· Fachbeitrag · Ausschlagung
Wirkung einer Erbschaftsausschlagung durch Betreuer vor betreuungsrechtlicher Genehmigung
von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar
| Das OLG Karlsruhe hatte über die Wirksamkeit einer Ausschlagung der Erbschaft durch einen Betreuer zu entscheiden, bevor das Betreuungsgericht darüber entschieden hat. |
Sachverhalt
Die verwitwete Erblasserin hatte durch ein notarielles Testament im Jahr 2020 ihre Nichte und ihren einzigen Sohn als alleinige Erben eingesetzt. Für den Sohn wurde am 2.9.21 eine zunächst vorläufige Betreuung mit dem Aufgabenkreis „Ausschlagung der Erbschaft“ bis zum 1.3.22 eingerichtet und dessen Ehefrau zur Betreuerin bestellt. Nach dem Tod der Erblasserin hat diese als Betreuerin mit notariell beglaubigter Erklärung vom 6.9.21 die Erbschaft für ihren Ehemann ausgeschlagen und dabei mitgeteilt, dass vom Anfall der Erbschaft seit dem 9.8.21 Kenntnis bestehe.
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 7.9.21, eingegangen am 8.9.21 beim Nachlassgericht, hat die Ehefrau des Sohnes die öffentlich beglaubigte Ausschlagungserklärung eingereicht und mitgeteilt, dass bereits parallel die aufgrund der Betreuung erforderliche Genehmigung der Erklärung der Ausschlagung beim Betreuungsgericht beantragt worden sei.
Die Nichte der Erblasserin hat mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27.1.23 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins auf der Grundlage des Testaments beantragt.
Mit dem seit 26.9.23 rechtskräftigen Beschluss des Betreuungsgerichts beim AG Lahr wurde der Ehefrau des Sohnes als dessen Betreuerin die Genehmigung zu der von ihr am 6.9.21 erklärten Ausschlagung der Erbschaft erteilt. Mit Schriftsatz vom 29.9.23, dem Nachlassgericht vorab per beA übermittelt und am 2.10.23 postalisch dort eingegangen, hat die Verfahrensbevollmächtigte des Sohnes die Ausfertigung des Beschlusses mit Rechtskraftvermerk übermittelt.
Die Nichte hat trotz der zwischenzeitlich erteilten Genehmigung der Ausschlagung an ihrem Erbscheinsantrag festgehalten und dabei die Auffassung vertreten, die Erklärung der Ausschlagung sei verspätet. Hilfsweise hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 7.2.24 die (hilfsweise) zur Erteilung eines Alleinerbscheins erforderlichen Tatsachen festgestellt und den Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Ausschlagung fristgerecht erfolgt sei.
Gegen diese Entscheidung hat die Nichte Beschwerde eingelegt, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat. Es hat die Beschwerde sodann dem OLG zur Entscheidung vorgelegt, das die Beschwerde zurückgewiesen hat (OLG Karlsruhe 22.7.24, 14 W 28/24 (Wx), Abruf-Nr. 246114).
Entscheidungsgründe
Zur Begründung hat das OLG ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins, der Nichte und Sohn als Miterben ausweise, nicht vorlägen, weil der Anfall der Erbschaft an den Sohn gemäß § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt gelte, denn dieser habe die Erbschaft wirksam ausgeschlagen. Die Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB sei gewahrt. Sie habe nach § 1944 Abs. 2 S. 1 u. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Sohn als pflichtteilsberechtigter Erbe von dem Anfall und Grund der Berufung Kenntnis erlangt habe, begonnen. Dies sei der 9.8.21 gewesen, weil an diesem Tag das Schreiben des Nachlassgerichts mit dem Testament samt Eröffnungsprotokoll im Briefkasten des Sohnes vorgefunden worden sei. Die Ausschlagungserklärung vom 6.9.21 sei beim Nachlassgericht am 8.9.21 und damit innerhalb der sechswöchigen Frist des § 1944 Abs. 1 BGB eingegangen.
Die Erklärung sei allerdings wegen der noch ausstehenden betreuungsgerichtlichen Genehmigung zunächst schwebend unwirksam gewesen. Die Unwirksamkeit sei nicht dadurch geheilt worden, dass die Genehmigung innerhalb der regulären sechswöchigen Ausschlagungsfrist entsprechend § 1945 Abs. 3 S. 2 BGB beim Nachlassgericht nachgereicht worden wäre. Denn sie sei vom Betreuungsgericht erst mit dem seit dem 26.9.23 rechtskräftigen Beschluss vom 6.9.23 erteilt worden und beim Nachlassgericht sodann erst vorab am 29.9.23 über das besondere elektronische Anwaltspostfach und auf dem Postweg am 2.10.23 eingegangen.
Die Hemmung ende mit Rechtskraft des Beschlusses über die Erteilung der Genehmigung, vorliegend am 26.9.23. Da die Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, Art. 229 § 54 EGBGB, für genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte bzw. laufende Genehmigungsverfahren keine Sonderbestimmungen enthalte, finde das neue Recht ab dem Inkrafttreten der Reform am 1.1.23 für die Erteilung der Genehmigung durch das Gericht Anwendung, und zwar unabhängig davon, wann das genehmigungspflichtige Rechtsgeschäft vorgenommen bzw. das Genehmigungsverfahren eingeleitet worden ist.
Zum Zeitpunkt der Einreichung der Ausschlagungserklärung durch die zu diesem Zeitpunkt wirksam bestellte Betreuerin des Sohnes am 6.9.21 sei die Sechswochenfrist nach § 1944 Abs. 2 BGB noch nicht abgelaufen gewesen. Die Wirksamkeit der Ausschlagung sei bereits kraft Gesetzes mit Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses eingetreten, § 1858 Abs. 3 S. 2 BGB und es habe keiner weiteren Handlungen mehr bedurft, um die Wirksamkeit der Ausschlagung herbeizuführen. Es sei ausreichend, wenn die erforderliche Genehmigung vor dem Ablauf der Frist beantragt wurde (BT-Drs. 19/24445, 292).
PRAXISTIPP | Da lediglich gesetzliche, nicht auch vom Gericht gesetzte Fristen gehemmt werden können, ist der Lauf solcher Fristen (z. B. die vom Rechtspfleger eines Grundbuchamtes gesetzte Frist) nicht kraft Gesetzes gehemmt. In diesem Fall muss der Betreuer notfalls Fristverlängerung beantragen und ggf. gegen deren Ablehnung vorgehen. |