Abs. 2 S. 2 e RTV, § 611BGB, 1. HS, Abs. 2 S. 2 e RTV, § 362 Abs. 1 BGB, § 611 BGB, § 611 Abs. 1 BGB, § 106 GewO, §§ 13 bis 15 RTV, § 15 RTV, § 15 Abs. 2 S. 1 RTV, § 14 Abs. 2 S. 1 RTV, § 14 Abs. 2 S. 2 RTV, § 14 Abs. 11 S. 1 RTV